Lebensdaten
1850 – 1941
Geburtsort
Ohlau (Oberschlesien)
Sterbeort
Zürich
Beruf/Funktion
Mathematiker ; Professor in München
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 119120283 | OGND | VIAF: 29635689
Namensvarianten
  • Pringsheim, Alfred

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Pringsheim, Alfred, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119120283.html [20.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Rudolph (1821–1906), Eisenbahnuntern. u. Industr., baute d. Schmalspureisenbahnnetz im oberschles. Ind.gebiet auf (s. E. G. Lowenthal, Juden in Preußen, 1981), S d. Heymann, Kaufm. in O., u. d. Henriette Unger, aus Oels;
    M Paula (1827–1909), T d. Michael Deutschmann, aus Oels, preuß. Lotterieeinnehmer, u. d. Dorothea Unger;
    1878 Hedwig (1855–1942), Schausp., T d. Ernst Dohm (1819–83), Publ., u. d. Hedwig Schleh (1833–1919), Schriftst. (beide s. NDB IV): 4 S u. a. Peter (s. 4), Heinz (1882–1974, 1] Olga Merson. Malerin, 2] Mara Duvé, 1897–1965, Prof. f. Gesang an d. Musikhochschule in München), Dr. phil., Archäologe u. Musikkritiker, Klaus (s. 5), 1 T Katharina (Katia) (1883–1980, Thomas Mann, 1875–1955, Schriftst., s. NDB 16).

  • Biographie

    P. absolvierte 1868 das Breslauer Magdalenaeum und begann im selben Jahr an der Univ. Berlin Mathematik und Physik zu studieren. Nach einem Semester wechselte er nach Heidelberg, wo er 1872 bei Leo Koenigsberger (1837–1921) und Gustav Kirchhoff (1824–87) ohne Dissertation promoviert wurde. 1877 versuchte er vergeblich, sich in Bonn zu habilitieren (Zur Theorie d. hyperelliptischen Funktionen, insbes. derjenigen 3. Ordnung), war jedoch im selben Jahr an der Univ. München erfolgreich, wo er 1886 zum ao., 1901 zum o. Professor ernannt wurde und bis zu seiner Emeritierung 1922 lehrte.

    Obwohl nie Schüler von Karl Weierstraß (1815–97), war P. einer der eifrigsten und|konsequentesten Vertreter von dessen Funktionentheorie. Seine Forschungen galten hauptsächlich der Theorie der Konvergenz unendlicher Reihen, Produkten und Kettenbrüchen. P.s Arbeiten zeichnen sich eher durch methodische Strenge als durch neue Ideen aus. Zu seinen bekanntesten Entdeckungen gehört der Satz, daß eine Potenzreihe mit positiven Koeffizienten eine Singularität im Schnittpunkt der positiven Achse mit dem Konvergenzkreis hat. Seine Bemühungen, Beweise in der Funktionentheorie so einfach wie möglich zu gestalten, führten u. a. zu dem heute allgemein akzeptierten Beweis des Cauchyschen Integralsatzes und zu den Vereinfachungen des Goursat’schen Satzes. P. verfaßte wegweisende Artikel in der „Encyklopädie der Mathematischen Wissenschaften“ (1898/99) und trat mit einem umfangreichen Lehrbuch der Funktionentheorie hervor (Vorlesungen über Zahlen- u. Funktionenlehre, 2 Bde., 1916–32). Der von ihm verfolgte Aufbau der Funktionentheorie unter weitgehendem Verzicht auf die komplexe Integration konnte sich nicht durchsetzten.

    P. war auch als Musikmäzen und Kunstsammler bedeutend. Er war ein ausgezeichneter Pianist sowie ein Bewunderer und Förderer von Richard Wagner und veröffentlichte eine Reihe von Klavierbearbeitungen Wagnerscher Musikwerke. Sein 1889/90 in der Arcisstraße erbautes Stadtpalais war ein Mittelpunkt des gesellschaftlichen und künstlerischen Lebens in München. Seine Majolika-Sammlung galt als die beste Privatsammlung ihrer Art weltweit. P. und seine Familie waren mehrfach Vorbild für literarische Werke, so in dem 1896 von P.s Schwiegermutter Hedwig Dohm veröffentlichten Roman „Sibilla Dalmar“ sowie in der 1905 entstandenen Erzählung „Wälsungenblut“ von P.s Schwiegersohn Thomas Mann und in dessen 1909 erschienenem Roman „Königliche Hoheit“.

    1933 begann für P. eine Leidenszeit voller Demütigungen. 1934 verlangte man von allen Professoren der Universität, auch den Emeriti, einen Eid auf Hitler abzulegen. Als P. sich unter Hinweis auf sein vorgerücktes Alter weigerte, daran teilzunehmen, wurde er 1935 in den dauernden Ruhestand versetzt, verlor also alle Rechte, die auch ein emeritierer Hochschullehrer noch besaß. P. sah sich zunehmenden Repressalien ausgesetzt und wurde gezwungen, sein Haus an die NSDAP zu verkaufen, die es abreißen ließ. 1939 ließ er seine Majolika-Sammlung in London versteigern und erkaufte sich mit dem Erlös die Genehmigung zur Ausreise in die Schweiz, wo er zusammen mit seiner Frau noch anderthalb Jahre in Zürich lebte.|

  • Auszeichnungen

    Mitgl. d. Leopoldina (1884), d. Bayer. Ak. d. Wiss. (ao. 1894, o. 1898) u. d. Ges. d. Wiss. in Göttingen (1904). Verdienstorden v. Hl. Michael III. Kl. (1913);
    GHR (1915);
    preuß. Kronenorden II. Kl. (1917).

  • Werke

    Über d. Convergenz unendl. Produkte, in: Math. Ann. 33, 1888, S. 119-54;
    Über Functionen, welche in gewissen Punkten endl. Differentialquotienten jeder endl. Ordnung, aber keine Taylor’sche Reihenentwicklung besitzen, ebd. 44, 1894, S. 41-56;
    Elementare Theorie d. ganzen transzendenten Funktionen v. endl. Ordnung, ebd. 58, 1904, S. 257-342;
    Über d. Goursat’schen Beweis d. Cauchyschen Integralsatzes, in: Transactions of the American Mathematical Soc. 2, 1901, S. 413-21;
    Über Wert u. angebl. Unwert d. Math., in: Jb. d. Dt. Mathematiker-Vereinigung 13, 1904, S. 357-82;
    Irrationalzahlen u. Konvergenz unendl. Prozesse, in: Enc. d. math. Wiss. I, 1898, S. 47-146;
    Grundlagen d. allg. Functionenlehre, ebd. II/1, 1899, S. 1-53.

  • Literatur

    G. Faber, Gratulations-Schr. z. 60. Geb.-tag v. A. P., 1910;
    O. v. Falke, Die Majolikaslg. A. P. in München, 2 Bde., 1914-27;
    L. Bieberbach, Neuere Unterss. üb. Funktionen v. komplexen Variablen, in: Enc. d. math. Wiss., 11/3, 1921, S. 379-532;
    O. Perron, in: FF 6, 1930, S. 315;
    ders., in: Jb. d. Bayer. Ak. d. Wiss. 1944/48, 1948, S. 187-93;
    ders., in: Jb. d. Dt. Mathematiker-Vereinigung 56, 1952, S. 1-6;
    C. Caratheodory, in: Münchener Neueste Nachrr., v. 11.8.1930;
    E. Mann, in: Süddt. Sonntagspost München v. 24.8.1930 (P);
    J. E. Hofmann, Die Math. an d. altbayer. Hochschulen, 1954;
    G. Faber, in: Geist u. Gestalt, II, S. 1-45;
    P. Hanke, Zur Gesch. d. Juden in München zw. 1933 u. 1945, 1967;
    P. de Mendelssohn, Der Zauberer, Das Leben d. dt. Schriftst. Thomas Mann, 2 Bde., 1977-92;
    Y. Gleibs, Juden im kulturellen u. wiss. Leben Münchens in d. zweiten Hälfte d. 19. Jh., 1981;
    R. Lipschitz, Briefwechsel mit Cantor, Dedekind, Helmholtz, Kronecker, Weierstrass u. a., bearb. v. W. Scharlau, 1986, S. 153 f.;
    D. Gaier, Über d. Entwicklung d. Funktionentheorie in Dtld. v. 1890 bis 1950, in: Ein Jh. Math. 1890-1990, 1990, S. 361-420;
    M. Krüll. Im Netz d. Zauberers, Eine andere Gesch. d. Fam. Mann, 1993 (P);
    H.-W. Kruft, A. P., Hans Thoma, Thomas Mann, Eine Münchner Konstellation, 1993 (P);
    ders., Die Wagnerbearbb. v. A. P., in: Jb. d. Bayer. Ak. d. Schönen Künste 8, 1994, S. 157-64;
    M. Toepell, Mathematiker u. Math, an d. Univ. München, 1996;
    F. L. Bauer, P., Liebmann, Hartogs – Schicksale jüd. Mathematiker in München, SB d. Bayer. Ak. d. Wiss., 1997 (P);
    Pogg. III-VII a;
    DSB;
    BHdE II;
    – Eigene Archivstud.

  • Autor/in

    Ulf Hashagen
  • Zitierweise

    Hashagen, Ulf, "Pringsheim, Alfred" in: Neue Deutsche Biographie 20 (2001), S. 724-725 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119120283.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA