Lebensdaten
1923 – 1987
Geburtsort
Wien
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Rabbiner ; Philosoph ; Religionssoziologe ; Judaist
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 118756257 | OGND | VIAF: 76330245
Namensvarianten
  • Taubes, Jakob
  • Taubes, Jacob
  • Taubes, Jakob
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Zitierweise

Taubes, Jacob, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118756257.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus poln. Rabbinerfam.;
    V Chaim Hersch Zwi (1900–66 Freitod), orthodoxer Rabbiner in W. u. Z. (s. HLS), S d. Zechariah Edelstein ( 1941) u. d. Chava Leah ( 1938);
    M Fanny Blind-Safran (1899–1957, aus Chodorów (Ukraine), Absolventin d. Hebr. Pädagogiums in W.;
    1) New York 1949 1967 Susan Judith (1928–69 Freitod), Dr., Schriftst., Philos. aus New York, T d. Sándor Feldman (1889–1972), aus Ungarn, Psychoanalytiker in New York, u. d. Marò Richter, 2) Berlin 1967 1975 Margarita Maria Josefa Anna Katharina (1922–95), Philos., T d. Clemens v. Brentano di Tremezzo (1886–1965, Dipl., dt. Botschafter in Italien, u. d. Dorothea v. Lohr;
    1 S aus 1) Ethan Josiah (* 1953), Jur., 1 T aus 1) Tanaquil Tamar (* 1957), Psychoanalytikerin.

  • Biographie

    T. besuchte 1929–33 die Volksschule und 1933–36 die Oberschule in Wien. 1936 übersiedelte die Familie nach Zürich, wohin T.s Vater als Oberrabbiner berufen worden war. Hier erhielt T. 1941 die Matura und studierte anschließend bis 1946 Philosophie, Semitistik, Soziologie und Germanistik an der Univ. Zürich, u. a. bei Emil Staiger (1908–87) und René König (1906–92). Prägend wurde für ihn die außerakademische Auseinandersetzung mit kath. und prot. Theologen wie Hans Urs v. Balthasar (1905–88) und Karl Barth (1886–1968). 1947 wurde T. in Zürich mit einer Dissertation zum Thema „Studien zu Geschichte und System der abendländ. Eschatologie“ (gedr. u. d. T. „Abendländ. Eschatologie“, 1947, ²1991, ³2007 neu hg. mit e. Nachw. v. M. Treml) zum Dr. phil. promoviert. Der Gedanke, daß Zeit Frist sei, ist das Leitmotiv dieses geschichtsphilosophischen Entwurfs einer umfassenden Geistes- und Religionsgeschichte im Zeichen apokalyptischen Denkens. Seine Ausbildung an einer orthodoxen Rabbinerschule in Montreux beendete T. 1943 mit der Ordination.

    Ende 1947 wurde T. als Research Student an der Rabbinical School des Jewish Theological Seminary in New York aufgenommen, wo er von 1948 an auch als Teaching Fellow|Religionsphilosophie unterrichtete. Ins Zentrum seines wissenschaftlichen Interesses trat zunehmend die Frage nach der Politischen Theologie. 1950–52 arbeitete T. als Lecturer und Research Fellow an der Hebr. Univ. Jerusalem. Dort wurde er Mitarbeiter Gershom Scholems (1897–1982), mit dem es jedoch 1951, ausgelöst durch persönliche Differenzen, zum Zerwürfnis kam; der tiefere Grund dafür lag wohl in Scholems Ablehnung von T.s eklektischem, Denkmotive aus Philosophie- und Religionsgeschichte amalgamierendem philosophischen Stil.

    Nach T.s Rückkehr in die USA 1952 ermöglichte ihm ein Rockefeller Stipendium 1953/54 die Arbeit als Research Fellow an der Univ. Harvard, wo er seit 1954 auch unterrichtete. 1955/56 war T. Visiting Assistant Professor an der Univ. Princeton; 1956–66 lehrte er als Professor of Religion an der Columbia Univ. in New York. T.s amerik. Jahre wurden prägend für sein Verständnis der „hermeneutics“ als Institution geistes- und sozialwissenschaftlicher Arbeit zwischen den Disziplinen. Seit 1961 vertrat T. zudem den vakanten Lehrstuhl am neugegründeten Institut für Wissenschaft des Judentums an der FU Berlin. Bedenken gegen das Fach Judaistik und seine familiären Bindungen an New York ließen T. erst 1963 den Ruf auf das Berliner Ordinariat annehmen, der bereits 1961 an ihn ergangenen war.

    1967 wurde T. Direktor des Seminars für Judaistik an der FU und Direktor der 1963 auf sein Betreiben neu gegründeten Abteilung für Hermeneutik des Philosophischen Seminars; letztere baute er zum Ort einer interdisziplinären geistes- und sozialwissenschaftlichen Forschung auf, für die der Bezug auf Theologie, Religionswissenschaft und -philosophie elementar war. Das führte v. a. in den 1970er Jahren zu zahlreichen Kontroversen an der FU, innerhalb wie außerhalb des philosophischen Instituts. 1977 gab T. seine Doppelfunktion auf und konzentrierte sich fortan auf die Leitung der Fachrichtung Hermeneutik. Seines lebhaften Austauschs mit einem weiten Netz angloamerik., israel. und franz. Gelehrten wegen bedeutete T.s Berufung eine Internationalisierung des Wissenschaftsbetriebs der FU während der 1960er und 1970er Jahre. 1963 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der interdisziplinären Forschungsgruppe „Poetik und Hermeneutik“ und trat hier besonders mit Arbeiten zur Gnosis-Interpretation hervor.

    Überzeugt davon, Philosophie müsse Wirkung auch jenseits des Katheders ausüben, engagierte sich T. während der Studentenbewegung in unorthodoxer und kritischer Weise auf Seiten der linken Professoren und Studenten. Er fand aber auch das Gespräch mit Rechtsintellektuellen wie Carl Schmitt, wovon beider Korrespondenz und T.s letzte, postum erschienene Publikation „Ad Carl Schmitt, Gegenstrebige Fügung“ (1987) zeugen. Im Zentrum seiner späten, von Krankheit und Zusammenbrüchen geprägten Schaffenszeit standen die Politische Theologie und die Interpretation des Apostels Paulus. T.s polemischer Denkstil erweist ihn als einen Intellektuellen, dessen Medien das Gespräch und der kritische Kommentar waren, nicht das große systematische Werk. Das dokumentiert der umfangreiche Briefwechsel aus dem Nachlaß ebenso wie die große Zahl an Aufsätzen, Essays, Rezensionen, Glossen, Miszellen, Zeitungsartikeln und offenen Briefen.

  • Auszeichnungen

    A Warburg Prize (Hebr. Univ. Jerusalem 1952).

  • Werke

    Weitere WFranz Overbeck, Selbstbekenntnisse, 1966 (Hg.);
    Rel.theorie u. Pol. Theol., 3 Bde., 1983–87 (Hg.);
    Die pol. Theol. d. Paulus, Vortrr., gehalten an d. Forsch.stätte d. Ev. Studiengemeinschaft in Heidelberg, red. v. A. Assmann, 1993, ²1995;
    Vom Kult z. Kultur, Bausteine zu e. Kritik d. hist. Vernunft, Ges. Aufss. z. Rel.- u. Geistesgesch., hg. v. A. u. J. Assmann, W.-D. Hartwich u. W. Menninghaus, 1996, ²2007;
    J. T. – Carl Schmitt Briefwechsel, hg. v. H. Kopp-Oberstebrink u. a., 2012;
    Bibliogr.:
    Abendländ. Eschatol., Ad J. T., 2001, S. 561–70 (s. L);
    Teilnachlaß:
    Zentrum f. Lit.- u. Kulturforsch., Berlin.

  • Literatur

    FS Spiegel u. Gleichnis, hg. v. N. W. Bolz u. W. Hübener, 1983 (P);
    D. Henrich, in: M. Frank u. A. Haverkamp (Hg.), Individualität, 1988, S. IX;
    Torah, Nomos, Ius, Abendländ. Antinomismus u. d. Traum vom herrschaftsfreien Raum, hg. v. G. Palmer u. a., 1999, S. 123–202 u. 243–62;
    Abendländ. Eschatol., Ad J. T., hg. v. R. Faber u. a., 2001 (P);
    E. Stimilli, Sovranità e tempo messianico, 2004;
    Kosch, Lit.-Lex.³;
    Hdb. österr. Autoren jüd. Herkunft;
    Metzler Lex. Jüd. Philosophen.

  • Autor/in

    Herbert Kopp-Oberstebrink
  • Zitierweise

    Kopp-Oberstebrink, Herbert, "Taubes, Jacob" in: Neue Deutsche Biographie 25 (2013), S. 803-804 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118756257.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA