Lebensdaten
1894 – 1971
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
München
Beruf/Funktion
Philosoph ; Publizist
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 118577646 | OGND | VIAF: 14805567
Namensvarianten
  • Marcuse, Ludwig
  • Marcuse, L.
  • Marcuse, Ludvík
  • mehr

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Zitierweise

Marcuse, Ludwig, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118577646.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Carl (1847–1922), Hutfabr. in B., aus Ostpreußen;
    M Paula N.N. (1864–1942);
    Frankfurt/M. 1928 Erna (Sascha) Reich ( 1967).

  • Biographie

    M. studierte nach dem Abitur am Friedrichswerderschen Gymnasium 1913-17 in Berlin und Freiburg (Sommersemester 1914) Philosophie sowie Mathematik, Geschichte und Literaturwissenschaft u. a. bei Cassirer, Rickert, Riehl, Simmel und Troeltsch. Im August 1914 meldete er sich als Kriegsfreiwilliger, wurde jedoch wegen einer Herzschwäche vom Kriegsdienst freigestellt. Im Mai 1917 erfolgte seine Promotion bei Troeltsch, bei dem er bis zu dessen Tod 1923 Assistent war. Zu Beginn der 20er Jahre verfaßte M. einen Roman „Klaus und Katharina“, der jedoch von mehreren Verlagen wegen seiner Gesellschaftskritik abgelehnt wurde und unveröffentlicht blieb. 1923-33 betätigte er sich, zeitweise unter Verwendung des Pseudonyms „Heinz Raabe“, als freier Schriftsteller und Journalist. Er schrieb u. a. für das Berliner Tageblatt, die Vossische Zeitung, das „Tagebuch“ und die „Weltbühne“; beim Frankfurter Generalanzeiger leitete er 1925-29 die Feuilletonredaktion.

    Am 28.2.1933, dem Tag nach dem Reichstagsbrand, emigrierte M. aus Deutschland: Zunächst reiste er nach Cros de Cagnes in Südfrankreich, wenige Wochen später nach Sanary-sur-Mer, wo er bis 1939 in der Nachbarschaft anderer Emigranten wie Feuchtwanger, Meier-Graefe und Schickele lebte. Während der franz. Emigration schrieb er Beiträge für die in Paris erscheinenden Zeitschriften „Tageblatt“, „Neues Tage-Buch“ und „Cahiers Bleus“ sowie für „Die Sammlung“ (Amsterdam) und die „Europ. Hefte“ (Prag). Als Teilnehmer des 1. Internationalen Kongresses der Schriftsteller zur Verteidigung der Kultur im Juni 1935 in Paris hielt er einen Vortrag zum Thema „Der Fall Humanismus“ (veröff. in: Neues Tage-Buch 29, 1935). 1936/37 besuchte M. gemeinsam mit Feuchtwanger für mehrere Monate auf Einladung des sowjet. Schriftstellerverbandes die UdSSR mit Aufenthalten in Moskau, Leningrad und der Ukraine. Das vor Reisebeginn von den Sowjet. Kulturbehörden ausgesprochene Angebot, die Redaktion der Moskauer deutschen Zeitschrift „Das Wort“ zu übernehmen, wurde wieder zurückgezogen. Maßgeblicher Grund dafür war die Kritik M.s an den von der Stalin-Diktatur geprägten politischen Verhältnissen in der UdSSR, die er freimütig bei verschiedenen Begegnungen mit Sowjet. Schriftstellern und politischen Funktionären übte. Seine tiefe Skepsis gegen jede Form von ideologischem Dogmatismus veranlaßte ihn insbesondere angesichts der in jenen Monaten stattfindenden Schauprozesse gegen antistalinistische Trotzkisten zu heftigem Widerspruch gegen das als menschenverachtend erkannte politische System. Nach der Rückkehr aus der UdSSR arbeitete M. für die in Paris erscheinende Emigrantenzeitschrift „Zukunft“, deren Herausgeber er 1938 in Zusammenarbeit mit Arthur Koestler und Willy Münzenberg wurde.

    Nachdem bereits 1937 durch Veröffentlichung im Reichsanzeiger vom 27.10. die offizielle Ausbürgerung aus Deutschland erfolgt war, wanderte M. im März 1939 angesichts der drohenden Kriegsgefahr in Europa von Frankreich in die USA aus. Nach einem mehrwöchigen Aufenthalt in New York ließ er sich in Beverly Hills nieder. In den folgenden Jahren bestritt er seinen Lebensunterhalt weitgehend durch schriftstellerische und Vortragstätigkeiten, seit 1942 u. a. als Autor von Rundfunkskripten für das Office of War Information. 1945 erhielt M. die amerikan. Staatsbürgerschaft, im Dezember desselben Jahres wurde er zum Associate Professor, 1947 zum Professor für Philosophie und deutsche Literatur an der University of Southern California, Los Angeles, ernannt. Zwischen 1949 und 1960 besuchte M. bei seinen fast jährlichen Auslandsreisen mehrmals Deutschland, wo er u. a. im September 1952 in Hamburg und im Juni 1956 in Berlin Vorträge über deutsch-amerikan. Themen hielt. Im Sommersemester 1960 übernahm er eine Gastprofessur an der Univ. Frankfurt mit einer Vorlesung über die Lyrik Heinrich Heines und einem Seminar über die Essayistik Heinrich Manns. Nachdem M. 1961 von der University of Southern California emeritiert worden war, kehrte er 1962 nach Deutschland zurück und lebte bis zu seinem Tod in Bad Wiessee (Oberbayern).

    Neben seiner vielseitigen journalistischen Tätigkeit trat M. als Autor von Biographien, geistesgeschichtlichen Analysen und Essays sowie philosophischen Schriften hervor. Keiner philosophischen Denk- oder Schulrichtung verpflichtet, vertritt er einen skeptischen Rationalismus, der, unsystematisch aus Methode, auf eine Erhellung der Menschengeschichte, nicht der Ideengeschichte“ („Mein 20. Jahrhundert“) gerichtet ist. Bereits die Dissertation von 1917 gibt das Thema der späteren Arbeiten an: Es geht M. um einen Nachweis der „Individualität als Wert“, mit der er stets den konkreten Menschen in seinen vielfältigen Lebensbezügen verbindet. Der Mensch als Paradigma der Menschheit oder als Ideenträger gilt ihm wenig: „Die Menschheit ist nichts, der Mensch ist alles“ („Nachruf auf Ludwig Marcuse“). Mit streitbarer Polemik und in heftigen geistigen Auseinandersetzungen mit dogmatischen Denkern wie Ernst Bloch verteidigt M. das Recht des einzelnen gegenüber der Gesellschaft, welches sich seiner Überzeugung nach konkretisiert in privatem Glück und einem geglückten Leben|.

  • Auszeichnungen

    Mitgl. d. PEN-Clubs (1951), Korr.Mitgl. d. Dt. Ak. f. Sprache u. Dichtung in Darmstadt (1958).

  • Werke

    Weitere W u. a. Die Individualität als Wert u. d. Philos. Friedrich Nietzsches, Diss. Berlin 1917;
    Georg Büchner, 1922;
    Strindberg, 1922;
    Die Welt d. Tragödie, 1923;
    Revolutionär u. Patriot, Das Leben Ludwig Börnes, 1929, erweitert u. d. T. Börne, Aus d. Frühzeit d. dt. Demokratie, 1968;
    Heinrich Heine, 1932 (auch engl., hebr.);
    Soldat d. Kirche, Das Leben d. Ignatius v. Loyola, 1935 (auch engl., franz., portug.), Neuausg. u. d. T. Ignatius v. Loyola, 1973;
    Der Philosoph u. d. Diktator, Plato u. Dionys, 1950 (auch engl.), erweitert u. d. T. Plato u. Dionys, 1968;
    Philosophie d. Glücks, 1949 (auch holländ.), 1964, erweitert 1972;
    Pessimismus, 1953 (auch span., holländ.), erweitert u. d. T. Unverlorene Illusionen, Pessimismus – e. Stadium d. Reife, 1965;
    Sigmund Freud, 1956 (auch ital., holländ., span., portug.);
    Amerikan. Philosophieren, 1959 (auch franz., span.);
    Heinrich Heine in Selbstzeugnissen u. Bilddokumenten, 1960;
    Mein 20. Jh., 1960 (Autobiogr.);
    Obszön, 1962 (auch engl., holländ.);
    Das denkwürdige Leben d. Richard Wagner, 1963;
    Aus d. Papieren e. bejahrten Philos.-Studenten, 1964, Neuausg. u. d. T. Meine Gesch. d. Philos., 1981;
    Argumente u. Rezepte, 1967;
    Nachruf auf L. M. 1969. -
    Hrsg.: Gerhart Hauptmann u. sein Werk, 1923;
    Welt-Lit. d. Gegenwart, 2 Bde., 1924;
    Heinrich Heine, Lyrik, 1962;
    Ein Panorama europ. Geistes, Texte aus 3 Jahrtausenden, 3 Bde., 1975. -
    Briefwechsel: Briefe v. u. an L. M., hrsg. u. eingel v. H. vom Hofe, 1975.

  • Literatur

    R. Biedrzynski, Abrechnung, in: Stuttgarter Ztg. v. 7.2.1969 (P);
    H. Schönenbeck, L. M., Skepsis als Lebenselixier, in: interpress kultur v. 31.1.1969 (P);
    M. Reich-Ranicki, Ein konservativer Anarchist, in: Die Zeit v. 20.8.1971;
    ders., L. M., in: Frankfurter Hh. 28, 1973, S. 820-26;
    H. Schwab-Felisch, Fröhliche Wiss., in: Frankfurter Allg. Ztg. v. 11.8.1971;
    W. Weyrauch, Gedenkwort f. L. M., in: Dt. Ak. f. Sprache u. Dichtung Darmstadt. Jb. 1971, 1972, S. 116-18;
    W. Ross, Blick zurück aufs Exil, in: Merkur 29, 1975, S. 1184-87;
    K.-U. Fischer, L. M.s schriftsteiler. Tätigkeit im franz. Exil, 1976;
    ders., Von Wagner zu Hitler, in: Tribüne 16, 1977, S. 50-54;
    R. W. Leonhardt, Ein Mensch als Philosoph, in: Die Zeit v. 2.2.1984 (P);
    L. M., Werk u. Wirkung, hrsg. v. D. Lamping, 1987 (L);
    Kunisch-Wiesner;
    BHdE II, 2;
    Kosch. Lit.-Lex.³;
    Rhdb. (P).

  • Autor/in

    Klaus-Werner Segreff
  • Zitierweise

    Segreff, Klaus-Werner, "Marcuse, Ludwig" in: Neue Deutsche Biographie 16 (1990), S. 140-141 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118577646.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA