Lebensdaten
1873 – 1926
Geburtsort
Potsdam
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Politiker ; Journalist
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 118571583 | OGND | VIAF: 37708594
Namensvarianten
  • Lensch, Paul

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Zitierweise

Lensch, Paul, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118571583.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Albert, Geh. Rechnungsrat;
    M Pauline Sauer;
    Leipzig 1910 Martha (* 1885), T d. Privatmanns Carl Heinrich Schulze u. d. Emilie Lina Graichen;
    1 S (⚔).

  • Biographie

    L. studierte 1895-1900 Nationalökonomie in Berlin und Straßburg. 1895/96 leistete er seine Militärdienstpflicht in Berlin ab. 1900 promovierte er als Schüler von Gg. Frdr. Knapp in Straßburg mit dem Thema „Wandlungen in der Verfassung der Zuckerindustrie“ zum Dr. rer. pol. Bereits während seiner Schülerzeit hatte er sich intensiv mit Marx und Hegel beschäftigt. Durch die von Knapp vermittelte Erkenntnis der „Unerbittlichkeit ökonomischer Gesetze“ begeisterte er sich in zunehmendem Maße für den wissenschaftlichen Marxismus. Noch vor Abschluß seines Studiums schloß er sich der Sozialdemokratie an. Nach der Promotion begann er seine journalistische Tätigkeit bei der sozialdemokratischen „Freien Presse für Elsaß-Lothringen“ in Straßburg. Mehrere, volkswirtschaftlichen Studien dienende Auslandsreisen folgten. Dabei prägte ein längerer Englandaufenthalt seine negative Einstellung zum britischen „Herrenland“.

    1902 zog L. nach Leipzig und trat in die Redaktion der „Leipziger Volkszeitung“ ein, 1908-13 hatte er als Nachfolger von Franz Mehring die Chefredaktion des Blattes inne, das als Hauptorgan des revolutionären, streng marxistisch orientierten Flügels der SPD galt. Unter dem Einfluß von Mehring und Rosa Luxemburg entwickelte sich L. zum radikalen Marxisten, der in zahlreichen Artikeln und Vorträgen für einen revolutionären Marxismus und Internationalismus eintrat. Hauptthemen der Berichterstattung waren, neben der entschiedenen Ablehnung einer gewerkschaftlichen Anpassungspolitik und der Revisionismustheorien von Eduard Bernstein, die Analyse der Außenpolitik des Kaiserreichs und der Ursache der imperialistischen Weltwirtschaft. L., selbst entschiedener Kriegsgegner, war davon überzeugt, daß die Eroberungspolitik der Großmächte einschließlich Deutschlands zwangsläufig zum Krieg führen mußte. Dieser Krieg sollte von der vereinigten internationalen Arbeiterklasse genutzt werden, um durch eine Revolution dem Sozialismus in ganz Europa zum Siege zu verhelfen.

    1913 gab L. die hauptberufliche Tätigkeit als Journalist zugunsten seiner Arbeit als Reichstagsabgeordneter auf. Er war 1912 für den Wahlkreis 22 Sachsen, Reichenbach-Auerbach, in den Reichstag gewählt worden, dem er bis 1918 angehörte. Als die SPD bei Kriegsausbruch im August 1914 der Bewilligung der Kriegskredite durch den Reichstag zustimmte, zählte L. zu den 14 Abgeordneten in der Fraktion, die intern die Bewilligung ablehnten. Bald darauf schloß er sich aber den Kreditbefürwortern an. Für die meisten seiner Parteifreunde unbegreiflich, wechselte er vom äußersten linken Flügel zur nationalen Rechten in der Sozialdemokratie über. In seinen seit 1915 veröffentlichten|„Kriegsschriften“ versuchte er diesen Schritt zu begründen. Der Hauptgedanke dabei war, daß mit dem durch den Krieg verursachten Zusammenbruch der Internationale die Vorkriegs-SPD zu existieren aufgehört habe. Jetzt gelte es, den neuen politischen Gegebenheiten gerecht zu werden und den Klassenkampfgedanken zugunsten der nationalen Notwendigkeiten zurückzustellen. Er forderte von der Partei schärfste Abgrenzung gegenüber der linken Minderheit und eine Neufassung des Parteiprogramms im Hinblick auf die gestellten Kriegsaufgaben. Im Gegensatz zur Mehrheit der SPD, die durch den Kampf gegen das absolutistische Rußland zur Kriegsteilnahme motiviert wurde, war der Krieg für L. in erster Linie die Auseinandersetzung zwischen dem „fortschrittlichen“ Deutschland und dem imperialistischen England, das durch seinen „rückständigen Kapitalismus“ den Sieg des Sozialismus verhindere. In Deutschland hätten sich mit der Allgemeinheit des Wahlrechts und der allgemeinen Schul- und Wehrpflicht unter dem Schutz einer machtvollen Monarchie bereits die Voraussetzungen für eine echte Demokratie gebildet. Sinn und Aufgabe des Krieges sei es, durch einen Sieg, der vom ganzen Volk errungen wurde, die Entwicklung zum demokratischen Staat zu vollenden und dem Sozialismus weltweit zum Siege zu verhelfen.

    Eine Bestätigung seiner Thesen sah L. in der Entstehung des „Kriegssozialismus“. Diese Theorie, als deren Mitbegründer er galt, sah in den staatlichen Rationalisierungs- und Bevormundungsmaßnahmen zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung einen Sieg „des sozialistischen Organisationsgedankens gegenüber privatwirtschaftlicher Anarchie“. Weitgehende Unterstützung fand L. bei einer Gruppe von SPD-Mitgliedern, die wie er vor dem Krieg eher dem linken Flügel zuzurechnen waren. Unter ihnen befanden sich der Soziologe und Wirtschaftstheoretiker Heinrich Cunow und der Journalist Konrad Haenisch. Zusammen mit Cunow, dem SPD-Reichstagsabgeordneten Heinrich Schulz (1872–1932) und dem Herausgeber der Gewerkschaftszeitung „Der Grundstein“ August Winnig gab L. 1915-17 die „Sozialdemokratische Artikelkorrespondenz“ heraus. Wirksamer in ihrer Publizität war die von dem russ. Sozialisten und Millionär Alexander Helphand 1915 gegründete Zeitschrift „Die Glocke“. In ihr fanden L., Haenisch und Cunow die Möglichkeit, ihre Vorstellungen und Theorien zu diskutieren. Weitere Mitarbeiter des mit indirekter finanzieller Unterstützung der Reichsregierung erscheinenden Blattes waren die SPD-Reichstagsabgeordneten Ludwig Quessel (1872–1931), Eduard David und der spätere Fraktionsvorsitzende im Preuß. Landtag Ernst Heilmann sowie führende Gewerkschaftsvertreter wie Winnig und Hugo Poetsch. „Die Glocke“ entwickelte sich während der Kriegsjahre zum „Sprachrohr“ des äußersten rechten Flügels der SPD, entfernte sich aber durch ihre rückhaltlose Unterstützung der Regierungspolitik immer weiter von der Mehrheit der Partei.

    1917, mit der Spaltung der SPD, wurde L. klar, daß sein Versuch, die Partei im Sinne seines „nationalen Sozialismus“ zu entwickeln, gescheitert war. Auf dem Parteitag in Würzburg, im Okt. 1917, sah er sich in eine Außenseiterposition abgedrängt. 1918 vertrat er noch zusammen mit dem Gewerkschaftsfunktionär Carl Giebel (1878–1930) die Revolutionsregierung bei der Obersten Heeresleitung, zog sich aber bald, enttäuscht vom Ausgang des Krieges und der Haltung der SPD, aus dem politischen Tagesgeschehen zurück und nahm eine ao. Professur für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Univ. Berlin an (1919-25).

    In einigen kleineren Schriften, die 1919/20 erschienen, unterstrich er noch einmal die Notwendigkeit einer straffen Staats- und Wirtschaftsorganisation als Grundlage für eine „sozialistische“ Gesellschaftsordnung und betonte die Unentbehrlichkeit des privaten Unternehmertums für die wirtschaftliche Neuordnung und den Wiederaufbau Deutschlands. 1921 nahm er seine journalistische Tätigkeit wieder auf, als er von dem Großindustriellen Hugo Stinnes in die Redaktion der in Berlin erscheinenden „Deutschen Allgemeinen Zeitung“ berufen wurde, deren Leitung er 1922-25 innehatte. Diese Zeitung, Bestandteil des Stinnes-Konzerns und Organ der Schwerindustrie, gab L. die Möglichkeit, seine Auffassung von Sozialismus als „Rationalisierung der Wirtschaft“ und seine immer schärfere Kritik an der SPD zu publizieren. L. wurde deswegen von Seiten der SPD heftig angegriffen und schließlich im Aug. 1922 wegen „ehrloser Gesinnung“ aus der Partei ausgeschlossen.

  • Werke

    Weitere W u. a. Wandlungen in d. Vfg. d. Zuckerindustrie, 1900;
    Sozialist. Lit., Zwei Vorträge, 1907;
    Die dt. Soz.demokratie u. d. Weltkrieg, Eine pol. Studie, 1915;
    Die Soz.demokratie, ihr Ende u. ihr Glück, 1916;
    Drei J. Weltrevolution, 1917;
    Am Ausgang d. dt. Soz.demokratie, 1919;
    Die pol. Kinderstube, Ein Buch d. Erziehung d. Deutschen z. Staatsbürger, 1920.

  • Literatur

    Johannes Fischart (d. i. Erich Dombrowski), in: J. Fischart, Das alte u. d. neue System, 1919, S. 213-18;
    A. Winnig, in: Dt. Allg. Ztg. 65, Nr. 544 v. 23.11.1926;
    G. Beyer, P. L., Erinnerungen an e. Journalisten, in: Mitt. d. Ver. Arbeiterpresse 26, Nr. 260 v. 1.12.1926, S. 3 f.;
    H. Herzfeld, P. L., Eine Entwicklung vom Marxisten z. nat. Sozialisten, in: ders., Ausgew. Aufsätze, 1962, S. 87-138;
    R. Sigel, Die L.-Cunow-Haenisch-Gruppe, Eine Studie z. rechten Flügel d. SPD im 1. Weltkrieg, 1976;
    Kürschners Dt. Reichstag, 6. Ausg., 13. Legislaturperiode 1912–17, S. 306 (P);
    F. Osterroth, Biogr. Lex. d. Sozialismus I, 1960, S. 188 f.;
    Gesch. d. dt. Arbeiterbewegung, Biogr. Lex., 1970, S. 280 f.

  • Porträts

    1 Plakat „Soz.demokrat. Reichstags-Fraktion 1912“ im Archiv d. soz. Demokratie, Bonn;
    Vorwärts, Soz.demokrat. Wochenztg., Jg. (9) 81, Nr. 40 v. 5.10.1956, Jubiläumsausg. „80 J. Vorwärts 1876-1956“.

  • Autor/in

    Gisela M. Krause
  • Zitierweise

    Krause, Gisela M., "Lensch, Paul" in: Neue Deutsche Biographie 14 (1985), S. 215-217 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118571583.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA