Lebensdaten
1892 – 1940
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
Portbou (Katalonien, Spanien)
Beruf/Funktion
Schriftsteller ; Literaturkritiker ; Übersetzer ; Philosoph ; Übersetzer ; Librettist
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 118509039 | OGND | VIAF: 46757196
Namensvarianten
  • Benjamin, Walter Bendix Schoenflies
  • Anni M. Bie
  • Ardor; Ardor, Freiburg; Ardor – Berlin; B.; C. Conrad; D. H.; Detlef Holz; Detlev Holz; dsb; E. Ackermann; Eckart, phil.; J. E. Mabinn; K. A. Stempflinger; Karl Gumlich; Von einem Primaner der Staatsschule
  • mehr

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Zitierweise

Benjamin, Walter, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118509039.html [28.03.2024].

CC0

  • Zu den Hauptwerken Walter Benjamins zählen der Traktat über den „Ursprung des deutschen Trauerspiels“ (1928), die Aphorismen-Sammlung „Einbahnstraße“ (1928) – sowie postum publiziert – die literarisierten Erinnerungen an seine „Berliner Kinderheit um neunzehnhundert“ (1950) sowie das Fragment gebliebene „Passagen-Werk“ (1982). Seit den 1960er Jahren erfahren seine Schriften eine bis heute anhaltende breite, auch internationale Rezeption.

    Lebensdaten

    geboren am 15. Juli 1892 in Berlin
    gestorben am 27. September 1940 (Suizid) in Portbou (Katalonien, Spanien)
    Grabstätte Katholischer Friedhof in Portbou (Katalonien, Spanien)
    Konfession jüdisch
    Walter Benjamin, Akademie der Künste, Berlin (InC)
    Walter Benjamin, Akademie der Künste, Berlin (InC)
  • Lebenslauf

    15. Juli 1892 - Berlin

    1903 - 1912 - Charlottenburg bei Berlin

    nach mehrjährigem vorschulischen Privatunterricht Schulbesuch (Abschluss: Abitur)

    Kaiser-Friedrich-Schule

    1905 - 1906 - Haubinda (Thüringen)

    Schulbesuch

    Landerziehungsheim

    1903 - Charlottenburg

    Übersiedlung

    1911 - Berlin-Grunewald

    Übersiedlung

    1912 - 1917 - Freiburg im Breisgau; Berlin; München

    Studium der Philologie und Philosophie

    Universität

    1912 - Italien

    Reise

    1913 - Paris

    Reise

    1917 - 1919 - Bern; Schweiz

    Übersiedlung; Fortsetzung des Studiums; Promotion (Dr. phil.) und anschließende Reise

    Universität

    1919 - 1920 - Breitenstein, Wien (Österreich)

    Reise

    1920 - Berlin

    Übersiedlung

    1922 - 1923 - Frankfurt am Main

    1924 - Italien

    mehrmonatiger Aufenthalt

    1924 - Berlin

    1925 - Frankfurt am Main

    erfolglose Habilitationsbemühungen

    Universität

    1925 - Spanien; Italien

    Reise

    1926 - Paris

    mehrmonatiger Aufenthalt

    1926 - 1927 - Moskau

    mehrmonatiger Aufenthalt

    1927 - Frankreich; Polen

    mehrmonatiger Aufenthalt; Reise

    1928 - Frankfurt am Main; Lugano; Genua, Marseille

    zur Beisetzung von Schoenflies; Reisen

    1929 - Italien; Paris; Riga (Lettland)

    Italienreise mit dem Schriftsteller Wilhelm Speyer (1887–1952); weitere Reisen

    1930 - Skandinavien; Polen; Berlin

    Reise; Rückkehr nach Berlin

    1932 - Ibiza (Spanien); Marseille; Italien

    Reise als Gast des ehemaligen Münchner Kommilitonen Felix Noeggerath (1885–1960); Weiterreise über Marseille; Treffen mit Speyer in Italien

    März 1933 - Paris

    Flucht aus Deutschland

    1933 - Ibiza

    mehrmonatiger Aufenthalt

    1934 - Skovsbostrand (Dänemark)

    mehrmonatiger Aufenthalt bei Brecht

    1934 - 1935 - Sanremo (Italien)

    mehrmonatiger Aufenthalt bei seiner geschiedenen Ehefrau Dora Sophie Kellner (1890–1964)

    1936 - Skovsbostrand; Sanremo

    Aufenthalte bei Brecht und Kellner

    Sept.–Dez. 1937 - Boulogne-Billancourt (Frankreich)

    Aufenthalt

    1937 - 1938 - Sanremo

    Aufenthalt bei Kellner

    Sommer/Herbst 1938 - Skovsbostrand

    Aufenthalt bei Brecht

    1939 - Dez. 1939 - Paris; Vernuche

    mit Beginn des Zweiten Weltkriegs Internierung

    Camp des travailleurs volontaires

    1940 - Lourdes; Marseille; Portbou

    Flucht aus Paris

    27. September 1940 (Suizid) - Portbou (Katalonien, Spanien)
  • Genealogie

    Vater Sali Emil Benjamin 1856–1926 Antiquitätenhändler, Geschäftsmann in Berlin
    Mutter Pauline Elise Benjamin, geb. Schoenflies 1869–1930
    Großvater väterlicherseits Bendix Benjamin 1818–1885 Kaufmann in Köln
    Großmutter väterlicherseits Brunella (Brünella) Benjamin, geb. Mayer 1827–1919
    Großvater mütterlicherseits Georg Schoenflies 1841–1894 Tabakhändler und -fabrikant in Landsberg an der Warthe, später Grundstücks- und Hypothekenmakler in Berlin, 1892–1894 Berliner Stadtverordneter
    Großmutter mütterlicherseits Hedwig Schoenflies, geb. Hirschfeld 1845–1908
    Bruder Georg Benjamin 1895–1942 Arzt, 1929–1933 KPD-Abgeordneter des Bezirks Berlin-Wedding, antifaschistischer Widerstandskämpfer; 1942 im KZ Mauthausen ermordet
    Schwester Dora Benjamin 1901–1946 promovierte Nationalökonomin, Publizistin, in verschiedenen Bereichen der Sozialfürsorge tätig
    Verlobte (1914-1916) Margarethe Radt 1891–1979
    Heirat 1917 in Berlin-Grunewald
    Ehefrau Dora (eigentlich Deborah) Sophie Benjamin, geb. Kellner 1890–1964 Journalistin, Schriftstellerin, Übersetzerin, Pensionsinhaberin
    Schwiegervater Leon Kellner 1859–1928 Anglist, Schullehrer, Universitätsprofessor
    Schwiegermutter Anna Kellner, geb. Weiss 1862–1941 Übersetzerin
    Sohn Stefan Rafael Benjamin 1918–1972 Antiquar
    Scheidung 1930
    Ururgroßonkel väterlicherseits Heinrich Heine 1797–1856 Dichter, Schriftsteller und Journalist
    Großonkel mütterlicherseits Paul Oskar Gustav Hirschfeld 1847–1895 Archäologe und Geograph, Professor der Universität Königsberg (Preußen), Leiter der Ausgrabungen in Olympia 1875–1877
    Großonkel mütterlicherseits Arthur Moritz Schoenflies 1853–1928 Mathematiker, Kristallforscher; Rektor der Universität Frankfurt am Main
    Cousine mütterlicherseits Gertrud Kolmar (eigentlich Chodziesner) 1894–1943 Lyrikerin und Schriftstellerin
    (eingeheirateter) Cousin Louis William Stern 1871–1938 Psychologe, Hochschulprofessor; Mitbegründer der Universität Hamburg
    Cousin (2. Grades) Günther Anders 1902–1992 Philosoph, Publizist, verh. mit Hannah Arendt (1906–1975), Philosophin, Politologin, Publizistin
    Diese Grafik wurde automatisch erzeugt und bietet nur einen Ausschnitt der Angaben zur Genealogie.

    Benjamin, Walter (1892 – 1940)

    • Vater

      Sali Emil Benjamin

      1856–1926

      Antiquitätenhändler, Geschäftsmann in Berlin

      • Großvater väterlicherseits

        Bendix Benjamin

        1818–1885

        Kaufmann in Köln

      • Großmutter väterlicherseits

        Brunella (Brünella) Benjamin

        1827–1919

    • Mutter

      Pauline Benjamin

      1869–1930

      • Großvater mütterlicherseits

        Georg Schoenflies

        1841–1894

        Tabakhändler und -fabrikant in Landsberg an der Warthe, später Grundstücks- und Hypothekenmakler in Berlin, 1892–1894 Berliner Stadtverordneter

      • Großmutter mütterlicherseits

        Hedwig Schoenflies

        1845–1908

    • Bruder

      Georg Benjamin

      1895–1942

      Arzt, 1929–1933 KPD-Abgeordneter des Bezirks Berlin-Wedding, antifaschistischer Widerstandskämpfer; 1942 im KZ Mauthausen ermordet

    • Schwester

      Dora Benjamin

      1901–1946

      promovierte Nationalökonomin, Publizistin, in verschiedenen Bereichen der Sozialfürsorge tätig

    • Heirat

      in

      Berlin-Grunewald

  • Biografie

    Leben

    Benjamin war der älteste Sohn einer vermögenden jüdischen Familie, der sowohl auf väterlicher wie mütterlicher Seite herausragende Persönlichkeiten entstammten. Nach vorschulischem Privatunterricht besuchte er von 1903 bis 1912 die Charlottenburger Kaiser-Friedrich-Schule, unterbrochen nur von einem anderthalbjährigen Aufenthalt im Landerziehungsheim Haubinda (Thüringen), wo er den Schulreformer Gustav Wyneken (1875–1964) und den Musikpädagogen August Halm (1869–1929) kennenlernte. Nach dem Abitur studierte er Philologie und Philosophie an den Universitäten Berlin, Freiburg im Breisgau und München. In Berlin machte er 1915 die Bekanntschaft des Judaisten Gerhard (später: Gershom) Scholem (1897–1982), mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband. 1917 setzte er sein Studium in Bern fort, lernte u. a. den Schriftsteller und Mitbegründer des Cabaret Voltaire (der Wiege des Dadaismus) Hugo Ball (1886–1927) sowie den Philosophen Ernst Bloch (1885–1977) kennen und wurde 1919 bei Richard Herbertz (1878–1959) mit einer Arbeit über die deutsche Romantik zum Dr. phil. promoviert.

    Als 1925 alle Versuche, sich an einer deutschen Universität (u. a. Frankfurt am Main) zu habilitieren, gescheitert waren, verdiente Benjamin seinen Lebensunterhalt als freier Schriftsteller. Bis 1933/35 publizierte er hauptsächlich in der Berliner Wochenzeitschrift „Die literarische Welt“ und in der „Frankfurter Zeitung“. In den Jahren der Weimarer Republik machte er zahlreiche intellektuelle Bekanntschaften, u. a. des Philosophen Theodor W. Adorno (1903–1969), des Journalisten Siegfried Kracauer (1889–1966) sowie der Schriftsteller Bertolt Brecht (1898–1956) und Wilhelm Speyer (1887–1952). Er arbeitete an Speyers Roman „Gaby, weshalb denn nicht?“ (1930) sowie dessen Schauspielen „Es geht. Aber es ist auch danach“ (1929), „Jeder einmal in Berlin (1930) und „Ein Mantel, ein Hut, ein Handschuh“ (1933) mit und übertrug mit Franz Hessel (1880–1941) zwei Bände aus Marcel Prousts (1871–1922) Romanzyklus „À la recherche du temps perdu“ ins Deutsche (Im Schatten der jungen Mädchen; Die Herzogin von Guermantes). Reisen führten Benjamin zwischen 1924 und 1932 durch Europa.

    Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme floh er im März 1933 aus Berlin und lebte fortan – unterstützt u. a. vom Institut für Sozialforschung – in Paris. In seinen Exiljahren verbrachte er teils mehrmonatige Aufenthalte auf Ibiza (1933), in Sanremo bei seiner geschiedenen Ehefrau (1934/35, 1936 und 1937/38) sowie bei Brecht in Dänemark (1934, 1936, 1938). Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde Benjamin nahe der Ortschaft Vernuche interniert und kehrte nach seiner Freilassung im Dezember 1939 nach Paris zurück. Wegen der deutschen Besatzung Frankreichs ging er 1940 mit seiner Schwester Dora in den Süden des Landes und lebte in Lourdes. Im September floh er über die Pyrenäen nach Spanien, um über Lissabon in die USA zu gelangen. Nachdem ihm im spanischen Grenzort Portbou die Weiterreise verweigert wurde, beging er in der Nacht vom 26. auf den 27. September Suizid.

    Werk

    Benjamins Werk umfasst wissenschaftliche Abhandlungen, Literaturkritiken, philosophische und politische Aufsätze, ästhetisch-theoretische Essays, (literarisierte) Erinnerungen, Städte- und Denkbilder, Reiseimpressionen, (kommentierte) Anthologien, Gedichte und Übersetzungen. Seine frühesten Schriften datieren aus dem Jahr 1910, als der Schüler unter dem Einfluß seines Lehrers Wyneken in der Jugend(kultur)bewegung engagiert war. Bis 1916 publizierte er, mehrheitlich unter Pseudonym, Arbeiten u. a. in den Zeitschriften „Der Anfang“ und „Die freie Schulgemeinde“. Nach der Dissertation „Der Begriff der Kunstkritik in der deutschen Romantik“ veröffentlichte er erst 1924/25 wieder eine größere, für seine intellektuelle Entwicklung einschneidende Arbeit: „Goethes Wahlverwandtschaften“. Mit diesem in den von Hugo von Hofmannsthal (1874–1929) herausgegebenen „Neuen Deutschen Beiträgen“ erschienenen kunstphilosopischen Essay begründete er seinen Ruf als einer der herausragenden (Literatur-)Kritiker der Weimarer Republik.

    Fortan publizierte Benjamin vornehmlich in linksliberalen Zeitungen und Zeitschriften wie „Frankfurter Zeitung“, „Die Gesellschaft“, „Kölnische Zeitung“, „Die literarische Welt“, „Magdeburgische Zeitung“, „Vossische Zeitung“ sowie in der Amsterdamer Revue „i 10“. Außerdem war er zwischen 1927/29 und 1933 mit Beiträgen zur Kinder- und Jugendstunde sowie literarischen Porträts häufig im Frankfurter und Berliner Rundfunk zu hören. 1928 veröffentlichte er kurz nacheinander zwei seiner Hauptwerke: die Aphorismen-Sammlung „Einbahnstraße“ und den als Habilitationsschrift entstandenden Traktat über den „Ursprung des deutschen Trauerspiels“, in dem er im Zuge einer Wiederaufwertung der Literatur des deutschen Barock zugleich seine kunstphilosophischen Positionen aus dem Wahlverwandtschaften-Essays vertiefte und präzisierte. In den Folgejahren erschien die Mehrzahl seiner wichtigsten Essays und Porträts, u. a. „Der Sürrealismus“, „Zum Bilde Prousts“ (beide 1929), „Politisierung der Intelligenz“, „Theorien des deutschen Faschismus“ (beide 1930) „Linke Melancholie“, „Karl Kraus“, „Literaturgeschichte und Literaturwissenschaft“ sowie „Kleine Geschichte der Photographie“ (alle 1931); diese Arbeiten wiesen Benjamin über alle thematische Vielfalt hinaus v. a. als äußerst originellen Kritiker aus. Seit 1924 veröffentlichte er darüber hinaus zahlreiche Städtebilder („Neapel“, „Moskau“, „Marseille“, „San Gimignano“), Reiseimpressionen („Nordische See“, 1930) und „Denkbilder“ („Kurze Schatten“ I und II, „Ibizenkische Folge“). Zwischen 1923 und 1932 erschienen seine wichtigsten Übersetzungen: u. a. die der „Tableaux parisiens“ von Charles Baudelaire (1821–1867).

    Kurz vor und nach Benjamins Flucht aus Deutschland wurde das deutsche Publikum mit zahlreichen Stücken aus der „Berliner Kindheit um neunzehnhundert“ bekannt, an der er seit 1932 arbeitete und deren letzte von ihm festgelegte Fassung (1938) ihren geplanten (Privat-)Druck nicht erlebte. So blieb die Anthologie „Deutsche Menschen“ – kommentierte Briefe deutscher Geistesgrößen –, die 1931/32 bereits einzeln in der „Frankfurter Zeitung“ erschienen waren, Benjamins einzige Buchpublikation der Exiljahre. Bis 1935 veröffentlichte er noch in reichsdeutschen Zeitungen wie „Frankfurter Zeitung“, „Kölnische Zeitung“ und „Vossische Zeitung“, anschließend war er auf deutsche Exilzeitschriften und fremdsprachige Organe angewiesen. Nur mit der Zürcher Zeitschrift „Der öffentliche Dienst“ (1933/34) sowie v. a. der „Zeitschrift für Sozialforschung“ (1934–1940) stellte er eine dauerhafte Zusammenarbeit her. In dem Organ des ehemaligen Frankfurter Instituts für Sozialforschung erschienen programmatische Aufsätze Benjamins: „Zum gegenwärtigen gesellschaftlichen Standort des französischen Schriftstellers“ (1934), „Probleme der Sprachsoziologie“ (1935), der zunächst ins Französische übersetzte Kunstwerk-Aufsatz („L’œuvre d’art à l’époque de sa reproduction mécanisée“, 1936) – seiner Überzeugung nach „die erste Kunsttheorie des Materialismus, die diesen Namen verdient“ –, „Eduard Fuchs, der Sammler und der Historiker“ (1937) und zuletzt „Über einige Motive bei Baudelaire“ (1939/40). Letztgenannte Arbeit gehört in den Kontext des bereits 1927 begonnenen und in den Exiljahren intensiv wiederaufgenommenen „Passagen-Werks“, eines der Hauptwerke Benjamins, das jedoch Fragment blieb. Seine letzte Veröffentlichung zu Lebzeiten, „Une lettre de Walter Benjamin au sujet de ‚Le regard‛ de Georges Salles“, erschien im Mai 1940 in der „Gazette des amis des livres“ seiner Freundin Adrienne Monnier (1892–1955).

    Vor 1933 bereits einem großen Publikum bekannt, dauerte es nach 1945 lange, ehe Benjamin wiederentdeckt wurde. Die frühen postumen Publikationen – der Goethe-Essay, die Thesen „Über den Begriff der Geschichte“, die erstmals in Buchform veröffentlichte „Berliner Kindheit“, die Neuausgabe der „Einbahnstraße“, die zweibändigen „Schriften“ sowie die wiederaufgelegten „Deutschen Menschen“ – erhielten anerkennende Kritiken, ohne größeres Interesse beim Publikum zu wecken. Das änderte sich mit dem politischen Wandel der Bundesrepublik in den 1960er Jahren und mit der Studentenbewegung. 1967 entfachte die Zeitschrift „Alternative“ eine heftige Debatte um die Herausgabe seiner Werke, bei der es nur vordergründig um Auslassungen seiner Editoren Adorno, Scholem und Rolf Tiedemann (1932–2018) ging. Vielmehr wurde Benjamin im Kontext gesellschaftskritischer und ästhetischer Debatten als Kronzeuge einer marxistischen Theorie reklamiert, die sich sowohl von der des Realsozialismus in der DDR als auch von der negativen Gesellschaftstheorie der „Frankfurter Schule“ (Adorno, Horkheimer) unterschied. Eine unmittelbare Folge dieser politischen Auseinandersetzungen, in denen sich Marxisten (u. a. Hildegard Brenner, geb. 1927, Hans Heinz Holz, 1927–2011, Helmut Lethen, geb. 1939) sowie dem Institut für Sozialforschung nahestehende Intellektuelle (v. a. Adorno, Tiedemann) fast unversöhnlich gegenüberstanden und bei denen es auch um die Deutungshoheit über Benjamins Werk ging, war die Edition seiner „Gesammelten Schriften“ (1972–1999). Mit ihnen wurde die Basis für seine breite, auch internationale Rezeption geschaffen, so dass Benjamin heute zu den meistdiskutierten deutschen Autoren gehört.

  • Auszeichnungen

    Gedenktafeln an den Wohnhäusern Prinzregentenstraße 66, Berlin-Wilmersdorf, und Kirchstraße 49, Freiburg im Breisgau
    1981 Jardins de Walter Benjamin, Barcelona
    2001 Walter-Benjamin-Platz, Berlin-Charlottenburg
    2007 Chemin Walter Benjamin (historischer Wanderweg), Portbou (Katalonien, Spanien)
    2019 Walter-Benjamin-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft
  • Quellen

    Nachlass:

    Akademie der Künste, Berlin, Walter Benjamin Archiv.

    Teilnachlässe:

    Deutsches Literaturarchiv, Marbach am Neckar. (Einzelautografen)

    The Jewish National and University Library, Jerusalem, Gershom Scholem Archives.

    Universitätsbibliothek Gießen, Sammlung Walter Benjamin.

  • Werke

    Werke zu Lebzeiten:

    Der Begriff der Kunstkritik in der deutschen Romantik, 1920. (Onlineressource)

    Einbahnstraße, 1928. (Onlineressource)

    Ursprung des deutschen Trauerspiels, 1928.

    Deutsche Menschen. Eine Folge von Briefen. Ausw. u. Einl. v. Detlef Holz, 1936. (Onlineressource)

    Postume Sammlungen:

    Schriften, 2 Bde., 1955.

    Städtebilder, 1963.

    Versuche über Brecht, 1966, 5., erw. Ausg. 1978.

    Eine kommunistische Paedagogik. Spielzeug und Spielen. Programm eines proletarischen Kindertheaters, 1969. (Raubdruck)

    Lesezeichen, 1970. (erste DDR-Anthologie)

    Postume Einzelwerke:

    Berliner Kindheit um Neunzehnhundert, 1950.

    Goethes Wahlverwandtschaften, 1964.

    Charles Baudelaire. Ein Lyriker im Zeitalter des Hochkapitalismus, 1969.

    Berliner Chronik, 1970.

    Das Paris des Second Empire bei Baudelaire, 1971. (DDR-Ausg.)

    Moskauer Tagebuch, 1980.

    Das Passagen-Werk, 1983.

    Übersetzungen:

    Charles Baudelaire, Tableaux parisiens [franz. u. dt.]. Deutsche Übertragung mit einem Vorw. über die Aufgabe des Übersetzers, 1923. (Onlineressource)

    Walter Benjamin/Franz Hessel, Marcel Proust, Im Schatten der jungen Mädchen, 1927.

    Walter Benjamin/Franz Hessel, Marcel Proust, Die Herzogin von Guermantes, 1930.

    Briefe:

    Briefe, 2 Bde., 1966. (P) (Onlineressource)

    Walter Benjamin – Gershom Scholem, Briefwechsel 1933–1940, 1980.

    Theodor W. Adorno – Walter Benjamin, Briefwechsel 1928–1940, 1994.

    Gesammelte Briefe, 6 Bde., 1995–2000.

    Gretel Adorno – Walter Benjamin, Briefwechsel 1930–1940, 2005. (P)

    Gesamtausgaben:

    Rolf Tiedemann/Hermann Schweppenhäuser (Hg.), Gesammelte Schriften, 7 Bde. in 14 Teil-Bdn. u. 3 Supplement-Bdn., 1972–1999:

    Bd. I. (Onlineressource)

    Bd. II (Onlineressource)

    Bd. III. (Onlineressource)

    Bd. IV. (Onlineressource)

    Bd. V. (Onlineressource)

    Bd. VI. (Onlineressource)

    Bd VII. (Onlineressource)

    Supplementbd. I. (Onlineressource)

    Supplementbd. II.

    Supplementbd. III. (Onlineresssource)

    Christoph Gödde/Henri Lonitz (Hg.), Werke und Nachlaß, 2008 ff. (bislang erschienen Bd. 3, 7-11, 13, 16–17, 19).

    Benjamin Chosaku-shu, 15 Bde., Tokio 1969–1981.

    Opere complete di Walter Benjamin, 9 Bde., Turin 2000–2014.

    Œuvres et inédits, Paris 2019 ff. (bislang erschienen Bd. 3, 8, 13).

    Tonträger:

    Aufklärung für Kinder, 2 CDs, Beiheft, 2003.

    Berliner Kindheit um Neunzehnhundert, 2 CDs, Beiheft, 2005.

    Deutsche Menschen. Eine Folge von Briefen, 3 CDs, Beiheft, 2018.

    Bibliografien:

    Reinhard Markner/Thomas Weber (Hg.), Literatur über Walter Benjamin. Kommentierte Bibliographie 1983–1992, 1993.

    Momme Brodersen, Walter Benjamin. Eine kommentierte Bibliographie, 1995.

  • Literatur

    Monografien:

    Rolf Tiedemann, Studien zur Philosophie Walter Benjamins, 1965.

    Anna Stüssi, Erinnerung an die Zukunft. Walter Benjamins „Berliner Kindheit um Neunzehnhundert“, 1977.

    Chryssoula Kambas, Walter Benjamin im Exil. Zum Verhältnis von Literaturpolitik und Ästhetik, 1983.

    Marleen Stoessel, Aura. Das vergessene Menschliche. Zu Sprache und Erfahrung bei Walter Benjamin, 1983.

    Sabine Schiller-Lerg, Walter Benjamin und der Rundfunk. Programmarbeit zwischen Theorie und Praxis, 1984.

    Josef Fürnkäs, Surrealismus als Erkenntnis. Walter Benjamin – Weimarer Einbahnstraße und Pariser Passagen, 1988.

    Erdmut Wizisla, Benjamin und Brecht. Die Geschichte einer Freundschaft. Mit einer Chronik und den Gesprächsprotokollen des Zeitschriftenprojekts „Krise und Kritik“, 2004. (P)

    Johannes Steizinger, Revolte, Eros und Sprache. Walter Benjamins Metaphysik der Jugend, 2013.

    Burkhardt Lindner, Studien zu Benjamin, 2016.

    Sammelbände:

    Über Walter Benjamin. Mit Beiträgen von Theodor W. Adorno, Ernst Bloch, Max Rychner, Gershom Scholem, Jean Selz, Hans Heinz Holz u. Ernst Fischer, 1968.

    Michael Opitz/Erdmut Wizisla (Hg.), Benjamins Begriffe, 2000.

    Burkhardt Lindner/ Thomas Küpper/Timo Skrandies (Hg.), Benjamin-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, 2006. (P)

    Zeitschriften(-Sonderbände):

    Alternative. Zeitschrift für Literatur und Diskussion 10 (1967), H. 56/57 „Walter Benjamin [I]“, 11 (1968), H. 59/60 „Walter Benjamin (II)“ (P) u. 23 (1980), H. 132/133 „Faszination Benjamin“. (P)

    Benjamin Journaal H. 1–5 (1993–1997).

    Biografisches und Beiträge zur Familiengeschichte:

    Gershom Scholem, Walter Benjamin – die Geschichte einer Freundschaft, 1975.

    Momme Brodersen, Spinne im eigenen Netz. Walter Benjamin: Leben und Werk, 1990. (P)

    Hans Puttnies/Gary Smith, Benjaminiana. Eine biographische Recherche, 1991. (P)

    Howard Eiland/Michael W. Jennings, Walter Benjamin. A Critical Life, 2014, dt. Walter Benjamin. Eine Biographie, 2020. (P)

    Eva Weissweiler, Das Echo deiner Frage. Dora und Walter Benjamin. Biographie einer Beziehung, 2020. (P)

    (Internationale) Kolloquien, Kongresse und Symposien (Akten):

    Siegfried Unseld (Hg.), Zur Aktualität Walter Benjamins. Aus Anlaß des 80. Geburtstags von Walter Benjamin, 1972. (P)

    Heinz Wismann (Hg.), Walter Benjamin et Paris. Colloque international 27-29 juin 1983, 1986.

    Klaus Garber/Ludger Rehm (Hg.), global benjamin. Internationaler Walter-Benjamin-Kongreß 1992, 3 Bde., 1999.

    Ausstellungen und Ausstellungskataloge:

    Rolf Tiedemann/Christoph Gödde/Henri Lonitz (Hg.), Walter Benjamin 1892-1940, 1990. (P)

    Erdmut Wizisla (Hg.), Benjamin und Brecht. Denken in Extremen, 2017. (P)

  • Onlineressourcen

  • Porträts

    Porträtkopf v. Jula Cohn, vor 1927 (im Zweiten Weltkrieg verschollen), Fotografien davon v. Sasha Stone, 1895–1940, 1927).

    Lithografie v. Ronald B. Kitaj (1932–2007), 1966.

    Zeichnung (Holzkohle auf Papier) v. Valerio Adami (geb. 1935), 1973. (Onlineressource)

    Gemälde (Öl auf Hartfaserplatte) v. Peter Wise. (Onlineressource)

    Gemälde (Mischtechnik: Tusche, Öl- und Pastellkreide) „Der Alptraum des Walter Benjamin“ v. Igael Tumarkin (1933–2021), 1990.

    Familienfotos sowie Fotoporträts Walter Benjamins u. a. v. Germaine Krull (1897–1985) u. Gisèle Freund (1908–2000), Abbildungen in: Rolf Tiedemann/Christoph Gödde/Henri Lonitz (Hg.), Walter Benjamin 1892-1940, 1990.

  • Autor/in

    Momme Brodersen (Palermo, Italien)

  • Zitierweise

    Brodersen, Momme, „Benjamin, Walter“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.10.2022, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118509039.html#dbocontent

    CC-BY-NC-SA