Wißmann, Hermann von (seit 1890)

Lebensdaten
1853 – 1905
Geburtsort
Frankfurt/Oder
Sterbeort
Fischern bei Aigen (Ennstal, Steiermark)
Beruf/Funktion
Gouverneur von Deutsch-Ostafrika ; Reichskommissar ; Jagd- und Forschungsreisender ; Kolonialbeamter ; Forschungsreisender ; Gouverneur ; Offizier ; Major ; Afrikanist
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 118807668 | OGND | VIAF: 49347105
Namensvarianten

  • Wissmann, Hermann von
  • Wissmann, Hermann Wilhelm Leopold (bis 1890)
  • Wißmann, Wilhelm Leopold Ludwig Hermann von
  • Wissmann, Hermann
  • Wißmann, Hermann von (seit 1890)
  • wißmann, hermann von
  • Wissmann, Hermann von
  • Wissmann, Hermann Wilhelm Leopold (bis 1890)
  • wissmann, hermann wilhelm leopold
  • Wißmann, Wilhelm Leopold Ludwig Hermann von
  • Wissmann, Hermann
  • Wissmann, Hermann Wilhelm Leopold Ludwig
  • Wissman, Hermann von
  • Wissmann, H.
  • Wißmann, Hermann

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Zitierweise

Wißmann, Hermann von (seit 1890), Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118807668.html [09.12.2025].

CC0

  • Wissmann, Wilhelm Leopold Ludwig Hermann von (preußischer Adel 1890)

    | Jagd- und Forschungsreisender, Reichskommissar, Gouverneur von Deutsch-Ostafrika, * 4.9.1853 Frankfurt/Oder, † 15.6.1905 Fischern bei Aigen (Ennstal, Steiermark), Köln, Melaten-Friedhof. (evangelisch)

  • Genealogie

    Aus urspüngl. livländ., dann brandenburg.-preuß. Beamtenfam., deren Stammreihe mit Johann Wißmann (erw. 1623, 1667), auf Molitz b. Bitterfeld, brandenburg. Oberger.advokat, beginnt;
    V Hermann Ludwig W. (1820–69), preuß. Reg.rat, S d. Wilhelm (1784–1865), preuß. KR in Stettin, u. d. Henriette Philippine Barthold (1791–1835);
    M Elisabeth (Elise) (1829–1910), T d. Leopold Schach v. Wittenau (1786–1862), preuß. Gen.major, Ehrenrr. d. Johanniterordens, u. d. Karoline Brunner (1800–1870);
    UrGvv August Wilhelm W. (1741–91), preuß. Kammerrat b. d. Domänenkammer d. Prinzen Ferdinand v. Preußen, Rr. d. Johanniterordens;
    Gr-Ov Friedrich (1770–1856, preuß. Anerkennung d. Adelsstands 1816), preuß. Reg.oberpräs. in Frankfurt/Oder, Ferdinand W. (1787–1841), preuß. Reg.präs. in Bromberg;
    1 B Ernst W. ( 1887/88), Dr., Chemiker, 2 Schw Marie (Mietze) ( 1918), Elisabeth (Lieschen) Schenk;
    Köln 1894 Hedwig (1867–1949), auf Langpolten, 1947 Ehrenbürgerin v. Weißenbach b. Liezen (Ennstal, Steiermark), T d. Eugen Langen (1833–1895, 2] Hermine Schleicher, 1849–1935), auf Langpolten, Ing., Untern., Kolonialaktivist, Mitgl. im Kolonialrat, preuß. GKR (s. NDB 13), u. d. Henriette Thurneysen (1834–1872);
    1 S Hermann (1895–1979, Bettina Freiin v. Rinaldini, 1896–1980, Dr. phil., Geogr., T d. Angelo Frhr. v. Rinaldini, 1868–1936, Dr. iur. utr., Min.rat im k. k. Ackerbaumin., preuß. Kronenorden III. Kl. 1904, österr. Leopoldsorden 1917), 1931 Prof. an d. Nat. Zentral-Univ. in Nanking, 1938 o. Prof. f. Geogr. in Tübingen, unternahm mehrere Expeditionen in d. arab. u. chines. Raum, 1940 Mitgl. d. Leopoldina, 1944 Carus-Medaille d. Leopoldina, 1953 silberne Karl-Ritter-Medaille d. Ges. f. Erdkde. zu Berlin, Karl-Sapper-Medaille f. Tropenforsch. d. Geogr. Ges. Würzburg, Ehrenmitgl. d. Geogr. Ges. in München u. in Wien, korr. Mitgl. d. Ak d. Wiss. u. d. Lit. Mainz, Dr. phil. h. c. (Wien 1976) (s. Baden-Württ. Biogrr. II), 3 T Hildegard (Hilla) (1900–86, 1] 1919–26 Brami Andreae, 1894–1936, Bes. d. Farm Hessen b. Windhuk, Südwestafrika, Oberlt. z. See, 2] 1934–52 Günther Pauli,* 1910), auf Steinkeller (Steiermark), Hedwig (1901–1933, Bergunfall, Fritz Berg, 1887–1960, Industr., Konsul v. Paraguay), Herta (1903–1974), auf Langpolten, Violinistin;
    Gvm d. Ehefrau Ludwig Andreas Thurneysen (1800–1863), Papierfabr. in Basel.

  • Biographie

    Aufgrund der berufsbedingten Mobilität seines Vaters verbrachte W. Kindheit und Schulzeit u. a. in Langensalza, Erfurt, Kiel und Neu-Ruppin. Vom dortigen Gymnasium wechselte er im Anschluß an das Abitur 1871 in das Kadettenkorps in Berlin. Nach Eintritt in das Meckl. Füsilierregiment Nr. 90 wurde er 1874 in Rostock zum Offizier befördert. Hier machte er die Bekanntschaft des Forschungsreisenden Paul Pogge (1838–1884), den er 1880/81 im Auftrag der Afrikan. Gesellschaft in Deutschland auf eine Expedition von Angola nach Zentralafrika begleitete.

    Nachdem Pogge seine Teilnahme aus Gesundheitsgründen abbrechen mußte, setzte W. die Expedition bis zur Küste des Indischen Ozeans fort. Sie gilt als erste Durchquerung Äquatorialafrikas von West nach Ost durch einen europ. Forschungsreisenden. Es folgten weitere Expeditionen 1883–85 im Auftrag der „Association International de Congo“ des belg. Kg. Leopold II. in das südliche Kongobecken sowie 1886/87 eine zweite Durchquerung Afrikas von West nach Ost durch das Kongogebiet, dabei unterstützt durch von Sansibar aus operierende Sklavenund Elfenbeinhändler.

    Als der Versuch, die von Carl Peters (1856–1918) mittels rechtsfiktiver Verträge angeeigneten Gebiete in Ostafrika durch eine private Handelsgesellschaft zu kolonisieren, am Widerstand lokaler Eliten aus Handel und Politik scheiterte, wurde W. 1889 dem Auswärtigen Amt als Reichskommissar unterstellt und vom Dt. Reichstag als Kommandeur einer aus afrikan. Söldnern und dt. Offizieren bestehenden Interventionstruppe entsandt. Mehrere Eroberungsfeldzüge zwischen 1889 und 1891 sicherten die dt. Herrschaft an der Swahili-Küste und im Hinterland. Im Reichstag geäußerte Kritik an der brutalen Kriegsführung und am exorbitanten Finanzaufwand des Unternehmens verhinderten W.s Ernennung zum Gouverneur.

    Im Auftrag des dt. Antisklaverei-Komitees transportierte W. 1892/93 ein in Einzelteile zerlegtes Dampfschiff zum Malawisee, das dort, nach W. benannt, zur Sicherung dt. Herrschaftsinteressen eingesetzt wurde. 1895 wurde W. zum Gouverneur von Dt.-Ostafrika ernannt. Seine aus gesundheitlichen Gründen nur etwa ein Jahr währende Amtszeit war geprägt von der fortgesetzten militärischen Eroberung der Kolonie sowie einschneidenden Gesetzen in der Land- und Ressourcenpolitik. Forst- und Wildschutz, die Einrichtung erster großflächiger Wildreservate, die Regulierung des Elfenbeinhandels sowie eine 1895 erlassene Kronlandverordnung, die alles nicht als effektiv kultiviert erachtete Land zum Eigentum des Staats erklärte, bedeuteten drastische Einschnitte in einheimische Rechte und Landnutzungspraktiken.

    Nach 1896 unternahm W. mehrere, von ihm teils publizistisch verwertete Jagdreisen u. a. nach Zentralasien und Südafrika; zudem blieb er beratend in der Kolonialpolitik tätig.

    Eine 1900 in London von den europ. Kolonialmächten im subsaharischen Afrika verabschiedete internationale „Convention for the Preservation of Wild Animals, Birds, and Fish in Africa“ verdankte sich wesentlich seiner Initiative, fand aber in den dt. Kolonien zunächst kaum Berücksichtigung. W. verbrachte die letzten Lebensjahre zurückgezogen auf einem Landgut in der Steiermark. Sein Tod stand bereits zeitgenössisch im Verdacht des Suizids, wurde jedoch aus Gründen der Reputationswahrung und materiellen Sicherung von Witwe und Kindern als Jagdunfall deklariert.

    W. gehört zu den bekanntesten Exponenten der bis in die jüngste Zeit unkritisch als Kolonialpioniere bezeichneten Gründergeneration des überseeischen dt. Kolonialreichs. Seine Biographie und Tätigkeit werden aufgrund der strukturellen Gewaltsamkeit und rassistischen Legitimationsgrundlage des europ. Kolonialismus heute überwiegend kritisch beurteilt. W.s Biographie ist symptomatisch für die Kontinuitäten zwischen der „heroischen“, internationalen Afrikaforschung und den Anfängen formeller Kolonialherrschaft in den 1880er Jahren.

    Seine Forschungsreisen verbanden koloniale Wissensproduktion und die Aneignung botanischer, zoologischer und ethnographischer Objekte einerseits mit militärischem Gepräge und der Gründung von Stationen zur Ausübung lokaler Herrschaft andererseits. Ebenso kritisch bewertet werden muß W.s Beitrag zur Etablierung dt. Kolonialherrschaft in Ostafrika. Der Einsatz der W.-Truppe zur Bekämpfung des Sklavenhandels in Ostafrika erscheint aus heutiger Perspektive als propagandistische Legitimation brutaler Kolonialeroberung mit den Mitteln des Terrors, des Massakers, der Hinrichtungen und der verbrannten Erde. W.s jagdpolitische Maßnahmen markieren den Beginn eines von europ.westlichen Interessen geprägten Naturschutzregimes in Tansania unter Ausschluß der lokalen Bevölkerung. Schon zu Lebzeiten als „deutscher Stanley“ heroisiert, machte ihn sein früher Tod zur nationalen Symbolfigur des überseeischen Kolonialreichs. Seit den 1950er Jahren in der DDR, später auch in der Bundesrepublik diente W. immer wieder als Medium kritischer Thematisierung und Aufarbeitung dt. Kolonialgeschichte.

  • Auszeichnungen

    |Carl-Ritter Medaille d. Ges. f. Erdkde. Berlin (1883);
    belg. Leopold-Orden (1885);
    – zahlr. W.-Strr., von denen viele inzwischen umbenannt wurden, z. B. Erfurt, Frankfurt/Oder, Leipzig, Hamburg (1968), Stuttgart u. Mannheim (n. 2009), Berlin-Neukölln u. Berlin-Grunewald (2021);
    – Afrika Mus., Weißenbach b. Liezen (ehem. Gut W.).

  • Werke

    |Unter dt. Flagge quer durch Afrika v. West n. Ost, v. 1880 bis 1883 ausgeführt v. Paul Pogge u. H. v. W, 1888 u. ö.;
    Im Innern Afrikas, Die Erforsch. des Kassai während d. J. 1883, 1884 u. 1885, 1888 u. ö. (Hg. mit L. Wolf u. a.);
    Meine zweite Durchquerung Äquatorial-Afrikas vom Congo z. Zambesi während d. J. 1886 u. 1887, 1890 u. ö., Nachdr. 2012;
    Afrika, Schilderungen u. Rathschläge z. Vorbereitung f. d. Aufenthalt u. Dienst in d. Dt. Schutzgebieten, 1895, ²1903;
    In d. Wildnissen Afrikas u. Asiens, Jagderlebnisse v. H. v. W., 1901 u. ö.;
    Teilnachlaß: Forsch.bibl. Gotha.

  • Literatur

    |A. Becker u. a., H. v. W., Dtld.s größter Afrikaner, Sein Leben u. Wirken unter Benutzung d. Nachlasses, 1906 u. ö. (P);
    J. Zeller, „Dtld.s größter Afrikaner“, Zur Gesch. d. Denkmäler f. H. v. W., in: ZfG 44, 1996, S. 1089–111;
    G. Uhlmann, Das Hamburger W.-Denkmal, Von d. kolonialen Weihestätte z. postkolonialen Debatten-Denkmal, in: U. van der Heyden u. J. Zeller (Hg.), Kolonialismus hierzulande, Eine Spurensuche in Dtld., 2007, S. 281–85;
    C. Prinz, H. v. W. als „Kolonialpionier“, in: Peripherie 30, 2010, S. 315–36;
    T. Bührer, Ein Forsch.reisender als Notbehelf, H. v. W. u. d. erste Überseeeinsatz d. Dt. Reichs (1889–1891), in: Comparativ 23, 2013, S. 45–59;
    B. Gissibl, The Nature of German Imperialism, Conservation and the Politics of Wildlife in Colonial East Africa, 2016;
    St. Michels, (Dis)Locating H. v. W., 2018;
    B. Schilling, H. v. W. u. d. Verflechtung nat., internat. u. lokaler Erinnerungsdiskurse, in: A. Gouaffo u. St. Michels (Hg.), Koloniale Verbindungen, transkulturelle Erinnerungstopogrr., Das Rheinland in Dtld. u. d. Grasland Kameruns, 2019, S. 217–40;
    zur Fam.: GHdA 140, Adelige Häuser B 26, 2006, S. 563 f.

  • Porträts

    |Denkmäler v. K. Hackstock, 1908 (Weißenbach b. Liezen), v. J. Götz, 1908 (Bad Lauterberg, Harz), v. A. Kürle, 1909 (Daressalam, seit 1921 Hamburg, 1968 gestürzt, seither dort in d. Sternwarte Bergedorf eingelagert).

  • Autor/in

    Bernhard Gißibl
  • Zitierweise

    Gißibl, Bernhard, "Wissmann, Wilhelm Leopold Ludwig Hermann von (preußischer Adel 1890)" in: Neue Deutsche Biographie 28 (2024), S. 302-303 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118807668.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA