Lebensdaten
1776 – 1832
Geburtsort
Longuich bei Trier
Sterbeort
Boston (Massachusetts, USA)
Beruf/Funktion
Phrenologe ; Philosoph ; Anatom ; Physiologe
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 117483044 | OGND | VIAF: 54291245
Namensvarianten
  • Spurzheim, Johann Caspar
  • Spurzheim, Johann Gaspar
  • Spurzheim, Johann Caspar
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Zitierweise

Spurzheim, Johann Gaspar, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117483044.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Johann Sportzheim (1741–87), Bauer, Landpächter d. Abtei St. Maximin in L.;
    M Anna Maria Bosenkeil ( 1802);
    4 B u. a. Willibrod, Uhrmacher in Ödenburg (Sopron, Ungarn), Karl Theodor Heinrich ( 1838), Sattlermeister in Wien, 1 Schw;
    Paris 1818 Honorine Pothier (um 1790–1830);
    N Karl (1810–72), Psychiater, 1869 Dir. d. Wiener Landes-Irrenanstalt, 1859 Franz Joseph-Orden (s. ADB 35; BLÄ; ÖBL; Kreuter, Neurologen).

  • Biographie

    S. besuchte 1790–99 das Gymnasium in Trier und studierte anschließend bis 1804 Medizin an der Univ. Wien. 1805–13 war er als Assistent und Sezierer für den Anatomen Franz Joseph Gall (1758–1828) tätig, den er 1805–07 auf einer Vortragstour durch Europa begleitete, die in Paris endete. Wissenschaftlich trat er 1808 erstmals in einer mit Gall publizierten Denkschrift für die franz. Akademie der Wissenschaften hervor (Recherches sur le système nerveux en général, et sur celui du cerveau en particulier; Mémoire présenté à l'Institut de France, le 14 mars, 1808; dt. 1809). Wegen theoretischer Meinungsverschiedenheiten kam es 1813 zum Bruch mit Gall, und S. begab sich nach Großbritannien, um dort Vorträge zu halten und sein von Gall abweichendes System der „Phrenologie“ vorzustellen, einer Schädellehre, die versuchte, psychische Eigenschaften aus der Schädelform abzuleiten. S. verband unterschiedliche Bereiche des Gehirns mit bestimmten Verhaltensweisen oder Charaktermerkmalen, die er in eine hierarchische Ordnung brachte. Diese stiegen von einfachen Eigenschaften (etwa der Brutpflege),|die Menschen und Tieren gemeinsam sind, auf zu „moralischen Empfindungen“, die teilweise bei Tier und Mensch, teilweise (z. B. Ehrfurcht) nur beim Menschen vorkommen. Dies entsprach im Prinzip den Vorstellungen Galls. S. vermehrte allerdings die Zahl der distinkten Bereiche des Hirns von 27 (Gall) auf 33 und änderte einige Bezeichnung. S. griff auch die antike Temperamentenlehre auf und verband sie mit seiner Phrenologie. 1815 erschien sein erstes Buch „The physiognomical system of Drs. Gall and Spurzheim etc.“. Eine im selben Jahr anonym (von John Gordon) publizierte böswillige Kritik des Buchs verhalf S. zu größerer Bekanntheit (The doctrines of Gall and Spurzheim, in: Edinburgh Review, Juni 1815, S. 227–68). Es fanden sich eifrige Anhänger seiner Lehren, u. a. auch George Combe (1788–1858), der zum bekanntesten Vertreter der Phrenologie in Großbritannien wurde. Von dort aus verbreitete sich S.s Lehre weltweit. Seit 1818 hielt S. Vorträge am Pariser „Athénée“ (Athenäum) zum Thema „Die Moralische und intellektuelle Natur des Menschen in Bezug auf soziale Einrichtungen“. Er entwickelte ein naturrechtliches System, das sich wesentlich auf die Philosophie von Constantin François de Volney (1757–1820) stützte und das sehr einflußreich wurde, nachdem es in Combes „The Constitution of Man and its relation to external objects“ (1828) eingearbeitet worden war. 1825 hielt S. erneut Vorträge in Großbritannien, wo er inzwischen als wichtiger Mitbegründer der Phrenologie Galls galt. Weitere Vortragsreisen führten ihn nach Irland und in die USA, wo er verstarb und unter großer öffentlicher Anteilnahme beerdigt wurde.

  • Literatur

    ADB 35;
    H. Bruyères, La Phrénologie, le geste et la physionomie, 1847;
    G. Groß, Die Phrenologie d. J. K. S.s aus Longuich (1776–1832), in: Kurtrier. Jb. 17, 1977, S. 35–52;
    G. Mann u. F. Dumont (Hg.), Gehirn, Nerven, Seele, Anatomie u. Physiol. im Umfeld S.s u. Thomas Soemmerrings, 1988;
    J. van Wyhe, Phrenology and the origins of Victorian scientific naturalism, 2004 (P);
    BLÄ;
    DSB;
    Kreuter, Neurologen;
    ÖBL.

  • Autor/in

    John van Wyhe
  • Zitierweise

    Wyhe, John van, "Spurzheim, Johann Gaspar" in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 770-771 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117483044.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Spurzheim: Johann Christoph S., der bekannte Phrenolog, Freund und Mitarbeiter Gall's, ist am 31. December 1776 als Sohn eines Pächters zu Longwich bei Trier geboren. Er studirte seit 1791 Theologie in Trier, begab sich nach Ankunft der französischen republikanischen Armeen nach Wien, wo er 1799 das Studium der Medicin begann, wurde Hauslehrer einer vornehmen Familie, wo er den berühmten Begründer der Kranioskopie Joseph Gall (s. d.) kennen lernte, 1800 dessen Privatvorlesungen hörte und ihn seit 1804 als Secretär und Assistent auf seinen Reisen durch Deutschland, die Schweiz, Holland und Frankreich begleitete. Doch gerieth er mit seinem Lehrer später in Zwistigkeiten, trennte sich 1813 von ihm, bereiste dann allein Großbritannien und Irland und hielt phrenologische Vorlesungen zu London, Bath, Bristol, Dublin, Cork, Liverpool, Edinburg. Im Juni 1817 siedelte er nach Paris über, wo er als Arzt und Lehrer der Phrenologie eine rege Thätigkeit entfaltete und 1824|eine Wittwe heirathete, welche die Zeichnungen und mehrere Steindrücke zu seinen Werken verfertigte, aber schon zu Ende des Jahres 1829 starb. Später begab sich S. abermals längere Zeit auf Reisen, zunächst durch mehrere Städte Frankreichs, dann zu wiederholten Malen nach Großbritannien und Irland und schließlich im Juni 1832 nach Nordamerika, speciell nach Boston, wo er jedoch bereits am 10. November 1832 am Typhus starb. S. war Dr. med. der Wiener Universität (seit 1813) und der Pariser Universität (seit 1821), Licentiat des Royal College of Phys. zu London (seit 1817) und Mitglied vieler anderer gelehrter Gesellschaften. Außer dem zweifelhaften Verdienst, das er sich um die Ausbildung und Propaganda der übrigens von S. selbst später theilweise noch modificirten Gall’schen Schädellehre hauptsächlich in England erworben hat, kommt ihm das wirkliche zu, daß infolge seiner ausgezeichneten, zum Theil mit Gall zusammen verfertigten Arbeiten, denen vorzügliche Abbildungen beigegeben waren, speciell die Kenntniß der normalen und pathologischen Anatomie des Gehirns wesentlich gefördert und bereichert worden ist. Diese Arbeiten führten schließlich dazu, daß man auch die Seelenstörungen und Geisteskrankheiten als Affectionen des Gehirns aufzufassen lernte, und so muß denn S. auch als Begründer der neueren, mehr somatischen bezw. pathologisch-anatomischen Richtung in der Psychiatrie angesehen werden. Von seinen Arbeiten — ein vollständiges Verzeichniß derselben findet sich in Callisen's med. Schriftstellerlexikon Bd. XXXII, S. 401 bis 405 — führen wir als die bemerkenswerthesten folgende an: „Recherches sur le système nerveux en général et sur celui du cerveau en particulier“ (zusammen mit Gall, Paris 1809, deutsch Paris und Straßburg 1809); „Anatomie et physiologie du système nerveux en général et du cerveau en particulier, avec des observations sur la possibilité de reconnaître plusieurs dispositions intellectuelles et morales de l'homme et des animaux par la configuration de leurs têtes“ (gleichfalls zusammen mit Gall, 4 Bde., Paris 1810—1820, mit Atlas von 100 Tafeln; deutsch 2 Bde., ebd. 1810—1812 mit 44 Kupfern; 2. Ausgabe unter dem Titel: „Sur les fonctions du cerveau et sur chacune de ses parties etc.“, 6 Bde., ebd. 1822—1825; deutsch Nürnberg 1829—1833; englisch Boston 1835, italienisch Bologna 1835). — Dieses Werk ist die fundamentale, die kranioskopischen und phrenologischen Lehren schon in ihren Grundzügen enthaltende Schrift, von der übrigens der letzte Theil infolge der später zwischen Gall und S. eingetretenen Spannung von ersterem allein herausgegeben wurde. — „Observations sur la phrénologie ou la connaissance de l'homme moral et intellectuel, fondée sur les fonctions du système nerveux“ (Straßburg und Paris 1810; neue Ausgabe ebda. 1818); „Des dispositions innées de l'âme et de l'esprit; du matérialisme, du fatalisme et de la liberté morale“ etc.; (ebda. 1812). Die beiden letztgenannten Schriften sind gleichfalls mit Gall zusammen herausgegeben. Selbständig verfaßte S. nach seiner Trennung von Gall noch: „The physiognomical systems of Drs. Gall and Spurzheim founded on an anatomical and physiognomical examination of the nervous systeme in general“ etc. (London 1815); „Outlines of the physiognomical system of Drs. Gall and Spurzheim“ etc. (ebda. 1815); „Observations on the diseased (deranged) manifestations of the mind or insanity etc.“ (ebda. 1817; new ed.: „Observations on insanity“, 1840; französisch 1818; deutsch von E. v. Embden Hamburg 1818); „Examinations of the objections made in Britain against the doctrines of Gall and Spurzheim“ (Edinburg 1817); „Observations sur la phrénologie“ (Paris 1818); „Essai philosophique sur la nature morale et intellectuelle de l'homme“ (ebda. 1820; deutsch von J. J. Hergenröther, Würzburg 1822); „Du cerveau sous le rapport anatomique“ (Pariser Doctorthese 1821); „A view of the elementary principles of education founded on the study of the human nature“|(Edinburg 1821; London 1828; französisch 1822); „Précis de phrénologie contenant l'exposition du buste“ (Paris 1825); „Phrenology or the doctrine of the mind and of the relations between its manifestations and the body“ (London 1825, 1840); „A view of the philosophical principles of phrenology“ (ebda. 1825; 1826; 1840); „Phrenology in connexion with the study of physiognomy“ (2 Bde., London und Edinburg 1826; 4. Ausgabe Boston 1835); „The anatomy of the brain with a general view of the nervous system; translated from the unpublished French manuscript by R. Willis“ etc. (ebda. 1826; 1840); „Appendix to the anatomie of the brain“ (ebda. 1830). Sein letztes Werk ist betitelt: „Manuel de phrénologie“ (Paris 1832). — Uebrigens publicirte S. außer den genannten größeren Arbeiten zahlreiche kleinere Artikel und Abhandlungen für Zeitschriften und encyklopädische Sammelwerke.

    • Literatur

      Vgl. außer den Lehrbüchern der Geschichte der Medicin von Sprengel-Eble, Isensee und Haeser noch Biogr. Lexikon hervorragender Aerzte etc. von Hirsch u. Gurlt V, 497.

  • Autor/in

    Pagel.
  • Zitierweise

    Pagel, Julius Leopold, "Spurzheim, Johann Gaspar" in: Allgemeine Deutsche Biographie 35 (1893), S. 328-330 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117483044.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA