Lebensdaten
1905 – 1990
Geburtsort
Darmstadt
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
SS-Führer ; Jurist ; Nationalsozialist
Konfession
evangelisch, spätestens seit Januar 1937 „gottgläubig“
Normdaten
GND: 12517926X | OGND | VIAF: 107628942
Namensvarianten
  • Filbert, Karl Wilhelm Alfred
  • Selbert, Alfred
  • Filbert, Alfred
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Zitierweise

Filbert, Alfred, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd12517926X.html [29.03.2024].

CC0

  • Der Jurist Alfred Filbert gehörte von 1935 bis 1945 zu den Funktionseliten im Hauptamt des Sicherheitsdienstes des Reichsführers-SS und im Reichssicherheitshauptamt. 1941 verantwortete er als Leiter des SS-Einsatzkommandos 9 die Ermordung von rund 18 000 Juden. 1945 untergetaucht, wurde er 1959 verhaftet, 1962 zu lebenslanger Haft verurteilt und 1975 vorzeitig entlassen.

    Lebensdaten

    Geboren am 8. September 1905 in Darmstadt
    Gestorben am 1. August 1990 in Berlin
    Grabstätte unbekannt in
    Konfession evangelisch, spätestens seit Januar 1937 „gottgläubig“
    Alfred Filbert, Landesarchiv Berlin (InC)
    Alfred Filbert, Landesarchiv Berlin (InC)
  • Lebenslauf

    8. September 1905 - Darmstadt

    - 1922 - Worms

    Schulbesuch (Abschluss: Mittlere Reife)

    Mittelschule; Oberrealschule

    1922 - 1924 - Mannheim; Worms

    Banklehre

    Commerz- und Privatbank; Rheinische Kreditbank

    1924 - 1925 - Worms

    Aushilfskraft

    Finanzamt Worms-Land

    1925 - 1927 - Mainz

    Besuch einer Privatschule mit Primareife

    1927 - 1927 - Mainz

    Abitur (als Externer)

    Oberrealschule

    1927 - 1933 - Gießen; Heidelberg

    Studium der Rechtswissenschaften (Abschluss: Erste Juristische Staatsprüfung)

    Universität

    1932 - 1945

    Mitglied (1939 SS-Obersturmbannführer)

    SS

    1932 - 1945

    Mitglied

    NSDAP

    1934 - 1938 - Worms

    Vorbereitungsdienst für hessische Gerichtsreferendare im Bezirk des Oberlandesgerichts Darmstadt (mit Unterbrechungen; 1938 abgebrochen)

    Hessisches Staatsministerium

    1935 - Gießen

    Promotion (Dr. iur.)

    Universität

    1935 - 1939 - Berlin

    Hauptamtlicher Mitarbeiter im Amt III (SD-Ausland/Abwehr)

    Hauptamt des Sicherheitsdienstes des Reichsführers-SS

    1936 - 1939 - Berlin

    Leiter der Hauptabteilung 22 (Gegnerische Nachrichtendienste) im Amt III (SD-Ausland/Abwehr)

    Hauptamt des Sicherheitsdienstes des Reichsführers-SS

    1939 - 1941 - Berlin

    Leiter der Gruppe A (Allgemeine auslandsnachrichtendienstliche Aufgaben) im Amt VI (SD-Ausland)

    Reichssicherheitshauptamt (RSHA)

    1941 - 1941 - Litauen; Weißrussland

    Chef des Einsatzkommandos 9 der Einsatzgruppe B

    Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD

    1941 - 1943

    Suspendierung vom Dienst wegen angeblicher Unterschlagung von Devisen

    1943 - 1944 - Berlin

    Mitarbeiter im Referat B 2 (Betrug) im Amt V (Reichskriminalpolizeiamt)

    RSHA

    1944 - 1944 - Berlin

    Leiter der Gruppe Wi (Wirtschaftskriminalität) im Amt V (Reichskriminalpolizeiamt)

    RSHA

    1944 - 1945 - Berlin

    Leiter der Gruppe B (Einsatz) im Amt V (Reichskriminalpolizeiamt)

    RSHA

    1945 - 1949 - Gut Hilprechtshausen bei Heckenbeck (Niedersachsen)

    Flucht und Tätigkeit als Bank- und Maschinentischler unter dem Decknamen „Alfred Selbert“

    Möbel- und Textilgeschäft Leinetal

    1949 - 1951 - Kreiensen (Niedersachsen)

    kaufmännischer Angestellter

    1951 - 1951 - Mannheim

    Wirtschaftsberater

    1951 - 1958 - Hannover

    Mitarbeiter

    Braunschweig-Hannoversche Hypothekenbank

    1958 - 1959 - Berlin-West

    Filialleiter

    Braunschweig-Hannoversche Hypothekenbank

    1959 - 1962 - Berlin-West

    Festnahme, Untersuchungshaft und Anklage

    Untersuchungshaftanstalt Moabit bzw. Haftanstalt Plötzensee

    1962 - Berlin

    Verurteilung zu lebenslangem Zuchthaus

    Landgericht

    1962 - 1975 - Berlin

    Inhaftierung

    Strafanstalt Tegel

    1964 - Gießen

    Aberkennung des Doktortitels

    Universität

    1983 - Charenton-le-Pont bei Paris

    Übernahme der Hauptrolle („Dr. S.“) bei den Dreharbeiten des Spielfilms „Wundkanal – Hinrichtung für vier Stimmen“

    1. August 1990 - Berlin
  • Genealogie

    Vater Peter Filbert 1879–1956 Berufssoldat; Telegrafeninspektor
    Großvater väterlicherseits Johann Peter Filbert 1821–1879 Küfermeister und Wirt
    Großmutter väterlicherseits Barbara Filbert, geb. Schuchmann 1855–1921
    Mutter Christiane Filbert, geb. Kühner 1881–1949 Büglerin
    Großvater mütterlicherseits Jakob Kühner 1838–1895 Kutscher
    Großmutter mütterlicherseits Franziska Kühner, geb. Weiss 1840–1905
    Schwester Lina Hille, geb. Filbert geb. 1902
    Bruder Otto Filbert 1904–1945 1926 Auswanderung in die USA, Ingenieur in Philadelphia; 1938 Rückkehr nach Deutschland, 1939 Verurteilung wegen „Heimtücke“ zu vier Jahren Haft, 1943/44 im Konzentrationslager Buchenwald; 1944 zwangsweise Zuteilung zur SS-Sturmbrigade Dirlewanger, vermisst an der ungarischen Front
    Heirat 15.5.1937
    Ehefrau Käthe Ilse Frieda Filbert, geb. Bernicke 1910–2003
    Schwiegervater August Albert Bernicke geb. 1876 Kaufmann
    Schwiegermutter Frieda Ida Bernicke, geb. Heise geb. 1884
    Kinder zwei Söhne
    Diese Grafik wurde automatisch erzeugt und bietet nur einen Ausschnitt der Angaben zur Genealogie.

    Filbert, Alfred (1905 – 1990)

    • Vater

      Peter Filbert

      1879–1956

      Berufssoldat; Telegrafeninspektor

      • Großvater väterlicherseits

        Johann Peter Filbert

        1821–1879

        Küfermeister und Wirt

      • Großmutter väterlicherseits

        Barbara Filbert

        1855–1921

    • Mutter

      Christiane Filbert

      1881–1949

      Büglerin

      • Großvater mütterlicherseits

        Jakob Kühner

        1838–1895

        Kutscher

      • Großmutter mütterlicherseits

        Franziska Kühner

        1840–1905

    • Schwester

      Lina Hille

      geb. 1902

    • Bruder

      Otto Filbert

      1904–1945

      1926 Auswanderung in die USA, Ingenieur in Philadelphia; 1938 Rückkehr nach Deutschland, 1939 Verurteilung wegen „Heimtücke“ zu vier Jahren Haft, 1943/44 im Konzentrationslager Buchenwald; 1944 zwangsweise Zuteilung zur SS-Sturmbrigade Dirlewanger, vermisst an der ungarischen Front

    • Heirat

      • Ehefrau

        Käthe Filbert

        1910–2003

  • Biografie

    Nach dem Besuch der Mittel- und Oberrealschule absolvierte Filbert seit 1922 eine Lehre bei der Commerz- und Privatbank in Mannheim und der Rheinischen Kreditbank in Worms. Nach kurzer Tätigkeit als Aushilfskraft im dortigen Finanzamt und nachgeholtem Abitur studierte er von 1927 bis 1933 Rechtswissenschaften in Gießen und Heidelberg. Seit August 1932 Mitglied der SS und NSDAP, begann Filbert im Januar 1934 den Vorbereitungsdienst für hessische Gerichtsreferendare, ließ sich im Oktober desselben Jahres beurlauben und wurde im Februar 1935 bei Erich Bley (1890–1953) in Gießen mit einer Arbeit über das Konkursrecht zum Dr. iur. promoviert.

    Im März 1935 wurde Filbert als hauptamtlicher Mitarbeiter in das Hauptamt des Sicherheitsdiensts des Reichsführers-SS in Berlin übernommen, wo er seit August 1936 die Hauptabteilung 22 (Gegnerische Nachrichtendienste) leitete. Nach Gründung des Reichssicherheitshauptamts (RSHA) im September 1939 wurde er unter Heinz Jost (1904–1964) stellvertretender Chef des Amtes VI, SD-Ausland, und übernahm die Leitung der Gruppe A (Allgemeine auslandsnachrichtendienstliche Aufgaben). In dieser Funktion war Filbert u. a. für die Nachprüfung aller nachrichtendienstlichen Verbindungen einschließlich der Sicherung der Verbindungs- und Kurierwege und des Einsatzes der nachrichtendienstlichen Mittel des Amtes VI im In- und Ausland verantwortlich.

    Im Frühling 1941 meldete sich Filbert freiwillig zum Dienst in den SS-Einsatzgruppen im Feldzug gegen die Sowjetunion und wurde von Reinhard Heydrich (1904–1942) mit der Führung des Einsatzkommandos 9 der Einsatzgruppe B im Mittelabschnitt der Ostfront beauftragt. Vor allem in Litauen und Weißrussland eingesetzt, verantwortete er zwischen Juni und Oktober 1941 die Ermordung von rund 18 000 jüdischen Frauen, Männern und Kindern.

    Nach Berlin zurückgerufen und mit den von Heydrich erhobenen Vorwürfen der Unterschlagung und Bestechlichkeit konfrontiert, wurde Filbert Ende 1941 von einem SS-Gericht vom Dienst suspendiert und verbrachte zwei Jahre arbeitslos zu Hause. Im November 1943 vollständig rehabilitiert und erneut im RSHA angestellt, leitete er seit Juli 1944 die neu geschaffene Amtsgruppe Wirtschaftskriminalität im Amt V (Reichskriminalpolizeiamt).

    Nach Ende des Zweiten Weltkriegs arbeitete Filbert unter dem Decknamen „Alfred Selbert“ bis Februar 1949 als Bank- und Maschinentischler auf einem Gut im niedersächsischen Bad Gandersheim und anschließend bis April 1951 als kaufmännischer Angestellter im benachbarten Kreiensen. Im November desselben Jahres siedelte er nach Hannover über, wo er unter seinem echten Namen zunächst als Aushilfskraft bei der Braunschweig-Hannoverschen Hypothekenbank tätig wurde, deren Filiale in Berlin er seit Januar 1958 leitete. Am 25. Februar 1959 von der Kriminalpolizei verhaftet, wurde er am 22. Juni 1962 vom Landgericht Berlin wegen „gemeinschaftlichen Mordes“ im Rahmen seiner Tätigkeit als Chef des Einsatzkommandos 9 zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt. Im April 1963 bestätigte der Bundesgerichtshof das Urteil.

    Im Juni 1975 wurde Filbert aufgrund eines schweren Augenleidens vorzeitig aus der Strafanstalt Tegel entlassen und ließ sich in Berlin-West nieder. 1983 spielte er in Thomas Harlans (1929–2010) Spielfilm „Wundkanal. Hinrichtung für vier Stimmen“ die Hauptrolle des SS-Massenmörders „Dr. S.“. Der Film wurde im August 1984 bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig uraufgeführt, zusammen mit dem Dokumentarfilm „Notre Nazi“ des US-amerikanischen Regisseurs Robert Kramer (1939–1999) über die Dreharbeiten zu „Wundkanal“. Die Aufführung endete im Tumult, ebenso jene bei den Internationalen Filmfestspielen in Berlin im Februar 1985. Die Premiere des Films wurde in führenden Zeitungen und Zeitschriften der Bundesrepublik ausführlich behandelt und fand ein überwiegend negatives Echo.

  • Auszeichnungen

    1927 Mitglied der Burschenschaft Alemannia (Gießen)
    1938 Medaille zur Erinnerung an den 1. Oktober 1938
    1940 Medaille zur Erinnerung an die Heimkehr des Memellandes
    1941 Kriegsverdienstkreuz II. Klasse mit Schwertern
    1944 Kriegsverdienstkreuz I. Klasse mit Schwertern
    Mitglied im Verein „Lebensborn“
  • Quellen

    Nachlass:

    nicht bekannt.

    Weitere Archivmaterialien:

    Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde, R 9361-III/524095 (SSO-Akte); R 9361-III/43365 (RuSHA-Akte).

    Hessisches Staatsarchiv, Darmstadt, G21 B. (Personalakte Nr. 2862)

    Universitätsarchiv Gießen, Jur. Prom. Nr. 775. (Promotionsakte)

    Landesarchiv Berlin, B Rep. 058, Nr. 7166–7247. (Unterlagen der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Berlin im Fall Filbert AZ 3 P (K) Ks 1/62)

  • Werke

    Kann das Ablehnungsrecht des Konkursverwalters des Vorbehaltsverkäufers mit der Anwartschaft des Käufers auf den Eigentumserwerb ausgeräumt werden?, 1935. (Diss. iur.)

  • Literatur

    Christian Gerlach, Kalkulierte Morde. Die deutsche Wirtschafts- und Vernichtungspolitik in Weißrußland 1941 bis 1944, 1999.

    Alex J. Kay, Brothers. The SS Mass Murderer and the Concentration Camp Inmate, in: Tr@nsit online, 2013. (P) (Onlineressource), dt. u. d. T. Ungleiche Brüder. Der SS-Massenmörder und der KZ-Häftling, in: Einsicht 10. Bulletin des Fritz Bauer Instituts (2013), S. 49–55. (P)

    Alex J. Kay, Transition to Genocide, July 1941: Einsatzkommando 9 and the Annihilation of Soviet Jewry, in: Holocaust and Genocide Studies 27 (2013), H. 3, S. 411–442.

    Alex J. Kay, The Making of an SS Killer. The Life of Colonel Alfred Filbert, 1905–1990, 2016 (P), dt. 2017.

  • Porträts

    Fotografie, 1929, Abbildung in: Alex J. Kay, The Making of an SS Killer. The Life of Colonel Alfred Filbert, 1905–1990, 2016, S. 16.

    Fotografie, 1927, Abbildung in: ebd., S. 18.

    Fotografien, 1937, Abbildung in: ebd., S. 31–33.

    Fotografien, 1959, Abbildung in: ebd., S. 97 f.

  • Autor/in

    Alex J. Kay (Potsdam)

  • Zitierweise

    Kay, Alex J., „Filbert, Alfred“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.07.2022, URL: https://www.deutsche-biographie.de/12517926X.html#dbocontent

    CC-BY-NC-SA