Lebensdaten
1833 – 1917
Geburtsort
Landeshut (Niederschlesien)
Sterbeort
Bad Ziegenhals (Oberschlesien)
Beruf/Funktion
Theologe ; Schriftsteller ; Publizist
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 117105082 | OGND | VIAF: 72162802
Namensvarianten
  • Jentsch, Karl
  • Jentsch, Carl
  • Jentsch, Karl Eduard Gottlieb
  • mehr

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Zitierweise

Jentsch, Karl, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117105082.html [24.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V N. N. ( um 1860, ev.), Buchbinder, Leihbibl.-bes., ambulanter Galvaniseur, aus Seifensiederfam.;
    M N. N. ( 1877, kath.) aus Schleiferfam.;
    B Robert (1845–1921), Karmelitermönch in Graz, zuletzt Hospitalgeistlicher b. Neiße.

  • Biographie

    Einer konfessionellen Mischehe entstammend und in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, konvertierte J. im Alter von 13 Jahren zum Katholizismus. Nach dem Studium der Theologie – u. a. bei dem Güntherianer Joh. Bapt. Baltzer und dem nachmaligen altkath. Bischof Josef Hubert Reinkens – 1856 in Breslau zum Priester geweiht, ermöglichten ihm wechselnde Kaplanstellen, seit 1864 in Liegnitz, die notdürftigste Unterstützung der vom Vater verlassenen Mutter und der jüngeren Geschwister. 1870 wegen öffentlicher Ablehnung von Syllabus und Infallibilität suspendiert, gegen sein Gewissen zum Widerruf veranlaßt und als Kurat nach Harpersdorf versetzt, blieb ihm, nicht zuletzt aufgrund zunehmender Schwerhörigkeit, die aus familiären Versorgungsgründen ersehnte Pfarrei vorenthalten. Fortgesetzte Glaubensskrupel und heftige Auflehnung gegen Maßnahmen der kirchlichen Verwaltung veranlaßten J. schließlich zum Übertritt ins altkath. Lager, worauf im Frühjahr 1875 seine Exkommunikation erfolgte. Als altkath. Pfarrer in Offenbach und Konstanz, dazwischen 1877/78 auch als Redakteur des altkath. Organs „Deutscher Merkur“ in München tätig, kehrte J. 1879 auf eine Seelsorgstelle in das schles. Neiße zurück, die er jedoch drei Jahre später seines Gehörleidens wegen sowie aufgrund wachsender Distanz zum Altkatholizismus bei gleichzeitiger Rückbesinnung auf den röm. Katholizismus wieder aufgab. Bis 1888 Redakteur der „Liberalen Neißer Zeitung“, wagte er danach die ungewisse Existenz des freien Schriftstellers. Vor allem in den Leipziger „Grenzboten“, darüber hinaus in nahezu allen führenden Zeitungen und Zeitschriften konservativer und liberaler Richtung, hat J. in ungezählten Buchbesprechungen und Aufsätzen, die oft nur Vorarbeiten für seine Bücher waren, drei Jahrzehnte hindurch dem gebildeten deutschen Bürgertum ein ausgebreitetes Wissen auf fast allen Kulturgebieten vermittelt und in eigenwilliger Weise die Strömungen und Interessen der Gegenwart und Zukunft gedeutet. Sich in seinen bedeutenden Lebenserinnerungen „Wandlungen“ (2 T., 1896/1905) – in Fortführung seines Priestertums – zum „Apostelamt eines Publizisten und Popularisators“ bekennend, mit einem „reizbaren Gerechtigkeitsgefühl“ ausgestattet und getrieben von einer „lebhaften Sympathie mit allen Leidenden“, traten seine in festem, wenngleich dogmenfreiem christlichen Glauben verankerten religiös-ethischen, philosophischen und historischen Neigungen in volkswirtschaftlichem und politischem, insbesondere sozialpolitischem Engagement zutage. „Weder Kommunismus noch Kapitalismus“ (so der Titel eines Buches von 1893) war ihm Programm; Garanten wirtschaftlichen und sozialen Gleichgewichts seien ein starker Mittelstand und eine gut organisierte Arbeiterbewegung, die beide auch für den Abbau der politischen Spannungen sorgten, welche eine aus dem Kapitalismus notwendig resultierende rechtliche Ungleichheit zeitige (Betrachtungen eines Laien über unsere Strafrechtspflege, 1894). Des deutschen Volkes, ja der Welt Rettung und Wohl beruhe angesichts rapider Bevölkerungszunahme auf einem blühenden Bauernstande. Ihm sei, notfalls mit Waffengewalt, in Rußland, das die Kornkammer Europas verkommen lasse, Boden zu schaffen. Daher sei Feindschaft zwischen Deutschland und Rußland unvermeidlich, und Freundschaft zu suchen im Westen im Rahmen eines zum einheitlichen Handels- und Wirtschaftsgebiete fortgebildeten freien Bundes unabhängiger Staaten (Neue Ziele, neue Wege, 1894; Zukunft des deutschen Volkes, 1905, Neuaufl. u. d. T. Der Weltkrieg und die Zukunft des deutschen Volkes, 1915 ff.). Als unentbehrliche Voraussetzung einer Lösung der sozialen Frage erachtete J. die Eindeutigkeit volkswirtschaftlicher Begriffe, die er mittels seiner populären „Volkswirtschaftslehre“ (1895, ⁸1926) herbeizuführen suchte. – Herzensanliegen war ihm die Auseinandersetzung mit religiösen, kirchlichen und interkonfessionellen Zeitfragen (Christentum und Kirche in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, 1909, ²1913). An der kath. Kirche hat er ultramontanen Klerikalismus, dogmatischen Orthodoxismus und leeren Symbolismus hart, aber nie gehässig gerügt. Gleichzeitig verteidigte er sie unerschütterlich, wenn er ihre christliche Substanz mißverstanden oder angegriffen wähnte (Wie dem Protestantismus Aufklärung über den Katholizismus nottut und gegeben werden soll, a. d. Nachlaß hrsg. 1917 ff.). Das Christentum als Ganzes sei unverzichtbare lebendige Kraft; nicht eine neue Kirche sei gefordert, sondern johanneische Gesinnung der Christen, die den Petrinismus der Katholischen Kirche und den Paulinismus der evangelischen Konfessionen verbinde. Scharf wandte er sich gegen den dilletantischen Mißbrauch des Darwinismus durch Haeckel, der aus biologischen Tatsachen religionsfeindliche Schlüsse ziehe (Sozialauslese, 1898). Nicht zuletzt boten auch seine philosophischen und kulturhistorischen Werke Laien und Fachleuten eine Fülle von Anregungen.|

  • Auszeichnungen

    Dr. phil. h. c. (Breslau 1913).

  • Werke

    Weitere W Die Reformbestrebungen d. Pfarrers Mersy u. seiner Freunde, 1876;
    Wird das Elend siegen?, 1891;
    Geschichtsphil. Gedanken, 1892, ²1903;
    Die Agrarkrisis, 1899;
    Rodbertus. 1899;
    Sexualethik, Sexualjustiz u. Sexualpolizei, 1900;
    Drei Spaziergänge e. Laien ins klass. Altertum, 1900;
    Ill. Jb. d. Weltgesch., 1901 f.;
    Friedrich List, 1901;
    Hellenentum u. Christentum, 1903;
    Adam Smith, 1905;
    Die Partei, 1909;
    Unsere Polen, 1913.

  • Literatur

    W. Hellpach, in: Frankfurter Ztg., Nr. 39, 1913;
    F. Hacker, K. J. u. Gideon Spicker, in: Dt. Merkur, Nr. 22-24. 1916;
    F. Hacker, in: Alt-Kath. Volksbl., Nr. 34, 1917, S. 265 f.;
    K. Schwering, in: Köln. Volksztg., Nr. 614, 1917;
    J. Grendel, Die innere Entwicklung bei C. J. z. Abfall v. d. Kirche, in: Germania, Berlin, 7., 8. u. 9.9.1917;
    A. H. Rose, Aus C. J.s Lehrzeit, in: Die neue Rdsch., Nr. 10, 1917;
    ders., C. J. u. d. Grenzboten, in: Die Grenzboten, Nr. 6, 1918;
    A. Mühlau u. A. H. Rose, C. J., Von ihm selbst, nach seinen Werken, 1918 (P);
    J. Hönig, C. J., in: Hochland 17, 1919/20, S. 551-67;
    F. Priebatsch, in: Schles. Lb. II, 1926, S. 313-17;
    Kosch, Kath. Dtld. (W-Verz.);
    ders., Biogr. Staatshdb. II, S. 605 (W-Verz.);
    ders., Lit.-Lex.;
    Kürschner, Lit.-Kal. 1917 (W-Verz.);
    DBJ II (W, L).

  • Autor/in

    Heinz Starkulla
  • Zitierweise

    Starkulla, Heinz, "Jentsch, Karl" in: Neue Deutsche Biographie 10 (1974), S. 412-413 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117105082.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA