Lebensdaten
1855 – 1930
Geburtsort
Hamburg
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Althistoriker
Konfession
evangelisch?
Normdaten
GND: 118733281 | OGND | VIAF: 71438412
Namensvarianten
  • Meyer, Eduard
  • Meyer, E.
  • Meyer, Eduard von
  • mehr

Orte

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Zitierweise

Meyer, Eduard, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118733281.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Eduard (1804–84), Dr. phil., Gymnasiallehrer am Johanneum in H., S d. Johann Heinrich (s. Gen. 1);
    M Henriette (1836–1905), T d. Johann Friedrich Carl Dessau aus Celle, Reitender Diener in H., u. d. Anna Sophie Vogt;
    B Kuno (s. 3);
    Vt Franz Andreas (s. 1);
    Leipzig 1884 Rosine Freymond;
    3 S, 4 T.

  • Biographie

    Prägend für M. waren sowohl die humanistisch-liberale Atmosphäre seines Elternhauses als auch das reiche Bildungsangebot seiner Schule, des Gymnasiums Johanneum, an dem ihm nicht nur umfassende Kenntnisse in den beiden klassischen Sprachen und Literaturen sowie in den modernen Weltsprachen vermittelt wurden, sondern auch der Zugang zum Hebräischen und Arabischen. Nachhaltigen Einfluß übte auf ihn der damalige Schuldirektor und bedeutende Thukydides-Forscher Johann Classen (1805–91) aus; über Classen, der noch ein Schüler B. G. Niebuhrs gewesen war, kam M. mit Niebuhrs konsequent universalhistorischer Konzeption der Geschichte des Altertums – von den Anfängen in Ägypten und Vorderasien unter Einschluß von Israel-Juda bis zur Hellenisch-Römischen Welt – in Berührung. Unter diese ehrgeizige Zielsetzung stellte M. sein gesamtes, weithin den oriental. Sprachen gewidmetes Studium in Bonn (1872) und vor allem in Leipzig, wo er 1875 bei dem Ägyptologen G. Ebers mit einer religionsgeschichtlichen Arbeit über die Gottheit Seth-Typhon promoviert wurde. Eine wichtige Triebfeder auch seiner späteren wissenschaftlichen Arbeit blieb ein umfassendes anthropologisches und religionswissenschaftliches Interesse. Nach einem Aufenthalt in Konstantinopel als Hauslehrer des brit. Generalkonsuls Sir Philip Francis sowie in England (1875–77) konnte M. sich 1879 an der Univ. Leipzig für das Fach Alte Geschichte habilitieren und nahm im selben Jahr das Angebot des Verlags Cotta an, ein „Hand- und Lehrbuch“ der Geschichte des Altertums mit gleichmäßiger Berücksichtigung der altoriental., griech. und hellenistischen Geschichte zu erarbeiten.

    Diese Darstellung der „Geschichte des Altertums“, auf der Basis gleichmäßig-umfassender Quellenkenntnis und eigenständiger Forschung erarbeitet, stellt das eigentliche Lebenswerk M.s dar, zu dessen Vorbereitung und Absicherung der weitaus größte Teil seines außerordentlich umfangreichen OEuvres verfaßt worden ist (sein Werkverzeichnis zählt mehr als 500 Titel). Schon der erste Band (Geschichte des Orients bis zur Begründung des Perserreiches, 1884) begründete M.s Ruhm als eines wirklichen Universalhistorikers der Geschichte des Altertums. Bereits 1885 wurde er auf einen althistorischen Lehrstuhl an der Univ. Breslau berufen, 1889 wechselte er von dort nach Halle/Saale und 1902 nach Berlin (Emeritierung 1923). Bis 1902 konnte M. in vier weiteren Bänden die umfassende Darstellung der „Geschichte des Altertums“ bis zur Mitte des 4. Jh. v. Chr., d. h. bis an die Schwelle zum Zeitalter des Hellenismus mit dem Aufstieg Makedoniens unter Philipp II., fortführen. Angesichts der enormen Vermehrung des Quellenmaterials zur Geschichte der östlichen Mittelmeerwelt und Vorderasiens im 3. und 2. Jahrtausend v. Chr. und grundlegender archäologischer Entdeckungen (u. a. der minoischen Kultur Kretas und des Hethiter-Reichs in Zentralanatolien) entschloß sich M., statt einer Weiterführung eine vollständige Neubearbeitung der beiden ersten Bände ins Werk zu setzen, an die sich zahlreiche wichtige Einzelstudien anschlossen (u. a. Die Israeliten u. ihre Nachbarstämme, 1906; Ägypt. Chronologie, 1904 u. 1908; Der Papvrusfund von Elephantine, 1912). Vorangestellt wurde als erster Halbband (1907) eine Einleitung „Elemente der Anthropologie“, in der neben einer eigenständigen „Historik“ sowie Ansätzen zu einer soziologisch-ethnologischen Systematik der Vor- und Frühgeschichte vor allem M.s Auseinandersetzung mit den „nomothetischen“ Geschichtskonzeptionen Karl Lamprechts und Kurt Breysigs ihren Niederschlag fand. 1909/10 vermittelte ein längerer Amerika-Aufenthalt wichtige Eindrücke und Impulse. Die Weiterarbeit an seinem Werk – 1909/1913 erschien Bd. I, 2 (Die ältesten geschichtlichen Völker und Kulturen bis zum 16. Jh.) – geriet jedoch durch den Ausbruch des 1. Weltkrieges für ein Jahrzehnt ins Stocken. M. beteiligte sich leidenschaftlich an den Manifestationen und Aktivitäten der „politischen Professoren“, später auch an der Kampagne für den uneingeschränkten U-Boot-Krieg und der Gründung der extrem nationalistischen „Vaterlandspartei“ als außerparlamentarischer Protestbewegung gegen die Reichstagsmehrheit (September 1917). Seine umfangreiche Kriegspublizistik verfolgte die Tendenz, die Kriegsgegnerschaft Englands (und später der USA) gegen Deutschland zu einem fundamentalen Geistes- und Kulturkampf zu ideologisieren. In der wissenschaftlichen Arbeit standen nunmehr Themen der Römischen Geschichte, vor allem der Hannibal-Krieg sowie die Bürgerkriegs- und Revolutionsphase im Vordergrund; von hohem Interesse ist noch immer die große Studie „Caesars Monarchie und das Principal des Pompeius, Innere Geschichte Roms von 66 bis 44 v. Chr.“ (1918).

    In der Erschütterung durch die deutsche Niederlage und die Revolution 1918/19 suchte M. – auch während seines Rektorats an der Berliner Universität im Krisenjahr 1919/20, in dem ihm vorbildliche organisatorische Leistungen (u. a. Einrichtung der Berliner „Studentenhilfe“) gelungen sind – inneren Halt in der Verwirklichung eines von Jugend an erwogenen Projektes, in einem umfassenden Werk – „Ursprung und Anfänge des Christentums“ (3 Bde., 1921/23) – eines der schwierigsten Probleme der Religionsgeschichte allein aus der Perspektive und mit dem Rüstzeug des Althistorikers zu behandeln. Die methodische Grundkonzeption ist zwar noch der damals bereits überholten „Leben Jesu“-Forschung verpflichtet, doch sind seine behutsam-kritische Würdigung des lukanischen Doppelwerkes („Evangelium“ und „Apostelgeschichte“) sowie die Darstellung der Geschichte des nachexilischen, palästinensischen Judentums in der späthellenistischen Staatenwelt des 2./1. Jh. v. Chr. von bleibendem Wert.

    Nach längerem Zögern hat M. – im Unterschied zu den meisten Fachkollegen – das Werk Oswald Spenglers („Der Untergang des Abendlandes“, 1918/22) als eine überragende universalhistorische Leistung anerkannt. Seit 1922/23 verband beide eine enge persönliche Freundschaft, ohne daß M. jedoch seine historisch-methodische Grundkonzeption dem biologistisch-zyklischen Geschichtsdenken Spenglers angepaßt hätte. Nach der Emeritierung 1923 setzte M. – neben energischen Engagements für die wachsenden Aufgaben der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft, der Preuß. Akademie der Wissenschaften, des Deutschen Archäologischen Instituts und der Deutschen Orient-Gesellschaft sowie in den kultur- und sozialpolitischen Reformdiskussionen der 20er Jahre – alle Kräfte an die Neugestaltung des 2. Bandes der „Geschichte des Altertums“ (1928 erschien Bd. II, 1: „Die Zeit der ägypt. Großmacht“). Während der Arbeit daran starb er infolge eines Schlaganfalls. Sein Schüler Hans Erich Stier (1902–79) ergänzte in einer kompletten Neuausgabe (1936–58) das unvollendete Werk anhand der Spezialarbeiten und Notizen M.s.|

  • Auszeichnungen

    D. theol. (Berlin), Dr. h. c. (Oxford 1908, Harvard 1909, Freiburg/Breisgau 1911).

  • Werke

    Weitere W Gesch. d. Kgr. Pontos, 1879 (Habil.schr);
    Die wirtsch. Entwickelung d. Altertums, 1895;
    Die Entstehung d. Judentums, Eine hist. Unters., 1896 (Nachdr. 1963);
    Die Sklaverei im Altertum, 1898;
    Forschungen z. alten Gesch., 2 Bde., 1892/99 (Nachdr. 1966);
    Zur Theorie u. Methodik d. Gesch., 1902 (russ. 1904, Japan. 1924);
    Theopomps Hellenika, 1909;
    Ursprung u. Gesch, d. Mormonen, Mit Exkursen üb. d. Anfänge d. Islams u. d. Christentums, 1912;
    England, Seine staatl. u. pol. Entwicklung u. d. Krieg gegen Dtld., 1915;
    Weltgesch. u. Weltkrieg, Ges. Aufsätze, 1916;
    Die Vereinigten Staaten v. Amerika, Gesch., Kultur, Vfg. u. Pol., 1920;
    Kl. Schrr., 2 Bde., 1924;
    Spenglers Untergang d. Abendlandes, 1925;
    Blüte u. Niedergang d. Hellenismus in Asien, 1925;
    E. M. – Viktor Ehrenberg, Ein Briefwechsel 1914–30, hrsg. v. G. Audring, Ch. Hoffmann u. J. v. Ungern-Sternberg, 1990. – Vollst. W-Verz. in: H. Marohl, E. M., Bibliogr. (mit e. autobiogr. Skizze E. M.s u. d. Gedächtnisrede v. U. Wilcken), 1941.

  • Literatur

    V. Ehrenberg, in: HZ 143, 1931, S. 501-11;
    W. Otto, in: Zs. d. Dt. Morgenländ. Ges. 85, 1931, S. 1-24;
    H. Liebeschütz, Das Judentum im dt. Gesch.bild v. Hegel bis Max Weber, 1967, S. 269-301;
    A. Toynbee, Die „Alte Geschichte“ u. d. Universalhistorie, in: Saeculum 21, 1970, S. 91-105;
    K. Christ, Von Gibbon zu Rostovtzeff, Leben u. Werk führender Althistoriker d. Neuzeit, 1972, S. 286-333, 370 f.;
    A. Momigliano, Premesse per una discussione su E. M., in: Rivista Storica Italiana 93, 1981, S. 384-98;
    J. Jantsch, Die Entstehung d. Christentums b. A. v. Harnack u. E. M., Diss. Marburg 1988;
    Ch. Hoffmann, Juden u. Judentum im Werk dt. Althistoriker d. 19. u. 20. Jh., 1988, S. 133-89;
    ders., in: W. W. Briggs u. W. M. Calder III (Hrsg.), Classical Scholarship, A Biographical Encyclopedia, 1990, S. 264-76 (P);
    G. A. Lehmann, in: M. Erbe (Hrsg.), Berlinische Lb. IV: Geisteswissenschaftler, 1989, S. 269-85 (P);
    W. M. Calder III u. A. Demandt (Hrsg.), E. M., Leben u. Leistung e. Universalhistorikers, 1990 (P);
    BBKL. |

  • Nachlass

    Nachlaß: Archiv, d. Berlin-Brandenburg. Ak. d. Wiss.; Staatsbibl. Preuß. Kulturbes., Berlin; Staats- u. Univ.bibl. Hamburg.

  • Porträts

    Ölgem. v. L. Corinth, 1910 (Hamburg, Kunsthalle);
    Phot., 1919/20 (Univ. Hamburg, Seminar f. Alte Gesch.).

  • Autor/in

    Gustav A. Lehmann
  • Zitierweise

    Lehmann, Gustav A., "Meyer, Eduard" in: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 309-311 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118733281.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA