Lebensdaten
1855 – 1936
Geburtsort
Bergzabern
Sterbeort
München
Beruf/Funktion
Forschungsreisender ; Zoologe ; Paläontologe
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 116153105 | OGND | VIAF: 24857762
Namensvarianten
  • Döderlein, Ludwig Heinrich Philipp
  • Döderlein, Ludwig
  • Döderlein, Ludwig Heinrich Philipp
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Zitierweise

Döderlein, Ludwig, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd116153105.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Wilhelm (1825–81), Dr. phil., Gymnasialprofessor in Bayreuth, S des Ludw. s. (2);
    M Marie Clothilde (1827–94, ref.), T des Dr. med. Fridolin Zwicky, Arzt u. Apotheker in Mollis (Schweiz), u. der Henriette Custer;
    Kaiserslautern 1883 Auguste (* 1862), T des KR Jean Schoen, Dir. der Kammgarnspinnerei in Kaiserslautern;
    3 S, 2 T.

  • Biographie

    D. studierte 1873-77 an den Universitäten Erlangen, München und Straßburg (Promotion 1877). Nach einer kurzen Tätigkeit als Hilfslehrer am Gymnasium Mülhausen wurde er Professor für beschreibende Naturwissenschaften an der medizinischen Fakultät Tokio (1879–81). Er nutzte diesen Aufenthalt zu größeren Forschungsreisen auf der Hauptinsel und den Liu-Kiu-Inseln. 1882 wurde er Konservator und Direktor der Zoologischen Sammlung Straßburg, die er durch sein in Japan gesammeltes Material sehr bereicherte. Seit 1883 war er als Dozent und ab 1891 als außerordentlicher Professor für Zoologie an der Universität Straßburg tätig. Durch eine Erkrankung des Kehlkopfes (1900), die ihn fast den Verlust seiner Stimme kostete, erlitt die Ausübung der Lehrtätigkeit Einbuße. Schwerer noch traf ihn 1919 die Ausweisung der deutschen Gelehrten aus Straßburg. In München eröffnete sich ihm 1921 als Honorarprofessor für systematische Zoologie und als Direktor der Zoologischen Staatssammlungen (1923–27) ein neuer Wirkungskreis. Bis kurz vor seinem Tode hielt er seine Unterrichtstätigkeit aufrecht.

    D. ist vielleicht der einzige neuere Zoologe, der das Gesamtgebiet der Systematik und Morphologie einschließlich der Paläontologie beherrschte. Als Zoologe beschäftigte er sich hauptsächlich mit der Fauna von Elsaß-Lothringen und Japan, mit Echinodermen, Korallen, Fischen und fossilen Wirbeltieren. Viel benutzt wird sein „Bestimmungsbuch für deutsche Land- und Süßwassertiere“, 1931/35. Er stellte die Gesetze auf: Ein in der Stammesgeschichte erworbenes und entwickeltes Organ kann zunächst günstig, später ungünstig und zum Untergang führend sein: Säbeltiger, Riesenhirsch. Fliegende Tiere sind stets aus Klettertieren entstanden; nur höher organisierte Tiere können Landbewohner werden; Säugetiere sind aus der neu erworbenen Fähigkeit besserer Nahrungszerkleinerung durch Ausbildung der Zahnwurzel entstanden.

    D.s Verdienst um die theoretische (Artbegriff, Orthogenese und so weiter) und systematische Zoologie während der phylogenetischen Evolution in der gesamten Biologie findet ein würdiges Gegenstück in seiner Paläontologie auf dem Gebiet besonders der fossilen Wirbeltiere, auch verschiedener Gruppen der Wirbellosen, hauptsächlich aber auf dem der Allgemeinen Paläontologie. Neben W. Kowalewsky, L. Rütimeyer und M. Schlosser führte D. die phylogenetische Betrachtung in die deutschsprachige Paläontologie der Vertebraten ein – M. Neumayr tat dies für die Wirbellosen – und faßte, bis in Einzelheiten originell und ideenreich, den damals schon sehr beträchtlichen Stoff, noch vor Erscheinen des Zittelschen Handbuches, in den „Elementen der Paläontologie (Vertebrata)“ zusammen: ein klassisches Werk der Forschung im schlichten Gewand des Lehrbuchs. Morphologie, Systematik, Ökologie und Tiergeographie der rezenten Tiere, umfassend von D. beherrscht und umfassend auf das jeweils Wesentliche des Stoffs angewendet, – den meist von der Geologie ausgehenden Paläontologen fremd – wurden so nach Jahrzehnten vorherrschend stratigraphischer Wertung der Fossilien für die Geschichte der Lebewesen erschlossen. Seine reichen Erfahrungen und Erkenntnisse kamen leider nur zum Teil zur Veröffentlichung, wohl aber gab er sie im Unterricht und bei der Beratung von Kollegen uneigennützig weiter. Die Lebensverhältnisse der heutigen Tierwelt machte er nicht nur für eine allgemeine phylogenetische Ökologie (Klettern-Fliegen, Landaufenthalt, Kaufunktion der mehrhöckerig und -wurzeligen Molaren, Warmblütigkeit), sondern auch für die paläontologische Beschreibung fruchtbar: So ist die Untersuchung von Anurognathus (A. Ammoni, Ein neuer Flugsaurier, in: SB der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-physikalische Klasse, 1923), eines einmaligen, erst von D. als solchen erkannten Fundes aus dem Solnhofener Schiefer, ein Meisterstück der (speziellen) paläobiologischen Analyse. D.s konsequente, für Phylogenie und Paläobiologie richtungweisende Synthese von Paläontologie und Zoologie eilte seiner Zeit zum Teil um Jahrzehnte voraus. Im Unterricht begeisterte er das Auditorium trotz seiner fast klanglos gewordenen Stimme; D. ging dabei stets vom|demonstrierten Material aus und zog daraus seine, durch osteologische Zusammen- und Gegenüberstellung so klaren – D. hatte ursprünglich das Mathematikstudium begonnen – und überzeugenden vergleichend anatomisch-ökologischen Schlüsse, in idealer Verbindung von konkretem Anschauungsunterricht, umfassendem Wissen und von Theorie auf streng empirischer Basis, sein eignes wissenschaftliches Erlebnis als Phylogenetiker auf den Hörer übertragend.

    D. war auch ein großer Naturfreund und nicht etwa nur ein Stubengelehrter und Sammlungsforscher, trotz seiner Verdienste als Museumsleiter. „Einer der bedeutendsten Zoologen seiner Zeit“ (Koch), vor allem als genialer Beobachter, fand er bei seiner persönlichen Bescheidenheit aber oft nicht die verdiente Anerkennung. Außerdem ein guter Pilzkenner (Wegweiser für Pilzfreunde, 1918) und Florist war D. ein Biologe von fast universalem, heute nicht mehr erreichbarem Ausmaß.

  • Literatur

    H. Krieg, in: Verhh. d. Ornithol. Ges. in Bayern 21, 1936, S. 70 f.;
    H. Karasek, in: Uttenreuther Bll., NF 2, 1936, S. 41-43 (P);
    R. Hertwig, in: Jb. d. Bayer. Ak. d. Wiss., 1936/37, S. 34-37;
    E. Stromer, in: Paläontol. Zs. 19, 1937, S. 169-71 (Verz. d. paläozool. W);
    W. Koch, in: Zs. f. Säugetierkde. 12, 1938, S. 304-09 (Verz. d. Säugetiere betr. W, P).

  • Autor/in

    Hubert Erhard, Werner Quenstedt
  • Zitierweise

    Erhard, Hubert; Quenstedt, Werner, "Döderlein, Ludwig" in: Neue Deutsche Biographie 4 (1959), S. 16-17 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116153105.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA