Lebensdaten
1889 – 1936
Geburtsort
Mönchengladbach
Sterbeort
Remagen/Rhein
Beruf/Funktion
Arbeiterdichter
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118572024 | OGND | VIAF: 50017602
Namensvarianten
  • Lersch, Heinrich

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Zitierweise

Lersch, Heinrich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118572024.html [18.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Matthias (1843–1926), Kesselschmied, S d. Kesselschmieds Heinrich Joseph u. d. Margareta Eck;
    M Maria Joh. (1861–1927), T d. Buchhalters Peter Carl Hubert Cloeren u. d. Rosalie Luise Eugenie Stoll;
    1918 Erika, T d. Fabr. u. Ing. Köchlin;
    2 S.

  • Biographie

    L. wurde bereits als Kind zu Arbeiten in der Kesselschmiede seines Vaters herangezogen. Der Familienbetrieb, in dem zeitweilig alle 5 Söhne mitarbeiten mußten, war der sich entwickelnden industriellen Produktion nicht gewachsen und war ständig vom Bankerott bedroht. Die kleinbürgerlich-handwerklichen Verhältnisse seines Elternhauses prägten L., unüberbrückbare Spannungen zwischen den Eltern belasteten das Kind stark, häufige Umzüge verhinderten engere freundschaftliche Bindungen zu anderen Jungen. L. trat nach dem Besuch der Volksschule in die Werkstatt des Vaters ein. Die harte körperliche Arbeit überforderte die schwache Konstitution des Knaben, der sich als 18jähriger eine lebensgefährliche Lungenerkrankung zuzog, von der er sich nie ganz erholte. 1909 schloß er die Lehre bei seinem Vater ab; noch im selben Jahr trieben ihn die familiären Auseinandersetzungen aus dem Haus. In Duisburg, Ruhrort und Köln arbeitete er in einem Schrottlager, auf einer Werft sowie in einer Fabrik. Dabei erlebte er die Maschine als Befreiung von versklavender Werkstattarbeit. Aus den sozialen und politischen Auseinandersetzungen innerhalb der Abeiterschaft suchte er sich herauszuhalten. Seine anschließende Wanderschaft durch Belgien und die Niederlande, Norddeutschland, Pommern und Schlesien, schließlich nach Österreich und Italien hatte mit der traditionellen Ausbildung der Gesellen nichts gemein. L. lebte von Gelegenheitsarbeiten, vagabundierte und bettelte. Die Wiener Arbeiterzeitung brachte im Jan. 1913 sein erstes Gedicht, im folgenden Jahr erschien die erste Lyrik-Sammlung („Abglanz des Lebens“). Erste Kriegsgedichte schrieb L. bereits vor der Einberufung. Sie verliehen der deutschen Kriegsbegeisterung prägnanten Ausdruck und machten den Autor in kürzester Zeit bekannt. Die sozialintegrative Tendenz dieser Gedichte und den propagandistischen Wert eines Arbeiterdichters als Sprecher des ganzen Volkes erkannte vor allem Julius Bab, der mit L.s „Soldaten-Abschied“ (1914 von O. Breve vertont) programmatisch seine 12bändige Anthologie „Der Deutsche Krieg im Deutschen Gedicht“ (1914-18) gemeinsam mit E. Lissauers „Vorspruch“ eröffnete. L. selbst sammelte seine Kriegsgedichte in 10 Heften (1915–19).

    Wegen einer Erkrankung konnte L. sich nicht unmittelbar zu Kriegsbeginn als Freiwilliger melden. Er erhielt seit Nov. 1914 eine Ausbildung beim Kölner Reserve-Infanterie-Rgt. Nr. 65, kam im Febr. 1915 an die Westfront und machte die Schlußphase der Champagne-Schlacht mit. Er wurde verschüttet, kam ins Lazarett Hadamar und wurde dann einige Zeit für untergeordnete Tätigkeiten verwendet, bevor man ihn im Sommer 1916 als dienstuntauglich in die Heimat entließ. Dort trat er wieder in die väterliche Werkstatt ein und schrieb weiter Kriegsgedichte, die angesichts der erlebten Greuel und entsprechend der allgemein in Deutschland schwindenden Siegeshoffnung jedoch an Euphorie verloren und sich dem Leiden des Kriegs und der Soldaten beider Fronten öffneten. Nach seiner Heirat Ende 1918 veröffentlichte er die meist Liebesgedichte enthaltende Sammlung „Das ewige Weib“ (1919). In dieser proklamierte er eine Frauenemanzipation, die „das Weib zur Mannsgespielin“ erlösen sollte, „zur Mutter der Kinder, zur Schwester der Menschen“. Danach erschien fünf Jahre nichts mehr.

    L., der den Verfall des kleinbürgerlichen Handwerks unmittelbar erlebte, hat sich nach seinen Wanderungen weder sozial noch emotional dem Industrieproletariat eingliedern können oder wollen. Daran hinderte ihn neben seiner bürgerlichen Herkunft auch eine von der Mutter übernommene ausgeprägte Religiosität. Er hielt unverbrüchlich an einer geradezu erotischen Bindung ans Werkzeug und einer Arbeitsfrömmigkeit fest, die im Handwerklichen beheimatet blieb. Diese konservative Einstellung prägte die erste nach Kriegsende geschriebene Gedichtsammlung (Mensch im Eisen, 1925) und sein gesamtes späteres Werk.

    Die harte körperliche Arbeit in der vom Vater übernommenen Werkstatt ruinierte die bereits angegriffene Gesundheit so weit, daß L. 1925 seinen Beruf aufgeben und als freier Schriftsteller von Publikationen, Rundfunksendungen, Vorträgen und Lesungen leben mußte, die ihn mehrfach auf größere Reisen durch das gesamte Reichsgebiet führten. Je weiter er sich als Schriftsteller der unmittelbaren Produktionssphäre entfremdete, desto intensiver erarbeitete er einen Arbeitsmythos, in dem der einzelne heroisch und letztlich immer wieder siegreich den Gewalten der Industrie ein gestaltetes Werk abtrotzt. – Mit dem Honorar für die Gedichtsammlung „Mensch im Eisen“ finanzierte L. einen längeren Aufenthalt in Capri (1926), um seine Gesundheit wieder herzustellen. Bis 1931 reiste er viermal nach Anacapri, ohne allerdings die erhoffte Heilung zu finden. Unter dem Publikationszwang des freien Schriftstellers begann er nun, auch Prosa-Arbeiten zu veröffentlichen: 1926 Szenen aus dem Familienleben („Manni, Geschichten von meinem Jungen“), und Reiseberichte („Capri“), 1927 Erzählungen („Der grüßende Wald“), 1930 einen Roman mit starken autobiographischen Elementen („Hammerschläge“); daneben Aufsätze, Vorträge und weitere Gedichtbände.

    Während der Weimarer Republik hielt L. sich vom politischen Leben weitgehend fern, schloß sich aber bereits 1933 dem Nationalsozialismus an, wurde 46jährig „Pressewalter“ im Jungvolk und unterstand als solcher dem 13jährigen Sohn (Fähnleinführer). Trotz zahlreicher Reisen zu Lesungen in Fabriken und Jugendlagern, vor Kriegsveteranen, in der Reichsführerschule der HJ (Potsdam) und der Godesberger Führerinnenschule lebte L. in kärglichen Verhältnissen, an denen auch die Aufnahme in die Deutsche Dichter-Akademie und die Verleihung des Rhein. Literaturpreises (beides 1935) nichts änderten.

    L. ist vor allem Lyriker und überzeugt besonders, wo er aus eigenem Erleben schreibt. Den Versuch, mit dem Roman „Siegfried“ diese Begrenzungen zu überschreiten, führte er nicht zu Ende; seine übrige Prosa blieb weitgehend unbeachtet. In den Gedichten der Frühzeit bevorzugte er klar gegliederte Vers- und Strophenformen, gern auch in Balladenart, in „Mensch im Eisen“ (1925) erweiterte er seine Verse bis zu fast prosaischen Langzeilen. Sprachlich waren L.s Möglichkeiten jedoch von relativ geringer Variationsbreite. Zwischen den zentralen Themen von L.s Lyrik, Krieg und Arbeit, stand vermittelnd ein diffuser Volksbegriff. Dessen ideeller Kollektivismus war der Grund, weshalb L. längst vor 1933 konzipierte Werke auch nachher noch ohne große Änderungen publizieren konnte.|

  • Auszeichnungen

    Kleist-Preis (1916).

  • Werke

    Weitere W Gedichte: Champagneschlacht, Gedichte aus d. Kriege, 1915;
    Herz! Aufglühe dein Blut, Gedichte im Kriege, 1916;
    Schulter an Schulter, 1916 (mit G. Engelke u. K. Zielke);
    Vergiß Du Deines Bruders Not, Arbeitergedichte, 1917;
    Deutschland! Lieder und Gesänge v. Volk u. Vaterland, 1918;
    Capri, Dichtungen, 1926;
    Stern u. Amboß, 1927;
    Mit brüderl. Stimme, 1934;
    Klinge hinaus, schlagender Schall, Dichtungen, 1934. -
    Erzz.: Mut u. Übermut, 1934;
    Wir Werkleute, Geschichten u. Gedichte, hrsg. v. Otto Metzker, 1934;
    Im Pulsschlag der Maschinen, Novellen, 1935. -
    Roman: Die Pioniere v. Eilenburg, Roman aus d. Frühzeit d. dt. Arbeiterbewegung, 1934. -
    Berr.: Mittelmeerreise, 1940;
    Zwischen Niederrhein u. Akropolis, 1940. -
    Ausgg.: Das dichter. Werk, Mensch im Eisen, Mit brüderl. Stimme, 1935;
    Briefe u. Gedichte aus d. Nachlaß, hrsg. v. Ch. Jenssen, 1939;
    Skizzen u. Erzz. aus d. Nachlaß, hrsg. v. dems., 1940;
    Siegfried u. a. Romane aus d. Nachlaß, hrsg. v. dems., Ausgew. Werke, hrsg. v. J. Klein, 2 Bde., 1985 f.;
    Mathias Ludwig Schroeder u. H. L., Briefwechsel, hrsg. v. H. Stangmeier u. E. Kraut, 1978. |

  • Nachlass

    Nachlaß: Dortmund, Inst. f. dt. u. ausländ. Arbeiterin.

  • Literatur

    J. Bab, H. L., der Sänger d. dt. Krieges, in: Die Hilfe 22, 1916, S. 15-17;
    K. Kraus, in: Die Fackel 18, 1916/17, Nr. 418-22, S. 42-44, Nr. 423-25, S. 21-23;
    V. Ecks, Die Arbeiterdichtung im rhein.-westfäl. Industriegebiet, Diss. Münster 1925;
    H. Pongs, Krieg als Volksschicksal im dt. Schrifttum, 1934;
    C. Weber, H. L., Dichter u. Arbeiter, 1936;
    F. Leschnitzer, Der Kessel-Versschmied, in: Internat. Lit. 6, 1936, H. 12, S. 132 f.;
    R. G. Binding, H. L. z. Ehr u. Gedächtnis, in: Das innere Reich 3, 1936/37, S. 39-41;
    E. Trunz, Die Volkwerdung d. Arbeitertums, H. L., in: Dt. Dichtung d. Gegenwart, 1937, S. 36-45;
    H. Eiserlo, H. L., ein Dichter d. schaffenden Volks, 1938;
    E. W. Balk, H. L., 1939;
    O. Gmelin, Chor der Freunde, Dichter zeugen f. Hein L., 1939;
    H. H. Schulz, Das Volkstumserlebnis d. Arbeiters in d. Dichtung v. G. Engelke, H. L. u. K. Bröger, 1940;
    F. Hüser, H. L., Kesselschmied u. Dichter 1889-1936, 1959 (W-Verz., L);
    I. Meidinger-Geise, in: Rhein. Lb. I, 1961, S. 224-43 (W, L. P);
    Lex. d. dt.sprach. Gegenwartslit., hrsg. v. H. Wiesner, 1981;
    Kosch, Lit.-Lex.

  • Porträts

    Zeichnung v. H. Nauen (Mönchengladbach, Städt. Mus.), Abb. b. Meidinger-Geise, s. L.

  • Autor/in

    Reinhart Meyer
  • Zitierweise

    Meyer, Reinhart, "Lersch, Heinrich" in: Neue Deutsche Biographie 14 (1985), S. 317-319 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118572024.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA