Lebensdaten
1900 – 1971
Geburtsort
Wien
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Schauspielerin ; Intendantin
Konfession
konfessionslos
Normdaten
GND: 118630091 | OGND | VIAF: 9994139
Namensvarianten
  • Brecht-Weigel, Helene (verheiratete)
  • Weigl, Helene (eigentlich)
  • Weigel, Helene
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Zitierweise

Weigel, Helene, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118630091.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Siegfried Weigl (1868–1942 Ghetto Lodz), aus Auspitz (Hustopeč e, Südmähren), Korrespondent, Prokurist e. Textiluntern. in W., S d. Marcus u. d. Sara Blatt;
    M Leopoldine (1866–1927), Inh. e. Spielwarenladens in W., T d. Heinrich Joachim Pollack (1833–88) u. d. Charlotte Götzlinger (um 1843–1917);
    Schw Stella (1894–1934, Richard Zweig, 1872–1942 Ghetto Theresienstadt, Vers.dir. in W.);
    vermutl. Berlin 1929 Bertolt (Bert, eigtl. Eugen Berthold Friedrich) (1898–1956, 1] 1922–27 Marianne [Mara] Zoff, 1893–1984, Schausp., Opernsängerin, s. Augsburger Stadtlex.; Kosch, Theater-Lex., 2] 1928 Theo Lingen, eigtl. Franz Theodor Schmitz, 1903–78, Schausp., Regissseur, Autor, s. NDB 14), Dramatiker, Regisseur, S d. Berthold Friedrich Brecht (1869–1939, kath.), 1901 Prokurist|d. Haindl’schen Papierfabrik in Augsburg, 1917 Dir. d. kaufm. Abt., zuletzt in Darmstadt, u. d. Sophie Brezing (1871–1920);
    1 vorehel. S Stefan Brecht (bis 1929 Weigel?) (1924–2009), emigrierte mit seinen Eltern 1933 über Dänemark, Schweden u. Finnland in d. USA, Schausp., Theaterkritiker, Dichter, Schriftst. (s. Killy), 1 T Barbara Brecht-Schall (Ps. Barbara Berg) (1930–2015, Ekkehard Schall, 1930–2005, Schausp., 1952–91 am Berliner Ensemble (BE), Regisseur, Mitgl. d. Berliner Ak. d. Künste, s. L), Schausp., bis 1972 am BE, Kostümbildnerin.

  • Biographie

    Nach dem Besuch der Volksschule 1907–15 trat W. in das Mädchenlyzeum, später Gymnasium, Eugenie Schwarzwalds (1872–1940) in Wien ein. Nach der Matura nahm sie 1918 Schauspielunterricht bei Arthur Holz (1876–1940) und sprach mehrfach bei Theaterleuten, u. a. dem Direktor der Wiener Volksbühne, Arthur Rundt (1881–1939), vor. Erste Auftritte als Kleindarstellerin und Choristin hatte sie ab Dezember desselben Jahres. 1919 zog sie nach Frankfurt/M., wo sie unter Arthur Hellmer (1880–1961) ihr erstes Engagement am Neuen Theater antrat (Marie, in: Woyzeck v. G. Büchner); 1921 wechselte sie für eine Spielzeit ans Schauspielhaus. Ab 1922 lebte und arbeitete W. in Berlin, zuerst am dortigen Staatstheater unter Leopold Jessner (1878–1945), wo sie u. a. für Jürgen Fehling (1885–1968), Karlheinz Martin (1886–1948) und Otto Falckenberg (1873–1947) spielte, dann als freie Schauspielerin an verschiedenen Berliner Theatern. Hier lernte sie 1923 Bertolt Brecht kennen. Nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes arbeitete W. ab 1925 wieder als freie Schauspielerin, u. a. am Dt. Theater, Renaissance-Theater, Staatstheater, Centraltheater und am Dt. Künstlertheater mit Max Pallenberg (1877–1934), Erich Engel (1891–1966), Brecht und Hans Schweikart (1895–1975). Später hatte sie auch Auftritte im Theater am Schiffbauerdamm und an der Volksbühne Berlin. 1928 trat W. mit ihrem Sohn aus der jüd. Gemeinde aus, zog mit Brecht zusammen, den sie im April heiratete, und brachte 1930 die gemeinsame Tochter zur Welt.

    Neben ihrer Tätigkeit als Schauspielerin an verschiedenen Berliner Theatern wirkte W. auch an Rundfunksendungen mit. Sie engagierte sich zunehmend sozial und politisch; 1930 trat sie der KPD in Berlin bei. Am 28. 10. 1933 flohen sie und Brecht mit den Kindern über Prag, Wien, Carona und Thurø nach Svendborg. Nach der Ausbürgerung Brechts 1935 wurden 1937 auch W. und die beiden Kinder ausgebürgert. Im Febr. 1938 übernahm sie eine Theaterrolle mit Theresa Carrar in „Die Gewehre der Frau Carrar“. Da Brecht schon seit längerem eine Beziehung zu Margarete Steffin (1908–41) unterhielt, bereiste W. in den Kriegsjahren verschiedene europ. Großstädte, um Arbeits- und Lebensalternativen für sich zu eruieren, kehrte jedoch stets nach Svendborg zurück. Ab 1938 spielte W. verschiedene Rollen in Paris und Kopenhagen; 1939 zog sie mit Brecht wegen der Kriegsgefahr nach Schweden auf die Insel Lidingö. W. illustrierte Vorträge Brechts mit szenischen Beispielen und rezitierte an Schulen dt. Klassiker. Im Frühjahr 1940 arbeitete W. als Dozentin an der Schauspielschule von Naima Wifstrand bis zur Flucht nach Helsinki wegen des Einmarschs der dt. Truppen in Dänemark. Mit Hilfe von Freunden erhielt die Familie Brecht 1941 Einreisevisa für die USA, wo sie über Moskau und Wladiwostok im Juli in Santa Monica (Kalifornien) ankam. W., nun Hausfrau und Mutter, gab gelegentlich Schauspielunterricht. Nach Kriegsende organisierte sie Hilfeleistungen an Freunde und Schauspieler in Deutschland und Österreich; 1947 siedelte sie mit ihrer Tochter nach Feldmeilen in der Schweiz über. Im Febr. 1948 war sie als Antigone in „Die Antigone des Sophokles“ (Regie: Brecht; Premiere 15. 2. 1948) im Stadttheater Chur zu sehen, bevor sie mit Brecht im Oktober nach Berlin zurückkehrte. Im Jan. 1949 feierte sie als Anna Fierling in „Mutter Courage (R: Brecht) einen herausragenden Erfolg.

    Bereits seit 1948 Präsidiumsmitglied im Kulturbund der DDR, übernahm W. mit der Gründung des Berliner Ensembles (BE) 1949 das Amt der Intendantin, das sie bis zu ihrem Tod innehatte. In der ersten Spielzeit verpflichtete sie Brecht als künstlerischen Leiter und Caspar Neher (1897–1962) als Ausstattungschef. Während der folgenden Jahre arbeitete sie neben ihrer Tätigkeit als Intendantin wieder als Sprecherin für Hörspiele sowie als Schauspielerin, u. a. in Inszenierungen und Filmen von Brecht, Egon Monk (1927–2007), Manfred Wekwerth (1929–2014), Angelika Hurwicz (1922–99), Lothar Bellag (1930–2001), Peter Palitzsch (1918–2004), Werner Hecht (1926–2017), Manfred Karge (* 1938), Matthias Langhoff (* 1941), Joachim Tenschert (1928–92) und Lothar Bellag (1930–2001). Gastspielreisen führten W. an alle großen Häuser Deutschlands, 1952 auch nach Warschau, Krakau und Lodz. 1953 erhielt das BE das Theater am Schiffbauerdamm zugesprochen; privat trennte sich W. vorübergehend – vermutlich von Mai bis Nov. – von Brecht. 1954 kandidierte sie erfolglos als Parteilose für die SED bei den Wahlen in Ost-Berlin, nachdem sie einen|Eintritt in die Partei zuvor abgelehnt hatte. Mit Gastspielen in Paris feierte sie 1954 und 1955 große Erfolge. Trotz des Todes von Brecht kurz zuvor führte W. Ende August bis Mitte Sept. 1956 eine triumphale Gastspielreise des BE nach London durch. Nach ihrer Rückkehr gründete sie privat das Bertolt-Brecht-Archiv (Anfang Dez. 1956 an die Ak. d. Künste übergeben) und trug dafür zahlreiche Materialien zusammen. Als Nachfolger Brechts berief sie Erich Engel als künstlerischen Leiter des BE, welches sie bis zu ihrem Tod in Brechts Sinne weiterzuführen vermochte.

    Als Schauspielerin wurde W. nach ihrer Zwangspause im Exil von Brecht, unter dem sie sich zur Protagonistin des epischen Theaters und nuanciertem realistischem Schauspiels entwickelte, sehr festgelegt auf Mutterrollen – nicht zuletzt durch Brechts spezifisches Repertoire. Besonders bekannt war sie für ihre tiefe und ausdrucksstarke Stimme sowie für ihre hervorragende Darstellung von proletarischen Frauen. Obwohl W. nicht direkt an Brechts Stücken mitarbeitete, hatte sie doch nachhaltigen weltanschaulich-politischen Einfluß auf ihn. Zeitlebens konkurrierte sie mit Brechts zahlreichen anderen Geliebten und Musen, blieb letztendlich aber immer die Frau an seiner Seite, die zeitweise die anderen Frauen und deren Kinder bei sich aufnahm und für sie sorgte. Durch ihr Organisationstalent, ihre Findigkeit in der Mittelbeschaffung und ihr entschlossenes Handeln entwickelte sich das BE unter ihrer Leitung zu einer der international erfolgreichsten Bühnen ihrer Zeit. Sie setzte sich auch für die Reorganisation der Schauspielschulen ein, um so den künstlerischen Nachwuchs zu sichern.

  • Auszeichnungen

    |Gründungsmitgl. d. Dt. Ak. d. Künste Berlin (1950);
    Nat.preis d. DDR (II. Kl., 1949 u. 1953, I. Kl., 1960);
    Internat. Stalin-Friedenspreis (1950);
    Clara-Zetkin-Medaille (1954);
    Ehrenmedaille d. Stadt Paris (1954);
    Ernst-Moritz-Arndt-Medaille (1957);
    Dt. Friedensmedaille (1958, in Gold, 1970);
    VVO (in Silber, 1959, in Gold, 1965);
    Mitgl. d. dt. Friedensrats (1958, Verdienstmedaille 1960);
    Prof.titel (1962);
    Ehrennadel d. Demokrat. Frauenbunds Dtld. (1962);
    Carl-v.-Ossietzky-Medaille (1963);
    Kunstpreis d. DDR (1965);
    Arthur-Becker-Medaille d. FDJ (1965);
    Preis b. 1. Internat. Festival d. Fernsehtheater in Sofia (1968);
    Stern d. Völkerfreundschaft in Silber (1970).

  • Werke

    Weitere Rollen u. a. Film: Arbeiterin, in: Metropolis (Regie: Fritz Lang), 1927;
    Theater: Grete, in: Hinkemann v. E. Toller (R: ders.), Volksbühne Berlin, 1927;
    Anna Fierling, in: Mutter Courage v. B. Brecht (R: ders.), Dt. Theater Berlin, 1949;
    Wlassowa, in: Die Mutter v. B. Brecht (R: ders.), BE, 1951;
    Theresa Carrar, in: Die Gewehre d. Frau Carrar v. B. Brecht (R: ders., Egon Monk), BE, 1952;
    Mitwirkung am Brecht-Abend Nr. 1 (R: Manfred Karge, Isot Kilian, Matthias Langhoff, Manfred Wekwerth), 1962;
    – umfassendes Rollenverz. 1919–1971, Diskogr. u. Filmogr. in: Hecht (s. L);
    Korr.: „Wir sind zu berühmt, um überall hinzugehen“, Briefwechsel 1935–1971, 2000;
    Nachlaß: H. W. Archiv im Bertolt-Brecht-Archiv, Ak. d. Künste Berlin.

  • Literatur

    |„Unerbittlich d. Richtige zeigend“, H. W. (1900–1971), Ausst.kat. red. v. H. Gutsche u. M. Gleis, Dresdner Bank, Berlin-Mitte/ Stiftung Archiv d. Ak. d. Künste, 2000 (P);
    W. Hecht, H. W., Eine gr. Frau d. 20. Jh., 2000 (P);
    S. Kebir, Abstieg in d. Ruhm, H. W., Eine Biogr., 2000 (P);
    H. W. in Fotogrr. v. V. Tenschert, 2000 (P);
    J. Wilke (Hg.), H. W. 100, The Brecht Yearbook 25, 2000;
    BHdE II;
    Munzinger;
    Theater-Lex., hg. v. H. Rischbieter, 1983;
    Kosch, Theater-Lex. (W, L);
    Wer war wer DDR;
    Hdb. österr. Autoren jüd. Herkunft;
    zu Ekkehard Schall: V. Tenschert, E. S., Von gr. Art, 2010 (P);
    Kosch, Theater-Lex.;
    Biogr. Hdb. SBZ/ DDR.

  • Porträts

    |Gem. v. R. Schlichter, 1928 (Lenbachhaus München), v. B. Heller, Öl/ Pappe, 1951 (Staatl. Kunstslgg. Dresden, Gal. Neue Meister), v. O. Niemeyer-Holstein, 1959 (Privatslg.);
    Graphik v. A. Mohr, Aquatintaradierung (Angermus. Erfurt);
    Skulptur „H. W. als Mutter Courage“ v. B. Schönfelder, 1960 (Kunstmus. Magdeburg);
    zahlr. Porträtphotogrr., Rollenbilder u. Szenenphotos u. a. v. V. Tenschert, G. Goedhardt, G. Stern, L. Strelow, H. Hill, R. Berlau, G. M. Siewert u. W. Saeger (Dumont-Lindemann-Archiv im Theatermus. Düsseldorf;
    Archiv d. Soz. Demokratie d. Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn;
    Bertolt-Brecht-Archiv, Ak. d. Künste Berlin;
    Archiv d. BE;
    Dt. Theatermus. München);
    – Brecht-W.-Gedenkstätte in Berlin-Mitte, Chausseestr. 125;
    Gedenktafel in Berlin-Charlottenburg-Wilmersdorf, Spichernstr. 16.

  • Autor/in

    Veronika Wagner
  • Zitierweise

    Wagner, Veronika, "Weigel, Helene" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 595-597 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118630091.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA