Lebensdaten
1856 – 1945
Geburtsort
Leer (Ostfriesland)
Sterbeort
Bremen-Huchting
Beruf/Funktion
völkisch-religiöser Ideologe
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 139900527 | OGND | VIAF: 40896953
Namensvarianten
  • Reuter, Otto Theodor Ludwig Sigfrid
  • Reuter, Otto Sigfrid
  • Reuter, Otto Theodor Ludwig Sigfrid
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Zitierweise

Reuter, Otto Sigfrid, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd139900527.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Wilhelm (1838–1926), Handelskpt. u. Dir. d. Navigationsschule in L. (s. Pogg. IV, VI), S d. Wilhelm (1803–81), aus Hildesheim, Gymnasialdir. in Aurich, klass. Philol. (s. Bursian-BJ 24, S. 47) u. d. Luise Reuter (1805–74);
    M Emma (1846–77), T d. Pastors u. theol. Schriftst. Friedrich Armknecht (1804–93) u. d. Elise Krohne (1825–51);
    Stief-M Caroline Hagemann (1851–1941);
    Halb-B Ernst (s. 2);
    Berlin 1923 Gertrud (* 1892), T d. Fabrikanten Georg Stütze u. d. Jenny Sauermann;
    2 S, 1 T.

  • Biographie

    Nach dem Schulbesuch in Leer, Hamburg-Altona und Leipzig legte R. 1894 die Reifeprüfung in Leer ab und schlug die höhere Telegraphenlaufbahn ein. Von seiner Heimatstadt führte ihn sein beruflicher Werdegang über Oldenburg und Köln nach Bonn, wo er seit 1901 nebenbei Geschichte und Rechtswissenschaften studierte. Nach Ablegung der höheren Verwaltungsprüfung 1905 folgten als weitere Stationen Berlin, Elberfeld und 1917 die Versetzung nach Bremen als Telegraphendirektor und Leiter des Fernsprechwesens. 1924 infolge von Personalabbaumaßnahmen und wegen seiner völkischen Agitation vorzeitig in den Ruhestand versetzt, widmete R. sich fortan germanophilen Studien. Bereits 1909 hatte er – zunächst anonym-mit „Sigfrid oder Christus?!“ ein gegen das Christentum als sog. artfremder Religion polemisierendes und die Erneuerung vorchristlich german.-dt. Religiosität proklamierendes Pamphlet publiziert, das in der sich gerade formierenden pagan ausgerichteten völkischreligiösen Bewegung auf große Resonanz stieß. R.s agitatorische wie organisatorische Basis bildete der von 1911 bis zu seiner Selbstauflösung 1933 bestehende „Dt. Orden“, während er mit der ebenfalls in Berlin 1911 gegründeten „Deutschreligiösen Gemeinschaft“ (seit 1916 Dt.gläubige Gemeinschaft) die erste, kirchliche Ungebundenheit fordernde pagane völkischreligiöse Gemeinschaft ins Leben rief. Beide Organisationen wurzelten in der völkischen Rassenideologie, weshalb sie von ihren Mitgliedern den sog. Ariernachweis forderten, für den (zumindest zeitweise) Bernhard Koerner (1875–1952), der Herausgeber des genealog. „Dt. Geschlechterbuches“, zuständig war. Mit beiden Gründungen avancierte R. in der völkischen Sammelbewegung als Ideologe zu einer einflußreichen Autorität. R. trat weniger – trotz seiner Initiativen für die niedersächs. und völkische Volkshochschulbewegung und 1933 der Mitarbeit in Jakob Wilhelm Hauers (1881–1962) Arbeitsgemeinschaft Dt. Glaubensbewegung – als Führungspersönlichkeit hervor, sondern wirkte vielmehr maßgeblich an der Formulierung der Weltanschauung und ihrer parawissenschaftlichen Fundierung mit. In dieser Funktion war er besonders nach seiner beruflichen Karriere tätig, als er sich der prähistorischen Germanenforschung zuwandte und in Berlin bei Gustav Neckel und v. a. bei Gustaf Kossinna (1858–1931) studierte. Zu letzterem unterhielt er freundschaftliche Kontakte und lieferte für dessen Zeitschrift „Mannus“ bis 1941 Beiträge. Ein an der Univ. Berlin 1925 gehaltener Vortrag über Astronomie und Mythologie bildete den Auftakt für R.s langjährige Beschäftigung mit der „German. Himmelskunde“, wie sein mit Unterstützung der Notgemeinschaft der dt. Wissenschaft im Münchner J. F. Lehmann's Verlag erschienenes voluminöses Hauptwerk betitelt ist, mit dem er den Nachweis einer hochentwickelten, spezifisch german. Gestirnenkunde zu erbringen suchte. 1939 erhielt er dafür auf Betreiben einflußreicher Wissenschaftler wie Franz Josef Hopmann, Otto Reche, Konstantin Reichardt und Kurt Tackenberg die Ehrendoktorwürde. R., seit 1939 NSDAP-Mitglied und in Kontakt zum Ahnenerbe der SS, war nicht nur einer der bedeutendsten, bis in die Gegenwart wirkenden Ideologen der paganen völkischreligiösen Bewegung des 20. Jh., sondern gehörte auch zu den zahlreichen Dilettanten, die in der ersten Jahrhunderthälfte an der Schnittstelle zwischen völkischer Weltanschauung und weltanschaulich durchdrungener Wissenschaft maßgeblich zur Ideologisierung einzelner Wissenschaften beitrugen.|

  • Auszeichnungen

    Mitgl. d. Ges. f. dt. Vorgesch. (1922);
    Gustaf-Kossinna-Preis (1936) d. Reichsbundes f. dt. Vorgesch. u. Beiratsmitgl. dessen Arbeitsgemeinschaft f. Ortungsfragen u. german. Himmelskunde;
    Ehrenmitgl. d. Bremer Wiss. Ges. (1938), Dr. phil. h. c. (Leipzig 1939).

  • Werke

    Heilwig Rennenberg, Schauspiel in vier Aufzügen, 1905;
    Hero Onkens Ausfahrt u. Heimkehr, 1909;
    Sigfrid oder Christus, Kampfruf an d. german. Völker z. J.tausendwende. Von e. Deutschen, 1909, ²1910, Nachdr. 1976;
    Das Rätsel d. Edda u. d. arische Urglaube, 2 Bde., 1921–23, Reprint 1993;
    Aus arischer Vorzeit, 1925, ²1986;
    German. Himmelskunde, Unterss. z. Gesch. d. Geistes, 1934, Nachdr. 1993;
    Der Himmel über den Germanen, 1936, engl. 1985;
    Gestalten u. Gedanken im Nibelungenlied 1979.

  • Literatur

    R. Müller, in: W. Stein (Hg.), Von Bremer Astronomen u. Sternenfreunden, 1958, S. 83-86;
    Dt.gläubig, Eine Gesch. d. Dt.gläubigen Gemeinschaft unter bes. Berücks. d. Beziehungen zu d. zeitgenöss. völk.-rel. Gründungen d. XX. Jh., hg. v. d. Dt.gläubigen Gemeinschaft, 4 Bde., 1968-77 (P, IV, S. 99-101: W-Verz.);
    U. Nanko, Die Dt. Glaubensbewegung, Eine hist. u. soziolog. Unters., 1993;
    Hdb. z. „Völk. Bewegung“ 1871-1918, hg. v. U. Puschner, W. Schmitz u. J. H. Ulbricht, 1996;
    |Hdb. d. dt. Reformbewegungen 1880-1933, hg. v. D. Kerbs u. J. Reulecke, 1998;
    H. Junginger, Von d. phil. z. völk. Rel.wiss., Das Fach Rel.wiss. an d. Univ. Tübingen von d. Mitte d. 19. Jh. bis z. Ende d. Dritten Reiches, 1999;
    U. Puschner, Die völk. Bewegung im wilhelmin. Kaiserreich, Sprache – Rasse – Rel., 2001;
    St. v. Schnurbein u. J. H. Ulbricht (Hg.), Völk. Religiosität u. Krisen d. Moderne, Entwürfe „arteigener“ Religiosität seit d. Jh.wende, 2001;
    Dt.Großbritannien 25, 1913, S. 340-63;
    Pogg. VII a;
    Brem. Biogr.

  • Autor/in

    Uwe Puschner
  • Zitierweise

    Puschner, Uwe, "Reuter, Otto Sigfrid" in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 465-67 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd139900527.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA