Lebensdaten
1696 – 1767
Geburtsort
Nordhausen
Sterbeort
Tönning
Beruf/Funktion
Theologe
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 104083964 | OGND | VIAF: 52122051
Namensvarianten
  • Schinmeyer, Johann Christoph
  • Schinmeier, Jo. Christ.
  • Schinmeier, Joh. Christoph
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Objekt/Werk(nachweise)

Orte

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Zitierweise

Schinmeyer, Johann Christoph, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd104083964.html [28.03.2024].

CC0

  • Biographie

    Schinmeyer: Johann Christoph S., Prediger, geboren am 8. Januar 1696 zu Nordhausen, am 1. Juli 1767 als Hauptpastor in Tönningen. S. studirte in Halle Theologie und war darauf sieben Jahre hindurch im Franckeschen Waisenhause als vicarirender Inspector der lateinischen Schule thätig. Nach einem kurzen Aufenthalte in seiner Heimath kehrte er nach Halle zurück und erhielt hier vier Wochen nach seiner Rückkunft einen Ruf als Prediger und Lehrer an das Potsdamsche Militärwaisenhaus. Diese Stelle versah er von 1727—1730, wo er vom Könige wider Willen des Magistrats zu Stettin als Prediger an die dortige Johanniskirche vocirt wurde. Sogleich nach dem Antritt der neuen Stellung reichte er dem Magistrat zu Stettin den Plan zu einem Waisenhause ein nach dem Muster der Francke’schen Stiftungen in Halle, „darinnen entweder Vater- oder Mutterlose Wayßen oder Höchst Armer Leute Kinder, die nicht im stande sind, einen Dreyer Schul Geldt zu geben, freye Information und Bücher genießen könten, doch so und dergestalt, daß die Armen Caßa nicht im geringsten soll beschwehret oder um Beytrag soll ersuchet werden“. Nur freie Wohnung für die Lehrer und einige Classenräume erbat er von der Stadt. Da seine gute Absicht aus dem Mißtrauen, mit dem man ihm, als einem aufgedrungenen Pastor, von vornherein begegnete, verkannt wurde, wandte sich S. an die Regierung und an den König und begann inzwischen in seiner Wohnung die Schule, welche Anfang 1731 bereits von 120 Schülern besucht wurde, und da nunmehr seine Wohnung nicht mehr ausreichte, erbat er von neuem die Ueberlassung freistehender Räume im städtischen Waisenhause. Ehe aber noch die Verhandlungen|hierüber und über die Frage, wem die Aufsicht über die Schule zustehen sollte, zum Abschluß gekommen, stellte S. den veränderten Antrag, es möge ihm die Erlaubniß zur Errichtung eines eigenen Waisenhauses aus der Lastadie ertheilt werden, und diesen Antrag reichte er am 1. April 1731 auch unmittelbar dem Könige ein. Als er nun auf königliche Verordnung vernommen wurde, „wo er die Kosten zur Errichtung des neuen Waisenhauses hernehmen wolle; denn die bloße Materialien zu bauung eines neuen Hauses bei weitem nicht hinlänglich, und noch schwerer würde es angehen, ein solches Werk zu unterhalten“, da antwortete S., als ein echter Schüler Francke's: er könne sich nicht weiter herauslassen, als daß er gedächte, aus Gottes Beutel zu bauen, und bleibe bei seiner letzten Bitte. Daraufhin wurde ihm unter dem 27. Mai 1732 das Stiftungspatent vom Könige ausgestellt, durch welches der König alle erforderlichen Baumaterialien schenkte und das Waisenhaus als ein pium corpus mit allen Rechten eines solchen erklärte. Auch sonst wurden dem Waisenhause mancherlei Privilegien verliehen und ihm das Recht gegeben, eine eigene Buchhandlung zu haben. Von besonderer Wichtigkeit aber für die Geschichte der Pädagogik ist der Paragraph 7 dieses Patents: „Damit es ihm (dem Director) noch um so viel weniger an dergleichen Praeceptoren fehlen möge, so kan er eine Anzahl junger Leute im schreiben und rechnen, auch catechisiren unterrichten lassen, welche hiernechst die kleinen Kinder informiren, auch nebenher das Schneider-Handwerk lernen, mithin zu einem Seminario guter Küster und Schulmeister dienen können.“ Das ist die erste staatliche Anerkennung und Genehmigung eines Volksschullehrerseminars in Preußen. Das Waisenhaus auf der Lastadie kam zustande und wuchs, aber die Streitigkeiten Schinmeyer's mit den Behörden dauerten fort, und schon am 21. Juli 1737 wurde das Waisenhaus durch königliche Verordnung wiederum geschlossen. Wie es scheint, wollte der König dem eifrigen und energischen S. wohl, aber derselbe war unvorsichtig, wenn nicht gar streitsüchtig, und mischte sich obenein in Angelegenheiten, die ihn nichts angingen, was dem Könige ganz zuwider war. Aber die Schinmeyer’schen Stiftungen waren ein Keim, der dennoch im stillen wuchs; das Waisenhaus und die Schule auf der Lastadie wurden, wenn auch in veränderter Form, fortgeführt, das Seminar als Staatsanstalt im J. 1811 neu organisirt und am 1. Mai 1862 nach Pölitz verlegt.

    S. wurde noch im J. 1737 vom Magistrate der Stadt Rathenow zum Prediger erwählt und zugleich vom Könige mit der Inspection des Rathenower Kreises betraut. Er schied mit einer Strafpredigt von Stettin. Die Stettiner hätten es böse mit ihm gemeint, Gott aber habe ihn auf ein größeres Wirkungsfeld berufen und zu seinem Erstaunen es gut mit ihm gemacht. Auch zog er voller Hoffnung nach Rathenow, daß er dort werde in Frieden wirken können. Bald aber wurde auch hier das Verhältniß zu seiner Gemeinde getrübt und er, der in seiner Antrittspredigt die Luther’schen Worte gelobt hatte: „Die Welt ist böse und undankbar, aber so böse soll sie nicht seyn, daß sie mich überböse“, rief nach fast vierzehnjähriger Amtsthätigkeit in seiner Abschiedspredigt seiner Gemeinde in höchster Erregung einen Fluch zu. Er zog im J. 1751 als Prediger nach Tönningen; aber auch hier stand er in kurzem mit seinem Amtsbruder und dem Rector in offener Fehde. Er, so schrieb er, der Vertreter des wahren Christenthums habe Feinde, jene als weltlich Gesinnte, hätten viel Freunde: „Die Welt hat mit ihren Fürsten zweierley Gestallten: gegen ihre Lieblinge ist sie ein Cameelverschlucker, gegen Christum aber und die seines Geistes sind, ein Mückenseiger.“ Im J. 1765 verlor er seine Gattin, zwei Jahre darauf starb er im zweiundsiebzigsten Lebensjahre am 1. Juli und wurde am 7. Juli auf dem Kirchhofe in Tönningen begraben mit Hinterlassung einer Tochter und dreier|Söhne, von denen der eine, Johann Adolf, als Prediger in Stettin und Consistorialrath in Pommern einen bedeutenden Einfluß ausübte und als Kanzelredner geschätzt wurde.

    • Literatur

      Quellen: Mein Aufsatz in den Pädag. Blättern XVII auf Grund von Acten der Schuldeputation in Stettin und Briefschaften in der Göritz-Lübeck-Stiftung in Berlin. Vgl. ferner: Bernhardt in Beckedorff's Jahrbüchern VI. — Kirchen- und Schulblatt für die Herzogthümer Schleswig-Holstein, Lauenburg VIII. Herausgeg. v. Versmann. Itzehoe 1851. — H. Müller in Spieker's Haus und Schule. Jahrg. 1878 (nach Acten der Regierung zu Stettin). —
      Meusel's Lexikon XII. 1812. —
      Lochmann in den Pommerschen Blättern. 1887. — Von Schinmeyer's Schriften lagen mir vor: Die an dem Lastadischen Waysen-Hause zu Alten-Stettin sich durch den Glauben geoffenbahrte Herrlichkeit Gottes etc. Alten-Stettin. Zwei Theile 1732. Joh. Christ. Schinmeyers Past. und Inspectoris zu Rathenau Sämmtlicher Schriften erster und zweiter Theil. Coppenhagen und Leipzig bey Jacob Preuß. 1740.

  • Autor/in

    F. Jonas.
  • Zitierweise

    Jonas, Fritz, "Schinmeyer, Johann Christoph" in: Allgemeine Deutsche Biographie 31 (1890), S. 300-302 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd104083964.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA