Lebensdaten
1812 – 1882
Geburtsort
Handorf bei Münster
Sterbeort
Gießen
Beruf/Funktion
katholischer Theologe ; Pädagoge
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 100519075 | OGND | VIAF: 56762025
Namensvarianten
  • Lutterbeck, Anton Bernhard
  • Lutterbeck, Johann Anton Bernhard
  • Lutterbeck, Anton
  • mehr

Objekt/Werk(nachweise)

Verknüpfungen

Von der Person ausgehende Verknüpfungen

Verknüpfungen zu anderen Personen wurden aus den Registerangaben von NDB und ADB übernommen und durch computerlinguistische Analyse und Identifikation gewonnen. Soweit möglich wird auf Artikel verwiesen, andernfalls auf das Digitalisat.

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Lutterbeck, Anton, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd100519075.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Theodor, Arzt.

  • Biographie

    L. studierte Philologie in Münster, Berlin und Bonn, dann 1836-39 Theologie in Münster. Durch Ch. B. Schlüter wurde sein Interesse für die Religionsphilosophie Baaders geweckt. Er wurde ein entschiedener Antihermesianist und legte sich damit auch kirchenpolitisch fest (Ablehnung des „Staatskirchentums“). Dies war auch die Grundlage seiner Freundschaft mit Eduard Michelis, dem einflußreichen Sekretär des Kölner Erzbischofs C. A. Droste zu Vischering. 1839 wurde L. in Münster zum Lic. theol. promoviert. Ein erstes Gesuch um Habilitation (1840) scheiterte wegen seines Antihermesianismus. Ehe ein weiterer Antrag beschieden werden konnte, erhielt L. 1842 eine ao. Professur (Biblische Exegese) an der Kath.-theol. Fakultät in Gießen. 1844 wurde er o. Professor. Im selben Jahr erfolgte die Promotion zum Dr. theol. in Gießen. 1847 lehnte L. einen Ruf an die Univ. Würzburg ab. Im Streit um die durch Rom verworfene Wahl seines Kollegen Leopold Schmid zum Bischof von Mainz (1849) stand er entschieden auf dessen Seite. Nach dem Wechsel von Schmid in die Phil. Fakultät (1850) wurde L., nach Staudenmaier (Freiburg) und Zukrigl (Tübingen), für die Wiederbesetzung der Professur (Dogmatik, Symbolik und Theol. Enzyklopädie) vorgeschlagen.

    Der Lehrstuhl wurde aber nicht mehr besetzt, da durch den Ausbau des bischöfl. Seminars in Mainz der Vorlesungsbetrieb an der Gießener Fakultät im Frühjahr 1851 zum Erliegen kam. Im Herbst dieses Jahres erhielt L. die Erlaubnis, an der Phil. Fakultät philologische Vorlesungen zu halten. Seit 1853 Honorarprofessor dieser Fakultät, wurde er 1859 von der theol. Professur enthoben und zum o. Professor der klassischen Philologie ernannt. Zum darauffolgenden Wintersemester hörte die Kath.-theol. Fakultät, die seit ihrer Gründung (1830) zu großen Hoffnungen berechtigt hatte, auch rechtlich auf zu bestehen. L. setzte ihr ein würdiges Denkmal in seiner „Geschichte der Kath.-theol. Fakultät zu Gießen“ (1860). Die Aufforderung von Bischof Ketteier, sich von der Darstellung zu distanzieren, quittierte L. mit einem offenen Brief. Auch enthielt er sich fortan freiwillig aller priesterlichen Funktionen in der Diözese Mainz.

    Nach der Dogmatisierung der päpstl. Unfehlbarkeit 1870 bekannte sich L. zur altkath. Bewegung; daraufhin wurde er exkommuniziert. Unter den Professoren der Kath.-theol. Fakultät in Gießen war L. ohne Zweifel einer der geistreichsten und vielseitigsten. In der Religionsphilosophie schloß er sich eng an Baader an, dessen Werke er mitherausgab. Über Baader kam er nach eigenen Aussagen zu Meister Eckhart. L.s Bedeutung für die Exegese ist noch unerforscht. Er dürfte auch von J. S. Semler und F. Ch. Baur abhängig gewesen sein. Die Unterdrückung der Gießener Fakultät durch Bischof Ketteler und der Ausgang des Vatikanischen Konzils trafen ihn hart. Wie viele seiner Kollegen (z. B. Hefele, Döllinger, Dieringer, Kuhn) hatte er in seiner Jugend als „Ultramontaner“ begonnen und dafür Nachteile hinnehmen müssen. Später geriet er immer mehr in eine innerkirchliche Isolation, die 1870 zum Bruch führte.

  • Werke

    Weitere W u. a. De via ac ratione, qua opus redemptionis christianae in tempore ad finem perducitur, 1839;
    De utilitate sacrae scripturae, 1842 (Antrittsvorlesung);
    Hermenien aus d. Gebiete d. rel. Spekulation, 1845;
    Ueber d. Notwendigkeit e. Wiedergeburt d. Philol. zu deren wiss. Vollendung, 1847;
    Ueber d. Natur, ihre Erkenntniß. Beherrschung u. Verherrlichung durch d. Menschen, 1848;
    Der Informativprozeß u. seine rechtl. Notwendigkeit f. d. Entscheidung d. Mainzer Bischofsfrage, 1850;
    Die neutestamentl. Lehrbegriffe od. Unterss. üb. d. Za. d. Rel.wende d. Vorstufen d. Christenthums u. d. erste Gestaltung desselben, Ein Hdb. f. älteste Dogmengesch. u. systemat. Exegese d. NT, 2 Bde., 1852;
    Offener Brief an d. Herrn Bischof v. Mainz, Wilhelm Emanuel v. Ketteier, 1860;
    Die Clementinen u. ihr Verhältniß z. Unfehlbarkeitsdogma, 1872;
    zahlr. Artikel u. Besprechungen in Lexika u. Zss.

  • Literatur

    ADB 19;
    J. F. v. Schulte, Der Altkatholizismus, Gesch. s. Entwicklung, inneren Gestaltung u. rechtl. Stellung in Dtld., 1887;
    O. Pfülf, Bischof v. Ketteier (1811–77), 1899;
    H. Schrörs, Die Kölner Wirren (1837), 1927;
    F. Vigener, Die Kath.-theol. Fak. in Gießen u. ihr Ende, in: Mitt. d. Oberhess. Gesch.ver. NF 24, 1922, S. 28-96;
    ders., Ketteier, Ein dt. Bischofsleben d. 19. Jh., 1924;
    E. Hegel, Gesch. d. Kath.-theol. Fak. Münster, 1773–1964, 1966;
    Hurter;
    LThK²;
    Kosch, Kath. Dtld. - Eigene Archivstud.

  • Autor/in

    Rudolf Reinhardt
  • Zitierweise

    Reinhardt, Rudolf, "Lutterbeck, Anton" in: Neue Deutsche Biographie 15 (1987), S. 563 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd100519075.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Lutterbeck: Johann Anton Bernhard L., katholischer Theolog, geb. am 23. April 1812 zu Averbeck bei Münster, am 30. Decbr. 1882 zu Gießen. L. war ein Sohn des auch als Schriftsteller bekannten Arztes Theodor L. Er absolvirte 1828 das Gymnasium zu Münster und studirte darauf 4 Jahre Philologie zu Münster. Berlin und Bonn. 1833 bestand er das Examen pro facultate docendi und hielt darauf in Düsseldorf das gesetzliche Probejahr. Im Herbst 1834 kehrte er nach Münster zurück, um Theologie zu studiren. Am 23. Septbr. 1837 wurde er zum Priester geweiht und 1839 zum Licentiaten|der Theologie promovirt; 1842 wurde er in Marburg Doctor der Philosophie. Er war dann 1841—44 außerordentlicher, seit 1844 ordentlicher Professor der Theologie in Gießen. Er las vorzugsweise neutestamentliche Exegese, daneben Encyklopädie und Apologetik, zuletzt auch Dogmatik. Nach dem Untergange der Gießener katholisch-theologischen Facultät im J. 1851 erhielt er die Erlaubniß, philologische Vorlesungen zu halten. 1853 wurde er zum Honorarprofessor, 1859 unter Entbindung von der theologischen Professur zum ordentlichen Professor der classischen Philologie ernannt. 1880 ließ er sich wegen zunehmender Kränklichkeit Penstoniren. — Schon 1835 veröffentlichte L. eine „Apologie des Hermesianismus wider einige arge Mißverständnisse“. 1845 folgten „Hermenieen aus dem Gebiete der religiösen Speculation“ (einige akademische Vorträge und Kritiken). 1850—60 arbeitete er mit an der Gesammtausgabe der Werke Franz von Baader's (Bd. I, S. 725), namentlich an dem 14. Bande; er bearbeitete auch das Sach- und Namenregister und schrieb dazu eine Einleitung: „Lebensepochen Baader's und Charakteristik seines Systems der Philosophie“ (auch besonders gedruckt 1860). Dazu kommen einige kleinere Schriften über Baader. — Das bedeutendste theologische Werk von L. ist „Die Neutestamentlichen Lehrbegriffe oder Untersuchungen über das Zeitalter der Religionswende, die Vorstufen des Christenthums und die erste Gestaltung desselben. Ein Handbuch für älteste Dogmengeschichte und systematische Exegese des neuen Testamentes“, 2 Bände, 1852. — Als dem 1849 zum Bischof von Mainz gewählten Gießener Professor Leopold Schmid die päpstliche Bestätigung verweigert wurde, schrieb L. „Der Informativproceß und seine rechtliche Nothwendigkeit zur Entscheidung der Mainzer Bischofsfrage“, 1850. Das Verhältniß zu dem neuen Bischof W. E. von Ketteler, den L. schon in seinen Studienjahren von seiner unliebenswürdigen Seite kennen gelernt hatte und der seine bischöfliche Thätigkeit mit der Brachlegung der Gießener theologischen Facultät begann (Bd. XV, S. 672), gestaltete sich von Anfang an nicht freundlich. Nach dem Erscheinen der „Geschichte der katholisch-theologischen Facultät zu Gießen. Eine allen Theologen Deutschlands gewidmete Denkschrift“, 1860, forderte der Bischof L. zur Unterzeichnung einer Erklärung auf, worin er das Recht der Bischöfe zur Regelung der Studien der Candidaten des geistlichen Standes nach ihrem Ermessen etc. anerkennen und zugleich sagen sollte, daß er „alles, was in seiner Schrift gegen die Lehre und die Gesetze der katholischen Kirche enthalten sei oder in dieser Beziehung gerechten Anstoß erregen könnte, als nicht geschrieben und nicht in seinem Sinne gelegen angesehen haben wolle.“ L. lehnte in einem „Offenen Brief an den Herrn Bischof von Mainz, W. E. v. Ketteler“, 1860, diese Zumuthung ab und kam den kirchlichen Censuren des Bischofs mit der Erklärung zuvor, er werde sich fortan aller priesterlichen Funktionen in der Diöcese Mainz enthalten (Allg. Ztg. 1860, 308). Vor dem Schlusse des Vaticanischen Concils veröffentlichte L. das Schriftchen: „An Papst Pius IX. bei Gelegenheit seines Verlangens, von dem römischen Concil für unfehlbar erklärt zu werden“, 1870. Er schloß sich dann auch den Protestationen deutscher Professoren gegen die vaticanischen Decrete an und betheiligte sich bis zu seinem Tode mit lebhaftem Interesse an der altkatholischen Bewegung. 1872 erschien von ihm noch „Die Clementinen und ihr Verhältniß zum Unfehlbarkeitsdogma“ und 1875 mit einer Einleitung von ihm „Leopold Schmid, Ueber die religiöse Aufgabe der Deutschen“. L. hat außer den hier genannten Schriften noch eine Anzahl von kleineren theologischen, philosophischen und philologischen Aufsätzen, viele Beiträge für Zeitschriften und eine Reihe von Artikeln für die Allg. D. Biographie geschrieben.

    • Literatur

      Lutterbeck, Gesch. der kathol.-theol. Fac., S. 44. Scriba, Lexikon der Schrifst. von Hessen II, 465. Raßmann, Nachr. über Münst. Schriftsteller (1866), S. 205. Neue Folge (1881), S. 260. Deutscher Merkur 1883, Nr. 2.

  • Autor/in

    Reusch.
  • Zitierweise

    Reusch, Heinrich, "Lutterbeck, Anton" in: Allgemeine Deutsche Biographie 19 (1884), S. 707-709 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd100519075.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA