Lebensdaten
1876 – 1932
Geburtsort
Wien
Sterbeort
Pernitz (Niederösterreich)
Beruf/Funktion
Verfassungsrechtler ; österreichischer Bundeskanzler
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 11861293X | OGND | VIAF: 37709336
Namensvarianten
  • Seipel, Ignaz Karl
  • Seipel, Ignaz
  • Seipel, Ignaz Karl
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Zitierweise

Seipel, Ignaz, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11861293X.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Ignaz Karl (1841–1901), aus W., Fiaker in W., Portier im Fürsttheater im Prater, S d. Johann Baptist (1812–59), Beamter, Offizial b. d. k. k. Hof- u. niederösterr. Finanzprokuratur, u. d. Karoline Ebner, aus Penzing b. W., Weißnäherin;
    M Elisabeth (Elise) (1850–79), T d. Josef Zehentner, Häusler, Schiffsmann in Weitenegg/Donau (Niederösterr.), u. d. Elisabeth Neumüller;
    Stief-M 1884–85 Josefa (1835–85, 1] Josef Vonderhart [von der Haidt], 1828–82, Portier im Fürsttheater im Prater), aus Höflein/Donau, T d. Leopold Braunauer u. d. Anna Humpinger, seit 1885 Sophie (1837–1910, 1] Anton Bruno Thoma, 1884, Auskocher), T d. Adalbert Berska, Schneidermeister in Kozy (Galizien), u. d. Marianne Stafa;
    Ur-Gvv Franz (* 1773), Hausherr, Samtfabr. in W., Georg Ebner, Kattundruckergeselle in Meidling.

  • Biographie

    Nach Besuch der „Communal-Knaben-Volksschule Fünfhaus“ besuchte S. seit 1887 das Staatsgymnasium in Wien-Meidling (Matura 1895) und das Fürsterzbischöfl. Clerical-Seminar am Stefansplatz. Er |studierte anschließend an der Univ. Wien Theologie, u. a. bei Franz Martin Schindler (1847–1922). 1899 empfing er die Priesterweihe, 1903 erfolgte die Promotion sowie 1907 die Habilitation an der Univ. Wien, wo er zunächst als Privatdozent für Moraltheologie tätig war. 1909–17 wirkte S. als Professor für Moraltheologie in Salzburg, ab 1917 in Wien. Vom 27.10. bis 11.11.1918 fungierte S. als Minister für |soziale Fürsorge im letzten ksl. Ministerium unter Heinrich Lammasch (1853–1920), mit dem er aus Salzburger Zeiten befreundet war. S. war maßgeblich beteiligt an der Formulierung des Völkermanifests Ks. Karls vom 16.10.1918 und dessen Verzichtserklärung auf die Staatsgeschäfte. 1919/20 war S. Mitglied der Konstituierenden Nationalversammlung und exponierte sich als Vorkämpfer für eine österr. Verfassung sowie als stellv. Präsident einer Sozialisierungskommission. 1920–32 war er Abgeordneter zum Nationalrat, 1921–29 Obmann der Christlichsozialen Partei. Vom 31.5.1922 bis 20.11.1924 und vom 20.10.1926 bis 4.5.1929 amtierte er als Bundeskanzler, vom 30.9. bis 4.12.1930 als Außenminister.

    S., einer der wichtigsten Politiker der Ersten österr. Republik und als bedeutendster Exponent des politischen Katholizismus in Österreich Gegenspieler Otto Bauers (1881–1938), war parteipolitisch im christlich-sozialen Milieu fest verankert. 1922, während seiner ersten Kanzlerschaft, gelang es ihm – unter Zusage eines 20jährigen Anschlußverzichts und mit Zustimmung zu einer vierjährigen Kontrolle der österr. Staatsfinanzen durch den niederl. Völkerbundskommissär Alfred Rudolph Zimmerman| – mit Hilfe einer Anleihe des Völkerbunds von 650 Mio. Goldkronen, den Haushalt zu sanieren und einen Währungszerfall zu verhindern. Damit erreichte S. ein Ende der Nachkriegsinflation. Allerdings wurden die Realeinkommen reduziert und die Arbeitslosenquote stieg an. Am 1.6.1924 überlebte S. schwer verletzt ein Attentat des geistesverwirrten SpinnereiArbeiters Karl Jaworek und trat als Bundeskanzler zurück, fungierte aber weiter als Obmann des christlich-sozialen Parlamentsklubs. 1924–26 unternahm S. zahlreiche Vortragsreisen ins Ausland und war publizistisch tätig. Seine zweite Kanzlerschaft war vom Kampf gegen den „Austromarxismus“ und von der Ausgrenzung der Sozialisten (SDAP) geprägt. Im „Bürgerblock“ schlossen sich unter seiner Führung Christlichsoziale und Großdeutsche zu einer antimarxistischen Einheitsliste zusammen und errangen einen relativen Wahlsieg am 24.4.1927, wobei S. den Landbund in die Regierungskoalition einbeziehen konnte. S.s Politik stärkte nach dem Brand des Justizpalastes und dem Massaker an Arbeitern am 15.7.1927 in Wien antidemokratische und faschistische Kräfte wie die Heimwehrbewegung. Am 16.7.1929 trat er in einer Rede an der Univ. Tübingen vor kath. Studenten für die „Heimwehr“ als „Volksbewegung“ zur Befreiung der Demokratie von der „Parteienherrschaft“ ein. S. wurde, ausgehend von den „Arbeitermorden“ des Juli 1927, zum Feindbild der Sozialdemokratie, die ihn als „Prälat ohne Milde“ titulierte. Er geriet unter zunehmenden innenpolitischen Druck und trat erneut zurück. Vom 30.4. bis 4.11.1930 war er Außenminister im Kabinett von Carl Vaugoin (1873–1949). S.s Vorschlag zur Bildung einer großen Koalition 1930 wurde von der SDAP zurückgewiesen. Seine außenpolitische Haltung blieb zwiespältig. Sie bewegte sich zwischen der Hoffnung auf Selbständigkeit Österreichs und der öffentlich geäußerten Auffassung, daß|keine Kombination ohne Deutschland möglich sei. Damit ließ er die „Anschlußfrage“ als eine mögliche Option erscheinen, blieb jedoch der österr. Staatlichkeit im Kontext Mitteleuropas verpflichtet. Das Anschlußverbot der Siegermächte nahm er in Kauf. S. trat zuletzt, zunehmend unzufrieden mit der bestehenden Regierungsform, für eine christliche und berufsständische Ordnung mit einer autoritär-präsidialen Herrschaftsform ein. Sein Wunsch, als Bundespräsident zu kandidieren, wurde 1931 von seiner Partei nicht mehr unterstützt.

  • Auszeichnungen

    Prälat (1921); Dr. iur. h.c. (Wien 1931);
    Dr.-I.-S.-Ring, Wien (1934–40 u. 1945–49);
    Dr.-I.-S.-Platz, Wien (seit 1949).

  • Werke

    Die wirtschaftseth. Lehren d. Kirchenväter, 1907;
    Nationalitätenprinzip u. Staatsgedanke, 1915;
    Nation u. Staat, 1916;
    Soz. Frage u. soz. Arb., 1917;
    Reden in Österr. u. anderswo, hg. v. J. Geßl, 1926;
    Der Kampf um d. österr. Vfg., 1930;
    Der christl. Staatsmann, 1931;
    Gespräche, hg. v. A. M. Knoll, 1932;
    Tagebuch, 1933;
    Der Friede, 1937;
    Im Dienst d. Wortes, 1955 (Predigtslg.).

  • Literatur

    L G. Ladner, S. als Überwinder d. Staatskrise v. Sommer 1922, Nachdr. 1964;
    R. Blüml, Prälat Dr. I. S., Ein gr. Leben in kleinen Bildern, 1933;
    F. Riedl, Kanzler S., Ein Vorkämpfer volksdt. Denkens, 1935;
    E. K. Winter, I. S. als dialekt. Problem, 1966;
    V. Reimann, Zu groß f. Österr., S. u. Bauer im Kampf um d. Erste Rep., 1968;
    K. v. Klemperer, I. S., Staatsmann e. Krisenzeit, 1976;
    F. Rennhofer, I. S., Mensch u. Staatsmann, 1978;
    L. Reichhold, I. S., Die Bewahrung d. österr. Identität, 1988;
    W. Rauscher, I. S., Eduard Beneš u. d. Mitteleuropagedanke in d. österr.-tschechoslowak, Beziehungen 1917–29, in: MÖStA 43 1993, S. 342–65;
    BBKL IX;
    Kosch, Lit.-Lex.³;
    Hist. Lex. Wien;
    ÖBL (L); Mitt. v. Michaela Sohn-Kronthaler, Graz.

  • Porträts

    P Büste v. J. Engelhart, 1950 (Wien, Arkadenhof d. Univ.), Abb. in: Th. Maisel, Gelehrte in Stein und Bronze, 2007, S. 56, Nr. 51;
    Relieftafel (Wien, Karl v. Vogelsang-Inst.).

  • Autor/in

    Michael Gehler
  • Zitierweise

    Gehler, Michael, "Seipel, Ignaz" in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 196-197 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11861293X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA