Lebensdaten
1586 – 1630
Geburtsort
Grünhain bei Annaberg (Erzgebirge, Sachsen)
Sterbeort
Leipzig
Beruf/Funktion
Komponist ; Dichter
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 118754408 | OGND | VIAF: 32162502
Namensvarianten
  • Schein, Johann Hermann
  • Schein, Hermann
  • Schein, Iohan-Hermanus
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Zitierweise

Schein, Johann Hermann, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118754408.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Hieronymus ( 1593), Pfarrer;
    M Judith Schacht;
    1) 1616 Sidonia N. N. ( 1624), T d. N. N. Hösel, kursächs. Rentsekr., 2) 1625 Elisabeth (* 1605), T d. Johann de (van der) Perre (* um 1567, erw. 1604-18), aus d. Niederlanden, Maler in L. (s. Nagler;; Biogr. Nat. Belge; ThB);
    5 K aus 1) (3 früh †);
    4 K aus 2) (alle früh †).

  • Biographie

    S. wuchs nach dem Tod des Vaters in Dresden auf, wo er mit 13 Jahren als Sopranist in die Hofkapelle des sächs. Kurfürsten aufgenommen wurde und dort seine erste musikalische Ausbildung durch den Kapellmeister Rogier Michael (um 1554–1619) und den Kapellknabenpräzeptor Andreas Petermann erhielt; diese wiesen ihn sowohl in die Musiktheorie als auch in die Praxis ein und machten ihn mit geistlichem und weltlichem Repertoire in lat., dt. und italien. Sprache vertraut. Nach einem kurzen Studienaufenthalt an der Univ. Leipzig wurde S. im Mai 1603 in die kfl. Landesschule Schulpforta aufgenommen, wo er von Bartholomäus Scheer und seit 1606 von Martin Roth unterichtet wurde. Ende April 1607 kehrte er nach Dresden zurück, von wo er im Frühjahr 1608 an die Univ. Leipzig ging, um die freien Künste und Jura zu studieren (bis 1612). In diese Zeit fällt seine erste Publikation, das „Venus Kräntzlein“ (1609). Sein Mitstudent in Schulpforta Gottfried v. Wolffersdorff holte ihn 1613 als Lehrer und Hausmusikdirektor nach Weissenfels. Seit Ende Mai 1615 war er bei Hzg. Johann Ernstd. J. in Weimar Hofkapellmeister. 1616 wurde er Thomaskantor als Nachfolger von Seth Calvisius (1556–1615) und hatte (wie später J. S. Bach) Verpflichtungen als Lehrer und Leiter der Kirchenmusik an St. Thomas und St. Nicolai.

    S. zählt zusammen mit Samuel Scheidt (1587–1645) und Heinrich Schütz (1585–1672), mit denen er befreundet war (letzterer schrieb auf S.s Wunsch zu dessen Tod die Motette „Das ist je gewißlich wahr“), zu den bedeutendsten dt. Komponisten in der ersten Hälfte des 17. Jh. Das von außerordentlicher stilistischer Vielfalt geprägte Vokalwerk S.s besteht zum großen Teil aus Gelegenheitskompositionen zu verschiedenen Anlässen, die über einen längeren Zeitraum entstanden und nachträglich oft in überarbeiteter Form in seine gedruckten Sammlungen aufgenommen wurden. Sein erstes geistliches Opus, das „Cymbalum Sionium“ (1615) mit lat. und dt. Motetten, zeigt Einflüsse von Orlando di Lasso (1530/32-94) und Jacobus Gallus (1550–91). Musik dieser Meister hat S. wohl in Schulpforta aus der für den Schulgebrauch bestimmten Sammlung „Florilegium Portense“ (1603) kennengelernt. Daneben griff er im „Cymbalum Sionium“ auch modernere, weniger kontrapunktisch ausgerichtete Satztechniken auf. Eine wesentliche Neuerung bringen die zwei Teile der „Opella nova“ (1618 u. 1626): Sie sind unter die ersten bedeutenden in Deutschland entstandenen geistlichen Konzerte im Generalbaßstil einzuordnen. Textausdeutung von höchster Expressivität kennzeichnet die Kompositionen des „Israelis Brünlein“ (1623). S. wendet hier eine satztechnische Synthese aus „Italian madrigalische[r] Manier“ (so der Titel) und älteren motettischen Stilprinzipien auf dt. Texte meist alttestamentarischen Inhalts an. Das „Cantional“ (1627) enthält vierstimmige Sätze über ev. Kirchenlieder mit der vorgebenen Melodie im Sopran.

    S.s erstes gedrucktes weltliches Werk, das „Venus Kräntzlein“ (1609), sowie der „Studenten-Schmauss“ (1626) enthalten Chorlieder in schlicht homophoner Satzweise. Den Stil der in drei Teilen erschienenen „Musica boscareccia oder Wald-Liederlein“ (1621, 1626 u. 1628) kündigt S. im Titel an, da dort von „italian-villanellische[r] Invention“ die Rede ist. Die Texte hat er selbst verfaßt. Mit|ihren zwei Sopranstimmen über einem Generalbaß sind die Kompositionen dem Satztyp einiger Stücke aus dem ersten Teil der „Opella nova“ verwandt. Als weltliches Gegenstück zum „Israelis Brünlein“ können die „Diletti pastorali“ (1624) gelten; auch hier verrät der Titel Einflüsse des italien. Madrigals. Mit dem „Banchetto musicale“ (1617) legte S. seine einzige Sammlung mit Instrumentalwerken vor, zwanzig Suiten, bestehend aus Pavane, Gagliarde, Courante und Allemande. Weitere Suiten publizierte er im „Venus Kräntzlein“ und im „Cymbalum Sionum“.|

  • Auszeichnungen

    Von S.s zahlreichen Schülern ragen v. a. Paul Fleming (1609–40) und Christoph Schultze (1606–83) hervor.

  • Werke

    Weitere W über d. genannten Slgg. hinaus existiert e. Reihe v. Sätzen in Einzeldrucken (vgl. W-Verz. in New Grove²);
    Gesamtausgg.:
    A. Prüfer (Hg.), J. H. S., Sämtl. Werke, 7 Bde., 1901-1923;
    A. Adrio u. a. (Hg.), J. H. S., Neue Ausg. sämtl. Werke, 1963 ff.;
    – in den Gesamtausgg. fehlende Sätze: E. Möller (Hg.), J. H. S., Zwei Motetten f. fünfstimmigen gemischten Chor u. Basso Continuo (ad libitum), 1993;
    ders. (Hg.), J. H. S., Sechs Kantionalsätze f. vier bis fünf Stimmen u. Basso Continuo (ad libitum), 1993;
    ders. (Hg.), J. H. S., Hoffe auf den Herren, f. fünfstimmigen gemischten Chor u. Basso Continuo, 1994.

  • Literatur

    Ph. Spitta, Leichensermone auf Musiker d. XVI. u. XVII. Jh., in: Mhh. f. Musikgesch. 3, 1871, S. 24-38 (enthält J. Höpners Leichenrede auf S.);
    A. Prüfer, J. H. S., 1895, Nachdr. 1989;
    ders., J. H. S. u. d. weltl. dt. Lied d. 17. Jh., 1908, Nachdr. 1973;
    ders., Zur Fam.gesch. d. Leipziger Thomas-Kantors J. H. S., in: Mhh. f. Musikgesch. 30, 1898, S. 141-45;
    W. Reckziegel, Das Cantional v. J. H. S., Seine geschichtl. Grundlagen, 1963;
    S. SØrensen, Johan Hermann Scheins „Opella nova“, in: J. Robijns u. a. (Hg.), Renaissancemuziek 1400-1600, donum natalicium René Bernard Lenaerts, 1969, S. 275-83;
    B. Smallman, J. H. S. as Poet and Composer, in: M. H. Brown u. R. J. Wiley (Hg.), Slavonic and Western Music, Essays for Gerald Abraham, 1985, S. 33-48;
    I. Hammerstein, Zur Monteverdi-Rezeption in Dtld., J. H. S.s „Fontana d'Israel“, in: L. Finscher (Hg.), Claudio Monteverdi, FS Reinhold Hammerstein, 1986, S. 175-212;
    E. Möller, Verschollene Vokalwerke v. J. H. S., in: Btrr. z. Musikwiss. 30, 1988, S. 108-12;
    W. Werbeck, Die Rolle d. Instrumente im Werk J. H. S.s. in: Schütz-Jb. 1997, S. 55-69;
    G. S. Johnston, Der Schein trügt, A Reappraisal of J. H. S.s Funeral Lieder, ebd. 1998, S. 95-105;
    W. Schulte, Music and Language in J. H. S.s Sacred Works, Diss. Univ. of Cincinnati 1998;
    C. Theis, Claudio Monteverdi u. J. H. S., in: S. Leopold u. J. Steinheuer (Hg.), Claudio Monteverdi u. d. Folgen, 1998, S. 433-55;
    N. Restle, Die Bearb. dreier instrumentalbegleiteter geistl. Konzerte v. J. H. S. in d. Slg. Bohn, in: Jb. d. Staatl. Inst. f. Musikforsch. Preuß. Kulturbes., 2000, S. 136-49;
    C. Theis, J. H. S.s Gelegenheitskompositionen, Zu Entstehungs- u. Besetzungsfragen d. „großen geistl. Konzerts“ b. S., ebd., S. 121-35;
    N. Restle, Vokales u. instrumentales Komponieren in J. H. S.s „Opella nova ander Theil“, 2000;
    MGG (ältere L, P);
    Riemann mit Erg.bd.;
    New Grove;
    New Grove² (W, L, P);
    BBKL (W, L).

  • Porträts

    Gem., anonym, nach 1618 (Musikinstrumenten-Mus., Univ. Leipzig), Abb. in MGG, Tafel 81;
    Kupf., Abb. in: Dt. Schriftst. im Porträt, Das Za. d. Barock, hg. v. M. Bircher, 1979, S. 148.

  • Autor/in

    Bernhold Schmid
  • Zitierweise

    Schmid, Bernhold, "Schein, Johann Hermann" in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 637-638 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118754408.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Schein: Johann Hermann S. war einer der berühmten drei S im 17. Jahrhundert, nämlich Scheidt, Schein, Schütz, die auch alle drei geborene|Sachsen waren und deren Wirksamkeit ebenfalls Sachsen angehörte. S. war am 20. Januar 1586 in Grünhain im Meißnischen geboren und starb am 19. November 1630 in Leipzig. Ein Leichensermon, der in den Monatsheften für Musikgeschichte, Bd. 3 S. 26, abgedruckt ist, giebt uns über den äußeren Lebenslaus Schein's genaue Kunde. Sein Vater war am obigen Orte Prediger, starb aber schon im Jahre 1593. Die Mutter zog nun mit ihrem Sohne nach Dresden und dieser wurde 1599 Cantoreiknabe in der kurfürstlichen Capelle und Schüler Roger Michael's. Die Erziehung der Cantoreiknaben erstreckte sich damals nicht nur bis zur Zeit des Mutirens, sondern der Kurfürst sorgte auch dafür, daß sie später etwas tüchtiges lernten, um dann entweder als Staatsbeamte oder als Musiker in seinem Lande zu wirken. S. wurde daher nach dem Mutiren der Stimme am 18. Mai 1603 nach Schulpforta geschickt, kehrte am 26. April 1607 nach Dresden zurück und bezog nun die Universität in Leipzig, auf der er 4 Jahre lang Jura studirte. Die Musik ließ er dabei nicht ruhen, im Gegentheil huldigte er ihr eifrig und benutzte jede Gelegenheit, wo er etwas lernen oder Beweise seiner Kunstfertigkeit ablegen konnte. Besonders als Componist trat er in den Kreisen seiner Commilitonen öfter auf und errang sich damit manche fröhliche Stunde. Unbemittelt wie er war, mußte er nach abgelegten Studienjahren sein Geld als Hauslehrer, oder wie es damals hieß. als Präceptor verdienen. Das Glück wollte es, daß ihn ein reicher und musikliebender kurfürstlich sächsischer Hauptmann zu Weißenfels. Gottfried v. Wolffersdorf, in Dienst nahm, bei dem er nicht nur die Kinder zu unterrichten hatte, sondern auch als Hausmusikdirector eine vielseitige Thätigkeit entwickeln konnte. Nachdem er hier zwei Jahre verblieben war, erhielt er vom Herzoge von Sachsen-Weimar, Johann Ernst dem Jüngeren, die Aufforderung, die erledigte Capellmeisterstelle zu übernehmen. Zwar stand er zum Kurfürsten von Sachsen in einem abhängigen Verhältnisse und mußte dessen Erlaubniß haben, um seine Kräfte anderweitig zu verwerthen; aber der Kurfürst scheint ihm, da wohl zur Zeit keine passende Stelle in seiner Capelle offen war, nichts in den Weg gelegt zu haben. Gewöhnlich behielt sich der Kurfürst vor, diejenigen, die auf seine Kosten erzogen waren, auf Zeit zu entlassen, bis er ihrer bedürfe. Die Kurfürsten haben derartige Erlaubniß oft ertheilt und wie es scheint mit einer gewissen Genugthuung. S. trat die neue Stellung am Weimarer Hofe am 21. Mai 1615 an und fand hier reichlich Gelegenheit, seine Talente zu verwerthen und sich die Achtung seines Fürsten zu erwerben. In gesicherter Stellung, konnte er nun daran denken, sich einen eigenen Heerd zu gründen und daß sein Herz lange zuvor schon gewählt hatte, beweist der Umstand, daß er sich seine Braut aus Dresden heimholte und zwar die Tochter des kurfürstl. sächs. Rentsecretärs Hösel. Die Hochzeit fand am 12. Februar 1616 in Weimar statt. Er zeugte in seiner Ehe fünf Kinder, von denen zwei Söhne sich wissenschaftlichen Fächern zuwendeten. In einer zweiten Ehe, die er um 1625 einging, abermals vier Kinder, die aber alle in jungen Jahren starben. Nachdem 1615 in Leipzig Sethus Calvisius gestorben war, Cantor und Musikdirector an St. Thomas, schritt man im folgenden Jahre zu einer Neuwahl, und es ist bezeichnend für Schein's Leistungen, daß man ihn zum Nachfolger eines so hochgeachteten Mannes wählte. Das Datum seines Eintritts in das neue Amt ist bis jetzt nicht bekannt und man weiß nur, daß er es 1616 antrat. Er erhielt auch nicht gleich den Titel eines Musikdirectors, sondern nennt sich bis ins Jahr 1622 nur Musicus und Cantor an St. Thomae zu Leipzig, erst seit 1623 bezeichnet er sich auf den Titeln seiner Druse mit „Music-Director in Leipzig“. — Schon als Student in Leipzig ließ er 1609 eine Sammlung weltlicher Lieder drucken, die er dem Rath und Baumeister Wolfg. Lebzeltern in Leipzig widmete. Die frühe|Anknüpfung mit den Leipziger Stadträthen hat ihm die erwünschte Erreichung der Cantorstelle bei Zeiten geebnet. So dedicirte er 1611, als er in Weißenfels lebte, dem Bürgermeister Mayer von Leipzig einen „Friedens Wunsch“ (Votum pro pace à 9 overo 14 voc.) zum Beginne des neuen Jahres. Man kannte daher sein Compositionstalent in Leipzig sehr wohl und wußte es zu schätzen. Von 1615 ab, als er sich in Weimar befand, entwickelte er eine staunenswerthe Fruchtbarkeit. So erschienen 1615 in Leipzig bei Lamberg 31 Motetten zu 5—12 Stimmen, 1617 ebendort eine Sammlung Paduanen und Gagliarden für 5 Instrumente. Vom Kriegsjahr 1618 ab erschienen neben einer großen Anzahl Gelegenheitsgesängen, die stets auf Kosten der Angesungenen gedruckt wurden, fast sämmtliche Werke im Selbstverlage, gedruckt von Glück in Leipzig und waren oft recht umfangreich, so das „Cantional oder Gesangbuch Augsburgischer Confession für Leipzig“ im 4—6stimmigen Tonsatze, welches 536 Seiten umfaßt. Entweder war seine Frau vermögend, oder seine Werke fanden trotz der Kriegszeit einen guten Absatz, denn der damalige Gehalt an der Thomasschule reichte gerade nur zum Lebensunterhalte aus. Es ist übrigens recht bezeichnend für die damalige Geschäftswelt, daß sie sich muthlos von jedem Unternehmen fern hielt, während der Künstler selbst rüstig weiter schaffte und selbst die kaufmännischen Sorgen noch übernahm. Trotzdem S. nie in Italien war, kannte er die neuere Richtung der Italiener sehr wohl und schon in seiner ersten Sammlung geistlicher Concerte, die nach Winterfeld (II, 231) 1612 erschienen, soll er die italienische neue Form angewendet haben, ebenso in dem 1615 erschienenen „Cymbalum Sionium sive Cantiones sacrae“. Winterfeld's Aussage zu bezweifeln liegt mir fern, da er sich stets als ein gewissenhafter Historiker bewiesen hat, da aber den beiden Werken, soweit ich sie kenne, der Bassus continuus fehlt, der unbedingt zu der neueren Richtung im Tonsatze gehört, so ist jedenfalls Winterfeld's Urtheil auffallend. Erst in den 1618 erschienenen „Opella nova, geistliche Concerten mit 3—5 Stimmen zusampt dem General Baß auff italienische Invention componirt“ ist die Nachbildung der italienischen Form schon durch den Wortlaut des Titels documentirt. S. schließt sich mit Vorliebe dem deutschen geistlichen Liede an und hat darin Musterhaftes geleistet, sowol im einfachen mehrstimmigen Choralsatze, als in der Concertform, wie man sie damals bezeichnete. Letztere nahm die Kirchenmelodie als Grundlage zu einem weit ausgesponnenen Tonsatze, in dem eine oder mehrere Singstimmen, begleitet von Instrumentalstimmen, mit Zwischensätzen unterbrochen, oft aus mehreren Sätzen bestehend, die Kirchenmelodie strenger oder freier behandelten, oder wie man einst sagt, „concertweise setzten“. Diese Form wurde zu Schein's Zeit so beliebt, daß sie die Motette fast verdrängte, bis letztere dann in der Cantatenform wieder erstand, wenn gleich nach Inhalt und Form in sehr veränderter Gestalt. S. ist aber auch Dichter von Kirchenliedern und erfand neue Weisen, die dann in andere Gesangbücher übergingen. Ausführliches theilt hierüber v. Winterfeld in seinem evangelischen Kirchengesange II, 239 mit. Hier sei auch dessen Urtheil über Schein's Bedeutung im Choralsatze mitgetheilt, da das Urtheil eines so gründlichen Kenners stets von Werth bleiben wird. Er schreibt S. 236 u. 238: „Zeitgenossen loben Schein's Tonsatz als sehr natürlich und lieblich: unsere Zeit hat dieses Lob dahin noch gesteigert, daß er ganz köstlich, musterhaft, echt kirchlich sei. Mir erscheint in ihm bereits ein Verfall der älteren, kirchlichen Kunst, der freilich wiederum mit dem Anbrechen einer neuen Zeit zusammenhängt. Ich möchte daher nicht wagen. S. als hohes Muster im Choralsatze aufzustellen. Es treten bei ihm Vorandeutungen einer neuen Zeit hervor, die auf den Trümmern einer älteren Kunstrichtung sich gründet. Ahnungen ihrer Vorzüge wie Gebrechen; sie erscheinen bei ihm getragen von gründlicher meisterlicher Kunstfertigkeit, einer wahrhaften Begeisterung für seinen Beruf, einem frommen und reinen Gemüth.“ Die neuere Zeit hat von seinen zahlreichen weltlichen Compositionen nur Weniges wieder durch den Druck bekannt gemacht, während viele seiner Choralsätze in zahlreichen Sammelwerken Aufnahme gefunden haben. Ein Verzeichniß der Ausgaben ist in meinem 1871 erschienenen Verzeichniß und Nachträge in den Monatsheften für Musikgeschichte. Bd. IX, zu finden.

  • Autor/in

    Rob. Eitner.
  • Zitierweise

    Eitner, Robert, "Schein, Johann Hermann" in: Allgemeine Deutsche Biographie 30 (1890), S. 715-718 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118754408.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA