Wolters, Friedrich
- Lebensdaten
- 1876 – 1930
- Geburtsort
- Uerdingen
- Sterbeort
- München
- Beruf/Funktion
- Historiker ; Professor in Kiel ; Literaturhistoriker ; Literarhistoriker ; Schriftsteller
- Konfession
- katholisch
- Normdaten
- GND: 11743468X | OGND | VIAF: 69097302
- Namensvarianten
-
- Wolters, Friedrich Wilhelm
- Wolters, Fritz
- Wolters, Friedrich
- Wolters, Friedrich Wilhelm
- Wolters, Fritz
- Wolthers, Friedrich
- Wolthers, Friedrich Wilhelm
- Wolthers, Fritz
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Wolters, Friedrich Wilhelm
| Historiker, Publizist, Übersetzer, * 2.9.1876 Uerdingen, † 14.4.1930 München, ⚰ München, Waldfriedhof. (katholisch)
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Genealogie
V →Friedrich Hubert (1837 – v. 1927), Handlungsreisender, Gastwirt, 1887 Bes. d. Hotel-Restaurants „Erholung“ in Rheydt;
M Maria Josepha Derichs (1848–1925);
4 Schw Caroline (⚭ Franz Hilsmann), Paula (⚭ Rudolf Radeck), Maria (* 1881, ⚭ Peter Hans Weiler), Emma (1889–1921, ⚭ Franz Hilsmann);
– ⚭ 1) Berlin 1915 →Erika (1886–1925) (s. Stefan George u. sein Kreis, hg. v. A. Aurnhammer u. a., Bd. 3, 2012), T d. →Ernst Wilhelm Schwartzkopff (1853–1904), Baurat, Architekt in Berlin-Lichterfelde, u. d. Anna Lippert (s. Stefan George u. sein Kreis, s. o.), 2) Kiel 1927 →Gemma (1907–94), Goldschmiedin (s. Stefan George u. sein Kreis, s. o.), T d. →Paul Thiersch (1879–1928), Architekt in Berlin-Lichterfelde, Dir. d. Handwerker- u. Kunstgewerbeschule auf Burg Giebichenstein, 1922 Leiter d. Werkstätten d. Stadt Halle/Staatl.-städt. Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein, o. Prof. f. Raumkunst u. Ornamentik an d. TH Hannover (s. NDB 26*; Hann. Professoren; Stefan George u. sein Kreis, s. o.), u. d. →Fanny Hildebrandt;
aus Verbindung mit Alma v. Sande († 1907) 1 unehel. T →Imorla Marie v. Sande (* 1905, später legitimiert), aus Verbindung mit →Marie Kief 1 unehel. S (* 1900), aus Verbindung mit Klara Neundorf, verh. Gospodar, 2 unehel. S (1 früh †) →Aribert Gospodar (* 1902);
Schwager →Stefan Thiersch (1911–1984), →Architekt, Urban Thiersch (1916–1984), Bildhauer (s. Stefan George u. sein Kreis, s. o.). -
Biographie
W. besuchte seit 1889 das Realgymnasium in Rheydt, seit 1891 das Gymnasium in Mönchengladbach. Nach dem Abitur 1898 studierte er Geschichte, Philologie und Philosophie in Freiburg (Br.) und München, seit 1899 in Berlin, wo ihn →Kurt Breysig (1866–1940) und →Gustav v. Schmoller (1838–1917) prägten. Studienaufenthalte führten ihn 1900 und 1901 an die Sorbonne nach Paris. 1903 wurde er mit der Arbeit „Agrarzustände und Agrarprobleme in Frankreich 1700–1790“ bei Schmoller in Berlin zum Dr. phil. promoviert und verfaßte hier anschließend als Mitarbeiter Breysigs bei den „Acta Borussica“ seine Habilitationsschrift „Geschichte der Zentralverwaltung des Heeres und der Steuern in Brandenburg-Preußen 1630–1697“ (gedr. 1915, Habil. 1913). Freundschaften verbanden ihn in dieser Zeit mit →Friedrich (1879–1939) und →Wilhelm Andreae (1888–1962), →Rudolf v. Heckel (1880–1947), →Berthold (1877–1933) und →Diana Vallentin (1877–1933) sowie →Kurt Hildebrandt (1881–1966) und später mit →Carl Petersen (1885–1942), →Ludwig Thormaehlen (1889–1956) und seinem nachmaligen Schwiegervater →Paul Thiersch. 1907/08 verhalfen W. und Schmoller dem preuß. Prinzen →August Wilhelm (1887–1949) zur Erlangung des Doktorgrads, indem W. weite Teile der Dissertationsschrift verfaßte und Schmoller das Promotionsverfahren leitete. Nach Kriegseinsatz 1915–18 erhielt W. 1920 eine ao. Professur für Geschichte an der Univ. Marburg/Lahn und 1923 einen Lehrstuhl für Neuere Geschichte an der Univ. Kiel, den er bis zu seinem Tod bekleidete. In Kiel fungierte er auch als Geschäftsführer der Schleswig-Holstein. Universitätsgesellschaft.
Von größter Bedeutung für W.s weiteres Leben war 1904 die durch Breysig vermittelte Begegnung mit dem charismatischen Dichter →Stefan George (1868–1933), der seit den 1890er Jahren junge Männer um sich scharte.
Die Beziehung war zunächst von Distanz geprägt, da George W.s pathetisches Verehrungsbedürfnis mißfiel, allerdings rückte dieser in den folgenden Jahren immer weiter in das Zentrum des George-Kreises vor. Als Übersetzer (Minnelieder u. Sprüche, 1909, ²1922) versuchte W., den Duktus von Georges Dichtungssprache als Übersetzungsidiom anzuwenden. Nach 1910 prägte er den geisteswissenschaftlichen „Gestalt“ -Begriff ent|scheidend mit, in dem Künstlerpersönlichkeit und Werk zu einer Einheit zusammengerückt wurden, der das Interesse einer biographisch orientieren Historiographie zu gelten habe. Den Kreis der George„Jünger“ verstand W. als ästhetizistisch-hierarchisches Sozialmodell von „Herrschaft und Dienst“, so der Titel seiner Programmschrift 1909 (³1923). Als Herausgeber des „Jahrbuchs für die geistige Bewegung“ (1910–12, mit →Friedrich Gundolf, 1880–1931) war W. schon in der Zeit vor dem 1. Weltkrieg, vollends jedoch in der Nachkriegszeit, bestrebt, dieses Sozialmodell als vorbildhaft über den engeren George-Kreis hinaus zu propagieren. Dies zeigte sich seit 1923 auch in seinen nationalpädagogischen Reden, Aufsätzen und v. a. in seinen Anthologien „Stimmen des Rheines, Ein Lesebuch für die Deutschen“ (1923), „Der Deutsche, Ein Lesewerk“ (5 Bde., 1925–27) und „Vier Reden über das Vaterland“ (1927), die in klarer Opposition zur demokratischen Ordnung der Weimarer Republik standen und im dt.nationalen Spektrum einzuordnen sind; 1924 erregte seine Teilnahme an einer Gedenkfeier für den im völkischen Milieu verehrten Kämpfer →Albert Leo Schlageter (1894–1923) den Unmut mehrerer Mitglieder des George-Kreises. Zentrales Werk seiner späten Jahre war die unter Georges Mithilfe entstandene Monographie „Stefan George und die Blätter für die Kunst, Deutsche Geistesgeschichte seit 1890“ (1929), die zum wichtigsten Dokument der Selbsthistorisierung des George-Kreises zu Lebzeiten des Dichters wurde.
W., der als Historiker wenig Bedeutung erlangte, zumal er nach seinen Qualifikationsschriften kaum noch Fachveröffentlichungen vorlegte, steht beispielhaft für den Typus des gegen die Weimarer Republik agitierenden Hochschullehrers der 1920er Jahre. Wirkung für die dt. Geistesgeschichte des 20. Jh. entfaltete er v. a. mit seinem publizistischen und literargeschichtlichen Schaffen und seiner zentralen Stellung im George-Kreis, für dessen Außenwirkung er warb. Damit bezog er eine Gegenposition zum in der Frühzeit des Kreises einflußreichen Gundolf, der ein innenbezogenes Wirken der Mitglieder bevorzugte.
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Auszeichnungen
|F. W. Stiftung (1931–37, gegr. v. J. Landmann u. C. Peters).
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Werke
Weitere W Arkad. Launen, 1908 (mit F. Andreae);
Über d. theoret. Begründung d. Absolutismus im 17. Jh., in: K. Breysig u. a., Grundrisse u. Bausteine z. Staats- u. z. Gesch.lehre, Zus.getragen zu d. Ehren Gustav Schmollers (…), 1908, S. 201–22;
Melchior Lechter, 1911;
Wandel u. Glaube, 1911;
Hymnen u. Sequenzen, 1914;
Die Heldensagen d. german. Frühzeit, 1921 (mit C. Petersen);
Lobgesänge u. Psalmen, 1923;
Der Wanderer, Zwölf Gespräche, 1924;
Der Donauübergang u. d. Einbruch in Serbien, 1925;
Märchen u. Geschichten unserer Seele, 1926;
Frühe Aufzeichnungen n. Gesprächen mit Stefan George, hg. v. M. Philipp, 1996;
– Briefe: Stefan George, F. W., Briefwechsel 1904–1930, hg. v. M. Philipp, 1998 (Einl., S. 1–61, P);
Friedrich Gundolf, F. W., Ein Briefwechsel aus d. Kreis um Stefan George, hg. v. Ch. Fricker, 2009 (P);
–Bibliogr.: Schlüter, 2012 (s. L);
– Nachlaß: Stefan George Archiv in d. Württ. Landesbibl. Stuttgart. -
Literatur
|B. vom Brocke, Kurt Breysig, Gesch.wiss. zw. Historismus u. Soziol., 1971;
R. Hampe, Kieler Erinnerungen, Stefan George u. F. W., in: Castrum Peregrini 143/44, 1980, S. 43–49;
M. Landmann, Figuren um Stefan George, Bd. 2, 1988, S. 23–35;
C. Groppe, Die Macht der Bildung, Das dt. Bürgertum u. d. George-Kreis 1890–1933, 1997, S. 231–89;
dies., Konkurrierende Weltanschauungsmodelle im Kontext v. Kreisentwicklung u. Außenwirkung d. George-Kreises, in: W. Braungart u. a. (Hg.), Stefan George, Werk u. Wirkung seit d. „Siebenten Ring“, 2001, S. 265–82;
M. Philipp, Wandel u. Glaube, F. W., Der Paulus d. George-Kreises, ebd., S. 283–99;
B. Schlieben u. a. (Hg.), Gesch. im George-Kreis, Wege z. Wiss., 2004;
Th. Karlauf, Stefan George, Die Entdeckung d. Charisma, 2007;
W. Ch. Schneider, Staat u. Kreis, Dienst u. Glaube, F. W. u. Robert Boehringer in ihren Vorstellungen v. Ges., in: R. Köster u. a. (Hg.), Das Ideal d. schönen Lebens u. d. Wirklichkeit d. Weimarer Rep., 2009, S. 97–122;
B. Schlüter, in: A. Aurnhammer u. a. (Hg.), Stefan George u. sein Kreis, Ein Hdb., Bd. 3, 2012, S. 1774–79 (W, L, P);
Kosch, Lit.-Lex.³ (W, L);
Killy;
Biogr. Lex. Gesch.wiss. -
Porträts
|Photogr. (mit B. Vallentin) v. J. Hilsdorf, 1910 (Württ. Landesbibl. Stuttgart, Stefan George Archiv), Abb. in: R. Boehringer, Mein Bild v. Stefan George, Tafelbd., ²1967, S. 95, weitere Abb. S. 99 u. 145.
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Autor/in
Bastian Schlüter -
Zitierweise
Schlüter, Bastian, "Wolters, Friedrich Wilhelm" in: Neue Deutsche Biographie 28 (2024), S. 495-496 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11743468X.html#ndbcontent