Lebensdaten
1878 – 1959
Geburtsort
Kolberg (Pommern)
Sterbeort
(Ost-)Berlin
Beruf/Funktion
Pädagoge
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 118589512 | OGND | VIAF: 74158797
Namensvarianten
  • Oestreich, Paul
  • Oestreich, Paul Herm. Aug.
  • Oestreich, Paul Hermann August

Objekt/Werk(nachweise)

Verknüpfungen

Von der Person ausgehende Verknüpfungen

Personen im NDB Artikel

Verknüpfungen zu anderen Personen wurden aus den Registerangaben von NDB und ADB übernommen und durch computerlinguistische Analyse und Identifikation gewonnen. Soweit möglich wird auf Artikel verwiesen, andernfalls auf das Digitalisat.

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Oestreich, Paul, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118589512.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V N. N., Tischlermeister.

  • Biographie

    O. studierte nach dem Besuch des Kolberger Realgymnasiums 1896-1900 in Greifswald und Berlin Mathematik, Physik und Chemie für den höheren Schuldienst. Seit 1905 wirkte er als Studienrat in Berlin-Schönefeld. Politisch schloß er sich dem Nationalsozialen Verein und der Freisinnigen Vereinigung um Friedrich Naumann an, die er 1906-08 im Berliner Stadtrat vertrat, dann der Demokratischen Vereinigung. Seine Kriegserlebnisse ließen ihn zum aktiven Pazifisten werden. Er wurde Mitglied des „Bundes neues Vaterland“ (der späteren „Deutschen Liga für Menschenrechte“); 1921-26 war er Vorstandsmitglied der „Deutschen Friedensgesellschaft“, 1918-31 gehörte er der SPD an. Am 18.9.1919 gründete O. als Reaktion auf den zwischen den Koalitionsparteien SPD und Zentrum ausgehandelten „Weimarer Schulkompromiß“, der den Bestand der Bekenntnisschule neben der weltlichen Schule sicherte, den „Bund Entschiedener Schulreformer“ und leitete ihn bis zu dessen Auflösung durch die Nationalsozialisten 1933. Nach deren Machtübernahme wurde er zwei Monate inhaftiert und anschließend aus dem Schuldienst entlassen. 1945-49 als Hauptschulrat in Berlin-Zehlendorf tätig, war O. zwar maßgebend an der Vorbereitung des Berliner Schulgesetzes beteiligt, konnte jedoch seine idealistischen Vorstellungen nur ansatzweise durchsetzen. Seit 1945 Mitglied der KPD, seit 1946 der SED, wurde er 1949 Dezernent der 29 höheren Schulen in Ost-Berlin. Nachdem O. die vom Sowjetministerrat verliehene Auszeichnung „Verdienter Lehrer des Volkes“ angenommen und sich in|einem Flugblatt, das in seinem Wohnort Zehlendorf verbreitet wurde, prosowjetisch geäußert hatte, wurde ihm im Herbst 1954 die Rente als ehem. politisch Verfolgtem gesperrt. Daraufhin übersiedelte O. nach Ost-Berlin.

    Der „Bund Entschiedener Schulreformer“, der Prinzipien einer 1911 von Heinrich Schulz (1872–1932) entwickelten sozialistischen Schulreform aufgriff, strebte die Demokratisierung des Schul- und Bildungswesens sowie die staatliche Einheitsschule an, insbesondere eine radikale Revision der Lehrpläne in demokratisch-republikanischem Sinne und ferner eine Reduzierung der Kernfächer zugunsten von Neigungsfächern sowie die Aufhebung des starren Klassensystems durch ein flexibles Kurssystem, die Koedukation der Geschlechter sowie Schulgeld- und Lernmittelfreiheit. O., der in Technisierung und Automatisierung, in sozialer Ungerechtigkeit und Militarismus die Gefahr der Entmenschlichung erkannte und davon überzeugt war, daß die Geschichte im positiven Sinne mehr durch eine Erziehung zu einem kreativen, selbstbewußten und selbstbestimmten Menschen zu beeinflussen sei als durch politische und wirtschaftliche Revolutionen, forderte eine durch Lehrer, Schüler und Eltern selbstverwaltete „elastische Einheitsschule als Lebens- und Produktionsschule“. Diese sollte eine Vorschulerziehung in einem angegliederten Kindergarten, eine Differenzierung des Unterrichts ab der 5. Klasse und eine zwei- bis dreijährige Oberstufe, die er als „Berufsschule“ bezeichnete, umfassen und die intellektuelle, technisch-manuelle und künstlerische Veranlagung des Jugendlichen sowie sein soziales Bewußtsein gleichermaßen fördern und entwickeln. Während O.s schulpolitische Konzepte in der DDR nur insofern Anklang fanden, als sie eine Nähe zu Marx erkennen ließen, gewannen sie in Westdeutschland Ende der 60er Jahre während des Kampfes um die Einheitsschule Aktualität.|

  • Auszeichnungen

    Dr. phil. h. c. (Greifswald 1948).

  • Werke

    Die Einheitsschule als Schule d. Menschenbildung, 1920;
    Die elast. Einheitsschule, Lebens- u. Produktionsschule, 1921, ²1923;
    Die Schule zur Volkskultur, 1922, ²1947;
    Der dt. Schulkampf im 20. Jh., 1925;
    Der neue Lehrer, 1926 (mit O. Tacke);
    Autobiogr., in: Pädagogik in Selbstdarstellungen 1, 1926, S. 139-77 (W, P);
    Großstadt u. Erziehung, 1927 (mit W. Hoepner);
    Aus d. Leben e. pol. Pädagogen, 1928, ²1947;
    Erziehung zur Liebe, 1930 (mit E. Dehmel);
    Frauenbildung u. Kultur, 1930 (mit I. Bahr u. E. Hoepner);
    Der Einbruch d. Technik in d. Pädagogik, 1930;
    Die Technik als Luzifer d. Pädagogik, 1947. – Hg.: Entschiedene Schulreform, 1920;
    Menschenbildung, 1922;
    Strafanstalt oder Lebensschule? Erlebnisse u. Ergebnisse z. Thema Schulstrafe, 1922;
    Bausteine z. neuen Schule, Vorschläge Entschiedener Schulreformer, 1923;
    Die Produktionsschule als Nothaus u. Neubau, 1924;
    Das Kleinkind, Seine Not u. seine Erziehung, 1932. – Mithg.: Die Neue Erziehung, Mschr. f. Entschiedene Schulreform u. freiheitl. Schulpol., 1919-32.

  • Literatur

    K. Kessle, Päd. Charakterköpfe, ⁴1925;
    W. Ganzenmüller, Utopie u. Wirklichkeit b. P. O., in: Neue Bahnen 3, 1928;
    FS P. O., 1948 (P);
    Gesch. d. dt. Arbeiterbewegung, 1970, S. 352-54;
    W. Böhm u. R. Erben, P. O., 1971 (W, L);
    W. Böhm, Kulturpol. u. Pädagogik P. O.s, 1973;
    B. Reintges, P. O. u. d. Bund Entschiedener Schulreformer, 1975, ²1977;
    H. Möller, in: Gedenktage d. mitteldt. Raumes, 1978, S. 75 f. (W, L);
    I. Neuner, Der Bund Entschiedener Schulreformer 1919-1933, 1980;
    Ch. Rajewsky u. D. Riesenberger, Wider d. Krieg, Gr. Pazifisten, 1987 (P);
    J. Neupert, in: Biogr. Lex. z. Weimarer Rep., 1988, S. 242 f. (W, L);
    A. Bernhard u. J. Eierdanz (Hg.), Der Bund d. Entschiedenen Schulreformer. Eine verdrängte Tradition dem. Pädagogik u. Bildungspol., 1992;
    R. Lütgemeier-Davin, in: Demokratische Wege (L, P);
    Rhdb.;
    Lex. d. Päd. II.;
    Hdb. d. dt. Bildungsgesch. V, 1989.

  • Autor/in

    Franz Menges
  • Zitierweise

    Menges, Franz, "Oestreich, Paul" in: Neue Deutsche Biographie 19 (1999), S. 464-465 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118589512.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA