Lebensdaten
1714 – 1803
Geburtsort
Trient
Sterbeort
Wien
Beruf/Funktion
Erzbischof von Wien ; Kardinal ; Administrator von Waitzen
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118582313 | OGND | VIAF: 14794014
Namensvarianten
  • Migazzi, Christoph Bartholomäus Anton Graf
  • Migazzi zu Wall und Sonnenthurm, Christoph Bartholomäus Anton Graf
  • Migazzi zu Wall und Sonnenthurm, Christoph Graf
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Zitierweise

Migazzi, Christoph Graf, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118582313.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus altem Veltliner Adelsgeschl.;
    V Vincenz (1671–1714 od. 1722), Reg.rat in Innsbruck, S d. Johann Kaspar ( um 1698) u. d. Therese Aurelia Gfn. Melchiori;
    M Barbara Katharina (* 1689), T d. Christoph Frhr. v. Prato, auf Segonzano;
    Groß-Om Johann Michael Gf. v. Spaur u. Valör (1638–1725), Bischof v. Trient (s. Gatz I);
    B Kaspar (1708–71), Stadthptm. v. Trient u. Rovereto; Verwandter Francesco Felice Alberti d'Enno (1701–62), Bischof v. Trient (s. Gatz I).

  • Biographie

    M. begann seine geistliche Laufbahn 1732 im Collegium Germanicum in Rom, das er 1736 mit dem an der Sapienza erworbenen Doktortitel „iuris utriusque“ verließ. Bereits 1733 war ihm ein Kanonikat an der Brixener Domkirche verliehen worden. In seiner Heimatstadt Innsbruck setzte er seine juristischen Studien fort, u. a. bei dem Staatskirchenrechtler Paul Joseph Riegger, und lernte in der „Academia Taxiana“ reformkath. Gedankengut kennen. Am 7.4.1738 wurde er zum Priester geweiht und ging zwei Jahre später wieder nach Rom, wo er weitere Studien trieb und Mitarbeiter des reformgesinnten Bischofs Joseph Maria Gf. Thun an der Rota wurde. Ein Kanonikat in Trient (1742) und weitere Pfründen in Tirol verbesserten seine schlechte finanzielle Situation. 1745 wurde M. selber Auditor Rotae für die deutsche Nation, hielt aber schon damals, in der Gunst des kaiserlichen Hofes stehend und seine kirchliche Karriere umsichtig planend, Ausschau nach einem Bischofssitz. So wurde er 1751 zum Koadjutor des Erzbischofs von Mecheln, Thomas-Philippe d'Alsace-Boussu, ernannt; am 10.10.1751 erfolgte in Rom seine Weihe zum Titular-Erzbischof von Karthago. Er hatte dieses Amt kaum angetreten, als ihm Maria Theresia die Funktion eines Gesandten|in Spanien zudachte. Diese 1752-56 ausgeübte Tätigkeit behagte ihm wenig, gab ihm aber einen guten Einblick in das politische Getriebe. 1755 unternommene Bemühungen, die Koadjutorie in Mecheln mit einer in Trient zu vertauschen, scheiterten, doch gelang ein Jahr später der Versuch in Waitzen (Vac/Ungarn). Bereits nach wenigen Monaten konnte M. dem verstorbenen Ordinarius, Michael Karl Gf. Althan, auf dem bischöflichen Stuhl nachfolgen.

    Als der Erzbischof von Wien, Johann Joseph Gf. Trautson, starb, stand der Nachfolger sogleich fest. Die Kaiserin nominierte M. am 18.3.1757 zum Erzbischof von Wien, worauf er auf das Bistum Waitzen verzichtete. 1762 wurde er indessen erneut mit der Administration betraut, die er gut und zufriedenstellend führte, bis ihn Joseph II. 1785/86 zur Aufgabe dieser Pfründenkumulation zwang. M. zog aus Waitzen reiche Einkünfte, bereicherte andererseits die Stadt durch viele repräsentative und gemeinnützige Bauten, die ihr Bild noch heute prägen. Mit der Verleihung des Kardinalats am 23.11.1761 erreichte die kirchliche Karriere des Wiener Erzbischofs ihren Höhepunkt. In Wien entfaltete M. als Oberhirte sogleich eine umfangreiche Reformtätigkeit, womit er in die Spuren seines Mentors Thun und seines Vorgängers Trautson trat. Die Anregungen dazu gingen teilweise noch auf das Tridentinum zurück, weiter ist Lodovico Antonio Muratori zu nennen, dessen Ideen M. durch von ihm veranlaßte Übersetzungen ins Deutsche zu verbreiten suchte (u. a. am Kaiserhof). Er war damals unbedingter Gegner der Jesuiten und, mit theologischen Gründen, rigoristischen Gedankengängen gegenüber offen, kann also als „Philojansenist“ bezeichnet werden. Zeugnisse dieser Gesinnung sind das von ihm 1758 begründete Wiener Priesterseminar, das unter dem Spiritual Melchior Blarer und mit wohlwollender Unterstützung des Weihbischofs Ambros Simon Stock zur eigentlichen Pflanzschule des spätjansenistischen Klerus in Österreich wurde. Als Vorsitzender der Studienhofkommission (seit 1758) war M. auch der Spiritus rector der am 10.9.1759 dekretierten Reform des theologischen Studiums an der Univ. Wien, mit der die Jesuiten entmachtet und der augustinischen und thomistischen Theologie Eingang verschafft wurde.

    Doch bereits mit der Verleihung des Kardinalshuts und dem Erscheinen des Febronius (1764), den M. ablehnte, zeichnete sich die endgültig 1767 erfolgte, in ihren Motiven noch nicht ganz geklärte Wende ab: Der Kardinal wurde nun zum Konservativen und Ultramontanen, zu einem immer entschiedeneren Gegner der um diese Zeit einsetzenden theresianischen, später josephinischen Kirchenreform. Er entzog den ehemaligen Alumnen seines Seminars die Gnade, entließ die jansenistischen Lehrer, entzweite sich mit seinen früheren Gesinnungsgenossen, nahm dafür freundschaftliche Beziehungen zu Exjesuiten, wie Johann Heinrich Kerens, und den diplomatischen Vertretern Roms, etwa dem späteren Nuntius Giuseppe Garampi, auf. Am Kaiserhof war man irritiert und suchte seinerseits, M. zu entmachten: 1774 mußte er den Vorsitz der Studienhofkommission aufgeben. Auch sonst reagierte der Hof mit Brüskierungen; im josephinischen Jahrzehnt angestellte Überlegungen, den unbequem gewordenen Widersacher der sich radikalisierenden staatlichen Kirchenreform durch Beigabe eines aufgeklärten und gefügigen Koadjutors kaltzustellen, wurden indes nicht ausgeführt. Obschon der Kardinal seine reformkath. Anfänge nie ganz verleugnete, warnte er nun entschieden vor der Aufklärung und kehrte zu traditionellen Formen der Religiosität zurück, womit er der kath. Restauration den Weg bahnte, insbesondere seit dem Papstbesuch von 1782. Unter Joseph II. auf die Rolle eines ständig mahnenden und protestierenden, aber fast gänzlich erfolglosen Opponenten der staatlichen Kirchenpolitik beschränkt, gingen die Auffassungen des Kirchenfürsten erst im Greisenalter, unter der bald reaktionären Regierung Franz' II., wieder einigermaßen mit denen der führenden Vertreter des Staates konform.

    M. war eine Figur zwischen den Zeiten. Er leitete die Diözese Wien während fast einem Halbjahrhundert, vom ausklingenden Barock über die Aufklärung bis zur beginnenden Rostauration, und erlebte während dieser Zeit nicht weniger als vier Herrscher, ähnlich wie Staatskanzler Kaunitz, dessen geistliches Gegenstück er gewissermaßen war. Persönlich sehr fromm und auch als Bischof eifrig seelsorgerlich tätig, erkannte er die Notwendigkeit eines „Aggiornamento“ der Kirche, wollte dieses aber nur im Einvernehmen mit dem Papst durchführen. Vor seinem Wandel war er einer der führenden Reformbischöfe des Habsburgerstaates, nachher wurde er zu einer der wichtigsten Figuren der sich schon vor der Revolution formierenden konservativen Bewegung in Österreich. Barockem „Splendor“ zeitlebens nicht abgeneigt, öffnete sich M. der Aufklärung, soweit sie sich gemäßigt gab, wandte sich dann von ihr ab, als sie ihm zu weit ging, und sah sich schließlich am|Ende des Lebens von der heraufdämmernden Restauration gerechtfertigt. Aktiv prägen konnte er die österr. Kirchenpolitik nur in den ersten Jahren seines Wirkens in Wien, nachher war er nur noch ihr unbeugsamer Widersacher.

  • Werke

    Des Erzbischofs v. Wien Unterricht v. d. Verehrung d. Bilder, 1761, ²1782.

  • Literatur

    ADB 21;
    C. Wolfsgruber, Ch. A. Kardinal M., 1890, ²1897 (P);
    K. Wolfsgruber, Das Brixner Domkapitel in seiner persönl. Zusammensetzung in d. Neuzeit 1500-1803, 1951;
    F. Maaß, Der Josephinismus, Qu. zu seiner Gesch. in Österreich, 5 Bde., 1951-61;
    E. Winter, Der Josefinismus, Die Gesch. d. österr. Reformkatholizismus 1740-1848, 1962;
    G. Klingenstein, Staatsverw. u. kirchl. Autorität im 18. Jh., Das Problem d. Zensur in d. theresian. Reform, 1970;
    P. Hersche, EB M. u. d. Anfänge d. jansenist. Bewegung in Wien, in: MÖStA 24, 1971, S. 280-309;
    ders., Der Spätjansenismus in Österreich, 1977;
    K. Epstein, Die Ursprünge d. Konservatismus in Dtld., 1973;
    C. Donati, Ecclesiastici e Laici nel Trentino del Settecento (1748–1763), 1975;
    E. Kovacs, Ultramontanismus u. Staatskirchentum im theresian.-josephin. Staat, Der Kampf d. Kardinäle M. u. Franckenberg gegen d. Wiener Prof. d. KG Ferd. Stöger, 1975;
    dies., Beziehungen v. Staat u. Kirche im 18. Jh., in: E. Zöllner (Hrsg.), Österreich im Za. d. aufgeklärten Absolutismus, 1983, S. 29-53;
    L. Mathias, Das Wiener Priesterseminar, Diss. Wien 1975 (ungedr.);
    D. Beales, Joseph II., Bd. 1 (In the Shadow of Maria Theresia, 1741–1780), 1987;
    Wurzbach 18;
    LThK;
    Gatz I.

  • Porträts

    Kupf. (Wien, Albertina u. Österr. Nat.bibl.);
    Ölgem. v. Martin van Meytens (?) (Wien, Erzbischöfl. Dom- u. Diözesanmus).

  • Autor/in

    Peter Hersche
  • Zitierweise

    Hersche, Peter, "Migazzi, Christoph Graf" in: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 486-488 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118582313.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Migazzi: Christoph Bartholomäus Anton Graf M. zu Wall und Sonnenthurm (geb. zu Innsbruck am 23. Novbr. 1714, zu Wien am 15. April 1803), entstammte einer altadeligen Familie aus dem Veltlin (genealogische Nachweisungen über dieselbe bei Wurzbach, Biograph. Lex., Bd. 18, S. 248 ff.); sein Vater war Regierungsrath in Innsbruck, seine Mutter stammte aus dem altadeligen südtirolischen Geschlechte der Prato. Den priesterlichen Stand wählend erhielt er seine geistliche Erziehung im deutschen Collegium zu Rom, und nahm nach seiner Rückkehr in sein Vaterland nacheinander mehrere geistliche Ehrenstellen als Domherr in Brixen und Trient, sodann als Prior zu St. Leonhard in Borghetto und zu St. Aegyd in Valsugana ein. Kaiser Franz I. Stephan ernannte ihn zum Auditor rotae für die deutsche Nation, die Kaiserin Maria Theresia betraute ihn während des österreichischen Erbfolgekrieges mit diplomatischen Missionen. Im J. 1751 postulirte ihn der Cardinalerzbischof von Mecheln, d'Alsaca, zu seinem Coadjutor; aus Anlaß dessen erhielt er die Bischofsweihe mit dem Titel eines Erzbischofs von Carthago i. p. i.; im nächstfolgenden Jahre wurde er nach Madrid gesendet zur Unterzeichnung des zwischen Oesterreich und Spanien geschlossenen Vertrages zu Aranjuez (1. Juni 1752). Im J. 1756 nach Oesterreich zurückgekehrt, erhielt er das Bisthum von Waizen in Ungarn, welches er indeß schon im nächstfolgenden Jahre mit dem Wiener Erzbisthum zu vertauschen hatte. Vier Jahre später wurde ihm neuerdings das Bisthum Waizen zur Verwaltung zugewiesen, so daß er länger als zwanzig|Jahre über beide Bisthümer zugleich gesetzt war, bis er in Folge einer Anordnung Kaiser Josephs II., welcher die Vereinigung zweier Bisthümer in einer Person als unstatthaft erklärte, auf das ungarische, sehr reich dotirte Bisthum verzichtete, als dessen uneigennütziger Inhaber er sich durch eine Reihe kirchlicher und gemeinnütziger Stiftungen und Anstalten bewährt hatte. Im Jahre 1761 wurde er vom Papst Clemens XIII. mit dem Purpur geschmückt. Er war bereits ein betagter Mann, als die Epoche der Josephinischen Kirchenreformen hereinbrach; er behauptete während derselben eine kirchlich treue charaktervolle Haltung, welcher auch Kaiser Joseph seine Achtung nicht versagte. Vermochte M. keine Aenderung in den allgemeinen kirchenpolitischen Anschauungen des Kaisers zu erwirken, so wollte seinerseits dieser ihn doch in den Functionen seiner Diöcesanadministration nicht beirren, und die Auctorität des Bischofes im Interesse der kirchlichen Disciplin aufrecht erhalten sehen. M. stand dem Wiener Erzbisthum durch 46 Jahre vor und erlebte noch das erste Decennium der Regierung des Kaisers Franz II.; über den in diese letzte Epoche seiner geistlichen Verwaltung fallenden Conflict des Wiener Bibelgelehrten J. Jahn mit dem Wiener Erzbischofe ist oben Bd. XIII, S. 666 berichtet.

    • Literatur

      Vgl. Wurzbach's Lexikon und die daselbst angeführte Litteratur.

  • Autor/in

    Werner.
  • Zitierweise

    Werner, "Migazzi, Christoph Graf" in: Allgemeine Deutsche Biographie 21 (1885), S. 717-718 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118582313.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA