Lebensdaten
1894 – 1939
Geburtsort
Schwabendorf bei Brody (Galizien)
Sterbeort
Paris
Beruf/Funktion
Journalist ; Schriftsteller
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 118603140 | OGND | VIAF: 56615783
Namensvarianten
  • Roth, Moses Joseph
  • Cuneus (Pseudonym)
  • Hamilkar (Pseudonym)
  • mehr

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Zitierweise

Roth, Joseph, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118603140.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Nachum ( vermutl. 1910), Getreide- u. Holzhändler in Galizien;
    M Maria Grübel (um 1872–1922);
    Wien 1922 Friederike (1900–um 1940), T d. Selig (Siegmund) Reichler u. d. Jente (Jenny) Torczyner; kinderlos.

  • Biographie

    Der in ärmlichen Verhältnissen nahe der österr.-ungar. Grenze zu Rußland aufgewachsene R. besuchte das Gymnasium in Brody, wo er eine primär dt.sprachige humanistische Bildung erhielt. Seit Herbst 1913 studierte er dt. Literatur und Philosophie an der Univ. Lemberg, seit 1914 in Wien, schloß das Studium jedoch nicht ab. 1916-18 leistete er|freiwilligen Kriegsdienst, zumeist in Galizien stationiert und mit journalistischen Aufgaben betraut. Anschließend arbeitete R. als Journalist, u. a. für „Die Filmwelt“, in Wien. Für „Der neue Tag“ schrieb er 1919/20 rund 140 Artikel, Berichte und Feuilletons. Die ambitionierte linke Zeitung verfügte mit Autoren wie Alfred Polgar, Arnold Höllriegel, Egon Erwin Kisch u. a. über ein prominent besetztes Feuilleton, das für R. eine Schule der Vielseitigkeit und des sicheren Schreibens wurde. Als „Der neue Tag“ eingestellt wurde, übersiedelte R. nach Berlin und arbeitete u. a. für die „Neue Berliner Zeitung“, das „12-Uhr-Blatt“, den „Berliner Börsen-Courier“ und den „Vorwärts“. Seit 1924 war er freier Mitarbeiter für die „Frankfurter Zeitung“ – sein vorrangiges Publikationsorgan –, 1929/30 zwischenzeitlich für die zahlungskräftigen „Münchner Neuesten Nachrichten“. R. erreichte rasch Berühmtheit und hohe Honorare für seine sozial engagierten Artikel. Es erschienen Reiseberichte in Fortsetzungen aus Polen, Deutschland, Frankreich, der Sowjetunion, Albanien und Italien. Dem düsteren Bild der wachsenden politischen Rechten setzte R. den strahlend hellen Eindruck franz. Lebens gegenüber, so etwa 1925 in der Artikelserie „Im mittäglichen Frankreich“ (wieder in: Die weißen Städte, 1956). Seine Warnungen vor dem Faschismus in Deutschland und Italien brachten den Autor in Konflikt mit der Zeitung. Von einer fünfmonatigen Reise in die Sowjetunion 1926 kehrte R. desillusioniert zurück; seine Hoffnungen auf demokratische Entwicklungen in Europa waren geschwunden. Zur politischen Enttäuschung kam privates Unglück: Seine Frau wurde psychisch krank und seit den späten 20er Jahren pflegebedürftig. Sie starb 1940 als Opfer der nationalsozialistischen Morde an Geisteskranken. 1933 emigrierte R. nach Paris, wo er radikal antifaschistische Texte für dt.sprachige Zeitungen und Zeitschriften in Frankreich (Pariser Tagesztg.) und Österreich (Der christl. Ständestaat) schrieb – einige mit aus verklärender Distanz entstandener monarchistischer Tendenz.

    R.s erster Roman, „Das Spinnennetz“, erschien 1923 in Fortsetzungen in der Wiener „Arbeiter-Zeitung“. Thema auch der nächsten Werke war die politische und soziale Labilität der gescheitert aus dem Krieg zurückgekehrten Generation, die dem wirtschaftlichen Wettbewerb nicht gewachsen war bzw. den Verführungen rechtsradikaler Agitatoren anheim fiel. Eine besondere Bilanz der eigenen Geschichte und beobachteten Erlebens ist der Essay „Juden auf Wanderschaft“ (1927). R. charakterisierte hier die Gegensätze zwischen Ost- und Westjudentum, die möglichen Stadien der Angleichung an die westeurop. Kultur. R. rechnete in den 20er Jahren mit einer weitgehenden Assimilation der Juden und lehnte den Zionismus als „Totengräber“ ostjüd. Werte ab.

