Wigand, Paul
- Lebensdaten
- 1786 – 1866
- Geburtsort
- Kassel
- Sterbeort
- Wetzlar
- Beruf/Funktion
- Jurist ; Rechtshistoriker ; Historiker ; Schriftsteller ; Archivar ; Richter
- Konfession
- keine Angabe
- Normdaten
- GND: 113667485 | OGND | VIAF: 27312831
- Namensvarianten
-
- Weber, Veit d. J. (PseudonymM)
- Treulieb, Paul (Pseudonym)
- Hesse, Walter (Pseudonym)
- Hesse, Walther (Pseudonym)
- Wigand, Paul
- Weber, Veit d. J. (PseudonymM)
- weber, veit d. j.
- Treulieb, Paul (Pseudonym)
- treulieb, paul
- Hesse, Walter (Pseudonym)
- hesse, walter
- Hesse, Walther (Pseudonym)
- hesse, walther
- Weber, Veit
- Wigant, Paul
- Hesse, W.
- Weber, Veit, der Jüngere
- Wiegand, Paul
- Wigand, P.
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Wigand, Paul (Pseudonym Veit Weber der Jüngere, Paul Treulieb, Walt(h)er Hesse)
| Schriftsteller, Historiker, Jurist, * 10.8.1786 Kassel, † 4.1.1866 Wetzlar, ⚰ Wetzlar (Grab nicht erhalten). (evangelisch)
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Genealogie
Aus Kasseler Theol.- u. Päd.fam.;
V →Karl Samuel (1744–1805), Lehrer u. Hofarchivar in K. (s. ADB 44), S d. →Karl Christian (1714–1748), Bibl. in Wernigerode, u. d. Anna Maria Gottsched († 1751, ⚭ 2] Johann Anton Schumacher, 1748 Prediger in Straußfurt/Unstrut, Thür.), T e. Hofbuchbinders in Königsberg;
M Johanna Magdalena (1766–1811), T d. →Paul Vorwerck, Kaufm. in K., u. d. Anna Margaretha Rudolf;
⚭ Kassel 1809 Elisabeth (Elise) Karoline Hänel (Henel) (1786–1866);
K u. a. T Johanna Charlotte Elise Pauline (1810–1885, ⚭ →Sylvester Jordan, 1792–1861, Jur., lib. Pol., s. NDB X);
Verwandte →Johann Christoph Gottsched (1700–1766), Dichter, o. Prof. d. Logik u. Metaphysik in Leipzig (s. A. Woringer, J. C. G.s Beziehungen zu Kassel, in: Zs. d. Ver. f. hess. Gesch. u. Landeskde. 47 NF 37, 1914, S. 57–102;
NDB VI), →Johann Heinrich Gottsched (1706–1771), hess. Steuerrat in K., Red. d. Hochfürstl.-hess. Staats- u. Adress-Kal. (s. Hess. Biogr.). -
Biographie
W. besuchte das Lyceum Fridericianum in Kassel und nahm 1803 ein Jura- und Geschichtsstudium an der Univ. Marburg auf, das er – bedingt durch den Tod des Vaters 1805 – nach den ersten Prüfungen abbrechen mußte. Anschließend war er kurzzeitig Redakteur der „Kurhessischen Zeitung“ in Kassel, bevor er 1808 im neuen Kgr. Westfalen die Stelle eines Friedensrichters, seit 1815 eines Assessors am Land- und Stadtgericht im nun preuß. Höxter antrat. Da ihm eine höhere juristische Laufbahn aufgrund der fehlenden dritten Prüfung versagt blieb, war W. neben der beruflichen Tätigkeit immer stärker literarisch und historiographisch tätig. Während des Kriegs gegen →Napoleon veröffentlichte er unter Pseudonym „Kriegslieder der Deutschen“ (1813) und das dramatische Festspiel „Der Flußgott Rhein und Noch Jemand“ (1814). 1816 folgte das Drama „Andreas Hofer, Anführer der Tyroler“. Zudem unterstützte W. die mit ihm lebenslang befreundeten Brüder →Jacob (1785–1863) und →Wilhelm Grimm (1786–1859) sowie →Achim v. Arnim (1781–1831) und →Clemens Brentano (1778–1842) beim Sammeln dt. Märchen und Volkslieder.
Der in seiner Marburger Studienzeit von →Friedrich Carl v. Savigny (1779–1861) und der Historischen Rechtsschule beeinflußte W. richtete sein Hauptinteresse auf die Erschließung von Archiven im Umfeld von Höxter und auf historische Darstellungen. 1819 legte er „Die Geschichte der gefürsteten Reichsabtei Corvey“ vor; weitere Abhandlungen zur Rechtsgeschichte folgten. 1824 war W. Mitbegründer der „Westphälischen Gesellschaft für vaterländische Geschichte und Altertumskunde“. Da sich Hoffnungen auf eine Tätigkeit im höheren preuß. Archivdienst zerschlagen hatten, nahm W. 1833 das Angebot des preuß. Justizministers →Karl Albert v. Kamptz (1769–1849) an, als Stadtgerichtsdirektor nach Wetzlar zu gehen. Hier setzte er seine rechtshistorischen Arbeiten fort und gründete 1834 den „Wetzlarer Geschichtsund Altertumsverein“. Als preuß. Mitglied einer Bundestagskommission war W. 1839–45 maßgeblich an der Ordnung und Aufteilung des Archivs des ehemaligen Reichskammergerichts in Wetzlar beteiligt.
Aufgrund der Justizreformen 1848 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt, widmete sich W. danach ganz seinen literarischen und historischen Interessen. Als Befürworter einer geschichtlich-organischen Entwicklung war der konservative W. entschiedener Gegner revolutionärer Veränderungen. In zwei aufsehenerregenden politischen Konflikten des Vormärz vertrat er streng rechtsstaatliche Grundsätze: 1837 verurteilte er den Verfassungsbruch Kg. →Ernst Augusts von Hannover (1771-1851) und bot den befreundeten Brüdern Grimm Asyl in Wetzlar. 1844 publizierte er eine Schrift zur Verteidigung seines im Kft. Hessen zu Unrecht verurteilten und inhaftierten Schwiegersohns, des Liberalen →Sylvester Jordan. Im Herbst 1848 initiierte W. das erste Denkmal für Ehzg. Karl, das an dessen Sieg in der Schlacht von Wetzlar 1796 erinnerte.
W.s literarische und historiographische Arbeiten blieben weit hinter den selbstgestellten Ansprüchen zurück. Große Verdienste für die landesgeschichtliche Forschung erwarb er sich aber durch die Ordnung von Archiven, seine rechts- und verfassungsgeschichtlichen Publikationen sowie die Gründung und Vernetzung von Geschichtsvereinen.
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Auszeichnungen
A preuß. Roter Adlerorden 3. Kl. m. d. Schleife (1833);
ausw. Mitgl. d. Bayer. Ak. d. Wiss. (1841);
Ausschußmitgl. d. German. Nat.mus. (1850er J.);
Mitgl. u. Ehrenmitgl. zahlr. in- u. ausländ. Gel.ges. -
Werke
W Das Femger. Westphalens, Aus d. Qu. dargest. u. mit noch ungedr. Urkk. erl., 1825, ²1893, Nachdr. 1968;
Die Dienste, ihre Entstehung, Natur, Arten u. Schicksale, Mit bes. Rücksicht auf d. Gesch.qu. d. Abtei Corvey, 1828;
Ks. Conrads Kreuzzug, Romant. Erz., 1830, Mikrofiche-Ausg. 1989/90;
Die Provinzialrechte d. Fürstenthümer Paderborn u. Corvey in Westphalen nebst ihrer rechtsgeschichtl. Entwickelung u. Begründung, 3 Bde., 1832;
Die Provinzialrechte d. Fürstenthums Minden, d. Graffschaften Ravensberg u. Rietberg, d. Herrschaft Rheda u. d. Amtes Reckenberg in Westphalen nebst ihrer rechtsgeschichtl. Entwickelung u. Begründung, 2 Bde., 1834;
Die Corveyschen Gesch.qu., Ein Nachtr. z. krit. Prüfung d. Chronicon Corbeiense, 1841;
Vertheidigung Jordan’s, Ein Nachtrag zu dessen Selbstvertheidigung, 1844;
Denkwürdigkeiten f. dt. Staats- u. Rechtswiss., f. Rechtsalterthümer, Sitten u. Gewohnheiten d. MA, ges. aus d. Archiv d. Reichskammerger. zu Wetzlar, Nebst e. Denkschr. über Gesch., Schicksale, Inhalt u. Bedeutung jenes Archives, 1854, Nachdr. 1964;
Wetzlar u. d. Lahnthal mit ihren romant. Umgebungen u. geschichtl. Denkwürdigkeiten, 1862;
– Briefe: E. Stengel (Hg.), Briefe d. Brüder Grimm an P. W., 1910;
Ph. Strauch, Briefe an P. W. v. d. Brüdern Grimm, in: Archiv f. dt. Altertumskde. 24, 1898, S. 404–09;
– Hg.: Archiv f. Gesch. u. Altertumskde. Westphalens 1–7, 1825/26–1835/38;
Wetzlar’sche Btrr. f. Gesch. u. Rechtsalterthümer 1–3, 1836/40–1847/51;
Traditiones Corbeienses, 1843;
Denkwürdige Btrr. f. Gesch. u. Rechtsalterthümer, aus westphäl. Qu. gesammelt u. als e. Nachtrag zu seinen früheren Werken f. Gesch. Westphalens, 1858, Nachdr. 1968;
Lyr. Album aus d. Lahngau, 1858;
– Nachlaß: Murhardsche u. Landesbibl. Kassel (40 Ms. Hist. Lit. 33/5), darin u. a. Denkwürdigkeiten aus e. bescheidenen Leben, 3 Bändchen, 1855 (Autobiogr.). -
Literatur
L ADB 55;
W. Richter, P. W., e. Jur.-, Publ.-, Poetenu. Hist.leben, in: Westfäl. Zs. f. vaterländ. Gesch. u. Altertumskde. 72, 1914, Abt. 2, S. 90–146;
W. Steffens, P. W. u. d. Anfänge planmäßiger landesgeschichtl. Forsch. in Westphalen, in: Westphäl. Zs. 94, 1938, S. 143–237;
ders., in: Lb. Kurhessen III, 1942, S. 386–96;
P. Alpers, P. W., e. Lebensfreundschaft mit d. Brüdern Grimm, in: Hess. Jb. f. Landesgesch. 14, 1964, S. 271–327 (P);
J. Ehrhardt, P. W. als Jur. u. Rechtshist., 1968;
J. Jessen, Die Selbstzeugnisse d. dt. Juristen, 1983;
G. Tiggesbäumker, P. W. u. August Heinrich Hoffmann v. Fallersleben in Corvey, in: Corvey-Journ. 7, 1996, H. 1/2, S. 2–6;
H. W. Hahn, „Hessentreue“, Anmm. z. literar. Werk v. P. W., in: Mehr als Stadt, Land, Fluss, FS f. Ursula Braasch-Schwersmann, hg. v. L. Vogel u. a., 2020, S. 386–89;
Nassau. Biogr.;
Kosch, Lit.-Lex.³ (W, L). -
Autor/in
Hans-Werner Hahn -
Zitierweise
Hahn, Hans-Werner, "Wigand, Paul (Pseudonym Veit Weber der Jüngere, Paul Treulieb, Walt(h)er Hesse)" in: Neue Deutsche Biographie 28 (2024), S. 110-111 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd113667485.html#ndbcontent
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Wigand, Paul
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Biographie
Wigand: Paul W., Rechtshistoriker und Geschichtsforscher, ist am 10. August 1786 als Sohn des Professors und Hofarchivars Karl Samuel Wigand in Kassel geboren. In Marburg studirte W. die Rechte und Geschichte. 1807 übernahm er an Stelle seines Vaters die Herausgabe der „Politischen Zeitung“ in Kassel und verwaltete gleichzeitig die Stelle eines Procurators bei den Gerichten in Kassel. Unter Jerome wurde er als Friedensrichter nach Höxter versetzt. Mit Jubel begrüßte er den Freiheitskampf. Unter dem Pseudonym „Veit Weber der Jüngere" gab er seine „Kriegslieder der Deutschen“ (1813) heraus, die mehr durch die Gesinnung des Verfassers als durch ihren poetischen Gehalt bemerkenswerth sind. Einem dramatischen Festspiel aus dem folgenden Jahre gab er den bezeichnenden Titel: „Der Flußgott Rhein und noch Jemand. Ein Freudenspiel aus den Tagen der Erlösung“ (Marburg 1814). Auch unter preußischer Herrschaft blieb W. in Höxter als Assessor. 1819 ließ er in Höxter sein Hauptwerk erscheinen: „Die Geschichte der gefürsteten Reichsabtei Corvey.“ Eine umfangreiche litterarische Thätigkeit auf dem Gebiete der Geschichte und Rechtsgeschichte folgte aus der Corveyer Geschichte. In diesen Jahren hätte er gern seinen Beruf als Richter aufgegeben, um die Stelle eines Archivars oder Bibliothekars einzunehmen. Verhandlungen, die darüber im Ministerium in Berlin gepflogen wurden, sind zu keinem Resultate gekommen. Dafür bewirkte sein Schwiegersohn, der durch seinen Kampf mit Hassenpflug bekannte Marburger Professor Sylvester Jordan, das Angebot einer Professur in Marburg; aber W. schlug aus, da „er sich dem Staate Preußen verpflichtet fühle“. Preußen belohnte diesen Entschluß. W. wurde 1833 Stadtgerichtsdirector in Wetzlar. Mit Bedauern sah man ihn in Höxter scheiden, besonders die historisch interessirten Kreise in Südwestfalen empfanden den Verlust. In Wetzlar wußte W. ebenfalls die Gebildeten zur lebhaften Theilnahme an der Vergangenheit zu wecken: er gründete dort einen historischen Verein und gab die Zeitschrift: „Wetzlarsche Beiträge für Geschichte und Rechtsalterthümer“ heraus. Mit einer außerordentlich persönlich gefärbten Vertheidigungsschrift trat er 1844 für seinen verfolgten Schwiegersohn Jordan ein. 1848 erbat er seinen Abschied aus dem Justizdienst. Er hat die Muße noch bis zum Jahre 1866 genossen. Noch als 72jähriger hat er das „Lyrische Album aus dem Lahngau“ herausgegeben und darin auch die Kinder seiner Muse veröffentlicht. Doch ein Dichter war W. nicht. Nur einige Epigramme und Elegien sind ihm gelungen. Am 4. Januar 1866 ist W. in Wetzlar gestorben.
Jurist und Geschichtsforscher; daß W. beides war, bestimmt seine litterarische Thätigkeit. Als Geschichtsforscher und Historiograph hat er sich einen Namen gemacht; weniger bekannt sind seine juristischen und rechtshistorischen Werke, und doch hat er in ihnen sein Bestes geleistet. Er hatte sich kaum in|die Amtsgeschäfte eines Friedensrichters im Königreich Westfalen eingearbeitet, als er schon den ersten Band seines „Versuchs einer systematischen Darstellung der Amtsgeschäfte der Friedensrichter“ herausgab, dessen erster Band im Frühjahr 1813 eine zweite Auflage erlebte und in Göttingen als „Neues systematisches Handbuch für Friedensrichter des Königreichs Westfalen“ erschien. Nach diesen systematischen Versuchen wandte er sich mehr der Rechtsgeschichte zu. Schon die rechtshistorischen Excurse seiner Corveyer Geschichte (1819) verrathen sorgsames Studium, waren aber nicht einwandfrei. Auch seine beiden Untersuchungen „Das Femgericht Westfalens“ (Nachträge, Wetzl. Beiträge 3, S. 1), Hamm 1825, und „Die Dienste“, ebd. 1828, die heute trotz mancher treffenden Ausführung vergessen sind, fanden damals in maßgebenden Kreisen volle Anerkennung. Er vereinigte sich mit Strombeck zur Darstellung der Provinzialrechte, und zwar bearbeitete er in trefflicher Weise die Provinzial-rechte der Fürstenthümer Paderborn und Corvey (Leipzig 1832), Mindens und der Grafschaft Ravensberg (ebd. 1834). Im Auftrage der Regierung entwarf er für den Obergerichtsbezirk Paderborn die Provinzialgesetzbücher. 1854 gab er dann noch eine Sammlung von Abhandlungen heraus, die an der Hand der Wetzlarschen Reichskammergerichtsacten die spätere deutsche Rechts- und Verfassungsgeschichte behandelten. Er nannte sie „Denkwürdigkeiten für deutsche Staats- und Rechtswissenschaft. Gesammelt aus dem Archiv des Reichskammergerichts zu Wetzlar“.
Wie schon gesagt, ist der Name Wigand's durch seine historischen Arbeiten bekannter geworden. Die Nähe der Abtei Corvey, die Beschäftigung mit dem Archiv dieser Abtei bewirkten es, daß fast alle historischen Arbeiten Wigand's sich irgendwie mit der Corveyer Geschichte berührten, und Aufgaben bot ja die 1000jährige Geschichte Corveys in unendlicher Fülle. Wigand's erstes Geschichtswerk ist auch sein Hauptwerk, es ist die breit angelegte „Geschichte der gefürsteten Reichsabtei Corvey“, die 1819 in Höxter erschien. Es war ein kühnes Unterfangen; W. that gleichsam den zweiten Schritt vor dem ersten: ohne ernsthafte kritische Vorstudien benützte er alle ihm zur Verfügung stehenden Quellen, gefälschte wie echte. Die beiden ersten Bände, die zusammen erschienen und die Geschichte Corveys bis 1140 enthalten, wurden mit großem Beifall aufgenommen und verschafften W. die Oberaufsicht über das gesammte Corveyer Archiv. Jetzt erkannte W. selbst die Fehler seiner Geschichte, erkannte die ungeheuren Schwierigkeiten, die in der Sichtung der Quellen vorher zu thun gewesen wären. Nun lieferte er nachträglich gleichsam die Vorarbeiten zu der Corveyer Geschichte, die in Urkunden und Quellenkritiken, Entlarvung von Fälschungen u. s. f. bestanden. In seiner Zeitschrift, dem „Archiv für Geschichte und Alterthumskunde Westfalens“, hat er seine Arbeiten darüber veröffentlicht. 1826 hatte er die Zeitschrift gegründet. Bis 1838, wo sie durch die „Zeitschrift des Vereins für westfälische Geschichte“ abgelöst wurde, war sie die angesehenste historische Zeitschrift des Westens. Aus dem Studium erwuchsen W. größere historische Abhandlungen. So gab er eine Darstellung des Corvey’schen Güterbesitzes; vielleicht sein bestes Werk überhaupt. Dann betheiligte er sich in der Schrift „Die Corvey’schen Geschichtsquellen“ (Leipzig 1841) an dem Streite um die Echtheit des Chronicon Corbeiense, in der er viel interessantes Neues brachte und zum ersten Male Paullini's Schwindeleien aufdeckte. In der Anordnung der sogenannten „Traditiones Corbeienses“, die er Leipzig 1843 herausgab, hat er sich zwar geirrt, dafür aber doch die Aufmerksamkeit auf dieses interessante Quellenmaterial gelenkt und die Fälschungen Falcke's aufgedeckt. Seine späteren Aufsätze in Wetzlar veröffentlichte er in der von ihm 1840 gegründeten Zeitschrift des Wetzlarer historischen Vereins, den „Wetzlarschen Beiträgen für Geschichte und Rechtsalterthümer“ (3 Bände). Sie behandeln zumeist die Geschichte des Reichskammergerichts. Im hohen Alter hat er sich noch einmal mit der Corveyer Geschichte beschäftigt; die Früchte dieser Arbeiten waren die 1858 herausgegebenen „Denkwürdigen Beiträge für Geschichte“. Sie behandeln die neuere Geschichte Corveys, zumeist läßt er hier die Acten selbst reden.
Wigand's Bedeutung liegt nicht in diesen historischen Werken. Auch bei den besten Werken kann die unbedingte Wahrheitsliebe die mannichfachen Mängel der methodischen Forschung nicht verdecken; und dadurch, daß W. immer dazu neigte, seinen wissenschaftlichen Arbeiten einen populären Anstrich zu geben, haftet etwas Dilettantenmäßiges allen seinen historischen Werken an, zumeist aber seiner großen Corveyer Geschichte.
Uneingeschränkt aber ist das Verdienst des Organisators und Conservators Wigand. Im Auftrage der Regierung ordnete er mit Fleiß und Geschick das umfangreiche Corveyer Archiv, unter mühseligen Anstrengungen brachte er Verlorenes wieder herbei. Die Archive der Klöster Marien-Münster, Bursfelde, Neuenheerse, Hardehausen, der Stadt Höxter sind durch Wigand's Hand geordnet oder geradezu vor dem Untergange gerettet worden. Er erwarb sich durch die Einordnung der Archivalien derartig tüchtige Kenntnisse der Diplomatik, daß man in Berlin einmal daran dachte, für ihn einen Lehrstuhl für Diplomatik an der Berliner Universität zu schaffen. Nach seinen Plänen ist dann später in Wetzlar das Archiv des Reichskammergerichtes geordnet. Die Denkschrift, die er darüber der preußischen Regierung überreichte, hat er in den „Denkwürdigkeiten“ drucken lassen. Nicht minder groß sind Wigand's Verdienste durch die Gründung zweier historischer Vereine. Die frische Begeisterung für heimathliche Geschichte in Westfalen wußte er zusammen mit Domcapitular Meyer aus Paderborn durch die Gründung des noch heute in Blüthe stehenden Vereins für Vaterländische Geschichte und Alterthumskunde Westfalens fruchtbringend zu machen. Auch in Wetzlar hat er dann später einen historischen Localverein ins Leben gerufen. Und mehrfach hat er dann die Idee vertreten, daß die kleinen localen Geschichtsvereine zu einem Gesammtverbande vereinigt werden müßten. So hat W. auf den verschiedensten Gebieten gleich treu und mit echter Begeisterung gearbeitet. Von Justus Möser zu W. geht eine gerade Linie.
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Literatur
Meusel-Hamberger, Das gelehrte Teutschland, Bd. 21 (ungenau). —
Brockhaus, Conversationslexikon „Artikel Wigand“ (von W. selbst durchgesehen). —
P. Wigand, Vertheidigung Jordan's, ein Nachtrag zu dessen Selbstvertheidigung. Mannheim 1844. —
Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Alterthumskunde Westfalens, Bd. 1, S. 326 und Bd. 6, S. 326 ff. —
Reinhold Koser, Die Neuordnung des Preußischen Archivwesens durch den Staatskanzler Fürsten von Hardenberg, S. 5, 53 f., 59 (Heft 7 der Mittheilungen aus der königl. preuß. Archivverwaltung 1904). —
Gerhard Bartels, Die Geschichtsschreibung des Klosters Corvey, in den Abhandlungen über Corveyer Geschichtsschreibung, hsg. von Philippi (Veröffentlichungen der Historischen Commission für Westfalen). Münster 1906, S. 161 ff. —
Ungedruckte Briefe Wigand's im Archiv des Vereins für Westfälische Geschichte in Paderborn. -
Autor/in
Gerhard Bartels. -
Zitierweise
Bartels, Gerhard, "Wigand, Paul" in: Allgemeine Deutsche Biographie 55 (1910), S. 89-91 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd113667485.html#adbcontent