Lebensdaten
1839 – 1912
Geburtsort
Frankfurt/Main
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Diplomat
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 11859768X | OGND | VIAF: 69722214
Namensvarianten
  • Radowitz, Joseph von
  • Radowitz, Joseph Maria von
  • Radowitz, Joseph M. von
  • mehr

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Zitierweise

Radowitz, Joseph von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11859768X.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Joseph Maria (s. 1);
    M Marie Gfn. v. Voß;
    München 1868 Nadine (1840–1912), T d. Iwan Petrowitsch v. Ozerow (1806–80), 1846-54 russ. Gesandter in Karlsruhe, 1854-63 in Lissabon, 1864-80 in München (s. T. Bringmann, Hdb. d. Diplomatie, 2001), u. d. Rosalie Gfn. v. Schlippenbach (1808–70);
    6 K u. a. Wilhelm (1875–1939), Dipl., 1917/18 Chef d. Reichskanzlei unter Gf. Hertling, Otto (1880–1941), Dipl., 1933-36 Gen.konsul in Danzig, 1936-40 in Luxemburg.

  • Biographie

    R. trat nach dem Jurastudium in Bonn (dort Corps Borussia) 1861 in den diplomatischen Dienst ein. Als Attaché begleitete er 1862-64 die preuß. Ostasien-Expedition und machte anschließend schnell Karriere. 1869 Legationsrat, 1870 Generalkonsul in Bukarest, wurde er 1872/73 im Auswärtigen Amt Referent für die Orientpolitik, 1874 Gesandter in Athen, 1878 Bürochef des Berliner Kongresses, 1882 Gesandter in Konstantinopel, 1888 Wirklicher Geheimer Rat. Bis 1866 kritisch gegen Bismarck eingestellt, gehörte R. danach zu den Anhängern und Vertrauten des Kanzlers und später dessen Sohnes Herbert. Im Febr./März 1875 entsandte Bismarck R. wegen seiner Kompetenz in der Orientpolitik – aber auch aufgrund des Prestiges seines Vaters in Rußland und seiner russ. Gattin – im Vorfeld der „Krieg-in-Sicht-Krise“ als Sondergesandten nach St. Petersburg. Die sog. „Mission Radowitz“ war ein Versuch Bismarcks, Deutschland angesichts franz. Revanche-Ideen den Rücken freizuhalten und zu sondieren, ob Rußland für das Zugeständnis freier Hand in der Türkei-Politik bereit wäre, in einem Krieg Deutschlands mit Frankreich neutral zu bleiben. Die russ. Regierung unter Gortschakow verweigerte aber die erhoffte Isolierung Frankreichs.

    Als wichtiger Referent Bismarcks wirkte R. 1879 beim Abschluß des dt.-österr. Zweibundes mit, wurde aber im selben Jahr nicht als Nachfolger Bernhard v. Bülows (1815–79) zum Staatssekretär des Auswärtigen Amtes berufen, da Bismarck, der R. als Mitarbeiter und Redakteur diplomatischer Noten schätzte, ihn für zu jung hielt und der Verbindung mit kanzlerkritischen Hofkreisen verdächtigte. R. vertrat dennoch mit „Hingabe“ die außenpolitischen Positionen Bismarcks.

    Dessen Entlassung im März 1890 bezeichnete er gegenüber Wilhelm II. als „nationales Unglück“, riet aber dem neuen Kanzler Caprivi von der Verlängerung des Bismarckschen Rückversicherungsvertrages mit Rußland ab, da er dieses Geheimabkommen für weniger wertvoll als das feste Bündnis mit Österreich und auch Caprivi für weniger fähig als Bismarck hielt. Unter dem „neuen Kurs“, der in Konstantinopel auf eine starke dt., tendenziell antiruss. Position abzielte, konnte der Bismarckianer und Katholik R. nicht mehr avancieren; er wurde 1892 als Botschafter nach Madrid abgeschoben. Friedrich v. Holstein (1837–1909), mit R. seit der gemeinsamen Zeit im Büro des Berliner Kongresses aufgrund persönlicher Gegensätze verfeindet, und später Kanzler Bernhard Fürst v. Bülow (1849–1929) verhinderten sein Aufrücken in leitende Positionen, wie 1897/98 zum Londoner Botschafter oder 1900 zum Staatssekretär. In den von seiner Stellung gezogenen Grenzen vertrat R. eine auf Wahrung des „Drahtes nach Petersburg“ und Vermeidung von provokativer „Weltpolitik“ bedachte europazentrierte Außenpolitik; innenpolitisch war er konservativ eingestellt.

    Als Chefdelegierter bei der Algeciras-Konferenz über Marokko 1906 bemühte sich R. sehr um den in weiten Kreisen kritisierten dt.-franz. Ausgleich. 1908 ging er in Ruhestand. Seine Memoiren (bis 1890 reichend) sind eine wertvolle, v. a. diplomatiegeschichtliche Quelle.|

  • Auszeichnungen

    Schwarzer Adler-Orden (1906);
    Großkreuz d. bayer. Verdienstordens v. Hl. Michael u. d. span. Ordens Carl III;
    Großoffz. d. franz. Ehrenlegion;
    österr. Orden d. Eisernen Krone I. Kl.;
    türk. Osmanié-Orden I. Kl. mit Brosche.

  • Werke

    Aufzeichnungen u. Erinnerungen aus d. Leben d. Botschafters J. M. v. R., hg. v. H. Holborn, 2 Bde., 1925 (P);
    Briefe aus Ostasien, hg. v. dems., 1926.

  • Literatur

    B. Fürst v. Bülow, Denkwürdigkeiten, 1930/31, I, S. 392 f., II, S. 200 f., IV, S. 350, 452 f., 509 f.;
    N. Rich u. M. H. Fisher (Hg.), Die geh. Papiere Friedrich v. Holsteins, 4 Bde., dt. Ausg. v. W. Frauendienst, 1956-63;
    H. Rogge, Holstein u. Hohenlohe, 1957;
    A. Moritz, Das Problem d. Präventivkrieges in d. dt. Pol. während d. ersten Marokko-Krise, 1974;
    G. Ebel (Hg.), Botschafter Paul Gf. v. Hatzfeldt, Nachgelassene Papiere 1838-1901, 2 Bde., 1976;
    J. C. G. Röhl (Hg.), Philipp Eulenburgs pol. Korr., 3 Bde., bes. Bd. 2, 1979, S. 911, 923, 1260;
    L. Cecil, The German Diplomatie Service, 1979;
    H. Wolter, in: G. Seeber (Hg.), Gestalten d. Bismarckzeit, II, 1986, S. 251-72;
    U. Lappenküper, Die Mission Radowitz, Unterss. z. Rußlandpol. Otto v. Bismarcks (1871–1875), 1990;
    G. Schöllgen, Imperialismus u. Gleichgewicht, Dtld., England u. d. oriental. Frage 1871-1914, 1992, bes. S. 51 f.;
    K.-A. Hampe, Das Ausw. Amt in d. Ära Bismarck, 1995, S. 129 ff. |

  • Quellen

    Qu R.s dienstl. Berr. in d. Sachakten d. Pol. Archiv d. AA, Berlin; Nachlaß im GStA Preuß. Kulturbes., Berlin-Dahlem u. (Splitter) im Polit. Archiv d. AA, Berlin (auch Personalakte).

  • Porträts

    im Nachlaß im GStA Preuß. Kulturbes., Berlin-Dahlem (Akte C Nr. 4) Photos v. d. Algeciras-Konferenz;
    Gem. v. F. v. Lenbach, um 1895, Abb. in: S. Mehl, F. v. Lenbach in d. Städt. Gal. im Lenbachhaus München, 1980, S. 211.

  • Autor/in

    Hartwin Spenkuch
  • Zitierweise

    Spenkuch, Hartwin, "Radowitz, Joseph von" in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 100-101 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11859768X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA