Lebensdaten
1905 – 1975
Geburtsort
Frankfurt/ Main
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Philosoph
Konfession
evangelisch
Namensvarianten
  • Reiter, Gotthilf (Pseudonym)
  • Weischedel, Wilhelm
  • Reiter, Gotthilf (Pseudonym)
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Zitierweise

Weischedel, Wilhelm, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz140060.html [25.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Wilhelm Gotthilf (1873–1958), ev.-methodist. Prediger, später geistl. Dir. e. Diakonissenanstalt in Elberfeld (s. BBKL 13), S d. Johann Jakob (1831–88), Weingärtner, u. d. Katharina Friederike Bofinger (1837–1914);
    M Catharina Martha (1881–1951), T d. Jakob Friedrich Beutter (1843–1911), Mehlhändler, u. d. Luise Friederike Karoline Schnell (1849–1929);
    Dresden 1934 Käte Johanna Maria (1903–87), Dr. phil., T d. Anton Grunewald (1853–1921), Limonaden- u. Mineralwasserfabr. in Dresden, u. d. Emilie-Elisabetha Henopp (* 1862);
    2 T Martina Elisabeth (* 1935), Dipl.-Psychol., Sabine Monika (* 1938), Lehrerin.

  • Biographie

    W. wuchs in einem streng pietistischen Elternhaus auf. Er besuchte Schulen in Stuttgart, Reutlingen und Elberfeld. Im Anschluß an das Abitur 1924 studierte er Ev. Theologie in Marburg, wo Rudolf Bultmann (1884–1976) besonderen Einfluß auf ihn hatte (1. Theol. Examen 1929). Gastsemester verbrachte er in Leipzig und Berlin. In Marburg besuchte W. Vorlesungen und Übungen Martin Heideggers (1889–1976), der ihm in der grundsätzlichen Auffassung des Philosophierens (sich der Sache des Denkens hingeben) zum bleibenden Vorbild wurde. 1929 folgte W. Heidegger als Promovend nach Freiburg (Br.) und schloß hier 1932 seine Dissertation „Versuch über das Wesen der Verantwortung“ ab (gedr. u. d. T. Das Wesen d. Verantwortung, Ein Versuch, 1933, ³1972).

    Während seines Studiums engagierte sich W. politisch und setzte sich für einen „humanen Sozialismus“ ein. Nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler 1933 kam es zwischen W. und Heidegger zu einer Entfremdung. Wegen seiner politischen Tätigkeit waren W. Berufsperspektiven in akademischer Welt, Presse und Rundfunk versperrt. 1932 bestritt er seinen Lebensunterhalt durch eine Bibliothekstätigkeit am Musikalischen Institut der Univ. Tübingen, seit 1933 durch Hilfsarbeiten in einem kaufmännischen Büro. 1936 trat er in die „Wirtschaftsberatung Deutscher Gemeinden AG“ (WDG) ein und habilitierte sich an der Univ. Tübingen mit der Arbeit „Der Aufbruch der Freiheit zur Gemeinschaft, Studien zur Philosophie des jungen Fichte“ (1939, u. d. T. Der frühe Fichte, Aufbruch d. Freiheit z. Gemeinschaft, ²1973). W. verzichtete auf eine Dozentur, da er einer Gliederung der NSDAP hätte beitreten müssen. 1942–44 wirkte er für die WDG als Büroleiter der Zweigstelle in Paris, wo er offiziell zwischen dt. Behörden und franz. Industrie vermitteln sollte, dabei aber auch Kontakte zwischen franz. und dt. Widerstandsbewegung herstellte.

    Seit 1945 wirkte W. als Dozent, seit 1946 als ao. Professor für Philosophie an der Univ. Tübingen; 1953 wechselte er als o. Professor an die FU Berlin (Dir. d. Philos. Abt. d. Philos. Seminars 1953–70, Geschäftsführender Dir. d. Philos. Seminars 1960 / 61 u. 1965 / 66, em. 1970). Er hielt v. a. philosophiegeschichtliche Vorlesungen, in denen er sich bemühte, die Grunderfahrungen herauszuarbeiten, denen das Denken des jeweiligen Philosophen entsprang. 1949 war er Mitbegründer der „Wissenschaftlichen Buchgesellschaft“ in Darmstadt. Für die Studentenbewegung zeigte er Verständnis und setzte sich an der Seite Helmut Gollwitzers (1908–93) für deren Belange ein. Durch Radiovorträge und sein populäres philosophiegeschichtliches Werk „Die philosophische Hintertreppe, Von Alltag und Tiefsinn großer Denker“ (1966, u. d. T. Die phil. Hintertreppe, 34 gr. Philosophen in Alltag u. Denken, ³1973, 412014, zahlr. Überss.) wurde W. einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.

    Aus W.s Sicht war das Denken seiner Zeit geprägt durch das Ende der Metaphysik, wodurch es sich unausweichlich vor die Frage des philosophischen Nihilismus gestellt sah. Diesen nahm W. nicht als Endpunkt des Philosophierens hin, sondern versuchte, ihn mit einer international beachteten „philosophischen Theologie“, die er in seinem Hauptwerk „Der Gott der Philosophen, Grundlegung einer Philosophischen Theologie im Zeitalter des Nihilismus“ (2 Bde., 1971 / 72, ³1975, Nachdr. 1998) entwickelte, und mit einer „Skeptischen Ethik“ (1976, ⁵1990) zu überwinden. Zu W.s Leistungen gehört auch seine bis heute benutzte Kantausgabe (6 Bde., 1956, ⁷2011), in der er sich um möglichst große sprachliche Nähe zu den Originaltexten bemühte. Zu W.s Schülern zählen u. a. der franz. Schriftsteller Michel Tournier (1924–2016), der ev. Theologe Otto Kaiser (1924–2017) und die Philosophieprofessorin Margherita v. Brentano (1922–95).

  • Auszeichnungen

    | W.-W.-Fonds d. Wiss. Buchges. z. Förderung v. Projekten aus d. Bereichen Wiss. u. Kultur (1999).

  • Werke

    Weitere W Der Mut z. Verantwortung, 1946;
    Die Tiefe im Antlitz d. Welt, Entwurf e. Metaphysik d. Kunst, 1952;
    Recht u. Ethik, Zur Anwendung eth. Prinzipien in d. Rechtsprechung d. Bundesger.hofes 1956, ²1959, span. 1959;
    Wirklichkeit u. Wirklichkeiten, Aufss. u. Vortrr., 1960;
    Idee u. Wirklichkeit e. Univ., Dok. z. Gesch. d. Friedrich-Wilhelms-Univ. zu Berlin, 1960;
    Der Zwiespalt im Denken Fichtes, 1962;
    Denken u. Glauben, Ein Streitgespräch, 1965 (mit H. Gollwitzer);
    Denker an der Grenze, Paul Tillich z. Gedächtnis, 1966;
    Phil. Grenzgänge, Vortrr. u. Essays, 1967;
    Streit um d. göttl. Dinge, Die Auseinandersetzung zw. Jacobi u. Schelling, 1967 (Hg.);
    Jacobi u. Schelling, Eine phil.-theol. Kontroverse, 1969;
    Autobiogr. in: L. J. Pongratz (Hg.), Philos. in Selbstdarst., Bd. 2, 1976, S. 316–41;
    Nachlaß: Staatsbibl. zu Berlin Preuß. Kulturbes.;
    Bibliogr. in: A. Schwan (Hg.), Denken im Schatten d. Nihilismus (s. L), S. 517–25.

  • Literatur

    | W. Trillhaas, Rel.philos. oder Phil. Theol.? Eine Kontroverse zw. Wolfgang Trillhaas u. W. W., I. Krit. Anfragen an W. W., in: Neue Zs. f. systemat. Theol. u. Rel.philos. 1, 1973, S. 87–101;
    A. Schwan (Hg.), Denken im Schatten d. Nihilismus, FS W. W. z. 70. Geb.tag, 1975 (W, P);
    J. Salaquarda, Die phil. Theol. W. W.s, in: Gottesbilder heute, Zur Gottesproblematik in d. säkularisierten Ges. d. Gegenwart, hg. v. S. Moser u. E. Pilick, 1979, S. 85–100;
    S. Semplici, Un filosofo „all’ombra del nichilismo“, W. W., 1984;
    R. Garaventa, Scetticismo ed etica nel pensiero di W. W., in: Giornale di Metafisica 10, 1988, S. 71–100;
    ders., Nichilismo, teologica ed etica, Saggio su W. W., 1989;
    K. S. Shim, Der nachmetaphys. Gott, Überlegungen z. Problematik d. Verhältnisses v. Gott u. Metaphysik in d. Entwürfen v. Martin Heidegger, W. W. u. Bernhard Welte, 1990;
    R. Theis, Le moment théologique de la pensée, Approches du problème de Dieu: Kant, Jaspers, W., in: Filosofia oggi 13, 1990, 127–44;
    J. P. van Riessen, Nihilisme op de grens van filosofie en theol., Een onderzoek naar de reflektie op het praktisch nihilisme bij W., Tillich en Barth, 1991;
    P.-J. Mink, Die „Phil. Theol.“ als Problem d. Philos. W. W.s, 1992;
    L. Mauro, Die Bedeutung d. Philos.gesch., W. W. als Philos.-Hist., in: Freiburger Zs. f. Philos. u. Theol. 41, 1994, S. 546–59;
    R. F. Smit, W. W.s Suche n. d. Möglichkeit v. Sinn, Metaphysik zw. Existenzphilos. u. Nihilismus, 1997;
    J. Hieber, Frage u. Fraglichkeit b. W. W., Ansätze e. transzendentalen Theorie d. Interrogation, 1999;
    H. Clement, Antwort auf d. Nihilismus, 2010;
    ders., W. W.s skept. Philos., Eine Einf., 2012 (P);
    R. Deinhammer, Fragl. Wirklichkeit, fragl. Leben, Phil. Theol. u. Ethik b. W. W. u. Peter Knauer, 2008;
    LThK³;
    Kosch, Lit.-Lex.³ (W, L);
    Munzinger.

  • Porträts

    |Bleistiftzeichnung (Karikatur) v. O. Aicher (Privatbes.).

  • Autor/in

    Christian Baertschi
  • Zitierweise

    Baertschi, Christian, "Weischedel, Wilhelm" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 662-663 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz140060.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA