Lebensdaten
1851 – 1927
Geburtsort
Wedel (Holstein)
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
sozialdemokratischer Politiker
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 117120944 | OGND | VIAF: 14985793
Namensvarianten
  • Molkenbuhr, Hermann

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Zitierweise

Molkenbuhr, Hermann, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117120944.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Hinrich (1814–70), Schneidermeister u. Detailwarenhändler in Wedel (Holstein), nach Bankrott seit 1862 in Ottensen als Arbeiter in e. Kalkbrennerei, S d. Hinrich (1772–1818), Hausmann in W., u. d. Maria Elisabeth Körner (1786–1845);
    M Anna Margaretha (1815–85) , Tochter d. Lorenz Biesterfeld (1780–1853), Abschiedsmann in Wedel (Holstein), u. d. Anna Margaretha Wulf (1779–1844); verheiratet 1) Ottensen 1878 (geschieden 1886) Friederike Köster (1852–1918) aus Goldberg, 2) Berlin 1909 Sabine gesch. Plumm (geboren 1865) aus Gerbrunn (Unterfranken), Tochter d. Heinrich Nicola (1833–1917) u. d. Margarete Schmitt (1842–1910) beide in Würzburg; 1 illegitimer Sohn, 2 Söhne aus 1).

  • Biographie

    Bedingt durch die wirtschaftliche Notlage seiner Familie mußte M. nach nur vierjährigem Volksschulbesuch bereits 1862 in einer Zichorienfabrik in Ottensen arbeiten und konnte dort nur die „Abendschule für die in Fabriken arbeitenden Kinder“ besuchen. Er erlernte den Beruf des Zigarrenmachers, den er bis 1890 ausübte. Sein mangelhaftes Schulwissen suchte er durch intensive Privatstudien abzugleichen und erwarb sich damit schon als Jugendlicher überdurchschnittliche Kenntnisse in Politik, Volkswirtschaft und Literatur. Auf diese Weise lernte er auch die politischen Vorstellungen Ferdinand Lassalles kennen, die er begeistert aufnahm und die seine politische Grundhaltung prägten. Überzeugt von der Notwendigkeit einer eigenständigen Vertretung der Arbeiter in den gesetzgebenden Organen des Deutschen Reiches, schloß er sich 1871 dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV) an, der 1863 von Lassalle gegründet worden war. Ein Jahr später gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der lokalen Gruppe Lokstedt-Ottensen des ADAV, die ihn 1874 zu ihrem Bevollmächtigten wählte und 1875 als Delegierten zum Einigungskongreß nach Gotha entsandte, auf dem sich die bis dahin konkurrierenden Arbeiterorganisationen, der ADAV und die Sozialdemokratische Arbeiterpartei, zusammenschlossen. Nach dem Inkrafttreten des sog. Sozialistengesetzes 1878, dem Verbot der sozialdemokratischen Parteien und Vereine, bekam auch M. die Repressionsmaßnahmen des Kaiserreichs gegen die Arbeiterbewegung zu spüren. Nach Verhängung des „kleinen Belagerungszustandes“ über Hamburg und seine preuß. Umgegend 1879 war M. einer der ersten, die wegen ihrer politischen Tätigkeit für die Sozialdemokratie ausgewiesen wurden. Da es ihm nicht gelang, in Deutschland Arbeit zu finden, emigrierte er 1881 in die USA, wo er seinen Beruf weiter ausüben konnte, kehrte aber schon 1884 wieder zurück. Sein Wirken für seine Arbeitskollegen hat in der Person des Moldenhauer in dem zeitgenössischen autobiographischen Roman „Asmus Sempers Jugendland“ von Otto Ernst seinen Niederschlag gefunden. Nach dem Fall des Sozialistengesetzes 1890 trat M. in die Redaktion des „Hamburger Echos“ ein. 1904 wurde er als Parteisekretär in den Parteivorstand berufen, dem er bis zu seinem Tode angehörte. 1890 wurde er auch in den Reichstag gewählt, in dem er – mit einer kurzen Unterbrechung – bis 1924 blieb.

    M. galt als Ideal eines gewissenhaften Volksvertreters, der sich durch unermüdliche Arbeit zum sozialpolitischen Experten seiner Partei und Fraktion entwickelte, Im Parlament und seinen Ausschüssen errang er sich mit seiner umfassenden Sachkenntnis und einem ungewöhnlich guten Gedächtnis auch die Anerkennung seiner politischen Gegner. So wurde er 1893 in die amtliche Reichskommission (später Beirat) für Arbeiterstatistik berufen und mit wichtigen Forschungsarbeiten betraut, zu einem Zeitpunkt, als die Sozialdemokratische Partei selbst noch nicht als gleichberechtigter politischer Partner im Parlament anerkannt wurde. An den großen sozialpolitischen Gesetzgebungsarbeiten des Kaiserreichs, insbesondere der Arbeiter-Sozialversicherung, war er maßgebend beteiligt. Dem Vorstand seiner Reichstagsfraktion gehörte er von 1907 bis zu seinem Ausscheiden als Abgeordneter an. Seine praktischen Verdienste in der Sozialpolitik sind von keiner Parteirichtung bestritten worden. Bei Kriegsbeginn nahm er an einer geheimen Zusammenkunft der Gruppe um Eduard David, einen Vertreter des rechten Flügels der SPD, teil, die die Taktik festlegte, mit der am 4.8.1914 die Zustimmung der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion zur Bewilligung der Kriegskredite durchgesetzt wurde. Ausschlaggebend war dabei für ihn, wie für die meisten durch das Sozialistengesetz geprägten Sozialdemokraten, die Angst vor erneuter Unterdrückung der Partei und einem möglichen Sieg des russ. Zarismus über Europa, der zum Verlust der bereits errungenen sozialen und kulturellen Erfolge der Arbeiterschaft in Deutschland führen würde.

    Bereits an der Ausarbeitung des Erfurter Programms von 1891 beteiligt, begründete M. das von ihm mitgeschaffene neue Programm der Mehrheitssozialisten 1921 in Görlitz. Seit seiner Mitarbeit in der 1894 eingesetzten Kommission zur Bearbeitung des Agrarprogramms beeinflußte er auch die Agrarpolitik seiner Partei. Seine sozialpolitischen Vorstellungen vertrat M. auch auf den internationalen Sozialisteilkongressen. Unter anderem setzte er sich 1904 in Amsterdam als Referent der Kommission für Sozialpolitik und Arbeiterversicherung für den Vorzug einer öffentlich-rechtlichen Versicherung gegenüber einer Privatversicherung der Arbeiter ein. 1908-13 nahm er als einer der Vertreter der deutschen Sozialdemokratie an den Sitzungen des Internationalen Sozialistischen Büros teil. Auf kommunalpolitischer Ebene gehörte M. der Stadtverordnetenversammlung von Schöneberg bei Berlin 1907-15 als Stadtverordneter und anschließend bis 1919 als einer der ersten sozialdemokratischen Stadträte in Preußen an. 1912-18 war er Mitglied des Provinziallandtags von Brandenburg.

  • Werke

    u. a. Sozialdemokratisch od. Nationalsozial? Redekampf zw. d. Reichstagsabgeordneten Hrn. M. u. Hrn. v. Gerlach zu Emden am 15.11.1899, 1900;
    Zum Kampf gegen d. Reichsversicherungsordnung, 1911;
    zahlr. soz.pol. Art. in „Hamburger Echo“, „Vorwärts“ u. „Neue Zeit“. |

  • Nachlass

    Nachlaß: Archiv d. soz. Demokratie d. Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn (u. a. Tagebücher 1905–27, persönl. Erinnerungen 1864–80, P).

  • Literatur

    Amtl. Reichstags-Hdb., später: Keichstags-Hdb., 8.-13. Legislaturperiode, 1890–1918, u. 1. Legislaturperiode, 1920-24 (P);
    H. Müller-Franken, in: Internat. Hdwb. d. Gewerkschaftswesens, 4. Lieferung, 1931, S. 1130 f.;
    F. Osterroth, Biogr. Lex. d. Sozialismus I, 1960;
    ders. u. D. Schuster, Chronik d. dt. Sozialdemokratie I/II, ²1975;
    Gesch. d. dt. Arbeiterbewegung, Biogr. Lex., 1970;
    D. Groh, Negative Integration u. revolutionärer Attentismus, 1973;
    Sozialdemokrat. Reichstagsabgeordnete u. Reichstagskandidaten 1898-1918, 1986, S. 168;
    D. Fricke, Hdb. z. Gesch. d. dt. Arbeiterbewegung 1869-1917, 2 Bde., 1987.

  • Autor/in

    Gisela M. Krause
  • Zitierweise

    Krause, Gisela M., "Molkenbuhr, Hermann" in: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 730-731 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117120944.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA