Lebensdaten
1890 – 1974
Geburtsort
Kastelruth (Castelrotto, Südtirol)
Sterbeort
Wien
Beruf/Funktion
Historiker ; Archivar ; Wissenschaftsorganisator
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 116804785 | OGND | VIAF: 4970656
Namensvarianten
  • Santifaller, Leo

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Santifaller, Leo, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd116804785.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus ursprüngl. ladin. Fam., d. seit d. 15. Jh. nachweisbar ist; – V Michael (1845–1923), Notar, Ger.kommissär in K., S d. Georg (1814–96), beide Bes. d. Ansitzes Lafay b. K., u. d. Christina Hofer (1819–53), vom Tirlerhof b. K.;
    M Christina Fulterer (1856–1936), vom Furmsunerhof in St. Valentin b. K.;
    B Pius (Ps. Irmengard v. Hohenthal) (1893–1995), Romancier;
    Schw Maria (M. Ditha) (1904–78, 1] 1948 Hans Hemsoth, Transportunternehmer in Buenos Aires, 2] 1966 Dr. Ernst August Sellschopp, 1902–93, Agrarfachmann in Lima, zuletzt in Dortmund), Dr. phil., Diss. über „Die Radierungen Giambattista Tiepolos“, Wien 1939, Journ., Kunsthist. an d. Univ. Florenz, Lyrikerin, zuletzt in Dortmund (s. Kosch, Lit.-Lex.; Killy; Westfäl. Autorenlex. IV, in Vorbereitung);
    Bozen 1921 Bertha (1881–1970), Malerin, Erforscherin d. Ortsnamen v. Ladinien, T d. Eduard Richter (1847–1905), Geograph, Hist. (s. NDB 21), u. d. Luise Seefeldner; kinderlos.

  • Biographie

    Nach der Schulzeit in Bozen und Trient, während der er bereits astronomische und historische Publikationen verfaßte, studierte S. in Wien zunächst Mathematik und Physik, seit 1911, beeindruckt von Oswald Redlich (1858–1944), Geschichte. Nach einem Semester in Freiburg (Br.) unterbrach der 1. Weltkrieg, an dem S. als Artillerieoffizier an der ital. Front teilnahm, die Studien. 1919 wurde er bei Redlich mit einer richtungweisenden prosopographischen Arbeit über das Brixener Domkapitel (ersch. 1924) promoviert. Danach absolvierte er bis 1921 die Ausbildung aus historischen Hilfswissenschaften und Archivwissenschaft am Institut für Österr. Geschichtsforschung (IÖG) in Wien bei Oswald Redlich, Emil v. Ottenthal (1855–1931) und Hans Hirsch (1878–1940); 1921 übernahm er die Leitung des neu zu errichtenden (ital.) Staatsarchivs in Bozen, das den Friedensverträgen entsprechend zur Aufnahme der Südtirol betreffenden Archivalien der staatlichen Archive in Wien und Innsbruck bestimmt war. Aufgrund seiner kirchenhistorischen und papstdiplomatischen Arbeiten 1927 von Paul F. Kehr (1860–1944) zu den MGH nach Berlin geholt, habilitierte er sich 1928 bei Albert Brackmann (1871–1952) und wurde 1929 in Breslau zum o. Professor für Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit ernannt. Hier entfaltete er gemeinsam mit Hermann Aubin (1885–1969) eine rege akademische Wirksamkeit, bei der nach dem Wiener Vorbild großer Wert auf solide hilfswissenschaftliche Ausbildung gelegt wurde. In der Forschung standen Themen der schles. Landesgeschichte, ständegeschichtliche Untersuchungen, Fragen der Paläographie, des Schriftwesens und der Urkundenlehre, v. a. auch der päpstlichen Kanzlei im Vordergrund, dazu kamen die Arbeiten an der Edition des Schles. Urkundenbuches und der Brixener Urkunden. 1943 erfolgte der Ruf nach Wien als Nachfolger von Hans Hirsch.

    Nach 1945 erlangte S., der, seiner „großdeutschen“ Haltung gemäß, 1938 den „Anschluß“ Österreichs begrüßt hatte, aber nicht Mitglied der NSDAP gewesen war, und in Breslau noch 1937 die Promotion seiner jüd. Schülerin Dorothea Oschinsky (1910–95) durchgesetzt hatte, eine dominierende Position in der sich durch die „Entnazifizierung“ neu formierenden österr. Geschichtswissenschaft. Als Vorstand des IÖG (1945–1962), Generaldirektor des Österr. Staatsarchivs (1945–1955), Leiter der 1945 wiederbelebten Diplomata-Abteilung der MGH und Mitglied der Zentraldirektion der MGH bemühte er sich zielstrebig um den organisatorischen und personellen Wiederaufbau der Geschichtswissenschaft in Österreich. Ein besonderes Anliegen war ihm die Wiedererrichtung des Österr. Historischen Instituts in Rom; 1956-64 wirkte er von Wien aus als dessen wissenschaftlicher Direktor. Forschung und Lehre am IÖG in der seit Theodor v. Sickel (1826–1908) gepflegten Tradition prägten Generationen von Historikern und Archivaren. Eine der wichtigsten Aufgaben der Geschichtswissenschaft sah S. in der Erschließung und Bereitstellung von Quellen durch kritische Editionen, Regesten und Repertorien sowie durch kritische Untersuchungen. Nach seiner Emeritierung 1962 konzentrierte er seine Tätigkeit auf die zahlreichen Kommissionen der Österr. Akademie der Wissenschaften, deren Obmann er war. Seiner Initiative zu verdanken sind u. a. die Ausgaben der Register Innocenz' III., der Diplome Konrads III. und Friedrichs I. in den MGH, die Regesten der röm.-dt. Kaiser und Könige im Rahmen der Regesta Imperii, die Editionen des „Censimento“ der Papsturkunden in Österreich, des Urkundenbuchs zur Geschichte der Babenberger, des Schles. Urkundenbuchs, des Burgenländ. Urkundenbuchs, der Görzer Regesten und der Matrikel der Univ. Wien sowie die Bearbeitung|des Östen. Biographischen Lexikons (ÖBL). Sein Interesse galt zudem der Wissenschaftsgeschichte, besonders der Geschichte der Geschichtsforschung, die er als exakte Wissenschaft von der Geschichtsschreibung als einer literarischen Kunst scharf unterschieden wissen wollte.|

  • Auszeichnungen

    Dr. theol. h. c. (Freiburg 1960);
    Dr. iur. h. c. (Innsbruck 1965);
    Dr. phil. h. c. (Graz 1963, Salzburg 1970);
    Mitgl. d. Ak. d. Wiss. Wien (korr. 1943, wirkl. 1945), Rovereto (1950), Berlin (korr. 1955), Göttingen (ao. 1960), Medieval Ac. of America (korr. 1955) u. d. Royal Historic Soc. London (1967);
    Ehrenbürger d. Gde. Kastelruth;
    österr. Ehrenzeichen f. Wiss. u. Kunst;
    Gr. silbernes Ehrenzeichen f. Verdienste um d. Rep. Österr.;
    Komtur d. päpstl. St. Gregorius-Ordens mit Stern;
    Gr. BVK.

  • Werke

    u. a. Das Brixner Domkap. in seiner persönl. Zus.setzung im MA, 1924;
    Calendarium Wintheri, Il più antico Calendario … del Capitolo della Cattedrale di Bressanone, 1926;
    Die Urkk. d. Brixner Hochstiftsarchive I, 1929, II/1 u. 2, 1941/43 (mit H. Appelt);
    Bozner Schreibschrr. d. Neuzeit, 1500–1851, 1930;
    Urkk.forsch., Methoden, Ziele, Ergebnisse, 1937, ⁴1986;
    Btrr. z. Gesch. d. Latein. Patriarchats v. Konstantinopel (1204–1261) u. d. venezian. Urkk., 1938;
    Saggio di un Elenco dei funzionari, impiegati e scrittori della Cancellaria Pontificia dall'inizio all'anno 1099, 2 Bde., 1940;
    Theodor v. Sickel, Röm. Erinnerungen, 1947;
    Liebentals Kopialbücher d. Prämonstratenserstiftes z. Hl. Vinzenz in Breslau, 1947;
    Urkk. u. Forsch, z. Gesch. d. Trientner Domkap. im MA I, Urkk. … 1147-1500, 1948;
    Oswald Redlich, Ein Nachruf, zugleich e. Btr. z. Gesch. d. Gesch.wiss., 1948;
    Das Inst. f. Österr. Gesch.forsch., 1950;
    Austria Sacra, Gesch. u. Plan d. Unternehmens, 1951;
    Btrr. z. Gesch. d. Beschreibstoffe im MA, 1953;
    Zur Gesch. d. Otton.-Sal. Reichskirchensystems, 1954, ²1964;
    Quellen u. Forschungen z. Urkk- u. Kanzleiwesen Papst Gregors VII., I. T.: Quellen: Urkk. – Regesten – Faksimilia, 1957;
    Liber diurnus, Studien u. Forsch, v. L. S., hg. v. H. Zimmermann, 1976;
    Das Trientner Domkap. in seiner Zus.setzung im SpätMA, Aus d. Nachlaß hg.v. K. Brandstätter, 2000;
    Vollst. W-Verz.
    in: Röm. Hist. Mitt. 12, 1970, S. 23-42.

  • Literatur

    L. S., in: Österr. Gesch.wiss. d. Gegenwart in Selbstdarstellungen, hg. v. N. Grass, 2, 1951, S. 163-208 (W-Verz., P);
    ders., Schlern-Dank u. Schlern-Erinnerungen, in: Der Schlern 34, 1960, S. 330-35;
    N. Grass, ebd. 39, 1965, S. 299-303;
    A. Lhotsky, Gesch. d. Inst. f. Österr, Gesch.forsch. 1854-1954, 1954, S. 383-86 u. Reg.;
    H. Appelt, in: MIÖG 82, 1974, S. 556-60;
    ders., in: DA 30, 1974, S. 640-42;
    ders., L. S. ( 1974) u. d. schles. KGesch., in: Archiv f. schles. KGesch. 34, 1976, S. 187-91;
    H. Schmidinger, L. S. u. d. Österr. Inst. in Rom, in: Röm. Hist. Mitt. 12, 1970, S. 15-21 ( S. 23-42 W-Verz., P);
    ders., ebd. 16, 1974, S. 17-21;
    ders., Die hist. Studien u. deren Abt. am Österr. Kulturinst, in Rom nach d. zweiten Weltkrieg, ebd. 23, 1981, S. 139-79;
    R. Blaas. in: Scrinium 10, 1974, S. 21-24;
    ders., in: MÖStA 27, 1974, S. 575-80;
    ders., in: Der Archivar 28, 1975, Sp. 226-28;
    H. Zimmermann, in: Alm. d. Österr. Ak. d. Wiss. 125 (1975), 1976, S. 478-502 (P);
    H. Wiesflecker, in: Publl. aus d. Archiv d. Univ. Graz, 4, 1975, S. 185-205 (P);
    N. Grass, in: ZSRGK 63, 1977, S. 468-72;
    G. Heiß, Von Österreichs dt. Vergangenheit u. Aufgabe, in: Willfährige Wiss., Die Univ. Wien 1938-1945, hg. v. dems. u. a., 1989, S. 58 u. 74;
    U. Wolf, Litteris et patriae, Das Janusgesicht d. Historie, 1996, s. Reg. (hierzu krit. M. Stoy, in: MIÖG 109, 2001, S. 184);
    G. Oberkofler, Die Wahl v. L. S. z. korr. Mitgl. d. Dt. Ak. d. Wiss. zu Berlin (1955), in: Der Schlern 70, 1996, S. 745-50;
    ders., Dorothea Oschinsky u. d. Tiroler Gesch.-forsch., ebd. 77, 2003, S. 74-77;
    B. Pferschy-Maleczek, Die Diplomata-Ed. d. MGH am Inst. f. Österr. Gesch.forsch. (1875–1990), in: MIÖG 112, 2004, S. 439-73.

  • Autor/in

    Winfried Stelzer
  • Zitierweise

    Stelzer, Winfried, "Santifaller, Leo" in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 431-432 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116804785.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA