Lebensdaten
gestorben 12. Jahrhundert
Beruf/Funktion
Minnesänger
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 100964648 | OGND | VIAF: 66823192
Namensvarianten
  • Meinloh
  • Meinloh von Söflingen
  • Söflingen, Meinloh von
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Orte

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Zitierweise

Meinloh von Sevelingen, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd100964648.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Ein Geschl. v. Söflingen b. Ulm ist seit 1220 bezeugt. Um 1240 ist ein Meinlohus de Sevelingen als Ministeriale d. Gf. Hartmann v. Dillingen urkundl. nachgewiesen. M., dessen Lieder aus stilgeschichtl. Gründen um 1160/70 eingeordnet werden, dürfte e. Vorfahre d. bezeugten Namensträger gewesen sein.

  • Biographie

    Über das Leben M.s ist nichts bekannt. Die Weingartner und die Große Heidelberger Liederhandschrift vom Anfang des 14. Jh.s überliefern unter seinem Namen 11 bzw. 14 Strophen. Aufgrund der Strophenstruktur, gattungstypischer Merkmale und der inhaltlichen Gestaltung rechnet man M. dem frühen donauländ. Minnesang (ca. 1150–80) zu, dessen Minneauffassung den Partnern Begehren und Erfüllung in oft freimütiger Unbefangenheit zugesteht. Neben Motiven des frühen Minnesangs wie verborgene Minne und Lob der Verschwiegenheit, direkte Werbung und Verheißung, Klage über die Merker und Frauenrivalität verweisen bei M. aber Dienstangebot des Sängers an die Dame, preisende Überhöhung der Partnerin und erzieherisch-läuternde Funktion der Minne bereits auf die ritualisierte Minne des hochhöfischen Minnesangs Während sich in der Thematik M.s Stellung als Übergangsgestalt in der Minnesangentwicklung manifestiert, erweist ihn die formale Gestaltung seiner Strophen eindeutig als Dichter der frühhöfischen Phase. Abgesehen vom stolligen Bau der nur in der Heidelberger Handschrift überlieferten Strophen C 13 und C 14, deren Zugehörigkeit zu M.s Œuvre nicht zweifelsfrei geklärt ist, ist die metrische Struktur der übrigen 12 Strophen durch paargereimte Langzeilen mit je zwei Vierhebern geprägt, die sich zu drei verschiedenen Strophenformen zusammenfügen: Sechszeiler mit und ohne Steg und Achtzeiler. Die syntaktische Struktur paßt sich der metrischen Struktur der Langzeile überwiegend an (Zeilenstil), Versfüllung und Auftakt sind meist frei gestaltet. M. hat neben Männerstrophen die für den frühen Minnesang typischen Frauen- und Botenstrophen in seinem Repertoire. Ihre Folge stimmt in den Handschriften weitgehend überein. In der Minnesangforschung werden verschiedene Reihungsprinzipien verfolgt. Während Schweikle die Strophen aufgrund der überlieferten Reihenfolge zu thematisch zusammenhängenden Kleinzyklen ordnet, wird in den meisten Fällen eine von den Handschriften abweichende Anordnung nach Strophenformen vorgenommen (so z. B. in der Ausgabe „Des Minnesangs Frühling“); daneben stehen Versuche, die Strophen zu einem zyklischen Minneroman zu fügen. Drei der Minnestrophen (I 3/4; II 1) haben spruchhaften Charakter und sind minnedidaktischen Inhalts. Während der Mann sich des Boten bedient, um seine Wünsche unverhohlen zu äußern (I 9), drücken die drei Frauenstrophen in M.s Werk (I 7/8; II 2) die archaische Minnevorstellung der frühhöfischen Dichtung, die sexuelle Erfüllung nicht ausschließt (bîligen), am deutlichsten und unvermitteltsten aus. Auffallend ist in dieser Entwicklungsphase des Minnesangs die Abstraktheit in M.s Gedankenführung, die sich auch auf den Sprachstil auswirkt und auf spätere Minnesänger vorausweist. Das Zusammenspiel der gegensätzlichen Elemente, das Neue in Thematik und Stil neben dem alten Formen- und Motivbestand, macht den besonderen Reiz der Minnelyrik M.s aus und verdeutlicht die im Medium Minnesang angelegten Möglichkeiten zu Variation und Innovation schon in seinen Anfängen.

  • Werke

    Ausgg. Des Minnesangs Frühling, Neu bearb. v. H. Moser u. H. Tervooren, 361977, I. Texte, S. 28-31;
    G. Schweikle, Die mhdt. Minnelyrik I (mit neuhochdt. Übertragung u. Kommentar), 1977, S. 126-35, 378-87.

  • Literatur

    ADB 34;
    M. Ittenbach, Der frühe dt. Minnesang, 1939, S. 89-104;
    G. Jungbluth, Zu d. Liedern M.s v. S., in: Neophilologus 38, 1954, S. 108-20;
    H. Pörnbacher, M. v. S., in: Lebensbild(er) Bayerisch Schwaben, VII, 1959, S. 1-11;
    E. Lea, Die Sprache lyr. Grundgefüge, Minnesangs Frühling 11, 1-15, 17, in: Btrr. z. Gesch. d. dt. Sprache u. Lit. (Halle) 90, 1968, S. 305-79;
    R. Grimminger, Poetik d. frühen Minnesangs, 1969, S. 66-69;
    K.-H. Schirmer, Die höf. Minnetheorie u. M. v. S., in: FS F. Tschirch, 1972, S. 52-73;
    O. Sayce, The Medieval German Lyric 1150-1300, 1982, S. 94-96;
    Verf.-Lex.² VI.

  • Porträts

    Miniatur v. sog. Grundstockmaler in d. Gr. Heidelberger Lieder-Hs., Anfang 14. Jh. (Heidelberg, Univ.bibl.), Faks.-Ausg. 1974–79, u. in d. Weingartner Lieder-Hs., Anfang 14. Jh. (Stuttgart, Württ. Landesbibl.), Faks.-Ausg. 1969.

  • Autor/in

    Claudia Händl
  • Zitierweise

    Händl, Claudia, "Meinloh von Sevelingen" in: Neue Deutsche Biographie 16 (1990), S. 677 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd100964648.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Sevelingen: Meinloh v. S., Minnesänger aus dem Ministerialengeschlecht von Sevelingen (Söflingen bei Ulm), das bei den Grafen von Dillingen das Truchsessenamt inne hatte. Der 1240 als Dienstmann des Grafen Hartmann von Dillingen nachgewiesene Meinloh de Sevelingen kann der Dichter nicht sein, sondern ist vielleicht sein Sohn, wahrscheinlich sogar schon sein Enkel. Denn die wenigen Lieder, welche die alte Quelle der beiden großen Liedersammlungen B und C enthält, stammen aus der Frühlingszeit des Minnesangs. Nicht mehr freilich steht Meinloh auf der Stufe der ältesten deutschen ritterlichen Liebespoesie, wie sie uns aus Oesterreich und Baiern in den Liedern, die den Namen des Kürenbergers tragen, und in denen des Burggrafen von Regensburg entgegentritt, und deren Charakter ich oben Bd. XXVII, S. 550 zu schildern versuchte. Zwar bewahrt Meinloh in formaler Hinsicht noch vieles Alterthümliche: die Einstrophigkeit seiner Lieder, das Fehlen des dreitheiligen Strophenbaues, die Auslassung der Senkung. Zwar pflegt er noch die alte Gattung der einstrophigen Frauenmonologe. Allein er macht doch den ersten Schritt von der alten volksthümlichen Erotik der ritterlichen Kreise zu der neuen, modischen, die durch romanische Sitte und romanische litterarische Muster bestimmt ist, und er macht ihn mit der schüchternen Unbeholfenheit des Neulings, aber auch mit der rührenden Hingabe seines ganzen Selbst, die uns in diesen stammelnden Versen mit dem unvergänglichen Laute der Wahrheit an das Herz greift. Strahlend wie eine überirdische Erscheinung geht Deutschland damals die Cultur des Westens auf: die weltlich-ritterliche Gestaltung des Lebens, die neue Sittlichkeit, die neue Auffassung der Liebe, der Frauendienst als Angelpunkt aller männlichen Tüchtigkeit. Die Lieder Meinloh's zeigen, wie das Schwabenland um 1170 hiervon berührt wird. Es ist als ob er überwältigt von dem großen Eindruck der neuen Bildung mit allen Kräften danach ränge, ihren ganzen Inhalt in seiner Tiefe durch Worte zu erschöpfen und das eine ihn durchdringende Gefühl so recht faßbar, verständlich auszusprechen: die Ehrfurcht vor der stillen Herrschergröße weiblicher Reinheit und Minne. Ihn hat es ergriffen mit der Kraft eines allbezwingenden Zaubers: der Glaube an die veredelnde Macht der Frauenliebe. Wie ein Blitz ist in dem damaligen Geschlecht das Bewußtsein des eigenen Empfindungslebens aufgeflammt, und M. schwelgt in der Reflexion darüber, als hätte sich ihm damit das Paradies geöffnet. Die Wunder, welche er selbst entdeckt hat, an sie will er nun auch die Anderen glauben lehren. So muthen seine Lieder uns an wie ein erster Anlauf, den Begriff des Minnedienstes durch ein selbsterlebtes Liebesverhältniß nach allen Regeln der romanischen Kunst durchzuführen. Wir erfahren, wie er die Geliebte kennen lernte: Andere haben sie gelobt und darum habe er sie gesucht, bis er sie fand; wir hören den feierlichen Entschluß, ihr zu dienen; er legt einem Boten den Liebesantrag in den Mund; er vertieft sich in die Theorie der Minnekunst, handelt von den Eigenschaften eines rechten Liebhabers: erst wird behutsame Zurückhaltung und senelîche swaere als nothwendige Folge empfohlen, dann — in einer Palinodie? — aus langem Werben fließender übler Erfahrungen, der Störungen durch die Merker gedacht und umgekehrt gepredigt: Wan (man) sol ze liebe gâhen (eilen); für den glücklich Liebenden wird die Verschwiegenheit als erstes Gebot aufgestellt; wir vernehmen von heimlicher Trauer und Sehnsucht; dann wieder erscheint wachsende Leidenschaft, Betheuerung unwandelbarer Treue; nun überbringt der Bote eine bestimmte Einladung an die Frau, im Angesicht der rothen Blumen, der Boten des Sommers, auch dem liebenden Ritter ihre volle Gunst zu gewähren; auch die Dame erhält das Wort: sie freut sich der Rückkehr des Geliebten; sie vertheidigt gegen die Verleumdungen der Merker die Reinheit ihres Verhältnisses; sie wendet sich gegen neidische andere Frauen (altes Motiv der volksthümlichen Poesie ritterlicher Kreise). Der Dichter bemüht sich, einem bestimmten Ideal nachzukommen, er hat über die Liebe nachgedacht; er gibt Grundsätze, Regeln für das Liebesleben; er geht den Gründen seiner Liebesempfindung nach; er motivirt fortwährend, warum er liebt, traurig ist und so fort. Es scheint, als habe er einige Stilmittel der gnomischen Dichtung der Fahrenden entlehnt, um diesem theoretisirenden Charakter seiner Dichtung zu genügen. Er prägt bereits eine förmliche Liebesterminologie aus, die aber, wie sein Wortschatz überhaupt, der oft zu superlativischem Ausdruck greift, noch ziemlich dürftig und von der Spitzfindigkeit und Beredsamkeit späterer Kunst weit entfernt ist. Er erlaubt sich gelegentlich künstliche innere Reime und Wortspiele. Alles in Allem gewährt Meinloh's Poesie das Bild eines Enthusiasmus, der durch eine gewisse Starrheit gebunden ist, starker Impulse, die noch nicht den entsprechenden künstlerischen Ausdruck finden, einer höchst anziehenden Mischung zweier Stile: des alten, wortarmen, der so ungeschmückt, aber so gesättigt ist von verhaltener Leidenschaft, und des neuen zierlichberedten, der höfisch abgestimmte Empfindung in maßvoller, anmuthiger Bewegung kunstgerecht vortragen will.

    • Literatur

      Lachmann und Haupt, Des Minnesangs Frühling Nr. 3. — Bartsch, Deutsche Liederdichter Nr. 4. —
      Scherer, Deutsche Studien II. (Sitzungsberichte der Wiener Akademie. Phil.-histor. Kl. 1874. Bd. 74, S. 452 ff., Separatdruck S. 18 ff., 2. Auflage: Wien 1891, S. 79 ff.). —
      Paul, Beiträge 2, 418 ff. —
      Burdach, Reinmar und Walther S. 58 f., 64, 77, 83, 86 f. —
      Sievers, Beiträge 12, 499, 502 f. — E. Schröder, Zeitschr. f. d. Alterthum 33, 100 f.

  • Autor/in

    Burdach.
  • Zitierweise

    Burdach, Konrad, "Meinloh von Sevelingen" in: Allgemeine Deutsche Biographie 34 (1892), S. 72-73 unter Sevelingen [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd100964648.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA