Lebensdaten
1882 – 1975
Geburtsort
Prag
Sterbeort
Ahrensburg (Holstein)
Beruf/Funktion
Jurist ; Präsident des Bremer Staatsgerichtshofs
Konfession
lutherisch
Normdaten
GND: 118570188 | OGND | VIAF: 108852058
Namensvarianten
  • Laun, Rudolf Edler von
  • Laun, Rudolf
  • Laun, Rudolf von
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Zitierweise

Laun, Rudolf Edler von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118570188.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Anton Edler v. L. (österr. Adel 1892, 1843-1911), k. u. k. Oberst, S d. Anton in Kaaden (Egerland) u. d. Johanna Urban;
    M Elisabeth (1857–1927), T d. Franz Schneider (1805–82), Oberbergrat u. Prof. d. Bergrechts in P. (s. ADB 32; Sudetendt. Lb. III, 1934), u. d. Caroline Ruß (* 1818), Malerin;
    Ur-Gvm Karl Ruß (1779–1843), Historienmaler, 1. Kustos d. Gem.gal. im Belvedere in Wien (s. ThB);
    - Wien 1911 Margarete (1887–1982), T d. Otto Schäffler (1838–1928), Physiker, Mechaniker, Erfinder in Wien, Inh. d. Telegraphenbauanstalt in Wien, u. d. Anna Wolheyn;
    2 S Otto Rudolf (* 1914), Rechtsanwalt in Hamburg, Kurt (* 1918), Dir. d. Flughafens Frankfurt/M.

  • Biographie

    Nach Gymnasiumsbesuch (Pilsen, Prag, Görz) und Studium der Rechts- und Staatswissenschaften und der Philosophie in Wien und Paris wurde L. 1906 in Wien zum Dr. iur. promoviert und habilitierte sich dort 1908 mit einer vielbeachteten Arbeit über das freie Ermessen und seine Grenzen. Während der folgenden drei Jahre war er im österr. Handelsministerium tätig. 1911 erhielt er eine ao. Professur für Verwaltungslehre und Verwaltungsrecht an der Univ. Wien. Schon während des Kriegsdienstes übte er politisch wichtige Tätigkeiten aus. Seit 1915 arbeitete er gemeinsam mit Halvdan Koht in der „Organisation Centrale pour une Paix durable“. 1916 schied er als Hauptmann d. Res. aus, 1917 trat er in die Abteilung für Verfassungsrevision des Ministerratspräsidiums ein und war Delegationsmitglied und Referent für nationale Fragen auf den Konferenzen der Organisation Centrale in Oslo und Bern. 1919 war er Mitglied der österr. Friedensdelegation in St. Germain und nahm an der Berner Völkerbundskonferenz teil. Im Okt. 1919 wurde L. als Ordinarius für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an die neugegründete Univ. Hamburg berufen, deren Aufbau er während der folgenden Jahre seine Kraft widmete und an der er mehr als drei Jahrzehnte lehrte (Rektor 1924–26, 1947/48). 1922-33 war er Mitglied des Hanseat. Oberlandesgerichts und des Hamburg. Oberverwaltungsgerichts, 1927-33 stellvertretendes Mitglied des Staatsgerichtshofes für das Deutsche Reich, 1934/35 Visiting Professor an der University of Michigan in Ann Arbor (USA). Nach 1945 wurde L. die demokratische Umgestaltung der Univ. Hamburg ebenso zur besonderen Aufgabe wie die moralische Unterstützung der Heimatvertriebenen. 1949-55 war er Präsident des Brem. Staatsgerichtshofes, 1950 wurde er emeritiert, übte aber seine Lehrtätigkeit noch bis zum 83. Lebensjahr aus.

    L.s Lebenswerk umfaßt Philosophie (Rechtsphilosophie, Erkenntnistheorie), Völkerrecht und Staatsrecht. Als Rechtsphilosoph billigte er der positivistischen Rechtsauffassung das Verdienst der „Klarheit, Präzision und Rechtssicherheit“ zu, lehnte aber die Alleinherrschaft des Rechtspositivismus ab und vertrat in Weiterführung der Rechtsphilosophie Kants die Forderung, daß das Gesetzesrecht mit den autonomen Geboten der Sittlichkeit übereinstimmen müsse. Das Recht könne seine verpflichtende Kraft nicht aus der physischen Gewalt, sondern nur aus der Sittlichkeit schöpfen. L. stützte sein juristisches Werk seit Verkündung der Lehre von der Autonomie des Rechtes (Rektoratsrede 1924) auf eine eigene philosophische Grundlage, die er 1941 unter dem Titel „Der Satz vom Grunde, Ein System der Erkenntnistheorie“ veröffentlichte. In kritischer Würdigung der Erkenntnistheorien vor allem von Aristoteles, Leibniz, Christian Wolff, Crusius, Kant und Schopenhauer stellte er die Erkenntnisgründe oder Arten der Notwendigkeit des Erkennens den in den Einzelwissenschaften zu behandelnden Sachgründen gegenüber. Hierbei teilte er alle Erkenntnisgründe, d. h. alle denkbar letzten, nicht weiter auflösbaren Akte des Erkennens, durch drei kontradiktorische Gegensätze in vier Arten: „Unsere Erkenntnis ist entweder eine sinnliche oder eine geistige, die geistige betrifft entweder zeitlich umkehrbare oder zeitlich nicht umkehrbare Verknüpfungen, die zeitlich nicht umkehrbaren haben entweder ein Sein im engeren Sinne oder ein Sollen zum Gegenstand. Daraus ergeben sich vier Arten des Grundes|der Erkenntnis, und da jeder Art des Erkenntnisgrundes auch eine Art des Sachgrundes entspricht, vier Arten des Grundes überhaupt … Da die durch unsere Sinnesempfindung erkannte stoffliche Gegebenheit (der Stoff) nie abstrakt, sondern immer nur konkret in Raum und Zeit erlebt werden kann, umfaßt der Sachgrund des Stoffes auch Raum und Zeit. Hiernach ergeben sich vier Arten des Erkenntnisgrundes mit den dazugehörigen vier Arten des Sachgrundes.“ Mit dieser Einteilung der Erkenntnisgründe wurde zum ersten Male der Vollständigkeitsbeweis der Arten des Grundes unternommen.

    Aus dem „Geist eines philosophischen ethischen Idealismus“ erklärte L. die Gerechtigkeit als Verpflichtungsgrund des Rechtes. Um den ethischen Prinzipien der Gerechtigkeit und des Rechtsgefühls mehr Raum zu schaffen, forderte er nicht nur die Ausweitung des richterlichen Ermessens, sondern auch eine „Gewaltenteilung“ ganz neuer Art: 1. Rechtsgefühl der Völker, 2. Rechtsprechung, 3. Parlamente und Regierungen als Interessenvertreter des Staates. Ihm war klar geworden, daß die seit Montesquieu tradierte Lehre durch die faktische Gewichtsverschiebung, die sich mittlerweile in der ungeschriebenen Verfassungswirklichkeit vollzogen hatte, bereits ausgehöhlt war und ihre ursprüngliche Funktion der wechselseitigen Kontrolle und Gleichgewichtsbewahrung verloren hatte. Die Einsicht in die geschichtliche Wandelbarkeit der Normen, wie sie von der deutschen historischen Rcchtsschule nachgewiesen worden war, hat L. zur Neubegründung eines übergesetzlichen, auf der allgemeinen Sittlichkeit beruhenden Rechtes geführt. Er argumentierte, die historische Rechtsschule habe das „rationale Naturrecht“ des 18. Jahrhunderts abgelöst und widerlegt. Seitdem müsse anerkannt werden, daß das Rechtsgefühl durchaus geschichtlich bedingt und daher wandelbar sei. Diese historische Wandelbarkeit müsse sogar vom Gewissen gelten. Zwar könne das Sittengesetz selber als unveränderlich vorausgesetzt werden, aber die Erkenntnis des Sittengesetzes durch unser Gewissen und unser Rechtsgefühl sei durchaus von historischen Bedingungen bestimmt (Fortschritte seien möglich, „leider auch Rückschritte“). In diesem Sinne sei die Rückbesinnung auf ein um die geschichtliche Erfahrung bereichertes Naturrecht geboten. Es sei bereits ein Zeichen der Hoffnung, daß das Weltgewissen als politische Wirklichkeit durch die Haager Landkriegsordnung grundsätzlich anerkannt sei. Ein künftiger gewaltloser Friedensbund müsse zur Sicherung der Menchenrechte auch das Recht auf Selbstbestimmung und das Recht auf die angestammte Heimat anerkennen.

    L. vertrat von seinen österr. Anfängen her die „großdeutsche“ Auffassung, wobei auch Erwägungen des Völkerrechts und vor allem des Selbstbestimmungsrechts eine Rolle spielten. 1918/19 war es für ihn selbstverständlich, daß Deutsch-Österreich nach dem Zerfall der österr.-ungar. Monarchie nur durch Wiedervereinigung mit dem übrigen Deutschland eine Zukunft habe. In seiner Flugschrift „Zum Neuaufbau Deutsch-Österreichs und des Neuen Deutschland“ (1919) vertrat er leidenschaftlich den Anschluß-Gedanken. Nach 1945 wandte er sich gegen „zweierlei Völkerrecht“, wie es von den Siegern eingeführt worden sei, und wies in Referaten und Aufsätzen die These vom Untergang des Deutschen Reiches zurück. 1949 bekannte er sich in einer Hamburger Universitätsrede zum Schicksalszusammenhang der gesamtdeutschen Geschichte, ebenso in seiner Festrede beim Empfang des „Europ. Karlspreises der Sudetendeutschen Landsmannschaft“ (1962). L.s Wirken ist die frühe Wiederherstellung der deutschen Völkerrechtslehre nach dem 2. Weltkrieg zu verdanken. Er war erster Präsident und später Ehrenpräsident der 1949 wiederbegründeten Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht.|

  • Auszeichnungen

    Korr. Mitgl. d. Österr. Ak. d. Wiss.;
    Dr. rer. pol. h. c. (Innsbruck 1952), Dr. phil. h. c. (Hamburg 1956), Dr. iur. h. c. (Thessaloniki 1967).

  • Werke

    Weitere W u. a. Das Recht z. Gewerbebetrieb, 1908;
    Das freie Ermessen u. s. Grenzen, 1910;
    Die Internationalisierung d. Meerengen u. Kanäle, Ber., 1918;
    Dt.österreich im Friedensvertrag v. Versailles, 1921;
    Recht u. Sittlichkeit, Rektoratsrede, 1924, ³1935;
    Le régime international des ports, 1926;
    Les actes de gouvernement, 1930;
    Der Wandel d. Ideen Staat u. Volk als Äußerung d. Weltgewissens, 1933 (Internat. Preisschr.), ²1971 u. d. T. Staat u. Volk;
    La Démocratie, Essai sociologique, juridique et de politique morale, 1933 (P);
    Le pouvoir discrétionnaire, 1934;
    Stare decisis, The fundamentals and the significance of Anglo-Saxon Case Law, 1937, ²1947;
    Der Satz v. Grunde, Ein System d. Erkenntnistheorie, 1942, ²1956;
    Allg. Staatslehre im Grundriß, 1945, ⁹1964;
    Die Haager Landkriegsordnung, 1946, ⁵1950;
    Reden u. Aufsätze zu Völkerrecht u. Staatsrecht, 1947;
    Der dauernde Friede (Rektoralsrede), 1947, ³1961;
    Die Menschenrechte, 1948;
    Das Grundgesetz Westdtld.s, 1949, ²1951;
    Das Recht auf d. Heimat, 1951;
    Naturrecht u. Völkerrecht, 1954;
    Das Recht d. Völker auf d. Heimat ihrer Vorfahren, in:|Internat. Recht u. Diplomatie, 1958, S. 149;
    Das Recht d. Sudetendeutschen auf d. ererbte Heimat, in: Sudetendt. Ztg. v. 8.6.1962. -
    Hrsg.: Jb. f. internat. u. ausländ, öffentl. Recht, 1947 ff.;
    Archiv f. Rechts- u. Soz.phil., 1949 ff.;
    Internat. Recht u. Diplomatie, 1956 ff. -
    Mitarbeiter: Die Vertreibung d. dt. Bevölkerung aus d. Gebieten östl. d. Oder-Neisse = Dokumentation d. Vertreibung d. Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, hrsg. v. Bundesmin. f. Vertriebene, I, 1954-60.

  • Literatur

    Festschr. z. 65. Geb.tag, hrsg. v. G. C. Hernmark, 1948, Neudr. 1981 (P);
    Gegenwartsprobleme d. Internat. Rechts u. d. Rechtsphilosophie, Festschr. z. 70. Geb.tag, hrsg. v. D. S. Constantopoulos u. H. Wehberg, 1953 (P);
    Festschr. z. 80. Geb.tag, hrsg. v. d. Forschungsstelle f. Völkerrecht, 1963;
    Festschr. z. 90. Geb.tag, hrsg. v. B. Meissner u. E. Tomson (= Internat. Recht u. Diplomatie, Jg. 1972, W-Verz.).

  • Porträts

    Ölskizze v. M. H. Mahlmann, 1949 (in Fam.-bes.).

  • Autor/in

    Georg Stadtmüller
  • Zitierweise

    Stadtmüller, Georg, "Laun, Rudolf Edler von" in: Neue Deutsche Biographie 13 (1982), S. 715-717 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118570188.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA