Lebensdaten
1897 – 1998
Geburtsort
Lublinitz (Schlesien)
Sterbeort
London
Beruf/Funktion
Soziologin
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 116402571 | OGND | VIAF: 15236401
Namensvarianten
  • Reichmann, Eva
  • Reichmann, Eva Gabriele
  • Jungmann, Eva Gabriele
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Zitierweise

Reichmann, Eva, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd116402571.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Adolf Jungmann (* 1859), RA;
    M Agnes Roth (* 1866, Theresienstadt);
    1930 Hans Reichmann (s. 2); kinderlos.

  • Biographie

    R., die aus einem religiösen Elternhaus stammte, besuchte das Gymnasium in Oppeln und studierte in Breslau, München und Berlin Nationalökonomie. 1921 wurde sie in Heidelberg bei Emil Lederer mit der Dissertation „Spontaneität und Ideologie als Faktoren der modernen sozialen Bewegungen“ zum Dr. phil. promoviert. 1922/23 Angestellte einer Metallfirma, wechselte sie 1924 als wissenschaftliche Mitarbeiterin zum Centralverein dt. Staatsbürger jüd. Glaubens (C. V.) nach Berlin. Wie ihr späterer Mann erkannte sie früh die Gefahr des aufkommenden Nationalsozialismus. Aber während Hans vornehmlich als C. V.-Funktionär handelte, war R. publizistisch tätig. Vor allem für die C. V.-Monatszeitschrift „Der Morgen“, deren Schriftleitung sie außerdem 1933-38 innehatte, schrieb sie zahlreiche scharfsinnige Artikel zum Antisemitismus in Deutschland und prägte damit – nach dem Urteil des jüd. Historikers Arnold Paucker – eine ganze Generation von jungen dt. Juden. Dabei nahm R. durchaus eigene, an den Zionismus angelehnte Perspektiven ein, die ihre intellektuelle Unabhängigkeit von der Politik des C. V. unterstrichen, der eine dt.-jüd. Identität betonte.

    R. floh mit ihrem Mann nach dessen KZ-Haft 1939 nach England und arbeitete dort während des Kriegs für den Abhördienst der BBC. Außerdem setzte sie ihre wissenschaftliche Tätigkeit fort und erwarb 1945 mit einem bis heute grundlegenden Werk zum Antisemitismus den Ph. D. an der London School of Economics (Hostages of Civilisation, The Social Sources of National-Socialist Antisemitism, 1950; dt. 1956 u. d. T.: Die Flucht in d. Haß, Die Ursachen d. dt. Judenkatastrophe). R. analysierte den Antisemitismus in Deutschland nicht als zwangsläufige Entwicklung, sondern als sozialpsychologische Folge eines pathologisch übersteigerten dt. Nationalbewusstseins, dem eine gefestigte politische und soziale Basis fehlte, und das sich daher in der tiefen gesellschaftlichen Krise der 20er Jahre in den Judenhaß flüchtete.

    1945-59 war R. wissenschaftliche Mitarbeiterin, dann Leiterin der Forschungsabteilung der „Wiener Library“ in London. Sie gehörte zu den Gründern und Vorstandsmitgliedern des „Leo Baeck Institute“ in London (gegr. 1955). Mit Leo Baeck (1873–1956), der in ihrer Kindheit Gemeinderabbiner in Oppeln gewesen war und nach Verfolgung und KZ-Haft in London lebte, verband sie hohe Wertschätzung. 1974 erschien eine Sammlung der Aufsätze R.s, die zu den intellektuell bedeutsamsten dt. Jüdinnen im 20. Jh. zählt. In Anerkennung ihres Engagements für die christl.-jüd. Zusammenarbeit – u. a. sprach sie als erste Jüdin auf einem Ev. Kirchentag 1961 in Berlin – erhielt R. 1970 die Buber-Rosenzweig-Medaille, 1982 den Moses-Mendelssohn-Preis.-Gr. BVK (1983).

  • Werke

    Weitere W FS z. 80. Geb.tag v. Rabbiner Dr. Leo Baeck am 23. Mai 1953, 1953;
    Worte d. Gedenkens f. Leo Baeck, 1959;
    Die Reichskristallnacht, Der Antisemitismus in d. dt. Gesch., 1959;
    Diskussionen über d. Judenfrage 1930-1932, in: W. E. Mosse u. A. Paucker (Hg.), Entscheidungsjahr 1932, Zur Judenphase in d. Weimarer Rep., 1965, S. 503-31;
    Der Bewußtseinswandel d. dt. Juden, in: dies. (Hg.), Dt. Judentum in Krieg u. Rev. 1916-1923, 1971, S. 511-612;
    Max Horkheimer the Jew, Critical Theory and Beyond, in: LBI Year Book XIX, 1974, S. 181-95;
    Größe u. Verhängnis dt.-jüd. Existenz, Zeugnisse e. tragischen Begegnung, mit e. Geleitwort v. H. Gollwitzer, 1974;
    Tragt ihn mit Stolz, den gelben Fleck, in: H. Funke, Die andere Erinnerung, Gespräche mit jüd. Wissenschaftlern im Exil, 1989, S. 311-35;
    zahlr. Art. in: Der Morgen.

  • Literatur

    J. Dick u. M. Sassenberg (Hg.), Jüd. Frauen im 19. u. 20. Jh., 1993 (P);
    A. Paucker, in: H. Erler, E. L. Ehrlich u. L. Heid (Hg), „Meinetwegen ist d. Welt erschaffen“, Das intellektuelle Vermächtnis d. dt.sprachigen Judentums, 1997, S. 279-84;
    G. Thomas, in: FAZ v. 16.1.1997;
    Aufbau Nr. 9 v. 30.4.1999;
    BHdE I.

  • Autor/in

    Michael Wildt
  • Zitierweise

    Wildt, Michael, "Reichmann, Eva" in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 318-319 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116402571.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA