Lebensdaten
1878 – 1965
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
Göttingen
Beruf/Funktion
Philosoph ; Professor der Philosophie in Göttingen
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118582720 | OGND | VIAF: 61673036
Namensvarianten
  • Misch, Georg
  • Langen, Peter
  • Misch, G.
  • mehr

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Zitierweise

Misch, Georg, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118582720.html [23.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Markus, Kaufm. in B., vermutl. E d. aus Posen stammenden Kaufm. Levin Misch;
    M Flora Rath;
    Berlin-Charlottenburg 1908 Clara (1877–1967), T d. Wilhelm Dilthey (1833–1911), Philosoph (s. NDB III), u. d. Martha Katharina Püttmann (1854–1932);
    1 S, 2 T, u. a. Peter Hans (* 1909), Prof. d. Geol. an d. Univ. of Washington in Seattle (s. BHdE II).

  • Biographie

    M. studierte seit 1896/97 in Berlin Philosophie und Jurisprudenz, promovierte dort 1900 bei W. Dilthey mit der Arbeit „Zur Entstehung des franz. Positivismus“, die mit dem Jahrespreis der Berliner Akademie ausgezeichnet wurde und in Anlage und Zielsetzung der geistesgeschichtlichen Methode Diltheys verpflichtet ist, und wurde 1905 Privatdozent. Er unternahm 1908/09 eine Studienreise nach Japan, China und Indien. 1911 erhielt er einen Ruf als Extraordinarius an die Univ. Marburg, 1917 an die Univ. Göttingen als Nachfolger Edmund Husserls (o. Prof. 1919). Seit 1923 war er o. Mitglied der Göttinger Gesellschaft der Wissenschaften. 1933 als Jude aufgrund des „Reichsbürgergesetzes“ in den Ruhestand versetzt, emigrierte er 1939 nach England. Dort hielt er sich – ohne eine feste Anstellung zu finden – bis 1943 in Cambridge, dann, mit bibliothekarischen Arbeiten beschäftigt, in Halderden (chester) auf. 1946 kehrte er an die Univ. Göttingen zurück und wurde im selben Jahr aus Altersgründen emeritiert.

    M.s enge Bindung an Dilthey zeigt sich nicht nur in der Übernahme der Methode, sondern auch in der Herausgabe der Werke Diltheys und in zahlreichen Veröffentlichungen zu seiner Philosophie. Besonders zu nennen ist die umfassende Einleitung zum 5. Band der „Gesammelten Werke“ von Dilthey (1924, ⁴1964) und das philosophische Hauptwerk „Lebensphilosophie und Phänomenologie“ (1930, ²1931). In diesem Werk setzt M. sich mit den philosophischen Konzeptionen der Phänomenologie und Existenzphilosophie auseinander und arbeitet deren Übereinstimmung und Unterschied heraus, indem er das Verhältnis der Philosophie zur Wissenschaft genauer faßt. Im Einklang mit beiden Richtungen setzt er die Philosophie von den Wissenschaften ab, da diese nicht ausschließlich rationalen Kräften, sondern dem Lebenszusammenhang des ganzen denkend-wollendhandelnden Menschen entstammt. Gegenüber den Vertretern der Phänomenologie und Existenzphilosophie läßt er jedoch auch die „aufklärerische“ Komponente in der Philosophie zur Geltung kommen, so daß diese als die Verbindung zweier heterogener Lebensquellen erscheint, die durch einen „Sprung“ vereinigt werden. In diesem Sinn spricht M. auch von einem Zusammengehen von Skepsis und Enthusiasmus.

    M.s Erfahrungen auf seiner Asienreise prägten seine Auffassung von der geschichtlichen Entwicklung der Philosophie in „zwei Gängen“, wonach im ersten Gang zunächst in Ostasien und Indien sowie in Griechenland bei den Vorsokratikern eine sachbezogene Theorie entstanden ist. während in einem zweiten, beginnend mit Sokrates und Plato, durch die Entwicklung der Selbstreflexion die Philosophie auf wissenschaftlicher Grundlage errichtet wurde. Diese beiden Entwicklungslinien spiegeln sich in seinem Philosophiebegriff wider, den er gegen Phänomenologie und Existenzphilosophie entwickelt hat. Er fand seinen deutlichsten Ausdruck in dem 1926 erschienenen Werk „Der Weg in die Philosophie“, in dem er die griech. Philosophie im Vergleich mit der indischen und chines. bestimmt und die einfachen Weltreligionen (z. B. Vedismus) von den „spezifischen“ (Christentum, Judentum, Islam) unterscheidet.

    Im Anschluß an seine Promotion hatte M. mit Studien zur Autobiographie begonnen, die ihn sein ganzes Leben beschäftigten, aber von ihm selbst nicht zu Ende geführt werden konnten. Der Berliner Akademie legte er 1904 ein dreibändiges Manuskript vor, das jedoch nicht veröffentlicht wurde. 1907 erschien der erste Band einer „Geschichte der Autobiographie“, der das Altertum umfaßt (1930, stark vermehrt 1950 in 2 Teilbänden). Zuletzt wurde von ihm 1962 der 2. Teil des 3. Bandes herausgegeben, der das Frühmittelalter behandelt. Für seine Studien zur Autobiographie ist die Entwicklung einer Theorie der Persönlichkeit von größter Bedeutung. Persönlichkeit ist für M. etwas geschichtlich Gewordenes, das Gestaltungskraft und Sittlichkeit vereinigt. M. unterscheidet die von äußeren Mächten wie Religion und Gesellschaft geprägte Persönlichkeit, von der, die ihre Einheit aus sich selbst gewinnt. Er nennt die erste „organisch“, die zweite „morphologisch“. – Der gesamte philosophische Ansatz M.s ist von dem Gedanken einer Dichotomie bestimmt, die sich sowohl in den beiden Wurzeln der Philosophie, wie in ihrem doppelten „Gang“ und in der zweifachen Quelle der Persönlichkeit ausdrückt.

  • Werke

    Weitere W u. a. Von d. Gestaltungen d. Persönlichkeit, in: Weltanschauung, 1911;
    Der Weg in d. Philos., 1926, ²1950;
    Gesch. d. Autobiogr. IV, T. 1/2, 1967/68. |

  • Nachlass

    Nachlaß: Staats- u. Univ.bibl. Göttingen.

  • Literatur

    E. Weniger, Sämtl. Veröff. v. G. M., in: Archiv f. Philos. 8, 1958, S. 172-77;
    J. König, G. M. als Philosoph, 1967 (W-Verz.);
    O. F. Bollnow, Zur Hermeneutik u. Logik v. G. M. u. H. Lipps, 1982;
    H.-J. Dahms, Aufstieg u. Ende d. Lebensphilos., Das philos. Seminar d. Univ. Göttingen unter d. Nationalsozialismus, 1987, S. 169-99 (bes. 173-75);
    F. Rodi, Hermeneut. Logik im Umfeld d. Phänomenol., G. M., H. Lipps, G. Spet, in: ders., Erkenntnis d. Erkannten, 1990, S. 147-67 (bes. 151-58);
    F. Kümmel, Josef König, Versuch e. Würdigung seines Werks, in: Dilthey-Jb. 7, 1990/91, S. 166-208, bes. 186-92;
    Ziegenfuß;
    Kosch, Lit.-Lex.³;
    BHdE II.

  • Autor/in

    Günther Pflug
  • Zitierweise

    Pflug, Günter, "Misch, Georg" in: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 559-560 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118582720.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA