Lebensdaten
1844 – 1911
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Politiker ; Kaufmann ; Unternehmer
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 117630373 | OGND | VIAF: 45085272
Namensvarianten
  • Singer, Paul

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Zitierweise

Singer, Paul, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117630373.html [23.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Jacob (1800–48), Gold- u. Silberhändler in B., S d. Abraham ( vor 1812?), Kaufm. in Lublinitz (Oberschlesien);
    M Caroline (um 1803–67, Kauffrau in B., T d. Hirsch Juda Levy (1764–1847), Mitgl. d. Börsencorporation in B., u. d. Hanne Mendel (1771–1826); 8 ältere Geschw u. a. Heinrich (1841–1920), Kaufm. in B., Sophie (1827–1907, Julius Singer, 1818–82?, Kaufm., Ov), Anna (1828?–93, Moritz Graumann, Kaufm.), Henriette (1831–89, J. Schneider), Emma (1834–1903, N. N. Philippsthal), Mathilde (1842–1902); – ledig;
    Gr-N Kurt Hiller (1885–1972), Publ. (s. BHdE I).

  • Biographie

    S. wuchs in Berlin als jüngster Sohn einer jüd. Familie in bürgerlichen, nach dem frühen Tod des Vaters jedoch materiell ungesicherten Verhältnissen auf. Bis 1858 besuchte er die Realschule, absolvierte dann eine kaufmännische Lehre und arbeitete anschließend als Handlungsgehilfe. 1869 gründete er mit seinem Bruder Heinrich die „Damenmäntelfabrik Gebrüder Singer“, eine prosperierende Konfektionsfirma, aus der er Ende 1887 als finanziell unabhängiger Mann ausschied. S. wohnte zeitlebens in einem Haushalt mit seinen ebenfalls unverheirateten Geschwistern Heinrich und Mathilde. Er stand dem Judentum als Religion distanziert gegenüber, engagierte sich auch nicht für jüd. Belange, trat aber nie aus der jüd. Gemeinde aus.

    Um 1867 schloß sich S. dem von Johann Jacoby (1805–77) geprägten demokratischen Flügel der Dt. Fortschrittspartei an. Unter dem Einfluß von August Bebel (1840–1913) und Wilhelm Liebknecht (1826–1900) wandte er sich der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (gegründet Eisenach 1869) zu, die er zunächst v. a. finanziell unterstützte. Seit 1875 war er Kurator des Männerasyls im Berliner Asylverein für Obdachlose, einem Verein für progressive bürgerliche Sozialreform; er engagierte sich in Gremien der Korporation der Kaufmannschaft von Berlin (1880–86), im Verein Berliner Kaufleute und Industrieller (bis 1884) und in der kommunalen Selbstverwaltung. In der Sozialdemokratie übernahm S. als bürgerlicher „Quereinsteiger“ erst nach dem Inkrafttreten des „Sozialistengesetzes“ 1878 eine aktive Rolle. Er wurde Vertrauensmann in der illegalen Organisation und trat bald auch öffentlich in Erscheinung. Die Wahlkämpfe um seinen Einzug in die Berliner Stadtverordneten-Versammlung, als deren Mitglied er 1883–1911 die Grundlagen für eine sozialdemokratische Kommunalpolitik schuf, und in den Reichstag (Mitgl. 1884–1911) waren von Auseinandersetzungen mit der konservativ-antisemitischen „Berliner Bewegung“ des Hofpredigers Adolf Stöcker (1835–1909) geprägt. Auch S.s weitere politische Karriere wurde von antisemitischen Anfeindungen begleitet.

    1884 stellte S. die Mittel für die Gründung des „Berliner Volksblatts“ (seit 1891 „Vorwärts, Berliner Volksblatt“), das spätere Zentralorgan der Partei, zur Verfügung. Im Sommer 1886 wies ihn die preuß. Polizei aus Berlin aus, bis 1890 konnte er sich nur während der Sitzungsperioden des Reichstags dort aufhalten. Seit Ende 1886 gehörte er dem Vorstand der Reichstagsfraktion an, 1887–1909 präsidierte er auf allen sozialdemokratischen Parteitagen (außer 1904). Der erste Parteitag der wieder legalisierten Partei (Halle 1890) wählte S. und Alwin Gerisch (1857–1922) zu Ko-Vorsitzenden, 1892–1911 übte er das Amt gemeinsam mit Bebel aus. Im Reichstag war S. als Ko-Fraktionsvorsitzender (ebenfalls mit Bebel), Geschäftsordnungsexperte und Mitglied wichtiger Kommissionen einer der einflußreichsten Parlamentarier seiner Partei. S. vertrat den von Bebel und Karl Kautsky geprägten Marxismus des Erfurter Programms (1891) und lehnte Kompromisse mit dem Klassenstaat und den bürgerlichen Parteien ab; v. a. seit dem „Revisionismusstreit“ um 1900 galt er als Vertreter des innerparteilichen „Radikalismus“.

    S. trug maßgeblich dazu bei, der Sozialdemokratie den Weg in die politischen Institutionen des Kaiserreichs zu ebnen, ohne das Ziel der politischen und ökonomischen|Emanzipation der Arbeiterklasse aufzugeben. Von seiner Popularität zeugte der imposante Trauerzug am 5.2.1911 mit mehreren 100 000 Teilnehmern, der zur größten sozialdemokratischen Demonstration vor dem 1. Weltkrieg wurde.

  • Auszeichnungen

    S.-Straße (Berlin, 1926–33, seit 1947);
    P.-S.-Ver. (Berlin, seit 1995).

  • Literatur

    H. Gemkow, P. S., Ein bed. Führer d. dt. Arbeiterbewegung, Mit e. Ausw. aus seinen Reden u. Schrr., 1957;
    K. Hiller, Leben gegen d. Zeit, Bd. 1: Logos, 1969;
    L. Demps, P. S., Soz. Utopie, Judentum u. Arbeiterbewegung, in: Juden u. dt. Arbeiterbewegung bis 1933, Soz. Utopien u. rel.-kulturelle Traditionen, hg. v. L. Heid u. A. Paucker, 1992, S. 103–14;
    U. Reuter, P. S. (1844–1911), Eine pol. Biogr., 2004 (W, L, P);
    Wi. 1909;
    BJ 16, Tl.;
    Sozialdemokrat. Parlamentarier;
    Demokrat. Wege (P);
    Juden in Berlin.

  • Porträts

    Grabmal nach Entwurf v. Ludwig Hoffmann mit Porträtmedaillon v. Constantin Starck, 1913 (Berlin, Zentralfriedhof Friedrichsfelde);
    Fotos (Bonn, Archiv d. soz. Demokratie).

  • Autor/in

    Ursula Reuter
  • Zitierweise

    Reuter, Ursula, "Singer, Paul" in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 463-464 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117630373.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA