Lebensdaten
1631 – 1707
Geburtsort
Komorn (Ungarn)
Sterbeort
Wien
Beruf/Funktion
Erzbischof von Gran ; Kardinal ; österreichischer Staatsmann
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118564927 | OGND | VIAF: 22933512
Namensvarianten
  • Kolonich, Leopold Graf von
  • Kollonich, Leopold Graf von
  • Kollonics, Leopold Graf von
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Zitierweise

Kollonitsch, Leopold Graf von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118564927.html [16.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Ernst ( 1639), Kommandant v. K. in d. Türkenkriegen (s. ADB 16), S d. Gg. Siegfried u. d. Maria Helene Fuchs v. Fuchsberg;
    M Anna Elise, T d. Reichshofrats Joh. Jakob Frhr. v. Kuefstein ( 1633) u. d. Clara Freiin v. Puechheim.

  • Biographie

    K. kam 1645 als Edelknabe des Erzherzogs Ferdinand an den Wiener Hof. Fünf Jahre später ging er als Ritter des Johanniterordens nach Malta, wo er in Anerkennung seiner Verdienste bei Kämpfen gegen die Türken mit dem Amt des Kastellans (1655–57) betraut wurde. 1656 wurden ihm die Kommenden Mailberg (Niederösterreich) und Eger zugesprochen, auf die er sich im darauffolgenden Jahr begab. 1666 wurde K. das Bistum Neutra übertragen; im Frühjahr 1668 erhielt er die Priester- und Bischofsweihe. 1670 wurde er Bischof von Wiener Neustadt, 1685 von Raab. 1689 wurde er Erzbischof von Kalocsa, 1695 schließlich von Gran und damit Primas von Ungarn, nachdem er bereits 1686 zum Kardinal ernannt worden war.

    K., dessen Hauptinteresse finanz- und wirtschaftspolitischen Fragen galt, war ein unbedingter Verfechter der kaiserlichen Autorität und der Gegenreformation in Ungarn. Zusammen mit dem ungarischen Primas Selepcsényi erwirkte er 1672 in Wien die Besetzung Preßburgs, um die dortigen Protestanten zur Räumung ihrer Kirchen zu zwingen. Anschließend gehörte er dem Preßburger Gericht an, das 763 Protestanten vorlud, um sie zur Konversion zu zwingen. – Da Ungarn für den Unterhalt der österreichischen Besatzung aufkommen sollte, wurde Ende 1671 eine Verzehrsteuer auf Fleisch und Getränke eingeführt, was eigentlich eines Reichstagsbeschlusses bedurft hätte. Diese Mißachtung bisheriger Übung markiert den Beginn des Absolutismus in Ungarn (Redlich). Im Februar 1672 wurde K. Präsident der ungarischen Hofkammer in Preßburg, obwohl er als Kleriker dieses Amt nicht hätte bekleiden dürfen. Er setzte die neue Verzehrsteuer erfolgreich durch und sorgte dafür, daß der Erlös aus den von den ungarischen Verschwörern konfiszierten Gütern der Wiener Hofkammer zufloß. Die ungarischen Stände wehrten sich auf dem Reichstag von Ödenburg 1681 gegen den absolutistischen Vorstoß und zwangen Leopold I. zum Nachgeben: Paul Esterházy|wurde zum Palatin gewählt, wodurch der 1673 eingesetzte Gubernator Johann Kaspar von Ampringen entmachtet wurde; die Überordnung der Wiener Hofkammer als Finanzzentralbehörde auch für Ungarn (1672) wurde wieder beseitigt; die 1678 eingeführte Steuerverteilung und die Akzise wurden aufgehoben; K. konnte zwar erst 1684 aus seinem Amt verdrängt werden, mußte sich jedoch gefallen lassen, daß ihm ein ungarischer Vizepräsident zur Seite gestellt wurde. Wegen der neuentbrannten Türkenkriege vermochten die ungarischen Stände ihre 1681 gewonnene Position nicht auszubauen. – Während der Belagerung Wiens 1683 führte K. die Aufsicht über die Spitäler und sicherte die Finanzierung der Soldaten mittels der in Wien deponierten Gelder der Erzbischöfe von Gran und Kalocsa. Im folgenden Jahr wurde ihm das Direktorium über sämtliche Feldspitäler übertragen. Zur Siegesfeier zelebrierte er im Stephansdom das Hochamt. Sein soziales Empfinden bewies K., als es ihm gelang, einen Großteil der Kriegsbeute für die Armen zu gewinnen. Immer wieder kümmerte er sich um die vom Kriegsgeschehen besonders hart betroffene Bevölkerung, so nach der Eroberung von Ofen 1686. 1688 wurde er von Leopold I. zum Vormund von Julia und Franz Rákóczy bestimmt; er konnte jedoch nicht verhindern, daß Franz II. Rákóczy 1693 rehabilitiert wurde und sich an die Spitze der ungarischen Opposition gegen die habsburgische Herrschaft setzte. – Im Februar 1685 bestimmte Innozenz XI. in einem Breve, daß ein Drittel des in den letzten 60 Jahren erworbenen Kirchengutes zur Deckung der Kriegskosten verwendet werden sollte. Sein Nuntius Kardinal Francesco Buonvisi und K. hatten für die Durchführung dieser Aktion zu sorgen, die bis 1687 andauerte und einen Betrag von 1 600 000 Gulden erbrachte.