    Berühmt wurde R. mit dem Roman „Hiob“ (1930). Die Frage nach der Gerechtigkeit Gottes wird im Gegensatz zwischen der leidvollen ostjüd. Existenz und den guten Chancen jüd. Auswanderer in Nordamerika dargestellt. Noch größeren Erfolg erreichte „Radetzkymarsch“; von Herbst 1932 bis Jan. 1933 erschienen fünf Auflagen. In einer über mehrere Generationen sich entwickelnden Geschichte wird Rückschau auf die österr.-ungar. Monarchie gehalten, wobei R. das Interesse weniger auf den politischen Niedergang als auf das Brüchigwerden der charakterlichen Stärke und Integrität der Menschen lenkt. Als Epilog auf den neuen Staat Österreich, seine geschichtsträchtige Vergangenheit und Auflösung folgte 1938 der Roman „Die Kapuzinergruft“. Während der Autor die Geschichte seiner Kindheit unvollendet ließ (Erdbeeren), siedelte er einige unter Ökonom. Druck rasch geschriebene Werke im jüd. charakterisierten Osteuropa an: „Tarabas“ (1934), „Die Büste des Kaisers“ (1935), „Beichte eines Mörders“ (1936), „Das falsche Gewicht“ (1937), „Der Leviathan“ (postum 1940). Damit zählt er zu den wichtigsten Schilderern des seither weitgehend vernichteten Ostjudentums, dem er liebevoll, bildhaft und wehmütig in einer einfachen, „faktischen“ Sprache ideelles Überleben verschaffte. „Die Geschichte von der 1002. Nacht“ (1939) entwickelt ein Sittenbild kleiner und größerer Leute in der Hauptstadt der k. u. k. Monarchie, rund um den Besuch eines oriental. Potentaten.

    In seinen letzten Jahren wurde der alkoholkranke R. von reichen Freunden wie Stefan Zweig (1881–1942) und von Exil-Hilfsorganisationen unterstützt. Auch wenn die Romane R.s Publikumserfolge ausmachten – fast alle wurden verfilmt –, darf das gleich umfangreiche journalistische Werk nicht unterschätzt werden. In beiden Genres zeichnete R. bildhafte, intensive Darstellungen von historischer und soziologischer Genauigkeit.

  • Werke

    Werke, I-III: Das Journalist. Werk, hg. v. K. Westermann, IV-VI: Romane u. Erzz., hg. v. F. Hackert, 1989-91;
    Unter d. Bülowbogen, Prosa z. Zeit, hg. v. R.-J. Siegel, 1994. – Briefe: Briefe 1911-1939, hg. v. H. Kesten, 1970;
    „Aber d. Leben marschiert weiter u. nimmt uns mit“. Der Briefwechsel zw. J. R. u. d.|Verlag De Gemeenschap, 1936–1939, hg. v. Th. Bijvoet u. M. Rietra, 1991;
    Bibliogr.:
    R.-J. Siegel, J.-R.-Bibliogr., 1994;
    Personalbibliogrr. österr. Dichter;
    |

  • Nachlass

    Nachlaß: LBI, New York; Dt. Lit.archiv, Marbach; Dok.stelle f. neuere österr. Lit., Wien.

  • Literatur

    D. Bronsen, J. R., 1974 (P);
    B. Eckert u. W. Berthold, J. R., 1894-1939, Ausst. d. Dt. Bibl. Frankfurt a. M., 1979 (P);
    H. Nürnberger, J. R. mit Selbstzeugnissen u. Bilddok., 1981 (P);
    H. Lunzer u. V. Lunzer-Talos, J. R., Leben u. Werk in Bildern, 1994 (P);
    diess., J. R., 1894-1939, Kat. d. Dok.stelle f. neuere österr. Lit. z. Ausst. d. Jüd. Mus. d. Stadt Wien, 1994/1995, 1994 (P);
    F. J. Eggers, „Ich bin e. Katholik mit jüd. Gehirn“, Modernitätskritik u. Rel. b. J. R. u. Franz Werfel, 1996;
    Dt. Exil-Lit., 1970;
    Enc. Jud. 1971;
    W. Benz u. H. Graml (Hg.), Biogr. Lex. z. Weimarer Rep., 1988;
    Ostdt. Gedenktage, 1994, S. 150-54 (P);
    ÖBL;
    Kosch, Lit.-Lex.³;
    BHdE II;
    Metzler Lex. d. dt.-jüd. Lit.;
    Hist. Lex. Wien;
    Killy;
    U. Greiner, in: J. Jung (Hg.), Die gr. Österreicher. ²1998, S. 332-54.

  • Porträts

    2 Zeichnungen v. M. Blossma, 1938, Abb. b. H. Lunzer u. V. Lunzer-Talos (s. L), S. 249, 272;
    Karikaturen v. B. Spira, ebd., S. 269.

  • Autor/in

    Heinz Lunzer, Victoria Lunzer-Talos
  • Zitierweise

    Lunzer, Heinz; Lunzer-Talos, Victoria, "Roth, Joseph" in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 114-116 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118603140.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA