Lebensdaten
1839 – 1923
Geburtsort
Breslau
Sterbeort
Zürich
Beruf/Funktion
Chemiker
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 117316490 | OGND | VIAF: 5033673
Namensvarianten
  • Lunge, Georg
  • Lunge
  • Lunge, G.
  • mehr

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Zitierweise

Lunge, Georg, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117316490.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Heinrich, Kaufm. in B.;
    M Amalie Fischhof;
    1869 ( 1895) Kathleen (1850-n. 1918), T d. James Bowron, Inh. d. Sodafabrik Baily, Bowron & Co. in Newcastle, u. d. Mary Hannah;
    3 S, 3 T.

  • Biographie

    L. studierte in Breslau Chemie bei Karl Löwig und wurde schon vor dem Ende des Studiums 1859 mit einer unter Ferdinand Cohn verfaßten Arbeit „De fermentatione alcoholica“ promoviert. L. studierte weiter in Heidelberg bei Robert Bunsen. Noch im selben Jahr erschien eine Untersuchung über die „Zusammensetzung des Gases im dunkeln Kegel nichtleuchtender Gasflammen“ (Liebigs Ann. 112, 1859, S. 205-11), aus der zu ersehen ist, daß er an den Forschungen, die zur Entwicklung des Bunsenbrenners und schließlich der Spektralanalyse führten, beteiligt war. Schon 1860 kehrte er nach Schlesien zurück, um seine Kenntnisse in der sich entwickelnden chemischen Industrie anzuwenden. Er arbeitete zunächst in einer Kunstdüngerfabrik, gründete aber schon 1862 ein eigenes Unternehmen zur Erzeugung von Blutlaugensalz, Salmiak, Bleisalzen, etc. Das Vorhaben scheiterte zwar, unterstreicht aber deutlich die ausgeprägte Tatkraft des erst 22jährigen. L. reiste nach England, um im Mutterland der (chemischen) Industrie weitere Erfahrungen zu sammeln. Eine kurze Tätigkeit in einer Fabrik für Steinkohlenteerprodukte leitete 1865 über zu einer Anstellung bei der neugegründeten Sodafabrik von Baily, Bowron & Co. in der Nähe von Newcastle, wo er bald zum Direktor avancierte. In der Beschäftigung mit der technischen Sodafabrikation hatte L. das große technisch-wissenschaftliche Thema seines Lebens gefunden. Aufgrund des Prozeßverlaufs beim damals üblichen Leblanc-Verfahren der Sodagewinnung benötigte man Schwefelsäure, zu deren Herstellung (nach dem Bleikammerverfahren) wiederum Salpetersäure erforderlich war; neben Soda entstand als Abfallprodukt Salzsäure, die zur Herstellung weiterer Stoffe verwendet werden konnte. Die Sodaindustrie wurde somit zur Schlüsselindustrie der anorganischen Großchemie, da es aus chemischen, technologischen und wirtschaftlichen Gründen unumgänglich war, die eben genannten Stoffe jeweils in derselben Anlage herzustellen bzw. zu verarbeiten. Neben seiner Berufstätigkeit verfaßte L. eine Reihe von Aufsätzen für deutsche und engl. Journale, die überwiegend die Beschreibung technischer Anlagen in Großbritannien zum Inhalt hatten, womit keineswegs nur chemische Fabriken gemeint sind; rein chemisch ausgerichtete Arbeiten treten in diesem Zeitraum (1862–76) eher in den Hintergrund. Nichtsdestoweniger verschaffte sich L. mit den Jahren ein erhebliches Ansehen als technischer Chemiker, sowohl in England wie auch auf dem Kontinent. Als 1875 der Lehrstuhl für Technische Chemie an der ETH Zürich frei wurde, trug man ihn zunächst Heinrich Caro, dem Direktor der BASF, an. Caro lehnte ab und empfahl seinerseits L. Dieser nahm die daraufhin erfolgende Berufung an. Bis zu seiner Emeritierung 1907 wirkte L. in Zürich. Die 1880 notwendig gewordene Erweiterung des Instituts für Technische Chemie wurde von ihm (teilweise gemeinsam mit Victor Meyer) geplant und durchgeführt. Eine der modernsten Lehrstätten ihrer Art entstand, die noch Jahrzehnte später als vorbildlich galt. Zu seinem 70. Geburtstag rief L. 1909 die nach ihm benannte Stiftung ins Leben, die begabten Chemie-Ingenieuren eine adäquate Ausbildung ermöglichen sollte.

    L.s wissenschaftliches Werk konzentrierte sich vorwiegend auf zwei Felder, die anorganische Verfahrenstechnik und die chemische Analytik großtechnischer Prozesse. Er befaßte sich im Rahmen langjähriger Untersuchungen mit den Vorgängen im Inneren der Bleikammern der Schwefelsäurefabriken, wobei er die Bildung von Schwefelsäure aus schwefliger Säure über eine Zwischenstufe, die Nitrosylschwefelsäure, postulierte. Diese später von Friedrich Raschig erweiterte Theorie des Bleikammerprozesses wurde seinerzeit lebhaft diskutiert und erwies sich im Wesentlichen als korrekt. Weiter sind zu nennen Arbeiten über die Herstellung von Chlor, Chlorkalk und Salpetersäure. Auf dem Gebiet der organochemischen Technik verdankt man L. insbesondere Untersuchungen zur Fabrikation von Nitrocellulose. Während diese Forschungen nur mittelbar die Konfiguration der Prozeßanlagen betrafen, hat L. mit der Konstruktion der sog. „Plattentürme“ eine erhebliche Verbesserung bei der technischen Nutzung des Gegenstromprinzips erreicht. Es handelt sich dabei um horizontal angeordnete Platten innerhalb von Reaktionstürmen, die, unabhängig von der im Turm stattfindenden Reaktion, eine Vergrößerung der reaktiven Oberfläche und somit eine Steigerung der Umsetzungsrate bewirken. Dieses Prinzip wurde später von Raschig durch die Anwendung spezieller Füllkörper („Raschig-Ringe“) an Stelle der Platten optimiert.

    Die verfahrenstechnische Analytik wurde von L. in vielen Bereichen verbessert. Hingewiesen sei auf die Einführung des Methylorange als Indikator für die Alkalimetrie (1881) und die Entwicklung eines Gasvolumeters, das die entstehenden Volumina selbsttätig auf Normalbedingungen reduzierte (0° C; 760 Torr), ohne daß eine vorherige Umrechnung vorgenommen werden mußte. Dazu kommen Analysen des Chlorkalks und verschiedener Pyrite, Kohlenstoffbestimmungen in Stahl- und Eisensorten, SO3-Bestimmungen in rauchender Schwefelsäure u. a. m. In Zürich entwickelte er ein eigenes chemisch-technisches Praktikum, das er selbst leitete. In ihm wurde eine enge Verknüpfung der Ausbildung mit der eigentlischen Forschung hergestellt. L. betonte stets die Notwendigkeit eines praxisnahen Studienganges und entwarf Vorschläge „Über den passendsten Lehrgang für das Studium der technischen Chemie“ (Chem. Industrie 1888, S. 121).

    L. war einer der fruchtbarsten Autoren auf dem Gebiet der technischen Chemie. Eine Bibliographie seiner Arbeiten umfaßt nahezu 700 Titel. In vielen Veröffentlichungen tritt er in erster Linie als Kompilator bzw. Berichterstatter auf. – Altersdepressionen zwangen L. 1907 zur Aufgabe seines Lehrstuhls. Der Emeritus beschäftigte sich jedoch weiterhin mit wissenschaftlichen Fragen, weiterhin mit wissenschaftlichen Fragen, publizierte Aufsätze und redigierte Neuaufzurückzog.

  • Werke

    Weitere W u. a. Hdb. d. Sodaindustrie, 1879 f., ⁴1916 (engl. u. franz. Übers.);
    Die Industrie d Steinkohlenteers u. Amoniaks, ³1888, ⁴1900;
    Ein Apparat z. Reduktion v. Gasvolumen auf Normaltemperatur u. Normaldruck, in: Chem. Ztg., 1888, Nr. 50;
    Über d. Reaktionen in d. Bleikammer, in: Zs. f. Angew. Chemie, 1889, S. 265-80;
    Der jetzige Stand d. Schwefelgewinnung in Louisiana nach d. Verfahren v. H. Frasch, ebd., 1905, S. 1009–11, 1106;
    Chem.-techn. Unters.methoden, 1899 f., ⁷1921-24 (4 Bde.);
    Taschenbuch d. organ.-chem. Großindustrie, 1907.

  • Literatur

    E. Dosshard, in: Verhh. d. Schweizer, naturforsch. Ges. 104, 1923 (W-Verz.);
    ders., in: Das Buch d. gr. Chemiker II, hrsg. v. G. Bugge, 1930 (P);
    Pogg. III-VI;
    Wi. 1922 (W);
    Dict. of scientific Biogr. VIII, 1973.

  • Autor/in

    Claus Priesner
  • Zitierweise

    Priesner, Claus, "Lunge, Georg" in: Neue Deutsche Biographie 15 (1987), S. 522-523 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117316490.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA