Lebensdaten
1762 – 1842
Geburtsort
Groß-Wartenberg (Bezirk Breslau)
Sterbeort
Dorpat (Livland)
Beruf/Funktion
Philosoph
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 117059773 | OGND | VIAF: 45070780
Namensvarianten
  • Jäsche, Gottlieb Benjamin
  • Jäsche, Gottlob Benjamin
  • Jäsche, Gottlieb Benjamin
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Jäsche, Gottlob Benjamin, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117059773.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Christian Traugott (1730–89), Pfarrer in G.-W., dann in Pawellau Kr. Trebnitz;
    M Sophie Henriette (1738–1808), T d. Carl Sigismund v. Woisky, auf Wüttendorf/Ob.schlesien;
    1) 1802 Sarah Stracker ( 1808) aus Newcastle, 2) 1809 Wilhelmine, T d. Joh. Ludwig Müthel (1764–1812), Prof. d. Provinzialrechts in D. (s. ADB 23; Balt. Biogr. Lex.), u. d. Margaretha Schmidt, 3) Anna, T d. Pastors Joseph Immanuel Sahmen in Oppekaln/Livland;
    K, u. a. Georg (1815–76), Dr. med., Medizinal-Insp.-Gehilfe in Nižnij Novgorod, Emanuel (1821–1907), Dr. med., Oberarzt d. kaiserl. Findelhauses in Moskau, Julius (1824–71), Staatsrat, Gehilfe d. Chefs d. kaiserl. Apanagengüter im Gouvernement Simbirsk.

  • Biographie

    J. studierte 1783-86 in Halle bei Nösselt und K. F. Bahrdt Theologie und bei J. A. Eberhard Philosophie. In der darauffolgenden Hauslehrerzeit beschäftigte er sich mit der Kantischen Philosophie, ging 1791 nach Königsberg und 1795 nach Kurland. Er promovierte in Halle, habilitierte sich 1799 in Königsberg und hielt dort als Privatdozent Vorlesungen auf der Grundlage der Kantischen Philosophie. In diese Zeit fällt sein freundschaftlicher Umgang mit J. Schultz, Ch. J. Kraus, F. T. Rink und I. Kant, in dessen Auftrag er 1800 „Immanuel Kant's Logik…“ mit einer eigenen Vorrede herausgab. Er benutzte dazu dessen Vorlesungsnotizen in Meiers „Auszug aus der Vernunftlehre“, wonach Kant seit 1765 Logik gelesen hatte. Es ist J.s Verdienst, daß die ihm von Kant übergebenen Vorlesungsnotizen zur Logik und Metaphysik und eine umfangreiche Sammlung von Briefen an Kant über seinen Freund K. Morgenstern in den Besitz der Universitätsbibliothek Dorpat gelangten und als wesentlicher Teil der Akademieausgabe Kants erhalten geblieben sind. 1802 wurde J. als Professor der theoretischen und praktischen Philosophie an die von Alexander I. wiedergegründete deutschsprachige Univ. Dorpat berufen (7mal Dekan), wo er über seine Emeritierung (1833) hinaus bis 1839 philosophische Vorlesungen im Sinne der Kantischen Philosophie abhielt und zuletzt noch die Berufung des Hegelianers J. E. Erdmann auf seinen Lehrstuhl verhinderte. Neben seiner Lehrtätigkeit wirkte er als Mitglied der Schulkommission und der Direktion des Lehrerinstituts am Aufbau des Schulsystems in den drei balt. Provinzen mit und wurde 1812 zum Kollegienrat, 1822 zum Staatsrat ernannt und mehrfach dekoriert.

    In seinen Schriften beschäftigte sich J. vor allem mit dem Verhältnis von Philosophie und Religion, mit der Ethik und mit dem Problem einer Systematik der Wissenschaften. In der Auseinandersetzung der Kantianer mit dem spekulativen Idealismus bezog er eindeutig Stellung gegen Fichte, Herder, Schelling und Hegel. Als sich die Diskussion im Schelling-Jacobi-Streit auf religionsphilosophische Fragen konzentrierte, näherte sich J. seit 1813 unter Berufung auf Kant dem dualistischen Standpunkt Jacobis und bekämpfte die Systeme der Identitätsphilosophie wegen ihrer vermuteten pantheistischen Konsequenzen.

  • Werke

    Versuch e. Unters. d. Frage: Kann reiner Naturalismus Volksrel. werden? in: Berliner Journal f. Aufklärung, 1789, Bd. 2, 3 (anonym);
    Ueber reinen Naturalismus u. positive insonderheit christl. Rel. u. deren Verhältniß z. Volksaufklärung. 1790 (anonym);
    Idee z. e. neuen systemat. Enc. aller Wiss., in: Phil. Journal… 1, 1795, S. 327-72;
    De Parmenide Pantheista eiusque in philosophiam meritis, Diss. Halle 1795;
    Versuch e. fassl. Grundrisses d. Rechts- u. Pflichtenlehre…, 1796 (anonym mit F. G. Maczewski);
    D. K. [Jäsche?], Stimme e. Arktikers üb. Fichte u. s. Verfahren gegen d. Kantianer, 1799;
    Diss. de arctissimo disciplinarum inter se nexu, philosophiae criticae principiis firmissime fundato, 1799;
    Über d. drey Grundvesten d. modernsten Empirismus e. phantasierenden Vernunft, Raum, Zeit u. Kraft, in: Mancherley z. Gesch. d. metacrit. Invasion, 1800, Nachdr. in: Aetas Kantiana, 1970;
    Gesch. u. Beschreibung d. Feyerlichkeiten b. Gelegenheit d. am 21. u. 22.4.1802 geschehenen Eröfnung d. Univ. zu Dorpat, 1803;
    Grundlinien d. Moralphilos. od. d. phil. Rechts- u. Tugendlehre, Nach Kants Metaphysik d. Sitten… entworfen, 1804;
    Was heißt Studiren? Eine Anrede an d. Studirenden…, 1808;
    Die Philos. d. vernünftelnden Verstandes, im Gegensatze gegen d. Philos. d. Verstandes u. d. Vernunft, in: Dörptische Btrr… 1, 1813, S. 1-64;
    Ansichten d. Pantheismus|nach s. versch. Hauptformen…, ebd. 2, 1815, S 125-85, 3, 1816, S. 267-332;
    Über e. neues Krypto-Identitäts-System in d. Form e. durch d. Logik versuchten Begründung d. Philos., ebd., S. 1-25;
    Einl. z. e. Architektonik d. Wiss. nebst e. Skiagraphie u. allg. Tafel d. ges. Systems menschl. Wiss. …, 1816;
    Grundlinien z. e. Architectonik u. systemat. Universal-Enc. d. Wiss. I, 1818;
    Grundlinien d. Ethik od. phil. Sittenlehre…, 1824;
    Kurze Darst. d. phil. Rel.lehre…, 1825;
    Der Pantheismus nach s. versch. Hauptformen, s. Ursprung u. Fortgange, s. speculativen u. prakt. Werth u. Gehalt…, 3 Bde., 1826–32, Nachdr. in: Aetas Kantiana, 1970;
    Brief au d. Gen.-Sup. Dr. Roehr üb. e. Recension s. Gesch. d. Pantheismus…, in: Inland, 1849, S. 724-26. -
    Hrsg.: Immanuel Kant's Logik, e. Hdb. z. Vorlesungen, 1800 (mit Einl. u. Anm. wieder in: Kants ges. Schrr., hrsg. v. d. Preuß. Ak. d. Wiss. IX, 1923, S. 1-150, 503-08);
    Einige Gesichtspuncte z. Würdigung d. Werths öffentl. Schulanstalten v. Dr. S. Malmgren, 1810.

  • Literatur

    ADB 13;
    K. Morgenstern, Dr. G. B. J., 1843;
    G. V. Levickij, Biografičeskij slovaŕ Professorov i prepodavatelej Imperatorskago Jurévskago, byvšago Derptskago universiteta II, 1903, S. 405-08;
    R. v. Engelhardt, Die Dt. Univ. Dorpat in ihrer geistesgeschichtl. Bedeutung, 1933, Allg. Schriftst.- u. Gel.-Lex. d. Provinzen Livland, Esthland u. Kurland II, bearb. v. J. F. v. Recke I. K. E. Napiersky, 1829, 1. Nachtragsbd., 1859;
    NND 20.

  • Porträts

    Lith. v. Schlater n. Zeichnung v. Hau, in: Slg. v. Portraits d. Professoren an d. Kaiserl. Univ. Dorpat, 1837.

  • Autor/in

    Hans-Jürgen Engfer
  • Zitierweise

    Engfer, Hans-Jürgen, "Jäsche, Gottlob Benjamin" in: Neue Deutsche Biographie 10 (1974), S. 288-289 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117059773.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Jäsche: Gottlieb Benjamin J., geb. am 3. Juli 1762 in Wartenberg (Regierungsbezirk Breslau), am 25. August 1842 in Dorpat, war bis zu seinem 15. Jahre von seinem Vater unterrichtet worden und besuchte seit 1777 das Gymnasium zu Breslau, von wo er 1783 an die Universität Halle überging, wo er bis 1786 Theologie studirte. Während er hierauf als Hauslehrer lebte, beschäftigte er sich mit den Schriften Kant's und als Frucht dieser Studien veröffentlichte er anonym „Ueber reinen Naturalismus und positive insonderheit christliche Religion“ (1790), worin er die Berechtigung einerseits des Aufklärungsstandpunktes und andererseits des Offenbarungsglaubens einander gegenüberstellte und sich für die Nützlichkeit des letzteren entschied, insoferne derselbe wenigstens mittelbar mit den Grundsätzen und Postulaten der praktischen Vernunft in Verbindung stehe. Er begab sich nun (1791) selbst nach Königsberg, wo er in näheren Umgang mit Kant, sowie mit Kraus und Schmalz trat, bis ihn (1795) die Uebernahme einer Hofmeisterstelle in Kurland abzog; dort schrieb er „Ideen zu einer systematischen Encyklopädie aller Wissenschaften“ (1795 in Niethammer's Journal) und gleichfalls völlig auf Kantischem Boden stehend „Versuch eines faßlichen Grundrisses der Rechts- und Pflichten-Lehre“ (1796). Nach Königsberg zurückgekehrt (1799) habilitirte er sich als Privatdocent mittelst einer Abhandlung „De arctissimo omnium disciplinarum inter se nexu“ und gab nun im Auftrage Kant's dessen Vorlesungen über Logik heraus (1800). Wenn man ihm auch die im J. 1799 unter dem Namen „D. K.“ erschienene Schrift „Stimme eines Arktikers über Fichte und sein Verfahren gegen die Kantianer“ zuschrieb, so ist es aus verschiedenen Gründen unmöglich, daß dieselbe von ihm verfaßt sei. Bei Errichtung der Universität Dorpat (1802) wurde er als ordentlicher Professor der Philosophie berufen (er verfaßte auch eine Beschreibung der dortigen Eröffnungsfeierlichkeiten) und alsbald (1804) zum Mitgliede der Schulcommission und Mitvorstande des Lehrerinstitutes ernannt. Nach eifriger und erfolgreicher Wirksamkeit wurde er im 71. Lebensjahre Emeritus, setzte aber auf Wunsch des Lehrercollegiums seine Vorlesungen noch bis 1839 fort. Den Standpunkt Kant's vertrat er noch sowohl in seinen „Grundlinien der Moralphilosophie" (1804) als auch in der „Architektonik und systematischen Universal-Encyklopädie der Wissenschaften“ (1816); jedoch hatte er bereits in der Abhandlung „Die Philosophie des vernünftelnden Verstandes im Gegensatze gegen die Philosophie des Verstandes und der Vernunft“ (in K. Morgenstern's Dörptischen Beyträgen, Jahrg. 1813), welche den Schelling-Jacobi’schen Streit über die göttlichen Dinge betraf, unter entschiedener Bekämpfung Schelling's sich an Jacobi und den Halbkantianer Fries angeschlossen, und die Hinwendung zu jenen Grundsätzen, in welchen Jacobi mit der Kritik der praktischen Vernunft übereinstimmen konnte, erscheint auch in den „Grundlinien der Ethik" (1824) und in der „Kurzen Darstellung der philosophischen Religionslehre" (1825). Das größere Werk „Der Pantheismus nach seinen verschiedenen Hauptformen“ (3 Bde., 1826—32), dessen Anfang schon in den „Dörptischen Beyträgen“ (1814) erschienen war, enthält eine ausführliche geschichtliche Darstellung jener philosophischen Lehren, welche ihm nach seinem nunmehrigen Jacobi-Fries’schen Standpunkte (mehrfach nicht mit Recht) als verwerflicher Pantheismus erschienen.

    • Literatur

      Neuer Nekrolog, Jahrg. 1842.

  • Autor/in

    Prantl.
  • Zitierweise

    Prantl, Carl von, "Jäsche, Gottlob Benjamin" in: Allgemeine Deutsche Biographie 13 (1881), S. 730 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117059773.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA