Lebensdaten
um 1480 – 1528
Geburtsort
(Würzburg?)
Sterbeort
Halle/Saale
Beruf/Funktion
Maler ; Baumeister ; Wasserbautechniker
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118542907 | OGND | VIAF: 100226779
Namensvarianten
  • Grünewald, Mathis Gothart Nithart
  • Grünewald, Matthäus Gothart Nithart
  • Mathis von Aschaffenburg
  • mehr

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Zitierweise

Grünewald, Matthias, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118542907.html [16.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    N. N. (?);
    Adoptiv-S Andreas Nithart, 1553 Schreib- u. Rechenmeister in Frankfurt/M.

  • Biographie

    Die Lebensgeschichte G.s ist im Grunde eine Geschichte seiner Werke. Die Wirklichkeit seiner Existenz bleibt fast ungreifbar und ist, wie sein Werk auch, von vielen dunklen Geheimnissen umhüllt. Charakteristisch ist, daß entgegen allen Voraussagen, zu G. werde sich nach den Forschungen von H. A. Schmid und W. K. Zülch nichts Neues mehr ergeben, die letzten fünf Jahre einen völligen Umsturz der Lebensdaten erbracht haben. Wenn die neuere Forschung schon mehr und mehr der Auffassung zuneigte, G. könne nicht um 1460 oder gar noch früher geboren sein, sondern müsse eher etwas jünger als Dürer sein, so haben doch erst Arbeiten der letzten Jahre der Forschung die Bahn für eine völlige Revision des G.-Bildes freigemacht. Die Identifizierung G.s als Mathis von Aschaffenburg mit Mathis Gothart Nithart gelang 1919 beziehungsweise 1923 auf Grund eines Aktenfundes von 1913, der 1917 veröffentlicht wurde. Das Monogramm G.s ist ein M mit einbezogenem G, das N wird manchmal angehängt. Dies hat die neuere Forschung in der Meinung bestärkt, daß Gothart der Familienname und Nithart ein auf einen Zusammenhang mit einer weiteren Familie (vielleicht in Ulm) weisender Beiname sei. Wie Mathis Gothart Nithart zu dem Übernamen Grünewald (als Familienname unter anderem in Frankfurt/M., Aschaffenburg, Nürnberg, Leipzig häufig) gekommen ist, läßt sich nicht ausmachen. Eine gelegentliche Verwechslung mit Hans Baldung Grien (auch G. wird gelegentlich, so 1641, Grien genannt) kann nicht allein die Ursache sein. Bemerkenswert bleibt, daß der Name Grünewald für den Künstler von Sandrart vielleicht schon zwischen 1630 und 1632 genannt worden ist und jedenfalls 1637 von einem niederländischen Sammler gebraucht wird. Daß hier, wie auch bei Sandrart später, wegen des ähnlichen Monogramms M. Gering mit G. zusammengeworfen wird, gibt keine Aufklärung. Trotz der geglückten Identifizierung ist dem Künstler der Name Grünewald bis in die jüngste Zeit geblieben.

    Die Häufigkeit des Vornamens hat die Forschung lange in die Irre geführt. Die Freude über neue Aktenfunde hat zu immer gewagteren Konstruktionen für die Biographie geführt. Mit dem Bekanntwerden weiterer Aktennotizen wurde endlich deutlich, daß es mehrere verschiedene Künstler und Handwerker mit diesem Namen gibt, die mit G. wenig oder nichts zu tun haben. So kann er nicht mit dem Bildschnitzer Meister Mathis in Seligenstadt/M. identisch sein, der, meist ohne Berufsbezeichnung, zwischen 1501 und 1529 mehrfach, zum Teil sogar für Aschaffenburg tätig genannt ist, der 1528/29 sicher, 1540 vielleicht noch gelebt hat. Die Schwierigkeit, daß demnach für den gleichen Kanoniker H. Reitzmann dieser Bildschnitzer (Schnitzaltar für Oberissigheim 1513/15) und G. (Maria-Schnee-Altar 1513/19) als Maler gearbeitet haben müssen, kann umso eher hingenommen werden, als es noch weitere Meister gleichen Namens gibt, deren Daten fälschlich auf G. bezogen wurden. In Aschaffenburg ist ein Meister Mathis Maler zwischen 1468 und 1489 meist mit untergeordneten Arbeiten beschäftigt, wohl ein anderer Meister Mathis Maler ist 1529 im Dienst der Grafen Erbach und stirbt 1532. In Aschaffenburg wird 1485 auch ein Meister Mathis Zimmermann genannt, vorher ein Steinmetz Mathis aus München. In Mainz taucht 1510 ein Malergeselle Mathis aus Straßburg auf, der für 1511 noch nach Frankfurt/M. weiterverfolgt werden konnte. Diese Nennungen hatte man großenteils mit in die Biographie G.s zu verweben versucht. Die Konstruktion einer langen Lebensgeschichte geriet aber in Widerspruch mit den erst seit 1503 bekannten Werken, die deutlich Jugendwerke sind. Man mußte zu den gewagtesten Hypothesen über eine lange Entwicklung G.s vor dieser Zeit greifen. Die Behauptung, G. habe in Seligenstadt gelebt und gearbeitet, die durch häufige Wiederholung schon fast den Wert einer Tatsache erhalten zu haben schien, muß fallengelassen werden, zumal dort in den erhaltenen Akten nur ein Meister Mathis genannt wird. Die im 16. Jahrhundert mehrfach belegte Bezeichnung G.s als Mathis von Aschaffenburg gewinnt damit ihr altes Gewicht zurück. Sandrarts lange als allzu flüchtig und unzuverlässig mißachteten Angaben (1675–83), die doch auf einer guten Tradition beruhen müssen, verdienen wieder Beachtung. Nach ihm hat er sich meist in Mainz aufgehalten, was auch deshalb wahrscheinlich ist, weil er drei Altäre für den Mainzer Dom (einen um 1520) gemalt hat.

    Sandrarts Bemerkung, daß er ein eingezogenes, melancholisches Leben geführt habe, charakterisiert den Künstler, nach seinem Werke zu urteilen, sicher sehr richtig und bietet auch eine Erklärung dafür, daß Zeitgenossen und Nachwelt von ihm so wenig zu berichten wissen. Große Aktenverluste, besonders in Aschaffenburg und Mainz, und die Zerstreuung seines Nachlasses haben nur wenige Quellen übrig gelassen. Über seine Lehrzeit und seine Wanderjahre lassen sich nicht einmal ausreichende Vermutungen anstellen Ein ursprünglicher Zusammenhang mit Franken ist ebenso deutlich wie eine Berührung mit Dürer um 1503, zu dem G. vielleicht auch um 1508 engere Beziehungen gehabt hat. Als Maler des Mainzer Hofes, vielleicht schon seit 1508, sicher seit 1511, erst unter EB Ulrich von Gemmingen, später wieder seit 1516 unter EB Albrecht von Brandenburg, stand er sicher außerhalb des Zunftzwanges. Ob er der Meister Mathis ist, dessen famulus wegen zu malender und zu schreibender Epitaphtafeln am 13.9.1504 ein Trinkgeld erhält, bleibt dahingestellt. Am 13.6.1510 wird er Diener (Beamter) und Baumeister des Schlosses Aschaffenburg genannt und soll den Brunnen der Burg Klopp bei Bingen begutachten. Mit wasserbautechnischen Aufgaben ist er auch 1517 in Aschaffenburg und gegen sein Lebensende in Halle/S. beschäftigt. Als Baumeister beziehungsweise Steinmetzmeister am Schloß Aschaffenburg wird er für 1511 im Jahre 1514 nochmals bezeugt. Eine zweite Tätigkeit ist für einen Künstler der Zeit nicht ungewöhnlich, wenn man die Lebensgeschichte des Bildhauers und Baumeisters Anton Pilgram und die des Bildhauers und Wasserbaulechnikers Erasmus Grasser vergleicht. Im Nachlaß G.s fanden sich auch einige Register über Bergwerkssachen. Die Biographie von Veit Stoß lehrt, daß ein Künstler mit mancherlei Geschäften befaßt sein kann, wie eben auch G., der nach Frankfurter Akten um 1527 offenbar mit dem Seifensiedergewerbe zu tun hatte.

    Für 1513/15 werden in seinem Nachlaß Verträge mit Meister Michael Wesser in Altkirch (Oberelsaß), nahe Isenheim, erwähnt, die es wahrscheinlich machen, daß er sich um diese Zeit im Elsaß befunden hat, den Isenheimer Altar also dort (eher als etwa in Mainz oder Aschaffenburg) gemalt hat, er ist auch in dieser Zeit für einen Prozeß, der in Frankfurt läuft, nicht zu erreichen. Am 27.8.1516 verhandelt das Domkapitel zu Mainz über eine Bittschrift des Malers, ihm sein Gehalt zu zahlen, für 1524 und 1525 sind zwei Quittungen erhalten, noch am 27.2.1526 erhält er eine Abschlagszahlung. 1520 ist Dürer in Aachen vielleicht mit ihm zusammengetroffen.

    1526, nach den Wirren des Bauernkrieges anscheinend nicht mehr im Dienst Albrechts von Brandenburg, nimmt er in Frankfurt/M. bei dem Seidensticker Hans von Saarbrücken Wohnung und gibt in diesem Jahr seinen Adoptivsohn Andreas Nithart zu dem Orgelbaumeister Arnold Rücker in Seligenstadt in die Lehre, der 1530 klagt, er habe Andreas vier Jahre erzogen und ihm Schulgeld vorgestreckt. Am 8.5.1527 hat G. vom Rat der Stadt den Auftrag, Zeichnungen der Frankfurter Wassermühlen für Magdeburg zu machen und geht als Maler und Wasserkunstmacher nach Halle/S., wo er im folgenden Jahr stirbt. Der Seidensticker Hans Plock aus Mainz, bei dem er zuletzt gewohnt hatte (und der Zeichnungen von ihm in seiner Familienbibel bewahrte, die erst 1952 von W. Stengel wieder entdeckt wurden), macht Anzeige von seinem Tode. Die Bemerkung im Schreiben des Hallischen Magistrats nach Frankfurt/M., er habe aber leider nicht viel ausgerichtet, läßt durchaus nicht den Schluß zu, er sei betagt und untätig gestorben, sondern eher den, daß er unerwartet verstarb. Daß sein Ausscheiden aus seinem Mainzer Amt mit der Unruhe der Zeit zusammenhängt, ist wahrscheinlich. Er ist von Bauernkrieg und Reformation nicht unberührt geblieben. Dafür ist ein Bürgschaftsbrief in seinem Nachlaß ein Anzeichen, der Besitz von Luthers Neuem Testament und Predigten sowie des Buches der Zwölf Artikel Christlichen Glaubens von Balthasar Hubmaier, das 1527 in Nikolsburg (Mähren) erschienen war, ein Beweis. Andererseits geben Prozeßakten bis 1540 zu dem keineswegs unbeträchtlichen Nachlaß in Frankfurt/M. und Halle/S. keine Veranlassung, sich G., der in Halle in einem Kreise angesehener, etwa gleichaltriger Beamter und Künstler gelebt hat, als verlassen und verarmt vorzustellen. Ein Verfemter hätte wohl auch nicht seinen Adoptivsohn gerade nach Seligenstadt in die Lehre gegeben.

    Ebenso verworren wie die einander widersprechenden Vermutungen zu seinem Leben mußten lange Zeit die zum Bildnis G.s bleiben, dessen Bestimmung immer noch eigenartige, ganz der Verborgenheit des Künstlers entsprechende Rätsel aufgibt. Nach den neuen klärenden Überlegungen zur Biographie G.s muß das Bildnis, das Sandrart von dem Nürnberger Ratsherrn Ph. J. Stromer, möglicherweise aus dem Besitz des Vorfahren, des Hofarztes Albrechts von Brandenburg, H. Stromer, erhielt, G. darstellen. Der Stich geht auf eine Zeichnung Sandrarts zurück, die offenbar die Zeichnung in der Universitätsbibliothek Erlangen (aus der Schloßbibliothek) zur Grundlage hat. Sie ist wohl sicher ein überarbeitetes Selbstbildnis aus der Zeit um 1514. Das beigefügte oder für 1519 falsch wiederhergestellte Datum 1529 differiert nur um ein Jahr mit dem Todesjahr, eine Liste auf der Rückseite notiert unter 25 Malernamen den des Mathis von Aschaffenburg. Mit der Erlanger Zeichnung stimmt die Kopie in Kassel überein, die um 1600 beschriftet worden ist. Sie ist vielleicht in der Sammlung Winckler, Leipzig, gewesen und über die Sammlungen Weigel, Habich, Eisenmann ins Kabinett gelangt. Die Glaubwürdigkeit beider Blätter wird durch eine weitere, 1867 von Amsler und Ruthard, Berlin, in einem Konvolut erworbene Kopie in der Bibliothek des Kunstgewerbemuseums Wien erhärtet, die ebenfalls um 1600 mit dem Namen des Mathis von Aschaffenburg beschriftet wurde.

    Also ist der heilige Einsiedler Paulus auf dem Isenheimer Altar, der vom heiligen Antonius (mit dem Wappen des Stifters Guersi) in der Wüste besucht wird, ein verstecktes Selbstbildnis G.s.

    Die Schwierigkeit, daß man weder den in den Zeichnungen noch den auf dem Altar Dargestellten für einen etwa Fünfunddreißigjährigen halten würde, löst sich unschwer auf. Die Menschen altern in dieser Zeit nicht nur schneller, als man dies in Bildnissen seit dem 19. Jahrhundert ablesen könnte, sondern melancholische Künstler neigen auch zu einer Betonung des Alters, wie man im Vergleich mit Bildnissen und Selbstbildnissen verwandter Maler feststellen kann. Der selbstbildnerische Zug im Schaffen des Künstlers, der sich hier ausspricht, muß auf das reale Alter ohnehin nicht Rücksicht nehmen: Der Patrizier Johannes auf dem Schneewunderbild hat die gleichen, nun ins Greisenhafte übersetzten Züge. Wenn G.s Selbstbildnis mit mehreren Belegen auch durchaus gesichert erscheint, so ist Sandrart mit der Abbildung eines angeblichen Jugendbildnisses doch einem Irrtum zum Opfer gefallen; die Vorlage ist wahrscheinlich eine Zeichnung von Wolf Huber aus dem Jahre 1522, die offensichtlich einen anderen darstellt. Ungeklärt bleibt die auffällige Verwandtschaft des Selbstbildnisses eines jungen, vielleicht augsburgischen Künstlers um 1490 (in Chicago) mit dem heiligen Sebastian des Isenheimer Altars, an dessen Gesichtstypus Ph. Uffenbach in seinem Frankfurter Bilde der Auferstehenden noch einmal erinnert.

    Die Begeisterung des werdenden Expressionismus, der G. für sich wiederentdeckte, machte mit der Verbreitung vieler Schriften und Reproduktionen Namen und Werk des Künstlers zum allgemeinen Besitz. Aber G.s Werk ist durch die Jahrhunderte hindurch durchaus nicht ganz vergessen gewesen. Es ist für die Bedeutung seines Schaffens durchaus kennzeichnend, daß die Bilder und Zeichnungen, auch wenn sie anonym blieben, hoch geschätzt wurden. Mehrere Fürsten bemühen sich um den Erwerb des Isenheimer Altares, so Rudolf II. schon 1597 (er läßt dem Namen des Malers noch nachforschen, als er sicher ist, daß Isenheim ihn nicht herausgeben wird), so der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm noch 1674. Eine beträchtliche Zahl von Kopien von G.s Gemälden entsteht im 17. Jahrhundert, von der Verspottung Christi in der Wallfahrtskirche Niederschönenfeld Kreis Neustadt/Donau, in der Kunstschule Hanau, aus dem Besitz des Mainzer Prälaten Kerner und des Wiesbadener Sammlers Laaf, später in Aschaffenburg. 1647 malt Jacob Pfeil eine Kreuzigung der Klosterkirche Marienberg (Südtirol) nach G., und Wilhelm V. von Bayern läßt das Kleine Kruzifix aus seinem Besitz 1605 von R. Sadeler stechen, lange bevor Sandrart den Meister dazu wieder bestimmt. Mit dem Stich breiten sich Kopien und Variationen des Bildes aus, von denen noch neun bekannt sind: in Rottweil; Donaueschingen; bei R. von Pauer, München, aus der Würzburger Gegend; bei von Cramer-Klett, Hohenaschau, aus dem Kloster Heiligkreuztal bei Riedlingen/D.; eins im Museum Friedberg, ehemals Mittelbild eines Altares; zwei in Basel; eine flämische Kopie der Berliner Museen; eine italienische in Breslau. Der Isenheimer Altar wird 1656 für Schloß Bottmingen kopiert, schon 1578 schreiben wandernde Maler Lobsprüche auf die Rückseiten seiner Tafeln, und bis ins 18. Jahrhundert sind Wirkungen G.s in der Plastik und im Kunstgewerbe wie in der Malerei zu verfolgen. 1531 nennt Melanchthon den Maler, 1573 Johann Fischart; sein Monogramm ist um 1600 als das des Aschaffenburger Künstlers bekannt.

    Die erste ausführlichere Würdigung, die von tiefem Verständnis zeugt, schreibt Sandrart 1675-83 unter dem Eindruck der Verehrung des Meisters durch Ph. Uffenbach und andere Frankfurter Liebhaber. Daß bei mancherlei Mißverständnissen und Irrtümern doch viele Angaben auf genauerer Kenntnis beruhen, zeigt sich zum Beispiel darin, daß 1715 der Mainzer Erzbischof Lothar Franz von Schönborn, dem Hinweis bei Sandrart folgend, eine Tafel der Versuchung des heiligen Antonius aus Eisenach erwirbt, vielleicht das später ins Wallraf-Richartz-Museum Köln gelangte Bild, das zwar nicht von G. selbst gemalt ist, immerhin aber vom Isenheimer Altar sich ableitet. Die eindringende Beschreibung durch F. Ch. Lerse 1781, die Rettung des Isenheimer Altars in der Revolutionszeit und seine Bergung in Kolmar bezeugen die unverminderte Wirkung G.s. 1835 gibt Hermann Fürst von Pückler-Muskau von der Erasmus-Mauritiustafel, die er im Jahr zuvor in Aschaffenburg gesehen hat, einen begeisterten Bericht, ohne den Namen des Malers zu kennen. König Ludwig I. von Bayern bot 1846 für die Stuppacher Marias, für die man den Maler ebenfalls noch nicht zu nennen wußte, eine beträchtliche Summe. Die kleine Gemeinde hat dieser wie allen weiteren Verlockungen und Bedrängungen, das Bild zu verkaufen, widerstanden. Als der die neuere Forschung vorbereitende Wiederentdecker G.s kann nach C. M. Engelhardt 1820 Jacob Burckhardt gelten, der sich zwischen 1840 und 1885 mehrfach geäußert hat. A. Woltmann leitet 1873/76 die neuere Forschung ein, die bis in die Gegenwart immer neue überraschende Funde und Erkenntnisse bietet. In der Dichtung erfaßte J. K. Huysmans G. zuerst und zutiefst, in der Musik widmete sich ihm Paul Hindemith (1934/36).

    Alles wahrhaft Überragende lebt in großen Zusammenhängen. Die Kenntnis und Verarbeitung italienischer Kunst von Mantegna bis Leonardo und bis zu Raffael, oft ebenso leidenschaftlich bestritten wie bejaht, ist in höherem Maße noch als bei Dürer eine selbstverständliche Voraussetzung für G., der nach Ausweis seiner Werke sicher, vielleicht mehrmals, in Italien gewesen ist. Aus dem tiefen Verständnis Leonardos schafft er die noch immer nicht genug beschriebenen Weltenlandschaften als Hintergründe seiner Bilder. Von Leonardo stammen die Stuppacher Maria und Zeichnungen G.s ebenso ab wie ein eindringendes Interesse an physiognomischen Studien. Der Maler der Isenheimer Auferstehung Christi muß Leonardos Abendmahl gekannt haben; die kühn verkürzten Wächter am Grabe auf diesem Bilde und, nach Ausweis der erhaltenen Zeichnungen, die Gestalten der Frankfurter Verklärung setzen die Kenntnis zeitgenössischer italienischer Kunst voraus. Eine unerschöpfliche malerische Phantasie weiß, besonders im Isenheimer Altar, die Wirkung von Silhouetten in dunkel und hell zu entwickeln, sie spielt mit Höhlungen und Felsenfratzen wie die italienische Kunst, ihr ist die Reversibilität von lebendig gewordenem Stein und zu Stein erstarrtem Leben ebenso vertraut wie die seltene, suggestive Darstellung im Fall begriffener Gegenstände.

    Das Genie, der bedeutendste deutsche Maler seiner Zeit, wäre kleinlich beurteilt, wenn man ihm eine genauere Kenntnis der wesentlichen Leistungen der niederländischen Malerei des 15. Jahrhunderts und bis zu Bosch nicht ebenso zutrauen wollte wie ein divinatorisches Eindringen in alte Kunst, sowohl der Buchmalerei, wie der Kunst der Mystik des 14. Jahrhunderts. Ein schwer genauer zu fassender Zusammenhang mit der Donauschule, eine eingehende Vertrautheit mit Dürers und Cranachs Werk ist sicher.

    G.s Hauptwerk ist der Isenheimer Altar (Kolmar, Unterlinden-Museum, eine Stiftung des Präzeptors Guido Guersi, eines Italieners [vor 1516 gestorben], für das der Krankenpflege gewidmete Antoniterkloster im Elsaß). 1. Schauseite: Mitte, Der Opfertod Christi (Die Kreuzigung); Flügel, heiliger Antonius und heiliger Sebastian, Predella Beweinung Christi. 2. Schauseite: Mitte, Engelkonzert mit Maria aeterna und Maria mit Kind; Flügel, Verkündigung und Auferstehung. 3. Schauseite: Flügel, Besuch des heiligen Antonius bei dem heiligen Eremiten Paulus und Versuchung des heiligen Antonius; Mitte, mit Skulpturen von Niklas Hagnower, die Predella von Desiderius Beichel. Die Gemälde sind bis zu 2,69 m hoch und bis 3,07 m breit. Die Deutungsversuche der letzten Generation der Forschung erbrachten für den Altar, vornehmlich für die Hauptbilder der 2. Schauseite, wie auch für weitere Werke G.s, eine Fülle von Erkenntnissen zum symbolisch-theologischen Gehalt des Werkes, dessen vorreformatorische Stimmung, aus zahlreichen Quellen gespeist, sicher insbesondere mit den Offenbarungen der heiligen Birgitte (Druck Nürnberg, lateinisch 1500, deutsch 1502) zusammenhängt. Die machtvolle malerische Zusammenfassung aller Einzelheiten, die leidenschaftlichen und dramatischen Züge des Werkes, der tiefe Ernst der Darstellungen und ihre Spannkraft zwischen hell und dunkel, Nacht und Tag, auch in den großen Landschaften, zeugen von einzigartiger Meisterschaft.

    Der erhaltene Bestand von Zeichnungen G.s ist mit 40-50 (einschließlich der ein nachhaltiges Interesse belegenden Kopien) sehr klein. G. hat sicher nicht so viel gezeichnet wie Dürer, ist wohl auch mit seinen Zeichnungen nicht sehr achtsam verfahren, wenn er sie auch zum Teil signiert hat. Im 17. Jahrhundert waren viel mehr Zeichnungen bekannt als heute; noch in den allerletzten Jahren sind einige neu ans Licht gekommen. Kaum eine der bisher bekannt gewordenen Zeichnungen ist um ihrer selbst willen geschaffen, fast alle sind Vorstudien verschiedener Stufen für den Isenheimer Altar, für die verschollenen Altäre in Mainz und Frankfurt/M. und für andere Werke, eine kostbare Quelle des Schaffensprozesses. In der staunenswerten Sicherheit der Durchführung wie in der flüchtigen Skizzierung, in der Schlichtheit des Vortrages wie in der tiefen, visionären Gestaltung ragen die Meisterzeichnungen G.s aus der an großen Zeichnern so reichen deutschen Kunst durch Gewalt und Größe der malerischen Form und des inneren Gehalts hervor. G.s Eigenart und Bedeutung liegt in seinem überragenden malerischen Können, das in|starken Gegensätzen wie in feinsten Abstufungen und in großzügiger Austeilung von Licht und Schatten aus dem Farbzusammenhang komponiert. Für die bezwingende Darstellungskraft zeugen die Gewächse und Blumen auf seinen Bildern ebenso wie die eindrucksvolle Sprache der Hände und die groß gesehenen Umrisse der Gestalten. Heftigste Bewegung und vollkommene Ruhe vermag er in gleicher Weise zu fassen. Als ein einsamer Mensch größter Erlebnisfähigkeit und äußerster Empfindungstiefe hat er in seinen Werken einer Überfülle von Gedanken und Bedeutungen die überzeugende Gestalt gegeben. Bei aller Bemühung fällt es der deutschen Forschung aus ihrem Herkommen noch immer schwer, in G. nicht nur den größten deutschen Maler des 16. Jahrhunderts zu würdigen, sondern ihn auch in seiner Zeit als Künstler ersten europäischen Ranges zu begreifen und zu verehren. – Um abschließend mit J. A. Schmid, der allen ohnmächtigen Superlativen abhold war, zu sprechen, läßt sich sagen, daß Sandrart, der G. bewundernd verstand, den Meister des Ausdrucks und der Bewegung fast nur von der uns verschlossenen Seite der Anmut kannte, während das erhaltene Werk ihn mehr in seinem einsam-dämonischen Wesen erkennen läßt; G. hat in seiner Eigenart ein Höchstes geleistet, das unbegreiflicher erscheint als die Großtaten Dürers.

  • Werke

    Weitere W u. a. 2 Außenflügel e. Altars mit d. 14 Nothelfern, Schreinrückseite Schmerzensmann, um 1503 (seit 1685 in d. Kirche v. Lindenhart b. Bayreuth, sehr mangelhaft erhalten);
    Die Verspottung Christi, um 1504 (München, Alte Pinakothek, wahrsch. im Auftrag d. Vitztums Joh. v. Cronberg in Aschaffenburg als Epitaph f. dessen 1503 gestorbene Schwester gemalt);
    Kreuzigung, um 1505/08 (Basel, Öff. Kunstslg.);
    Das Kleine Kruzifix, um 1510 (Washington, Nat. Gal., Slg. Kress);
    Hl. Laurentius u. hl. Cyriakus mit Arthemia, um 1510 (Frankfurt/M., Städelsches Kunstinst.);
    Hl. Elisabeth u. hl. Märtyrerin, um 1510 (Donaueschingen, Fürstl. Fürstenberg. Gem.gal., Grisaillen v. außerordentl. Pracht u. Sicherheit d. Durchführung mit reichem, genau beobachteten Pflanzenbeiwerk. Standflügel e. Altars, wohl sicher d. Jakob-Heller-Altars d. Predigerkirche zu Frankfurt/M. Auf d. Rückseiten Säulen in Grisaille. Wohl im 18. Jh. zersägt, zw. 1802 u. 1804 veräußert, d. beiden erstgen. Heiligen, Oberteile d. Flügel, kamen 1809 ins Mus., d. Gemälde in Donaueschingen wurden erst 1951 aus Privatbes. erworben. Die Signatur auf d. Bilde d. hl. Laurentius soll n. neuerer Unters. nicht ursprüngl. sein, es bliebe aber unaufgelöst, wer sie u. wann man sie übertragen bzw. hinzugefügt haben sollte);
    Das Schneewunderbild, Flügel d. Maria-Schnee-Altars f. d. Kapelle d. Brüder C. u. G. Schantz in d. Stiftskirche Aschaffenburg, um 1518/19 (Freiburg/Br., Augustiner-Mus., d. in Aschaffenburg erhaltene Rahmen 1519 datiert. Auf d. Rückseite d. Tafel d. hl. Drei Könige, nicht v. G., weitere zugehörige Tafeln in Aschaffenburg v. schwacher Hand lassen Erinnerungen an G. erkennen. Das Mittelbild 1577 durch e. Dreikönigsbild v. J. Kieninger aus Speyer ersetzt);
    Marienbild, um 1518/19 (od. bald n. 1515) (Stuppach b. Mergentheim, Pfarrkirche, vielleicht d. verlorene Mittelbild d. Maria-Schnee-Altares, in Farbigkeit u. Komposition aber sehr verschieden);
    Kreuzigung u. Kreuztragung, um 1520 (Karlsruhe, Gem.gal., Vorder- u. Rückseite e. 1883 auseinandergeschnittenen Tafel aus d. Kirche v. Tauberbischofsheim);
    Die Erasmus-Mauritius-Tafel, um 1522/23 od. früher? (München, Alte Pinakothek, d. hl. Erasmus als Bildnis Albrechts v. Brandenbg. f. d. Stiftskirche Halle/S. gemalt);
    Beweinung Christi, um 1525 (Aschaffenburg, Stiftskirche, gegen d. techn. Befund - d. Tafel zeigt ringsum e. unbemalten Rand - muß es sich um e. Fragment e. größeren Komp. handeln. Allein schon d. Darst. Mariens nur mit Händen u. Unterkörper ist in d. Zeit, auch f. G. undenkbar);
    Magdalenenklage, um 1525 (Donaueschingen, Kopie in d. Gal., sicher nicht f. Isenheim, möglicherweise f. Halle/S. Das ausdrucksgewaltige, ungemein raumhaltige Bild ist nur in d. Kopie v. Christoph Kraft 1648 f. Abt Franz T. Chullot erhalten).

  • Werke

    Verschollen: Verklärung Christi, um 1511/12 (ehemals Frankfurt/M., ehem. Predigerkirche, v. Sandrart beschrieben); 3 Altäre im Mainzer Dom, 1 um 1520, 2 zu nicht näher bekannter Zeit (v. Sandrart gen., sollen im 30j. Krieg v. d. Schweden fortgenommen u. b. e. Schiffbruch in d. Ostsee untergegangen sein). Weitere Gem. G.s, die er nicht beschreibt, sah Sandrart im Haag b. d. schwed. Residenten P. Spiering. S. Boisserée notierte sich noch um 1830 e. jetzt verschollene Kopie d. Winterbildes von dem Altar im Mainzer Dom v. 1520 v. Philipp Uffenbach in d. Slg. v. Holzhausen, Frankfurt/M., die angebl. aus Dänemark stammen sollte. Mit ihr ging d. letzte Möglichkeit, v. diesem f. d. dt. Kunst sicher bes. wichtigen Winterbild e. Vorstellung zu erhalten, verloren. - Zuschreibungen: Auferstehung Christi (keine Zeichnung) wird 1586 u. 1662 im Kab. d. B. Amerbach erwähnt; Johannes Evangelist (im Bes. v. Papst Urban VIII. in Rom, bzw. Castel Gandolfo) zw. 1630/32 v. Sandrart G. zugeschrieben.

  • Zeichnungen

    Zeichnungen: in d. Kabinetten v. Berlin, Dresden, Erlangen, Karlsruhe, Northampton, Oxford, Paris, Rotterdam, Stockholm, Weimar, Wien u. Winterthur.

  • Literatur

    ADB X. - Bibliogr.: M. Escherich, G.-Bibliogr., 1914, = Stud. z. dt. Kunstgesch. 177;
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    O. Hagen, 1919, ⁴1923;
    W. Pastor, 1921;
    W. Rolfs, 1923;
    H. Feurstein, 1930;
    A. Burkhard, Cambridge/Mass. 1936;
    W. K. Zülch, 1938;
    ders., 1954 (u. 1956);
    W. R. Deusch, 1939;
    N. Pevsner u. M. Meier, London 1958;
    E. Ruhmer, ebd. 1958, ²1959 (dt.);
    A. Weixlgärtner, hrsg. v. E. Panofsky u. O. Kurz, 1962. - Zur Biogr.: R. Hünicke, G. in Halle/S., in: Zs. f. Kunstgesch. 5, 1936, S. 219-40;
    P. Fraundorfer, Altes u. Neues z. G.-Forschung, in: Würzburger Diözesangesch.bll. 14/15, 1952/53, S. 373-431;
    ders., Eine neue hist. Qu. z. G.-Forschung, ebd. 20, 1958, S. 178-85;
    F. Neubauer, Neue Meister-Mathes-Funde in Seligenstadt u. ihre Bedeutung f. d. G.-Forschung, in: Archiv f. hess. Gesch. u. Altertumskde. NF 26, 1961, S. 262-69;
    A. Schädler, Zu d. Urkk. üb. Mathis Gothart Neithart, in: Münchner Jb. d. bild. Kunst 3. F. 13, 1962, S. 69-74;
    W. Brücker, Mathis Gothardt Neithardt gen. G. in d. neueren Forschung, in: Kunst in Hessen u. am Mittelrhein 3, 1963, S. 44-65;
    A. Kehl, G.-Forschungen, Diss. Erlangen 1964. - Zum Bildnis: H. Ankwitz, Zum G.-Altersbildnis, in: Graph. Künste NF 3, 1938, S. 102-06.- Zum Nachruhm u. zu d. Anfängen d. Forschung: M. Hausenberg, M. G. im Wandel d. dt. Kunstanschauung, Diss. Greifswald 1927;
    K. Martin, J. Burckhardt u. d. Karlsruher Gal., 1941, S. 96-109;
    W. Kaegi, J. Burckhardt III, 1956, S. 101 f. - Zum Werk allg.: H. Gasser, Das Gewand in d. Formensprache G.s, Diss. Basel 1955, = Basler Stud. z. Kunstgesch. NF 3;
    L. Dittmann, Die Farbe b. G., Diss. München 1955;
    Ch. D. Cuttler, Some G.-Sources, in: Art Quarterly 19, Detroit 1956, S. 101-24;
    H. Haug, Etudes sur la formation de l'art G., in: Cahiers techniques de l'art 4, Straßburg 1957, S. 5-25;
    M. Lanckorońska, M. Gotthart Neithart, Sinngehalt u. hist. Untergrund d. Gem., 1963. - Zum Isenheimer Altar in Kolmar: H. Köhn, Die Einsiedlertafel d. Isenheimer Altars u. d. Problem d. Stifterbildes, in: Wallraf- Richartz-Jb. 11, 1939, S. 215-38;
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    -
    ThB.

  • Autor/in

    Heinz Ladendorf
  • Zitierweise

    Ladendorf, Heinz, "Grünewald, Matthias" in: Neue Deutsche Biographie 7 (1966), S. 191-197 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118542907.html#ndbcontent

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  • Biographie

    Grünewald: Matthias G. aus Aschaffenburg, berühmter Maler zu Anfang des 16. Jahrhunderts. Bis jetzt sind die Daten seines Lebens völlig unbekannt geblieben, archivalische Nachrichten über ihn fehlen gänzlich. Sein von Sandrart veröffentlichtes Bildniß in mittleren Jahren, jetzt in der Weigel’schen Sammlung zu Leipzig, ist in einer Replik zu Erlangen (Sammlung der Universität) vorhanden, die das Datum 1529 trägt; sein nicht mehr existirender Altar in der Schneecapelle der Stiftskirche zu Aschaffenburg war 1519 datirt. Sandrart erzählt, daß er sich meist zu Mainz aufgehalten, ein eingezogenes, melancholisches Leben geführt und übel verheirathet gewesen. Grünewald's künstlerischer Charakter dagegen steht in einer Reihe von Arbeiten jetzt klar vor unseren Augen, freilich erst seit wenigen Jahren, und der Stil seiner beglaubigten Werke stimmt mit der Schilderung, die Sandrart von ihm entwirft, überein, mögen auch manche Gemälde in Mainz und in Frankfurt, auf die jener vorzugsweise Gewicht legt, untergegangen sein. Matthias von Aschaffenburg zeigt sich als ein Meister, der für sich steht, wenn er auch im Allgemeinen mit der fränkischen Schule zusammenhängt. Er ist fähig, imposante Einzelcharaktere zu schaffen, und macht sich zur Aufgabe, Hingerissenheit, Ekstase, äußerste Erregung, furchtbaren Schmerz in ergreifender Anschaulichkeit darzustellen. Ein kräftiger Realismus erlaubt ihm, das Alltägliche in sinnlicher Lebendigkeit zu schildern, aber mit besonderer Vorliebe wagt er sich an das Phantastische, Seltsame, Gespenstische, selbst Ekelhafte. Ihm steht dazu die Fähigkeit äußerster Bewegtheit zu Gebote, in den Köpfen kommen starke Verkürzungen vor, seine Auffassung ist eine höchst malerische, er besitzt breiten Vortrag und ein ausgebildetes coloristisches Gefühl. In der Tonwirkung geht er weiter als irgend ein deutscher Künstler jener Periode, und sein stärkstes Mittel besteht in Helldunkel und Lichteffect. Sandrart nennt ihn deshalb den deutschen Correggio. Bei allen Vorzügen zeigt aber G. bereits Züge des Manierirten, seine Gewandung ist malerisch, aber nicht rein, sein Geschmack läßt die Läuterung durch Berührung mit der Renaissance vermissen; auch in allem Architektonischen und Ornamentalen kommt bei ihm nur entartete Spätgothik vor. Sein Hauptwerk unter allem Erhaltenen sind die doppelten Flügel des ehemaligen Hochaltars der Antoniter-Präceptorei zu Isenheim im Elsaß, jetzt im Museum zu Colmar, durch Nachrichten des 16. Jahrhunderts beglaubigt und von dem Präceptor Guido Guersi, der 1493 einen Neubau der Kirche begann und 1516 starb, gestiftet. Die Gegenstände der Tafeln sind: Paulus und Antonius in der Wüste; Versuchung des heiligen Antonius; Maria mit dem Kinde in einer Landschaft, von Engeln verehrt; Mariä Verkündigung; Auferstehung, Kreuzigung und Beweinung Christi. Einige andere Arbeiten sind durch Erwähnung Sandrart's oder durch alte Inventarnotizen|bestimmt; mehrere lassen sich noch durch kritische Vergleichung ermitteln. Durch Tradition haftete sein Name an einem Bilde, das Cardinal Albrecht von Brandenburg, Erzbischof von Mainz, in die Mauritius- und Magdalenenkirche zu Halle gestiftet, das dann, nach Einführung der Reformation daselbst, nach Aschaffenburg versetzt wurde und sich jetzt in der Münchener Pinakothek befindet. Es stellt die Bekehrung des Mauritius durch St. Erasmus dar. Aber nur dies Gemälde ist sein Werk, die dazu gehörigen Flügel sind von ganz verschiedenem Charakter und gehören der sächsischen Schule an. Sie haben die Kunstwissenschaft lange irre geführt, Waagen und Passavant glaubten G. auf Grund dieser Flügel beurtheilen zu können und haben ihm zahlreiche Werke zugeschrieben, welche dem Lucas Cranach oder seiner Schule angehören. Dieser falsche G. ist jetzt beseitigt und das Bild des echten ist wiederhergestellt, was der Unterzeichnete in seiner „Geschichte der deutschen Kunst im Elsaß“ und in dem Dohme’schen Sammelwerk „Kunst und Künstler“ versucht hat.

  • Autor/in

    Woltmann.
  • Zitierweise

    Woltmann, Alfred, "Grünewald, Matthias" in: Allgemeine Deutsche Biographie 10 (1879), S. 52-53 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118542907.html#adbcontent

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