    Auf dem ungarischen Reichstag von Preßburg 1687 trat der kaiserliche Machtanspruch wieder deutlich hervor. Leopold I. ließ den neunjährigen Erzherzog Joseph vom Graner Erzbischof Georg Széchényi zum König krönen. Durch die festgelegte männliche Primogenitur-Erbfolge wurde Ungarn ein Erbreich der Habsburger. 1688 wurde eine „Kommission zur Errichtung des Königreichs Ungarn“ geschaffen, der keine ungarischen Würdenträger als Mitglieder angehörten. K., einer ihrer prominentesten Mitglieder, wurde Leiter der Unterkommission, die den neu erworbenen Grundbesitz in Ungarn verteilen sollte (commissio neoacquistica). In seinen Tätigkeitsberichten und Vorschlägen zeigt er, daß er die zeitgenössischen Wirtschaftstheoretiker gut kannte und ein ausgeprägtes soziales Empfinden besaß. In der „Hauptrelation über die Einrichtung des Königreich Hungarn“ (1689), schlug K. Einrichtung einer ungarischen Hofkanzlei nach dem Muster der deutsch-österreichischen vor, eine Reform des Rechtswesens, die Gründung von Schulen und Universitäten, eine Neuordnung von Handel und Gewerbe nach holländischem Vorbild, eine Besserung der Lage der Leibeigenen und eine planmäßige deutsche Kolonisation. Vor allem sollte jedoch das Finanzwesen grundlegend reformiert werden, um das bestehende Mißverhältnis zwischen den jährlichen Einnahmen und Ausgaben (60 000: 500 000 Gulden) zu beheben. Der neu erworbene Grundbesitz sollte besteuert, nicht rechtzeitig reklamierter Grundbesitz veräußert werden. Die Portensteuer, die Grenzzölle, die Bergwerksabgaben und die Verzehrsteuer sollten neu definiert und festgesetzt werden. Diese Forderungen, ganz im Geist des Absolutismus erhoben und vom Kaiser gebilligt, scheiterten zunächst nicht eigentlich am Widerstand des ungarischen Adels, den zu brechen der Kaiser damals imstande gewesen wäre, sondern an der Ablehnung seitens des Militärs, das sich die Verwaltung der Neoacquistica nicht nehmen lassen wollte. Antonio Graf Caraffa, dessen Abberufung als ungarischer Generalkriegskommissär K. schließlich bewirkte, unternahm alles, um die Durchführung des Reformwerkes zu verhindern. Eine gewisse Schuld trifft K. selbst, da er bereits im August 1689 eigenmächtig drei Erlasse zur Durchführung der wichtigsten Reformen herausgab. Der Reichstag in Preßburg protestierte mit Erfolg gegen dieses Vorgehen und erreichte eine Verzögerung der geplanten Aktionen. 1690 wurde die ungarische Hofkanzlei neu organisiert. Die Realisierung weiterer Programmpunkte erstreckte sich bis 1723. Die Vorschläge hinsichtlich des Finanzwesens wurden bei den Kontributionsverhandlungen der ungarischen Magnaten in Wien 1696/97 unter dem Vorsitz K.s und Esterházys diskutiert und schließlich abgelehnt, obwohl K. damals auf dem Höhepunkt seines politischen Einflusses stand: 1692 hatte er die Oberdirektion der Hofkammer in Wien übernommen, zwei Jahre später war er an die Spitze des kaiserlichen Geheimen Rates getreten, seit 1695 war er Erzbischof von Gran und Primas von Ungarn. – Während seiner letzten Lebensjahre bemühte sich K. vor allem um eine Verständigung mit der griechisch-orthodoxen Kirche, nachdem er sich schon früh für die Stärkung der ethnischen Minderheiten in Ungarn eingesetzt hatte.

  • Literatur

    ADB 16;
    J. Maurer, Card. L. Gf. K., Primas v. Ungarn, Sein Leben u. Wirken, 1887;
    Theod. Mayer, Verwaltungsreform in Ungarn nach d. Türkenzeit, 1911;
    O. Redlich, Österreichs Großmachtbildung in d. Zeit Kaiser Leopolds I., 1921;
    ders., Das Werden einer Großmacht, Österreich v. 1700 bis 1740, 1938;
    ders., Weltmacht d. Barock, ⁴1961;
    F. Walter u. H. Steinacker, Die Nationalitätenfrage im alten Ungarn u. d. Südostpol. Wiens, 1959;
    H. L. Mikoletzky, Österreich, Das große 18. Jh., 1967;
    Wurzbach XII;
    Biogr. Lex. z. Gesch. Südosteuropas II, 1976.

  • Autor/in

    Franz Menges
  • Zitierweise

    Menges, Franz, "Kollonitsch, Leopold Graf von" in: Neue Deutsche Biographie 12 (1980), S. 467-469 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118564927.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Kollonitsch: Leopold K. (Kollonich, Collonics, Kollonitz, Chollonitsch), geb. am 26. Oct. 1631 zu Comorn, am 21. Januar 1707 als Kardmalprimas von Ungarn in Wien: Abkömmling eines Geschlechtes, das in Croatien im 13. Jahrhundert mit dem Prädikat Kollograd auftaucht und seinen späteren Namen von seinen Verwandten, den kärntnischen Kollnitzern (Cholnitzern) angenommen haben soll, was jedoch problematisch ist. Die historische Bedeutung dieses in Inner- und Neu-Oesterreich heimisch und begütert gewordenen Geschlechtes, das zunächst durch Waffendienst emporkam, wächst seit dem Schluße des 16. Jahrhunderts. L. Graf v. K. war der Sohn des Grafen Ernst, Befehlshaber der wichtigen Festung Comorn, und einer Freiin v. Kueffstein. Die Taufe ertheilte ihm der berühmte Exjesuit und Vorkämpfer der katholischen Hierarchie Cardinalprimas Peter Pázman. Mit 14 Jahren kam er nach Wien,|an den k. Hof und im jugendlichen Thatendrange als 19jähriger Kandidat des Johanniter-, Rhodiser- oder Malteser-Ordens in den Orient. Bei der Vertheidigung Kandias gegen die Türken als einer der Tapfersten genannt und dafür vom Hochmeister ausgezeichnet, kehrte er wieder heim und erlangte als Ordensritter das Priorat zu Mailberg (das alte „Muoriberc") und dann das zu Eger in Böhmen. Die eigentliche Priesterweihe ertheilte ihm Cardinalprimas Szécsényi. K. gab die Stellung als Johanniter auf, um seinem Thätigkeitsdrange und Ehrgeize als Kirchenfürst und Staatsmann besser gerecht zu werden. Hohe Begabung, Energie und praktische Findigkeit brachten ihn je weiter desto rascher vorwärts. 1659 Kammerherr K. Leopolds I. geworden, zehn Jahre später Bischof von Neutra in Ungarn, vereinigte er 1672 die Stellung eines Bischofs von W. Neustadt mit der eines Finanzministers oder Kammerpräsidenten. Diese Aemterverquickung erlebte jedoch Anfechtungen, so daß K. dem Finanzamte 1681 entsagte. Zwei Jahre später (1683) bot ihm, der kurz vorher in der furchtbaren Pestzeit aufopfernden Muth als Priester an den Tag gelegt hatte, die zweite Belagerung Wiens durch die Türken (1683) rühmlichste Gelegenheit, den geistlichen Helfer und wohlthätigen Menschen zu zeigen. 1685 Bischof v. Raab und Cardinal geworden, 1691 Erzbischof von Kalocsa und vier Jahre später Graner Primas, hatte K. die erste Stelle in der katholischen Hierarchie Ungarns erreicht. Von nun an wird er auch die Seele der Regierungspartei, in der Eigenschaft eines kais. Staats- und Konferenzministers. Verwalters der ungar. Hofkammer und seit 1697 Präses der sog. „gemischten Kommission“ zu Wien, als deren Vorläufer die sog. commissio neoacquistica und die Kommission zur Einrichtung Ungarns bezeichnet werden müssen. In beiden letzteren Körperschaften spielte K. seit deren ziemlich gleichzeitiger Gründung die Hauptrolle. Im J. 1688, bald nach dem wichtigen Preßburger Reichstage (1687), welcher die Pacification Ungarns und dessen Gestaltung zu einem Habsburgischen Erbreiche vollzog, wurden nämlich zwei Commissionen eingesetzt. Die eine hatte die Aufgabe, das der Türkenherrschaft entrissene Gebiet Ungarns in die neuen Verhältnisse des Grundbesitzes einzuordnen oder mit andern Worten, die „neuen Requisitionen“ jenen adeligen und geistlichen Grundherren zuzuwenden, welche ein Recht darauf nachweisen konnten, sie somit zu rehabilitiren und für die Rehabilitirung eine Abgabe oder Taxe einzuheben, wodurch die allerdings riesigen Geldopfer theilweise hereingebracht werden sollten, welche der Türkenkrieg beanspruchte und noch lange hin erheischte. Dies war die Aufgabe der commissio neoacquistica, als deren Präses seit 1688 Kardinalbischof K. thätig war. Die seit 29. Juli 1688 geschaffene Kommission „zur Einrichtung Ungarns“ unter dem Vorsitze des t. Obersthofmeisters. Fürsten Friedrich v. Dietrichstein zählte zu Mitgliedern den Hofkammerpräsidenten Siegfried Brunner, den böhm. Hoferzkanzler Grafen Kinsky, die k. Räthe: Grafen Bucelini, Grafen Max Thurn, Freiherren Dorsch, Georg Hofmann, den Hofkriegsrath J. Krapf als Schriftführer und Referenten, welche uns großentheils in der commissio neoacquistica begegnen. Und so war auch K. das vornehmste und thätigste Mitglied dieser Körperschaft, welche schon den 15. Nov, 1689 das „Einrichtungswerk des Königreichs Ungarn“ als fertigen Entwurf dem Kaiser vorlegte. Der Inhalt desselben eröffnet eine sehr weite Perspektive einer Reform oder Neugestaltung Ungarns, die an sich, angesichts der tiefen Zerrüttung und Versumpfung der transleithanischen Reichszustände, vollberechtigt war. Dieser Reformentwurf bezweckt die Einrichtung der ungarischen Hofkanzlei nach dem Muster der deutsch-österreichischen, die Hebung der verwahrlosten Rechtspflege, die Gründung von Land- oder Volksschulen, die Regelung und Besserung des Looses der leibeigenen Grundholden und eine unter möglichst günstigen Ansiedlungsbedingungen durchzuführende deutsche Colonisation Ungarns, durch welche|die Stärke, der Gewerbfleiß und die Loyalität seiner Bevölkerung gemehrt und gefestigt würden. Der Entwurf vertritt die Einführung eines der böhmischen Landtafel ähnlichen Instituts zur Evidenzhaltung der Besitzverhältnisse und Hebung des Nationalcredits; er nimmt sich für die Hebung des darniederliegenden Gewerbes und Handels Holland zum Muster. Vor Allem aber liegt der Commission die Reform des Finanzwesens am Herzen, durch welche das starke Mißverhältniß zwischen den jährlichen Einnahmen und Ausgaben (60,000: 500,000 fl.) behoben würde. Zu diesem Zwecke solle die Besteuerung des neoacquistischen Grundbesitzes, die Veräußerung der nicht rechtzeitig reclamirten Gründe, die Regelung der Portalsteuer, der Grenzzölle, der Bergwerksabgaben und der Verzehrungssteuer in Scene gesetzt werden. — Nicht ohne Grund fand das damalige Ungarn in dem ganzen schwerwiegenden Entwurfe die politischen Ueberzeugungen und Reformziele eines Kollonich heraus und ebenso die katholischen Tendenzen des Kirchenfürsten; so in dem Punkte, der von der Schöpfung katholischer Universitäten, Akademieen und Universitäten handelt. Immerhin überwog der Staatsmann in ihm weitaus den Geistlichen und Hierarchen, und das von seinem jüngeren Zeitgenossen, dem späteren Insurrectionsführer Franz Rakóczi II. ihm in den Mund gelegte fliegende Wort: Faciam Hungariam captivam, postea mendicam, deinde catholicam! verdient gerade so viel Glauben wie andere solche überlieferte Sentenzen. Immerhin sprachen für den katholischen Eifer des Kardinalprimas andere Thatsachen laut genug, zu denen auch die Aprilverordnungen der Regierung i. J. 1701 bezüglich der Alleingeltung des Katholicismus in den neueroberten Gebieten zählten. Die Regierungspartei und K. sahen sich in Folge der Lahmlegung der Thätigkeit beider Kommissionen durch die ungünstige Wendung des Türkenkrieges 1692—96 und den tiefen Groll der Ungarn wider ihr Gebühren, — zu dem Auswege gedrängt, die brennendsten Erfordernisse des Augenblicks, nämlich die Steuer- und Militärfrage — bei der Ebbe im Staatsschatze und der argen Verrottung des ungarischen Insurrectionswesens — in einer Magnaten-Delegation zum Austrage zu bringen. Diese wurde 1696 nach Wien einberufen. Aber die beiden Vorsitzenden, Kardinalprimas Kollonich und Palatin Eßterházi, waren nicht im Stande, das Widerstreben der tonangebenden Autonomistenführer aus dem Felde zu schlagen, da sich diese in entscheidenden Füllen der Geneigtheit des nachgiebigen Kaisers zu versichern wußten. So konnte die beantragte Viermillionensteuer nicht durchdringen; auch die große nach Wien einberufene Regnicolardeputation d. J. 1698 benahm sich störrig und so wurde die Regierung zum Octroy gedrängt, der um so schlimmeres Blut machte, da die starke Oppositionspartei jeden Schritt des Wiener Kabinetes als sicheres Vorzeichen des Staatsstreiches ansah und durch die jüngsten Maßregeln der Regierung in den Grenzbezirken (1698) gleichwie durch den Abschluß des Karlowitzer Friedens (1699) als „Kaiser"-Friedens neuen Anlaß zum Ankämpfen gegen die „deutsche Herrschaft“ fand. Aus dieser Gewitterschwüle Ungarns brach dann, zur Zeit des spanischen Erbfolgekrieges der Sturm, der Kunuzzenkrieg des J. 1701—2 und als seine Fortsetzung die Insurrection Rákóczi's II. hervor. Kollonich, die Hauptstütze des bekämpften Systems erlebte noch den Höhepunkt des großen Aufstandes, welchen Frankreich bis zum Abfalle des conföderirten Ungarns vom Hause Habsburg anzufachen beflissen war. K. ist aber auch mit der Vorgeschichte Franz Rákóczi's II. eng verknüpft. Als dieser, zwölfjährig, mit Mutter und Schwester (1688, 18. Jan.) den letzten Halt der Sache seines Stiefvaters, Emerich Tökölyi, das feste Munkács, verlassen mußte, um in Wien, unter den Augen des Hofes als Internirter heranzuwachsen, wurde Kollonich als verläßlicher Hüter und Vormund des Knaben bestellt. Derselbe übergab ihn den Jesuiten in Neuhaus und Prag|zur Erziehung (1688—93), und wir mögen gerne glauben, daß K. die entschiedene Absicht hatte, den Träger eines Namens von bedeutendem Klange und Glied einer Sippe, deren ganzes Dasein die Opposition gegen die Herrschaft Habsburgs beseelte, dem Jesuitenorden zuzuführen und so unschädlich zu machen. Dies schien um so leichter, da die Mutter Rákóczi's, Helene, geborene Zrinyi, 1691 ihre beiden Kinder verließ, um, ausgewechselt für den gefangenen kais. General Heißler, ihr Schicksal an das ihres zweiten Gatten, Emerich Tökölyi zu knüpfen. — Aber jener Plan scheiterte wie es heißt an dem energischen Widerstände des Schwestermannes Rákóczi's, Grafen Aspremont, der die Abwesenheit des eben Cardinal gewordenen Kollonich in Rom (1693) benützte, um, mit Beihülfe des Premierministers, Stratmann, den jungen Rákóczi großjährig erklären zu lassen und den wohlwollenden Kaiser für die Rehabilitirung des jungen Magnatensohnes in Bezug auf die bedeutenden confiscirten Herrschaften des Vaters zu gewinnen. Auf diese Weise wurde Rákóczi der Hand des geistlichen Vormundes entwunden und wir begreifen, daß er fortan demselben abgeneigt blieb. — So knüpft sich an die Geschichte des Staatsmannes und Kirchenfürsten Kollonich ein wichtiges Stück der Geschichte Oesterreich-Ungarns.

    • Literatur

      Vgl. die Zusammenstellung b. Wurzbach, Oesterr. Biogr. Lex. XII. S. 362 ff. Insbesondere: Kellerhaus. Ehrenfäule der vornehmsten Tugenden des Herrn Kard. Leop. v. K., Erzbischof v. Gran. Wien 1767. Horányi, Memoria etc. II. 413 ff. Ungar. Plutarch I. 203 f. Die Geschichtswerke Von Katona, hist. crit. r. H. 35. 36. Bd. Szalay, G. U. 5. 6. Bd. (magy.), Feßler, b. v. Klein 4. Bd. Krones, Z. Gesch. Ung. i. Za. Franz Rákózy's II. (Wien, 1870, Sep.-A. a. dem 42. 43. Bd. des Arch. f. österr. Gesch.) Vgl. s. Hdb. d. österr. G. IV. 17. Buch. Von den zeitgen. Memoiren u. corresp. Liter. insbes. die franz. Histoire des revolutions de Hongrie où l'on donne uns idée juste de son legitime gouvernement (à la Haye, chez J. Neaulme, (1739, 2 Bde. 4° o. 6 Bde. 8°) — eine von Rákóczi inspirirte und theilweife verfaßte Apologie der Insurrection (und die Rákóczi-Litteratur überhaupt). Die Autobiographie K.' s: Confessiones et aspirationes principis christiani.

  • Autor/in

    Krones.
  • Zitierweise

    Krones, Franz von, "Kollonitsch, Leopold Graf von" in: Allgemeine Deutsche Biographie 16 (1882), S. 481-484 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118564927.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA