Lebensdaten
Ende 14. Jahrhundert – 1434
Geburtsort
Ulm
Sterbeort
vermutlich Heidelberg
Beruf/Funktion
Wundarzt ; kurpfälzischer Leibarzt
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 100957455 | OGND | VIAF: 52047256
Namensvarianten
  • Peter von Ulm der Ältere
  • Peter
  • Peter von Ulm
  • mehr

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Zitierweise

Peter von Ulm, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd100957455.html [18.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    Eltern unbek.;
    S Peter v. U. d. J. (Petrus de Olma) (* um 1410), aus U., aufgewachsen im Umfeld d. kurpfälz. Hofes in H., wohl als Handwerkschirurg ausgebildet, 1427 an d. artist., 1434 an d. med. Fak. d. Univ. Heidelberg immatrikuliert, Lizentiat, M. A., 1447 Stadtarzt v. Bern, beteiligt an d. Gründung d. Univ. Basel, zu deren Lehrkörper er 1460 gehörte u. die seine Bibl. teilweise erwarb (s. L).

  • Biographie

    Als Chirurg und Vorkämpfer für eine eigenständige chirurgische Arzneimittellehre läßt sich P. seit 1420 in Ulm nachweisen, wo er den Meistertitel führte und als Stadtarzt tätig war. Auf Empfehlung Heinrich Venators oder durch Vermittlung Heinrich Mynsingers (Münsinger, um 1397 - um 1476) an den kurpfälz. Hof berufen, ging P. 1423 als Leib-(wund)arzt zu Pfalzgf Ludwig III. nach Heidelberg. Sein Erscheinen hier fällt mit der Abreise Mynsingers zusammen, der in Padua ein ärztlich-wundärztliches Doppelstudium absolvieren sollte. Ludwig III. unterwarf den Ulmer Chirurgen dem gleichen Studienprogramm, dem sich auch Mynsinger hatte unterziehen müssen und das auf Vereinigung der handwerklichen mit der akademischen Medizin ausgerichtet war. Im Juni 1423 schrieb er sich als „cyrurgicus domini nostri ducis“ in die Heidelberger Matrikel ein; ob er einen akademischen Titel erworben hat, ist nicht belegt; immerhin scheint er das Medizinstudium abgeschlossen zu haben („medicus de Ulma“) und war imstande, lat. Fachliteratur mit hoher Präzision ins Deutsche zu übertragen. P. scheint auch nach der Rückkehr Mynsingers aus Italien (1428) weiter als pfalzgfl. Leibwundarzt tätig gewesen zu sein.

    P. gilt neben dem namentlich nicht bekannten Autor des „Buchs von alten Schäden“ als|Begründer der oberrhein. Materia medica, die den Formelbestand wundärztlicher Rezeptbücher des 15. bis 17. Jh. bestimmte und wirkungsgeschichtlich weit über den südwestdeutschen Raum hinausgriff. Ihr Einfluß reicht vom Elsaß bis Franken und vom Schweizer Mittelland bis ins Siegerland. Einzelne Rezeptformeln gelangten über die Niederlande bis nach England. An der Ausbreitung waren gedruckte Arzneibücher (wie d. Stuttgarter v. Oswald Gäbelkover mit seinen 19 Aufl. seit 1589) und wundärztliche Enzyklopädien (wie d. Augsburger v. Joseph Schmid 1656) ebenso beteiligt wie eine Vielzahl von Manuskripten und handschriftlichen Kollektaneen.

    Aus der Zeit von P.s stadtärztlichem Wirken in Ulm stammt eine chirurgische Rezeptsammlung, die von Niederbayern (Passau, Landshut) über Würzburg bis ins Krumme Elsaß verbreitet war und als das „Ältere Ulmer Manual“ bekannt ist. Da sie nur in Streuüberlieferung vorliegt und lediglich fünf handschriftliche Auszüge bekannt sind, läßt sich bloß sagen, daß sie sich an praktizierende Wundarzt-Gesellen und -Meister wandte. Vom Umfang wohl kleiner, scheint sie inhaltlich ähnlich P.s Heidelberger „Cirurgia“ strukturiert gewesen zu sein, der sie als Quelle gedient hat. Als Autor der Rezepte ist P. bezeugt.

    In der bald nach 1423 abgeschlossenen „Cirurgia“ ergänzte P. den verfügbaren Formelschatz deutscher Chirurgie über Ortolf von Baierland ( um 1300) hinaus durch das „Antidotarium Nicolai“ des Nicolaus Salernitanus, die „Rogerglossen“ Roger Frugardis sowie insbesondere die „Formularien“ des Guy de Chauliac (Ende 13. Jh. – 1368). Damit machte P. dem deutschsprachigen Praktiker modernste Rezeptformeln zugänglich, neben den bewährten Rezepten älterer deutscher Arzneibücher des 12. bis 14. Jh. Das Werk war als verbindliche Pharmakopöe für die Wundärzte der Kurpfalz gedacht. Zwar konnte P. diesen offiziellen Charakter des Formelbuchs nicht durchsetzen, er prägte jedoch jüngere Rezeptbücher wie die „Passauer Wundarznei“ oder die „Würzburger Wundarznei“ maßgeblich und beeinflußte andere Vorschriftensammlungen wie das „Darmstädter Arzneibuch“, die „Kopenhagener Wundarznei“ oder die „Ulmer Wundarznei“ deutlich. Der 1525 bestallte kurpfälz. Leibwundarzt Wilhelm Kahl praktizierte nach einer vollständigen Abschrift und vermittelte den „Cirurgia“-Text an Pfalzgf. Ludwig V., der P.s Vorschriften in seine zwölfbändige „Medizinische Sammlung“ (verfaßt 1508-42) übernahm und sie von Heidelberg aus u. a. der Stuttgarter Hofapotheke zugänglich machte. Neben den Rezeptformeln beeinflußte auch der Aufbau des Buches spätere Vorschriftenbücher. Wegen des intendierten Pharmakopöe-Charakters verwarf P. in der „Cirurgia“ die gängigen Gliederungsschemata nach der Indikation bzw. nach der betroffenen Körperstelle und wählte ein Ordnungsprinzip, das die pharmazeutischen Eigenschaften zugrunde legt und die Rezepte nach der beschriebenen Arzneiform gruppiert. Dieses pharmazeutische Ordnungsschema wurde 1468 im Elsaß und 1490 in Würzburg verfeinert und über Arzneibücher wie jenes der Hzgn. Eleonora von Troppau und Jägerndorf (Freywillig auffgesprungener Granat-Apffel Deß Christlichen Samaritans, 1695, 211863) allgemein durchgesetzt.

  • Werke

    G. Keil, Die „Cirurgia“ P.s, Unterss. zu e. Denkmal altdt. Fachprosa mit krit. Ausg. d. Textes, 1961 (berücksichtigt auch d. „Ältere Ulmer Manual“).

  • Literatur

    I. Rohland, Das „Buch v. alten Schäden“, II, 1981, S. 11-628;
    A. Lehmann, Zwei wundärztl. Rezeptbücher d. 15. Jh. v. Oberrhein, II, 1986, S. 18-231;
    Ch. Tenner u. G. Keil, Das „Darmstädter Arzneibuch“, Randnotizen zu e. oberrhein. Sammelhs. d. Zeitenwende, in: Bibl. u. Wiss. 18, 1984, S. 85-234, hier S. 92-109;
    F. Hieninger, Die „Würzburger Wundarznei“, Ein chirurg. Arzneimittel-Hdb. d. SpätMA, Textausgabe, III (Pulverrezepturen), Diss. Würzburg 1999, S. 35-41. – Zu Peter d. J.: Y. Thurnheer, Die Stadtärzte u. ihr Amt im alten Bern, 1944, S. 14 f.;
    G. Keil, Die „Cirurgia“ P.s, 1961, S. 39;
    G. Kallinich u. K. Figala, Ein Btr. z. Leben u. Wirken d. Arztes P., in: Ulm u. Oberschwaben 39, 1970, S. 189-91;
    Vf.-Lex. d. MA² III, Sp. 350 f., 456, IV. Sp. 743, V, Sp. 312, 1022, 1025, VI, Sp. 783, VII, Sp. 78, 324 f., 458-64. VIII, Sp. 152, IX, Sp. 474, 1238, X, Sp. 1459.

  • Autor/in

    Gundolf Keil
  • Zitierweise

    Keil, Gundolf, "Peter von Ulm" in: Neue Deutsche Biographie 20 (2001), S. 231-232 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd100957455.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA