Lebensdaten
1890 – 1918
Geburtsort
Hannover
Sterbeort
Etaples bei Boulogne
Beruf/Funktion
Dichter
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118530356 | OGND | VIAF: 66492012
Namensvarianten
  • Engelke, Gerrit Ernst Manilius
  • Engelke, Gerrit
  • Engelke, Gerrit Ernst Manilius
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Zitierweise

Engelke, Gerrit, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118530356.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Louis Emil (1869–1931), Kaufm. (Kleider- u. Weißwarengeschäft), später in Kelso (USA), S des Klempners Mauritius Heinr. Theodor, aus oldenburgischer Handwerkerfamilie;
    M Agnes (1859–1945), T des Gastwirts Frdr. Heinr. Meyer in Hannover; ledig.

  • Biographie

    E. erlernte das Malerhandwerk, das er, mit Unterbrechungen und oft widerwillig, bis Kriegsbeginn auch ausübte. Während mehrerer Winter nahm er an Abendkursen der Kunstgewerbeschule teil. Sein Formtrieb entwickelte sich zunächst an Zeichnungen (etwa 80 Arbeiten wurden 1914 vom Kestner-Museum in Hannover erworben), kaum wenig später am Wort. Die frühesten Gedichte wurden um 1910/11 geschrieben. Dazwischen bildete er sich, mit genauem Blick für Wert und Größe, autodidaktisch vielseitig weiter und legte sich eine kleine Bibliothek alter und neuer Autoren zu. Musik (besonders Beethoven) und bildende Kunst (besonders Hodler) hatten ihn seit früher Jugend stark beeindruckt. Da sein Vater 1901, die Mutter 1910 nach den USA auswanderten, mußte er sich von seinem Handwerk selbst ernähren. Im Februar 1913 – über 100 Gedichte und größere Entwürfe lagen vor – wandte er sich an Dehmel um Hilfe und besuchte ihn; dieser wies ihn an Paul Zech, der im 1. Jahrgang seiner Zeitschrift „Das neue Pathos“ (1913) Gedichte von E. abdruckte, und später an die Dichtergruppe der „Werkleute auf Haus Nyland“. Hier nahm sich besonders Jak. Kneip seiner an, bei dem er im Sommer 1914 zwei Monate im Lahntal verlebte; schon im Frühjahr waren in der Nyland-Zeitschrift „Quadriga“ 24 Gedichte E.s erschienen. Nach einigen Monaten Aufenthaltes in Faaborg (Dänemark) kehrte E., kurze Zeit zögernd, nach Deutschland zurück, wurde Oktober 1914 Soldat und rückte Februar 1915 ins Feld. Während eines längeren Genesungsurlaubes, in dem er auch mit Heinrich Lersch Freundschaft schloß, verlobte er sich im Februar 1918 mit Annie-Mai S., einer älteren Witwe.

    Seine Gedichte, deren Sammeltitel „Rhythmus des neuen Europa“ er, vermutlich in Anlehnung an Verhaeren, noch selber gewählt hatte, sind jugendlich ungestüm, oft unausgereift, aber von seltener ursprünglicher Kraft. Die bewunderten Vorbilder waren Dehmel, Whitman und Verhaeren, von denen E. den hymnisch aufschwingenden Ton, das kosmische „Allverwandtschaftsgefühl“, die fast mystische Menschheitsverbundenheit übernahm und selbständig fortbildete. Das Leben als Elementarkraft, in allen seinen Erscheinungen, selbst in Großstadt und Maschine durchpulst vom „Gottesrhythmus“, wurde E. zu preisen nicht müde; seine Visionen gipfelten in einem Anruf des „vom Krieg befreiten, wieder menschlich-brüderlich werdenden Völkereuropa der Städte, der Arbeit, des Lebens“. Arbeiterdichter war E. nur insoweit, als er, bildungshungrig und geistverlangend, als Handarbeiter die proletarischen Nöte selbst mitlebte. Doch fehlt seiner Dichtung der sozial-anklägerische und politische Ton fast ganz, eher klingt darin der Stolz auf die technische Leistung des Menschen. Die Werkwelt beseelte er rhythmisch, beschrieb sie aber nicht. Mit einem Teil des Frühexpressionismus verband ihn die pathetische Menschheitsthematik, das Betonen des „Wesentlichen“, die antinaturalistische Geste. Er arbeitete die Sprache Nietzsches (Zarathustra), Liliencrons, J. Schlafs und Dehmels mit gelegentlich stark romantischem, auch volksliedhaftem Einschlag auf, machte aber vor der sprachlichen Destruktion des eigentlichen Expressionismus halt. Das Unvollendete und oft nur „Hingebrauste“ seines|schmalen Werkes abgezogen, wird man das frühe Urteil J. Babs aufrechterhalten dürfen: das erste literarische Genie, das aus dem deutschen Proletariat hervorgegangen ist.

  • Werke

    Schulter an Schulter, Gedichte v. drei Arbeitern (G. E., H. Lersch, K. Zielke), 1916; Rhythmus d. neuen Europa, hrsg. v. J. Kneip, 1921, ³1929;
    Briefe d. Liebe, hrsg. v. dems., 1926;
    Gesang d. Welt, 1927 (Gedichte, Tagebuchbll., Briefe);
    Vermächtnis, Aus dem Nachlaß, hrsg. v. f. Kneip, 1937 (enthält Prosastücke, Jugendgedichte, Tagebuchbll., Kriegsaufzeichnungen, P); Textes inédits et Variantes, s. Boyer, S. 181 ff.

  • Literatur

    J. Winkler, in: Das lit. Echo, 24. Jg., 1921/22, Sp. 272 ff.;
    H. W. Keim, in: Dt. Rdsch. 55, 217, Okt. 1928, S. 71 ff.;
    Soergel, S. 38 ff.;
    F. Lennartz, Die Dichter unserer Zeit, 1938, S. 68 f.;
    J. Boyer, G. E., Poète ouvrier, Diss. Toulouse 1938 (mit Verz. d. Zeichnungen u. Aquarelle E.s im Kestner-Mus. Hannover, L);
    J. Kneip, in: Nd.sächs. Lb. I, 1939, S. 112 ff. (W, P);
    J. Nadler, Lit.-Gesch. d. dt. Volkes IV, 1941, S. 319 f.;
    D. W. Schumann, Observations on Enumerative Style in Modern German Poetry, in: Publications of the Modern Language Association of America 59, Menasha 1944, Nr. 4, S. 1143 ff.;
    G. E., Arbeiter u. Dichter, 1890-1918, Mit Btrr. v. W. Bauer, J. Boyer, K. Kläber, H. Lersch, K. L. Schneider u. e. G. E.-Bibliogr. v. H. Bieber, hrsg. v. F. Hüser, 1958 (P);
    Kosch, Lit.-Lex.

  • Autor/in

    Hans Schwerte
  • Zitierweise

    Schwerte, Hans, "Engelke, Gerrit" in: Neue Deutsche Biographie 4 (1959), S. 516-517 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118530356.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA