Lebensdaten
1888 – 1916
Geburtsort
München
Sterbeort
vor Douaumont bei Verdun
Beruf/Funktion
Hölderlin-Forscher
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 11668741X | OGND | VIAF: 95186695
Namensvarianten
  • Hellingrath, Friedrich Norbert Theodor von
  • Hellingrath, Norbert von
  • Hellingrath, Friedrich Norbert Theodor von
  • mehr

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Zitierweise

Hellingrath, Norbert von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11668741X.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Maximilian (1864–1948), bayer. Gen.-Major, S d. Friedrich (1826–96), bayer. Gen.-Lt., u. d. Luise Freiin v. Brand zu Neidstein;
    M Marie (1866–1954), T d. Theodor Fürst Cantacuzène (1841–95) u. d. Caroline Gfn. v. Deym;
    Ov Philipp (1862–1939), bayer. Gen. d. Kav., Kriegsmin. 1916-18 (s. Schärl), Friedrich (1866–1946), Oberst, Maler u. Radierer (s. ThB);
    Tante-m Elsa ( 1946, Hugo Bruckmann, 1941, Verleger, s. NDB II); - ledig; Verlobte Imma (* 1895, 1924 Wilh. v. Bodmershof), Schriftstellerin. T d. Philosophen Chrstn. Frhr. v. Ehrenfels ( 1932, s. NDB IV)Vt Karl Max (1905–77), Bankier.

  • Biographie

    H., der schon früh dichterische und philosophische Neigungen gezeigt hatte, studierte seit 1906 in München griechische und deutsche Philologie bei O. Crusius und F. von der Leyen. Daneben hörte er Vorlesungen über orientalische und indische Sprachen sowie über Naturwissenschaften und Mathematik. Im Hause seiner Tante Elsa Bruckmann fand er Zugang zum künstlerischen und gesellschaftlichen Leben der Stadt (George-Kreis, Rilke und andere). Reich begabt, aber in seiner geistigen Orientierung schwankend, fühlte er sich hingezogen zur romantischen und neuromantischen Dichtung; George stand er zunächst abwartend gegenüber, wurde dann „unter allen, die sich George vorübergehend oder dauernd verpflichtet fühlten, (zum) größte(n) Ja-Sager“ (L. von Pigenot), um schließlich sein Gleichgewicht bei Hölderlin zu finden und George distanzierter, wenn auch als das „pythische orakel der menschheit“, das „nicht jämmerlich enden“ dürfe, zu sehen. – Mit Hölderlins Dichtung wurde H. bekannt im Seminar von der Leyens, der ihm auch zu einer Dissertation über Hölderlins Übersetzungen riet. Bei der Arbeit dazu stieß H. in Stuttgart und Homburg v. d. H. auf noch nicht ausgewertete Manuskripte des Dichters, unter denen die völlig unbekannten Interlinearversionen Hölderlins zu Pindars Oden und zahlreiche bis dahin übersehene Gedichte sich befanden. H. veröffentlichte „Hölderlins Pindar-Übertragungen“ (1910) und promovierte 1910 mit der Arbeit „Pindar-Übertragungen von Hölderlin, Prolegomena zu einer Erstausgabe“ (1911) in München. Anschließend ging er als Lektor für Deutsch nach Paris an die École Normale Superieure, kehrte aber nach einem Besuch in Bordeaux (Hölderlinhaus) schon Ende 1911 nach Deutschland zurück, um gemeinsam mit dem Studenten und späteren Literarhistoriker Friedrich Seebaß (1887–1963) seinen Plan einer kritischen Hölderlin-Ausgabe zu verwirklichen. 1913 siedelte er von München nach Heidelberg über, wo er nähere Bekanntschaft mit Gundolf und Alfred Weber schloß. Seinem Habilitationsvorhaben machte der 1. Weltkrieg ein Ende; H. meldete sich als Kriegsfreiwilliger. Er fiel 1916 vor Douaumont. Von der Hölderlin-Ausgabe hatte er noch die Bände IV und V selber besorgt.

    Obwohl in Textbestand, Chronologie und vor allem in der schwierigen Textgestaltung durch F. Beißners Große Stuttgarter Ausgabe (1943 ff.) überholt, ist H.s Hölderlin-Ausgabe die erste, die nach historisch-kritischer Methode erarbeitet wurde. Dank der Wiedergabe bis dahin übersehener, nicht beziehungsweise falsch entzifferter oder für Produkte des Wahnsinns gehaltener Texte hat sie das Hölderlin-Bild grundlegend erweitert und gewandelt und der reichen Hölderlin-Philologie des 20. Jahrhundert die Wege gewiesen. – H. gilt mit Recht als der Wiederentdecker des lange verkannten Hölderlin. Seine Ausgabe machte erstmals das gesamte Werk des Dichters zugänglich. Seine Deutung der Dichtung Hölderlins als Gipfel der deutschen Literatur, als vollkommene Synthese griechischen und deutschen Geistes und – im Augenblick des 1. Weltkrieges – als Verkündung des eigentlichen, des „geheimen Deutschland“ weckte eine allgemeine Begeisterung für den Dichter, die freilich in ihrer nationalistischen Übersteigerung zum Mißbrauch Hölderlins für politische Zwecke führte. Im Sinne Georges begriff H. den Dichter als singulär und sakralisierte ihn zum „Heiland“. Er entkleidete – wie zahlreiche Gelehrte nach ihm – die „vaterländischen“ Dichtungen Hölderlins ihrer geschichtlichen Bezüge und ihres jakobinischen Gehaltes und konnte sie gerade dadurch für aktuelle nationale Parolen verfügbar machen. So feierte er 1915 in den Vorträgen „Hölderlin und die Deutschen“ und „Hölderlins Wahnsinn“ den Dichter als den „deutschesten der Deutschen“ und schloß von der Größe Hölderlins auf die Deutschlands. Sich auf Hölderlin berufend, ging er so weit zu behaupten, „daß, wenn die Wahrheit und die Gerechtigkeit und die Stärke Gottes hier auf Erden Häuser bauen, sie es unter keinem andern Volk als dem unsern tun …“ Die nationalistische Stilisierung und esoterische Vergötzung Hölderlins übernahmen George und sein Kreis. George fand in dem Dichter sein Ebenbild und seinen Vorläufer; wie H. verstand er ihn als einsamen Seher und rechtfertigte durch die Identifikation mit ihm sein elitäres Führertum. Auch bei der Inanspruchnahme Hölderlins für die nationalsozialistische Propaganda berief man sich auf die nationalistischen Aspekte im Hölderlinbild H.s. Sein Kriegstod, als freiwilliger Opfertod für Deutschland gedeutet, schien dabei dem Mißbrauch der Dichtung für Krieg und Rassismus zusätzliche „Weihe“ zu geben.

  • Werke

    Weitere W Hölderlin, Sämtl. Werke, Hist.-Krit. Ausg., I, besorgt v. F. Seebaß, 1913, V, besorgt v. H., 1913, IV, besorgt v. H., 1916 (recte 1917), II, III u. VI, besorgt v. L. v. Pigenot u. F. Seebaß, 1922 f., ³I-IV, 1943 (V u. VI im Satz durch Kriegseinwirkung vernichtet);
    Hölderlin, 2 Vorträge, hrsg. v. L. v. Pigenot, 1921 (P), ²1922;
    Hölderlin-Vermächtnis, eingel. u. hrsg. v. dems., 1936, ²1944 (enthält d. Diss., Vorworte z. Hölderlin-Ausg., Dokumente, Briefe, Gedichte, P).|

  • Nachlass

    Nachlaß: Bebenhausen, Hölderlin-Archiv. - Zu F. Seebaß: Hölderlin im Urteil d. Zeitgenossen u. d. Entstehung d. 1. Ausg. 1826, Diss. München 1913, Teildr. in: Rechenschaftsber. d. Schwäb. Schiller-Ver. 1918/19; Hrsg.: Stifter, Briefe, 1936; Mörike, Briefe, 1938; ders., Unveröff. Briefe, 1941, ²1945; Brentano, Briefe, 2 Bde., 1951; Fontane, Briefe, 1958; Schwabenköpfe, 1958.

  • Literatur

    F. Beißner, N. v. H., Hölderlin-Vermächtnis (Rezension), in: Dichtung u. Volkstum 38, 1937, S. 268 f.;
    H. Wocke, N. v. H. z. Gedächtnis, ebd. 41, 1941, S. 352-60, wieder in: ders., Zwei Früh- Vollendete, Bernh. v. d. Marwitz, N. v. H., 1949, S. 34-50;
    W. Michel, N. v. H., Zur 25. Wiederkehr s. Todestages, in: Frankfurter Ztg. v. 17.12.1941;
    W. Bartscher, Hölderlin u. d. Dt. Nation, 1942, S. 188-213 (nazistisch);
    W. Hoffmann, Die Stuttgarter Hölderlin-Ausg., in: Die Stuttgarter Hölderlin-Ausg., Ein Arbeitsber., hrsg. v. Th. Frey, 1942, S. 7-17;
    F. Beißner, Bedingungen u. Möglichkeiten d. Stuttgarter Ausg., ebd., S. 18-30;
    P. Rilla, Hölderlin u. d. Nachwelt, Zum Gedächtnis N. v. H.s, in: Europ. Lit. 2, 1943, H. 6, S. 11 ff.;
    H. Pyritz, Der Hölderlin-Text, Zu Beißners Edition u. zum Neudr. d. Propyläen-Ausg., in: DVjS 21, 1943, Referatenheft, S. 87-123 (kritisch üb. d. erg. Neuausg. d. H.schen Hölderlin-Ausg.);
    G. Lukàcs, Hölderlins Hyperion, in: ders., Goethe u. s. Zeit, 1950, S. 171-98;
    F. v. d. Leyen, N. v. H. u. Hölderlins Wiederkehr, in: Hölderlin-Jb. 11, 1958/60, S. 1-16;
    L. v. Pigenot, Briefe aus N. v. H.s Nachlaß, ebd. 13, 1963/64, S. 104-46;
    J. Schmidt, Der Nachlaß N. v. H.s, ebd., S. 147-50;
    A. Pellegrini, Hölderlin, Sein Bild in d. Forschung, 1965, S. 47-63;
    R. Minder, Hölderlin unter d. Deutschen, in: ders., Dichter in d. Ges., 1966, S. 63-81;
    P. Bertaux, Seine Begeisterung galt d. Ideal d. Jakobiner, Hölderlin u. d. Franz. Rev., in: Frankfurter Allg. Ztg., Nr. 180 v. 6.8.1968, S. 13 f. (Teildruck e. Vortrags auf d. 10. Jahrestagung d. Hölderlin-Ges.);
    Kosch, Lit.-Lex. - Zu F. Seebaß: L. v. Pigenot, in: Hölderlin-Jb. 13, 1963/64, S. 151-57;
    Kosch, Lit.-Lex.

  • Autor/in

    Martin Glaubrecht
  • Zitierweise

    Glaubrecht, Martin, "Hellingrath, Norbert von" in: Neue Deutsche Biographie 8 (1969), S. 481-482 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11668741X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA