Lebensdaten
1762 – 1836
Geburtsort
Langensalza (Thüringen)
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Mediziner ; Physiologe ; Professor für Arzneimittellehre und Gerichtsmedizin in Bonn
Konfession
lutherisch
Normdaten
GND: 118554514 | OGND | VIAF: 54281342
Namensvarianten
  • Hufeland, Wilhelm
  • Hufeland, Christoph Wilhelm
  • Hufeland, Wilhelm
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Zitierweise

Hufeland, Christoph Wilhelm, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118554514.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Joh. Friedrich (1730–87), Dr. med., seit 1765 in Weimar, Geh. Hofrat u. 1. Leibmedikus, S d. Joh. Christoph (1695–1767), Dr. med., Arzt u. Bgm. in Tennstedt, dann Hofrat u. 1. Leibmedikus in Weimar, u. d. Victoria Müller;
    M Dorothea Amalia (1737–82), T d. Joh. Andreas Pentzig, Vizebgm. u. Stadtrichter, dann fürstl. Rat u. Kammerkonsulent in Weimar, Amtmann zu Berka, u. d. Joh. Agathe Limbach aus Coburg;
    Ur-Gvv Polykarp Elias (1665–1714), aus Tennstedt, Pfarrer in Stolp/Pommern, Gründer e. Armenschule, Joh. Caspar Müller (1675–1753), Dr. med., Hofrat u. Leibmedikus in Weimar;
    Groß-Ov Daniel (1701–69), Großkaufm. u. Senator in Danzig, Carl Gotthelf Müller (1717–60), Prof. d. Theol. u. Dichtkunst in Jena (s. ADB 22), Friedrich Gottlieb Müller (1721–72), Dr. med., Hofrat u. Leibmedikus in Weimar; Ov (S d. Daniel) Gottlieb (1760–1817), Prof. d. Rechte in Jena, dann in Landshut u. Halle (s. L);
    B Friedrich (1774–1839), seit 1812 Prof. d. Med. in B., Vertreter d. Mesmerismus, dem auch überwiegend s. Veröff. galten (u. a. Über Sympathie, 1811), seit 1827 Mitredakteur d. „Berliner Jbb. f. wiss. Kritik“ (s. ADB 13; BLÄ);
    Schw Amalie ( 1] 1786 Heinrich Osann, 1753–1803, hzgl. Rat, 2] 1815 Christian Gottlob v. Voigt, 1819, Staatsmin. in Weimar); Cousine (T d. Gottlieb) Therese (⚭ Ludwig Döderlein, 1663, klass. Philol., s. NDB IV);
    - 1) Weimar 1787 ( 1807/08) Juliana (1771–1845, 2] Ernst Bischoff, 1781–1861, Prof. d. Pharmakol. in Bonn [s. NDB II*; BLÄ]), T d. Pastors Hieronymus Gotthilf Amelung in Pfungstadt u. d. Helene Juliane Thon, 2) Berlin 1815 Helene (1777–1862, Cousine 2. Grades), T d. Jacob Elias Troschel, Archidiakon a. d. Petrikirche in B., u. d. Franziska Sophie Becker;
    1 S, 6 T aus 1), u. a. Eduard (1790–1849), Dr. med., Gutsbes., Landrat v. Schweidnitz/Schlesien, Wilhelmine ( Alexander v. Stourdza), Julie ( Emil Osann, 1787–1842, Prof. d. Med. u. Dir. d. Poliklinik in B., s. ADB 24);
    N Friedrich Osann (1794–1858), Prof. d. klass. Philol. u. Archäol. in Gießen, Gottfried Osann (1796–1866), Prof. d. Chemie u. Physik in Würzburg (s. ADB 24; Pogg. II, III); N d. 1. Ehefrau Ludwig Franz Amelung ( 1849), Psychiater (s. NDB I).

  • Biographie

    H.s Leben fällt in eine stürmische Zeit der Heilkunde: Ihre alten Lehren sind durch die Aufklärung brüchig geworden, doch nur allmählich entwickelt sich eine naturwissenschaftlich begründete Medizin. Diese Unsicherheit verleitet zur Flucht in die Spekulationen einer neuen Naturphilosophie, in rascher Folge entstehen „Systeme“, welche die Vielfalt medizinischer Probleme von einem Punkt aus lösen wollen. In Deutschland ist diese Entwicklung zeitlich mit den geistigen Bewegungen des klassischen Idealismus und der Romantik verbunden, sie verläuft außerdem parallel zu den tiefgreifenden politischen Umwälzungen, die Europa damals erschütterten.

    Auch H. ist vom einen wie vom anderen nicht unberührt geblieben. In seiner Jugend in Weimar wurden ihm eine gründliche klassische Bildung und religiöse Grundsätze im Sinn eines aufgeklärten Pietismus vermittelt. Nach dem Schulabschluß bezog er im Frühjahr 1780 die Univ. Jena und wurde hier von J. Ch. Loder in die Anatomie eingeführt. Vielleicht auf dessen Rat wechselte er ein Jahr später nach Göttingen, wo ihn sein anatomischer Lehrer Blumenbach zur gründlichen Naturbeobachtung anleitete und ihm als Schöpfer des Begriffes vom „Nisus formativus“ eine vitalistische Auffassung der physiologischen Vorgänge vermittelte, die noch von Hallers Entdeckungen über Sensibilität und Irritabilität bestimmt war. E. G. Baidinger und vor allem A. G. Richter verdankte er „die vorwaltende praktische Richtung in der Wissenschaft, die mir durch mein ganzes Leben treu geblieben ist“. Georg Christoph Lichtenberg lehrte ihn das kritische Denken und experimentelle Arbeiten. Er überwachte auch die Anfertigung seiner Dissertation über den Scheintod, eine experimentelle Arbeit, die auf die Feststellungen Hallers über Irritabilität und Sensibilität zurückging und zu prüfen suchte, ob die Elektrizität als starker Reiz Tiere wieder zum Leben erwecken könnte, die im Wasser ertränkt oder mit Kohlenoxyd vergiftet worden waren. Nach seiner Promotion 1783 mußte der 21jährige die umfangreiche Praxis seines allmählich erblindenden Vaters übernehmen und für den Unterhalt der Familie sorgen. Nach dessen Tod (1787) zerschlug sich die Hoffnung auf die väterliche Nachfolge als Leibmedikus, er blieb nur Hofmedikus. Trotzdem wurde er auf Grund seiner|ärztlichen Gewissenhaftigkeit, seiner praktischen Erfolge und seiner ersten Publikationen sehr schnell der angesehenste Arzt von Weimar, und Goethe, Schiller, Herder und Wieland konnte er nicht nur zu Freunden, sondern auch als Patienten gewinnen. Die entscheidende Wendung erhielt sein Leben mit der Ernennung zum Professor ordinar. honorar. in Jena: Als er im Herbst 1792 auf einer der „Freitagsgesellschaften“ Goethes ein „Fragment über das organische Leben“ vortrug, das Gedanken aus seiner „Makrobiotik“ vorwegnahm, erklärte der anwesende Herzog: „Der H. paßt zu einem Professor, ich will ihn nach Jena versetzen.“

    Schon in den vorangehenden Jahren hatte sich H. als medizinischer Schriftsteller bekannt gemacht, und wie bei seiner literarischen Tätigkeit überhaupt, hat man auch hier bereits zwischen seinen medizinischen Fachpublikationen und populärwissenschaftlichen Schriften im besten Sinn der Aufklärung zu unterscheiden. 1785 hatte er sich „im Vertrauen auf seine gesunde Lichtenbergsche Physik“ in Wielands „Merkur“ gegen den „Mesmerismus“ gewandt, den er „als ein abenteuerliches Gewebe von leeren Worten“ ablehnte. Nach einer bösartigen Pockenepidemie in Weimar versuchte er, im „Teutschen Merkur“ (1787) und in Bertuchs „Journal des Luxus und der Moden“ (1788/89) für die Variolation zu werben. Unter Berufung auf Dr. Auguste Tissot wollte er ihr in jenen deutschen Ländern Eingang verschaffen, in denen sie bis dahin noch nicht geübt wurde. Auch mit dem Scheintod hat sich H. weiterhin beschäftigt, denn die Angst, lebendig begraben zu werden, war in der 2. Hälfte des 18. Jh. weit verbreitet. Angeregt durch J. P. Frank, rief er zunächst im „Teutschen Merkur“ zur Errichtung von Leichenhäusern auf (1790) und konnte bereits 1791 vom Bau eines solchen Hauses nach eigenen Plänen in Weimar berichten, das zum Vorbild für zahlreiche klinische Anstalten nicht nur in Deutschland wurde. Da es eine gesetzlich vorgeschriebene Leichenschau durch den Arzt nicht gab, forderte er den öffentlichen Unterricht über die gewissen und ungewissen Zeichen des Todes. Zur Förderung der Volksgesundheit propagierte er, wiederum im „Journal des Luxus und der Moden“ (1790) die „Wiederherstellung der Bademode als des vorzüglichsten Mittels einer allgemeinen Gesundheitsrestauration“ und wurde darin von Lichtenberg, der das Baden in der See bei seinem Englandaufenthalt kennengelernt hatte, mit der Schrift „Warum hat Deutschland noch kein öffentliches Seebad?“ unterstützt. Auch zu anderen aktuellen Fragen der Praxis hat er in diesen Jahren mehrfach Stellung genommen und Erfahrungsberichte über die Wirkung einzelner Medikamente geliefert. Daneben versuchte er auch jetzt noch experimentell zu arbeiten und – vielleicht durch Goethes botanische Forschungen angeregt – den Einfluß der Elektrizität auf die eigenartigen Spontanbewegungen der Pflanze Hedysarum gyrans zu prüfen.

    Ostern 1793 nahm er sein Lehramt in Jena auf und trat damit in einen Kollegenkreis, dem Fichte und Schiller, Loder, Stark und Griesbach und später auch Schlegel und Schelling angehörten. Neben dem klinischen Unterricht las er im 1. Semester mit unerhörtem Erfolg ein einstündiges Kolleg „Über die Kunst, das menschliche Leben lange und brauchbar zu erhalten“, aus dem 1796/97 sein Hauptwerk hervorging: „Die Kunst, das menschliche Leben zu verlängern“, dessen 1. Auflage er Lichtenberg widmete. H. entwickelte darin gleichsam eine neue Wissenschaft von der Makrobiotik (³1805, ⁵1824). Eines der ersten Druckexemplare dedizierte er Kant, der dadurch zu seiner Abhandlung „Von der Macht des Gemüths durch den blossen Vorsatz seiner krankhaften Gefühle Meister zu seyn“ angeregt wurde, die H. im „Journal für praktische Heilkunde“ veröffentlichte (als Separatdruck mit Vorwort und Anmerkungen von H. erschienen 1824. Von Kant aufgenommen in: „Der Streit der Fakultäten“, 3. Abschn.: Der Streit der Philosophischen Fakultät mit der Medizinischen). Die „Makrobiotik“ machte ihren Verfasser berühmt und wurde noch bis zur Jahrhundertwende in alle Kultursprachen übersetzt, sie gehört zu den klassischen Werken der Weltmedizin. Als ein Handbuch vernünftiger Lebensführung ragt sie unter der zahlreichen diätetischen Literatur ihrer Zeit durch eine gediegene ärztliche Empirie hervor. Sie fußt auf dem alten Grundsatz der antiken Medizin, daß nur das Maßhalten die Voraussetzung für eine gute Funktion des Organismus bildet, und gibt die praktischen „Verlängerungsmittel des Lebens“ an die Hand. Daneben spiegelt sie deutlich die Auffassung ihres Autors vom Wirken der „Lebenskraft“ wider und teilt dies mit dem 1799 folgenden Werk „Guter Rath an Mütter, über die wichtigsten Puncte der physischen Erziehung der Kinder in den ersten Jahren“ (²1803). Auch dieses zweite Buch aufklärender Gesundheitsvorsorge ist um die Welt gegangen, es hat auf die Kindererziehung einen tiefen Einfluß ausgeübt und innerhalb der Medizin künftigen Spezialfächern wie der Pädiatrie und Orthopädie bestimmende Impulse vermittelt.

    In die Jenaer Zeit fiel auch H.s von der Kaiserl. Akademie der Naturforscher preisgekrönte Schrift über die Skrophelkrankheit (1795, ³1819). In rascher Folge erschienen seine großen wissenschaftlichen Lehrbücher, so 1795 die „Ideen über Pathogenie, etc.“, als Einleitung zu seinen pathologischen Vorlesungen. In Jena nahm er auch sein „System der practischen Heilkunde“ in Angriff, dessen 1. Band 1800 erschien und das er sein „medizinisches Glaubensbekenntnis“ genannt hat. Inmitten der widerstreitenden Meinungen seiner Zeit erscheint er hier als überlegener Eklektiker, der bestrebt war, aus den einzelnen Richtungen der Heilkunde das Brauchbare auszuwählen und zu einer einheitlichen Lehre zusammenzufügen. Dabei bedeutet es keinen Widerspruch, wenn er, der zeitlebens ein Gegner der „medizinischen Systeme“ war, dieses Werk ausdrücklich als „sein System“ verstanden wissen wollte. Denn es blieb der praktischen Erfahrung verpflichtet und bewahrte so gleichermaßen das Alterprobte, wie es den Weg für eine fortschreitende Entwicklung offenhielt. Dennoch zeigt es deutlich, daß auch H. die kommende naturwissenschaftliche Medizin noch nicht voraussah, hat er doch der empirischen Heilkunde, wie er sie auffaßte, niemals das Recht auf Spekulationen verweigert, sofern sie nur von der Erfahrung ausgingen.

    In diesen Jahren erfolgte auch die Gründung von H.s medizinischen Zeitschriften, die ihn zum Lehrer der folgenden Ärztegeneration in ganz Deutschland machten. 1795 begann er das „Journal der praktischen Arzneikunde und Wundarzneikunst“ (bis 1836 83 Bände, ab 1808 Journal f. prakt. Heilkde.). Ihm fügte er 1799 die „Bibliothek der praktischen Arzneikunde und Wundarzneikunst“ hinzu, ein kritisches Referatenblatt, das bis 1843 erschien (ab 1808 u. d. T.: Bibl. d. prakt. Heilkde.). Beide Blätter zogen ihr Ansehen nicht allein aus ihrem Dienst an der ärztlichen Fortbildung, sondern auch aus der strikten Neutralität ihres Herausgebers im Kampf der einzelnen medizinischen Richtungen. Obwohl ein Gegner der Homöopathie als System, scheute er sich nicht, Aufsätze Hahnemanns und anderer homöopathischer Ärzte aufzunehmen, deren genaue Medikation er zu seiner Zeit als Fortschritt empfand. Als andererseits Edward Jenner (1796) seine Pocken-Vaccination bekanntmachte, war H. in seinen Zeitschriften einer der ersten Vorkämpfer für diese wichtige Entdeckung.

    Obwohl diese Jahre einer arbeitsreichen und schöpferischen akademischen Tätigkeit durch den Kampf gegen den Brownianismus und wegen seiner rechtsseitigen Erblindung 1797 nicht ohne Schatten waren, hat H. sie als den höchsten Glanzpunkt seines Lebens bezeichnet und Berufungen nach Kiel, Leipzig und Petersburg, selbst nach Pavia als Nachfolger J. P. Franks abgelehnt. Erst als die Unruhe, die von der Franz. Revolution ausging, auch auf Jena übergriff und der Herzog zu Gegenmaßnahmen schritt, die auch die Professoren betrafen, folgte er 1801 in der Nachfolge von C. G. Seile einem Ruf nach Berlin als Leibarzt der königl. Familie, Direktor des Collegium Medicum und 1. Arzt der Charité. Auch hier besaß er bald eine ausgedehnte Praxis, vor allem aber nahm er sich gemeinsam mit dem befreundeten „alten Heim“ der Armenbehandlung an. Überhaupt traten in dem größeren Wirkungskreis seine gesundheitspolitischen, sozial- und seuchenhygienischen Bestrebungen noch stärker hervor: Er richtete eine „Aufforderung an alle Ärzte Deutschlands in Betreff der Kuhpokken“ (1801) und berichtete bereits 1802 von dem in Berlin errichteten Impfinstitut. Er empfahl den Gebrauch lauwarmer Bäder und forderte die Brunnenärzte Deutschlands auf, die wichtigsten Erfahrungen über die Wirkung ihrer Brunnen öffentlich mitzuteilen (1802); im selben Jahre gab er einen Bericht über die Seebäder Norderney und Kolberg heraus. Auch machte er „Vorschläge zur Einführung bestimmter Medicinalmaße in allen Haushaltungen“, schrieb über den Mißbrauch des Opiums bei Kindern und warnte vor Branntweinabusus. Als ihn 1803 aus Göttingen der Ruf auf den Lehrstuhl für Therapie und Klinik erreichte, wußte ihn der König an Berlin zu binden, und 1806, nach der Schlacht von Jena und Auerstedt, begleitete er Kgn. Luise mit ihren Kindern auf der Flucht nach Königsberg und Memel und kehrte erst Weihnachten 1809 mit der königl. Familie nach Berlin zurück. Unter den Belastungen dieser Zeit trennte sich seine 1. Frau nach 18jähriger Ehe mit den Kindern von ihm und wandte sich seinem Schüler Ernst Bischoff zu, den er schon in Jena in sein Haus aufgenommen hatte. Erst 7 Jahre später entschloß sich der Vereinsamte zu einer 2. Ehe.

    In seinem Königsberger Exil schrieb H. seine „Practische Übersicht der vorzüglichsten Heilquellen Deutschlands“, vor allem aber bereitete er hier gemeinsam mit den Ministern Stein, Altenstein und W. v. Humboldt die Neuorganisation des preuß. Medizinalwesens und die Gründung der Berliner Universität vor. Als diese 1810 ihre Pforten öffnete, wurde er, zum Professor der speziellen Pathologie und Therapie ernannt, der erste Dekan der Med. Fakultät und hielt an ihr auch die erste medizinische Vorlesung. Gleichzeitig wurde er als Mitglied in die Preuß. Akademie der Wissenschaften aufgenommen und nach Aufhebung des „Obercollegium medicum“ als Staatsrat zum leitenden Beamten der Abteilung Gesundheitswesen im Innenministerium und zum Leiter der reorganisierten Medizinisch-chirurgischen Militärakademie ernannt. Daneben war er noch in der Geschäftsführung der Armendirektion tätig, eröffnete ebenfalls 1810 an der Universität eine medizinische Poliklinik zur Behandlung der Armen und gab seine „Armen-Pharmacopoe entworfen für Berlin“ (1810) heraus, die zum Vorläufer der späteren Berliner Magistralformeln wurde. Auf das ihm bei der Universität zustehende Gehalt von 1 500 Talern verzichtete er, „um nicht den Schein eigennütziger Absicht bei der Errichtung der Universität“ auf sich zu lenken. Im nämlichen Jahr gründete er für die Fortbildung der Ärzte die Medizinisch-chirurgische Gesellschaft, die durch Cabinettsordre 1833 aus Anlaß seines 50jährigen Doktorjubiläums den Namen „Hufeland’sche Gesellschaft“ erhielt. Nicht allein diese gewaltige Arbeitslast zwang ihn, die eigene Praxis auf bloße Konsultationen einzuschränken, vielmehr drohte ihm das Schicksal seines Vaters, denn allmählich begann auch die Sehkraft des linken Auges bedrohlich nachzulassen. Trotzdem reiste er auf Wunsch des Königs im selben Jahr (1810) nach Holland zu Louis Bonaparte, der an einer Tabes dorsalis litt. Während seiner Abwesenheit starb Kgn. Luise, die ihm nicht nur als Patientin und Patin seiner jüngsten Tochter eng verbunden war, sondern auch seine sozialmedizinischen Maßnahmen unterstützt hatte. Die enge Bindung an die königl. Familie blieb auch in den kommenden Jahren erhalten, und so folgte er dem König 1813 zu Beginn des Befreiungskampfes nach Schlesien und hielt sich bis 1814 in Breslau auf. Die folgenden Jahre ungestörter Ordnung und Ruhe nutzte H. zum Ausbau und zur Konsolidierung des Geschaffenen. Er vertiefte die Fortbildungsmöglichkeiten für Ärzte und sorgte auch für ihre sozialen Belange: 1830 wurde auf sein Betreiben die „Hufeland’sche Stiftung“ als Hilfsverein für notleidende Ärzte begründet, 1836 folgte eine zweite Stiftung zur Unterstützung der Arztwitwen. Unvermindert lag ihm die öffentliche Gesundheitspflege am Herzen, er forderte staatliche Hygienegesetze und eine öffentliche Schulgesundheitsfürsorge.

    Seine fruchtbare literarische Tätigkeit (über 400 Publikationen) hat H. bis zu seinem Tode fortgesetzt. Neben den statistischen Jahresberichten der Poliklinik und der Mitarbeit am „Encyclopädischen Wörterbuch der medicinischen Wissenschaften“ (seit 1828 auf seine Veranlassung von der Berliner Fakultät ediert) sei der Akademievortrag „Über die Gleichzahl beider Geschlechter im Menschengeschlecht“ (1820) mit dem Nachtrag „Prädestination des Geschlechts“ (1826) erwähnt, der für die Anthropologie und die Statistik Bedeutung erlangte. Seine Schrift über „Atmosphärische Krankheiten und atmosphärische Ansteckung“ (1823, aus dem Journal f. prakt. Heilkde.), in der er die Begriffe Epidemie, Contagion und Infektion zu definieren suchte, enthielt den prophetischen Satz: „So gut wie das Wasser muß auch die Atmosphäre ihre Infusorien haben, die freilich jetzt noch unsichtbar sind, vielleicht aber dereinst, unter einem noch zu erfindenden Mikroskop, sichtbar werden“. Dennoch hält auch er sich in dieser Frage von irreführenden theoretischen Spekulationen nicht frei, er setzt eine „Pathogenia animata“ zur Erklärung der epidemischen Krankheiten voraus und glaubt, daß der Contagion „ein in der Atmosphäre neu erzeugter Lebenskeim oder Saame eines neuen kranken Lebens“ zugrunde liege. Dehnte er mit seiner Schrift „Von den Krankheiten der Ungeborenen und Vorsorge für das Leben und die Gesundheit des Menschen vor der Geburt“ (1827) die Gesundheitsprophylaxe auch auf die pränatale Phase aus, so wollte er mit der „Iatrognomik“ die theoretischen Grundbegriffe der Therapie festlegen. Seine Konzeption einer pathologischen Physiologie kam freilich auch hier nicht ohne philosophische Spekulationen aus.

    Sein 50jähriges Doktor-Jubiläum zeigte, wie H. von seiner Zeit geschätzt und geliebt wurde. Es bildete den Anlaß zu zahlreichen Ehrungen, wie sie einem Arzt und Gelehrten nur selten zuteil werden, wenngleich er sich aus Gesundheitsgründen auf sein Landgut zurückgezogen hatte. Denn seit dem Herbst 1830 verschlimmerte sich sein Augenleiden ständig, auch quälten ihn Anfälle von Dysurie, die schließlich zu seinem Tode führten. Dennoch arbeitete er unermüdlich weiter an seinem Alterswerk. Noch in seinem Todesjahr erscheint das „Enchiridion|medicum, oder Anleitung zur medicinischen Praxis, Vermächtnis einer 50jährigen Erfahrung“ (1836), das sofort vergriffen ist (101857). Den Ertrag des Werkes hatte er für die Hufeland’sche Stiftung bestimmt.

    H. hat vorzüglich als der große Arzt und Volkserzieher Bedeutung behalten, für seine eigene Zeit bleibt es daneben sein größtes Verdienst, daß er sich von den zahlreichen „Systemen“ fernhielt, welche die medizinische Entwicklung damals bedrohten. Wenn er auch von diesen Zeitströmungen nicht gänzlich unbeeinflußt blieb, so stand er doch dem Mesmerismus als System ebenso ablehnend gegenüber wie dem Brownianismus, der Homöopathie und der Lehre Broussais und orientierte sich an den Erfahrungen der Praxis. Doch bei aller Aufgeschlossenheit für das naturwissenschaftliche Experiment, wie es in Göttingen geübt wurde, bleibt er sein Leben lang Vitalist im Sinne eben dieser Schule und beginnt seine „Pathologie“ mit einer Erklärung über die Lebenskraft, die er für die „innerste Ursache der Lebenserscheinungen“ (ratio vitae) und „das wichtigste pathologische Agens“ hält. So trennt er die vitalen Vorgänge als „eigenthümliche animalisch-chemische Operation“ deutlich von den chemischen Reaktionen als Zersetzungsprozessen der leblosen Materie, und obwohl er Physik und Chemie damit auf die Erkenntnis der toten Naturkräfte beschränkt, hindert ihn dies nicht, die Chemie für den „unzertrennlichen Gefährten der Arzneikunst“ zu halten, dem diese „ihre schärfsten und siegreichsten Waffen“ verdankt. Seine theoretische Lehre konnte daher nicht frei von Widersprüchen bleiben und teilt dieses Schicksal mit mancher anderen eklektischen Lehre innerhalb der Medizin. Mochte sie auch auf den Nutzen der Praxis ausgerichtet sein, so versuchte sie doch, Teile der alten Krasenlehre und Vorstellungen aus der Iatrochemie und -physik mit den Lehren der rationellen Empiriker zu vereinigen. Da auch die theoretische Spekulation ihren Platz behauptete, ließen sich ihr außerdem neue Ideen aus den verschiedenen Doktrinen der eigenen Zeit einfügen. Vergleicht man daher das „System der praktischen Heilkunde“ mit H.s früheren Werken, dann berechtigt der Wandel in der Untergliederung der vis vitalis zu der Annahme, seine Auffassung von der Lebenskraft habe allmählich eine gewisse Akzentverschiebung zugunsten der Erregbarkeit erfahren und sei bei aller Gegnerschaft zum Brownianismus vom Geist der Zeit nicht gänzlich unberührt geblieben. Ein solcher Einfluß mag auch in jenen Konzessionen zum Ausdruck kommen, die er – wohl unter dem Einfluß seines Bruders – in späteren Jahren Mesmers Magnetismus einräumte, wenngleich er auch hier keineswegs das gesamte System akzeptierte, sondern vor allem den Somnambulismus, der in der Folge tatsächlich für die Entstehung der Hypnose- und Suggestionstherapie von Bedeutung war. Seine theoretische Lehre konnte daher auf die Forschung der folgenden Generation keinerlei Wirkung mehr ausüben, und so geriet sein wissenschaftliches Werk bereits um die Mitte des vorigen Jahrhunderts in Vergessenheit. Dennoch hat H. durch seine Aufgeschlossenheit für neues Erfahrungswissen in einer Zeit verwirrender Spekulationen für einen medizinischen Unterricht gesorgt, der an den praktischen Belangen der Heilkunde ausgerichtet war und die folgende Ärztegeneration befähigte, allmählich in die naturwissenschaftliche Medizin hineinzuwachsen. In der praktischen Heilkunde sind daher auch einige seiner Lehren über die eigene Zeit hinaus wegweisend geblieben: Er setzte in Preußen nicht nur Jenners Pockenimpfung durch, sondern äußerte vorausahnend, daß auf ähnlichen Wegen auch andere Seuchen beseitigt werden könnten, und hat selbst Versuche mit Masernimpfungen vorgenommen. Bereits damals stellte er nach den verheerenden Kriegen des napoleonischen Zeitalters das vermehrte Auftreten „psychosomatischer“ Krankheiten als Kriegsfolge fest und erkannte auf Grund klinischer Beobachtungen den Zusammenhang zwischen Prozessen des Zentralnervensystems und der Funktionsweise innersekretorischer Drüsen. Auch die Balneotherapie hat er auf sichere Erfahrungsgrundlagen gestellt, wenngleich seine Theorien auch hier den Geist der Zeit nicht verleugnen können. Überhaupt aber dürfte sein Bemühen, in der praktischen Heilkunde zu einer eklektischen Synthese von „Humoral- und Nervenpathologie“ samt „Crasenlehre“ zu gelangen, seinem Verständnis gegenüber naturwissenschaftlich begründeten Methoden gewisse Grenzen gesetzt haben. Wenn er daher auch das Fieberthermometer als Hilfsmittel der täglichen Praxis endgültig durchgesetzt hat, so vermochte der Alternde doch den Wert der Perkussion und Auskultation nicht mehr zu erkennen. Im nämlichen Sinne wird man seine Empfehlung der Transfusion von Tierblut zu bewerten haben, die – wahrscheinlich unter seinem Einfluß – in Deutschland noch einmal im 19. Jh. versucht wurde, nachdem sie zuvor längst verlassen worden war.

    Geblieben aber ist die Erinnerung an den Menschenfreund und Helfer der Armen, an den Reformator des Ärztestandes und des Gesundheitswesens und an den weitsichtigen Förderer der ärztlichen Fortbildung. Sein Wirken in diesen Bereichen hat in vielem die Zukunft vorweggenommen: Auf der Grundlage statistischer Erhebungen wies er die kürzere Lebensdauer in Fabrikorten nach und machte auf die gesundheitsschädlichen Verhältnisse in den Manufakturen und in der beginnenden Industrie aufmerksam. Hier vor allem wies er auch auf den Zusammenhang von Krankheit und Armut hin. In der allgemeinen Gesundheitsvorsorge lagen ihm die Erziehung der Kinder und die Bildung der Frau besonders am Herzen. Neben der Arbeit an den eigenen Schriften übersetzte er 1822 Erasmus Darwin's „Plan for the Conduct of female Education“ (1797), und selbst in der Kinderhygiene geht noch heute manches auf ihn zurück.

    Er blieb als der begnadete akademische Lehrer im Gedächtnis, dessen Ziel es war, „nicht medizinische Gelehrte und Philosophen, sondern Heilkünstler“ auszubilden. Wenngleich er der Romantik mit Zurückhaltung begegnete, war sein Blick doch niemals einseitig auf die Medizin beschränkt. Er, dem die vornehmste geistige Klientel anvertraut war, die je ein Arzt in Deutschland zu betreuen hatte, nahm regen Anteil an den geistigen Bewegungen seiner Zeit. Den Freiheitskampf der Griechen unterstützte er entscheidend durch einen öffentlichen Aufruf und löste in den europ. Ländern eine Welle von Sympathie und Hilfsbereitschaft aus. Auch als Frhr. v. Stein die „Gesellschaft für ältere Deutsche Geschichtskunde“ gründete, zählte er zu ihren Förderern, und seinem Einfluß ist die Gründung des 1834 von Hecker besetzten Lehrstuhls für Geschichte der Medizin an der Berliner Universität zu danken. Rationales Denken der Aufklärung, idealistische Philosophie und christlicher Glaube im Gewand des späten Pietismus sind in ihm eine fast nahtlose Verbindung eingegangen und machten ihn im medizinischen Bereich zum Träger jener humanitären Gesinnung, die ihre höchste Ausprägung im Preußen der Reformzeit gefunden hat. Von seiner festen Verwurzelung im Christentum zeugen auch die „Worte des Herzens“, jene zu ihrer Zeit vielgelesene Spruchsammlung aus Lavaters Werken, die H. 1825 herausgegeben und deren Reinertrag er für ein Berliner Waisenhaus bestimmt hatte. Aus dem nämlichen Geist hat er ein ärztliches Ethos vorgelebt, das noch seine Schriften widerspiegeln: „Jeder Kranke“, so sagt er im Enchiridion, „ist ein Tempel der Natur, nahe dich ihm mit Ehrfurcht und Weihe, entferne von dir Leichtsinn, Selbstsucht und Gewissenlosigkeit, dann wird sie gnädig auf dich blicken, und ihr Geheimnis dir aufschließen“. Er glaubte fest an die „Analogie zwischen der moralischen und der physischen Welt“.|

  • Auszeichnungen

    Roter Adlerorden I. Kl. mit Eichenlaub (1831);
    Ehrenbürger v. Langensalza (1833).

  • Werke

    Weitere W u. a. Diss. inauguralis sistens usum vis electricae in Asphyxia, Göttingen 1783;
    Bemerkungen üb. d. natürl. u. künstl. Blattern im J. 1788, 1789, ³1798;
    Über Pockenansteckung, in: Baldingers Neuem Mgz. 12, 1791;
    Über d. Ungewißheit d. Todes, u. d. einzige untrügl. Mittel sich v. seiner Wirklichkeit zu überzeugen, u. d. Lebendigbegraben unmögl. zu machen, 1791;
    Über d. merkwürdigen Bewegungen d. Hedysarum gyrans u. d. Wirkungen d. Elektrizität auf dass., 1792;
    Gemeinnützige Aufsätze z. Beförderung d. Gesundheit, d. Wohlseyns u. vernünftiger med. Aufklärung, 1794;
    Über d. Natur, Erkenntnismittel u. Heilart d. Skrophelkrankheit, 1795, ³1819;
    Vollst. Darst. d. med. Kräfte u. d. Gebrauchs d. salzsauren Schwererde, 1794;
    Ideen üb. Pathogenie, u. Einfluß d. Lebenskraft auf Entstehung u. Form d. Krankheiten, 1795, erw. u. d. T. Pathologie, 1799;
    Pract. Übersicht d. vorzüglichsten Heilquellen Dtlds., 1815;
    Über d. Kriegspest alter u. neuerer Zeiten, 1814, Jberr. d. Poliklinik, in: Journal d. prakt. Arzneikde., 1811 ff.;
    Kleine med. Schrr., 4 Bde., 1822-28;
    Die Lehre v. d. Heilungsobjekten od. d. Iatrognomik, 1829. -
    Mitarb.: Enzyklopäd. Wb. d. med. Wiss., 1828 ff. -
    Autobiogr., hrsg. v. A. Göschen, in: Dt. Klinik, 1863, Nr. 13-31, neu hrsg. v. W. v. Brunn, 1937. - W-Verz.
    in: Callisen IX, S. 222-80 (Nr. 1345-1764) u. Nachtrag Bd. 29, S. 78-92.

  • Literatur

    ADB 13 (E. Gurlt);
    F. L. Augustin, Dr. Ch. W. H.s Leben u. Wirken f. Wiss., Staat u. Menschheit, 1837;
    A. de Stourdza (Schwieger-S), C. W. H., esquisse de sa vie et de sa mort chrétienne, 1837;
    K. Sudhoff, Ch. W. H. u. d. „Hufelandische Ges.“ in Berlin, 1810–1910, in: Münchner Med. Wschr. 57, 1910;
    D. v. Hansemann, dass., in: Berliner Klin. Wschr. 47, 1910;
    J. Holtz, Dem Gedächtnis Ch. W. H.s, 1933;
    P. Diepgen, Ch. W. H. u. d. Med. s. Zeit, in: Münchner Med. Wschr. 83, 1936;
    M. L. Kiwi, Ch. W. H. u. d. Hygiene, Diss. Berlin 1937;
    K. H. Herfort, H. als Lehrer u. Klinik-Dir., Diss. Berlin 1938;
    E. Picht, Ch. W. H. u. d. Frauenheilkde., Diss. Berlin 1940;
    H. Hertwig, Der Arzt, der d. Leben verlängerte, 1952;
    W. Kloppe, Über d. ärztl. Haltung Ch. W. H.s, in: Dt. Med. Journal 12, 1961;
    H. Petzsch, Ch. W. H.s Makrobiotik im Spiegel v. Goethes Faust, in: Dt. Gesundheitswesen 17, 1962;
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  • Porträts

    Ölgem. v. J. F. A. Tischbein (Frankfurt/M., Freies Dt. Hochstift, Goethemus.), Abb. in: Die berühmten Ärzte, hrsg. v. R. Dumesnil u. H. Schadewaldt, 1966;
    Radierung v. J. G. Nordheim n. Zeichnung v. F. Krüger (Altersbild), Abb. in: Gedenkschr. d. FU Berlin I, 1960, u. b. Baymann (s. L);
    Büsten v. G. M. Klauer, 1801 (Univ. Jena), Abb. b. Rave;
    v. G. Schadow, 1811, Abb. in: Die gr. Deutschen im Bild, 1937;
    v. Ch. D. Rauch (Berlin, Univ. od. Ak.);
    weitere Porträtabbildungen b. K. Pfeifer (s. L). - Verz. b. Callisen IX, S. 222, Bd. 29, S. 77 f.

  • Autor/in

    Markwart Michler
  • Zitierweise

    Michler, Markwart, "Hufeland, Christoph Wilhelm" in: Neue Deutsche Biographie 10 (1974), S. 1-7 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118554514.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Hufeland: Christoph Wilhelm H., königl. preußischer Staatsrath (im Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten), erster wirklicher Leibarzt des Königs, Professor an der Universität, Director des poliklinischen Instituts derselben, der medicinisch-chirurgischen Militär-Akademie und der sämmtlichen medicinischen Staatsprüfungen, erster Arzt der Charité etc. etc. in Berlin, einer der berühmtesten und geehrtesten Aerzte seiner Zeit, war am 12. August 1762 zu Langensalza in Thüringen geboren, wo sein Vater einen bedeutenden ärztlichen Wirkungskreis hatte; der Großvater, wie nachmals der Vater, waren Leibärzte am weimarischen Hofe, auch ein Oheim übte die ärztliche Kunst aus. Wir sind in der glücklichen Lage, den langen Lebenslauf Hufeland's in einer Selbstbiographie verfolgen zu können, die, bis zum 8. Juli 1831 reichend, von dem dem Erblinden nahen Greise theueren Händen dictirt wurde. Sehr viele der nachstehenden Angaben sind dieser wichtigen Quelle entnommen. — Kaum drei Jahre alt, siedelte H. mit seinem Vater, der mit dem Titel eines Hofrathes zum Leibarzt der Herzogin-Wittwe Amalie, Regentin von Sachsen-Weimar und Obervormünderin ihres Sohnes Karl August, ernannt worden war, nach Weimar über, wo Hufeland's Vater nach dem Regierungsantritt des Herzogs Karl August (1775) auch bei diesem die Stelle eines Leibarztes bekleidete, bis er zur Ausübung der Praxis unfähig wurde. — Seine Erziehung erhielt der junge H., zusammen mit seinen Schwestern, im väterlichen Hause durch Hofmeister, von denen einer, Namens Restel, den günstigsten Einfluß auf Hufeland's Entwicklung hatte, ihn frühzeitig sich selbst beschäftigen und innerlich zu leben lehrte, ihm eine gründliche klassische Bildung und religiöse Grundsätze beibrachte und ihm den Aberglauben benahm, so daß H. noch im hohen Alter sich dankbar seines etwas pedantischen, aber sonst vortrefflichen Lehrers erinnerte. Die letzten drei Jahre seiner Schulzeit, vom 15. bis 18. Jahr, ging H. zwar nicht auf das Gymnasium, aber zu dem Director desselben, Heinze, der ihn, nebst einigen andern Primanern, durch Privatstunden im Lateinischen und Griechischen vervollkommnete. Daß auch Goethe, der im Alter von 26 Jahren, 1775 in Weimar eingezogen war und in diesem bis dahin ziemlich philisterhaften Orte eine wunderbare Revolution hervorgerufen hatte, so wie der durch Goethe ebendahin gebrachte Herder durch seine imponirende Erscheinung und durch seine gewaltigen Predigten auf ein junges empfängliches Gemüth, wie dasjenige Hufeland's von großem Einflusse sein mußte, bedarf keiner besonderen Versicherung. — Im Frühjahr 1780 bezog H. die Landesuniversität Jena, deren Hebung Karl August seit seinem Regierungsantritt nebst seinem Freunde Goethe, sich hatte angelegen sein lassen. Freilich ließ sich der daselbst unter den Studenten herrschende, über alle Maßen rohe und ausgelassene Ton nicht mit einem Schlage beseitigen, und auch der junge H. lief Gefahr, in diesen Strudel hineingezogen zu werden; allein der Ernst des Studiums, Fleiß, Nachdenken und die herrliche Natur trugen das Ihrige bei, ihn davor zu bewahren. Freilich giebt er an, das|Einzige, was er in Jena gelernt habe, sei Anatomie gewesen, in der ihn und seine Commilitonen Loder mit zwei Cadavern — mehr hatten sie den ganzen Winter hindurch nicht — vortrefflich zu unterrichten wußte. Zu Ostern 1781 bezog H. die Universität Göttingen, die, obgleich die jüngste unter ihren deutschen Schwestern, sich bereits zu hoher Blüthe, auch in der Medicin, entwickelt hatte, in der Richter, Murray, Baldinger, Wrisberg, Blumenbach, Gmelin lehrten. Der unter den dortigen Studirenden herrschende Geist, ganz verschieden von dem in Jena, führte auch in Hufeland's Wesen eine totale Veränderung herbei; er fand kein größeres Vergnügen, als seine Collegia zu hören und dann auf seiner Stube zu studiren. Einige in diese Zeit fallende Todesfälle in seiner Familie, zuerst der Tod seines Schwagers Weber, Professors der Theologie in Jena, dann der von Hufeland's Mutter (1782) trugen noch mehr dazu bei, ihn ernster zu stimmen. Von großem Nutzen war ihm der Umgang mit Lichtenberg und Osann; Ersterer, zusammen mit Richter und Blumenbach, hatte den stärksten Einfluß auf seine Bildung; Richter verdankte er die vorwaltend praktische Richtung in der Wissenschaft, der er sein ganzes Leben lang treu geblieben ist. In dem heißen trockenen Sommer des Jahres 1783, wo ein Erdbeben in Calabrien stattfand und ein trockener Höhenrauch die ganze Luft erfüllte, promovirte H. am 24. Juli mit einer Dissertation über die Kraft der Elektricität beim Scheintode ("Diss. inaug. sistens usum vis electricae in asphyxia, experimentis illustratum") zum Dr. med. und reiste am folgenden Tage nach Weimar ab. — Er fand den Vater fast erblindet, sehr gebeugt und traurig; dem 21jährigen jungen Manne fiel die schwere Aufgabe zu, nun auch die Stütze des Vaters und des ganzen Hauses zu werden, durch Uebernahme der ganzen großen, nicht allein über die Stadt, sondern auch auf das Land, bis an die Harzgrenze Thüringens sich erstreckenden Praxis des Vaters. Die Jahre, wo andere Jünglinge zu ihrer weiteren Ausbildung reisen oder das Leben genießen, verflossen ihm unter schwerer, oft kaum zu überwältigender Arbeit, Sorge und Anstrengung. Andererseits aber machte H. unter seines Vaters erfahrener Leitung dabei eine bessere Schule durch, lernte mehr und bildete sich besser zum praktischen Arzte aus, als wenn er alle Länder und Hospitäler Europa's besucht hätte. Freilich war die Praxis in Weimar, der H. mit vielem Glücke 10 Jahr lang (1783 bis 1793) oblag, recht mühevoll. Nicht allein mußte er von früh bis Abends zu Fuße herumlaufen, sondern auch die Landpraxis, zuweilen 4—5 Meilen weit, verursachte bei den damaligen abscheulichen Wegen und im Winter oder Frühjahr bei Thauwetter nicht nur große Anstrengung, sondern war bisweilen mit Lebensgefahr verbunden. Das Allerbeschwerlichste für ihn aber war, daß er, nach der damaligen, fast allgemein herrschenden Sitte, die Arzneien selbst zubereiten, also nach ermüdenden Krankenbesuchen noch den Apotheker machen und dann noch die verabreichten Arzneien in Bücher eintragen mußte, um zu Ende des Jahres oder der Krankheit die Rechnung machen zu können. Doch das hatte wieder den Vortheil, daß der junge Arzt daran gewöhnt wurde, sein Krankenjournal regelmäßig zu führen und daß er beim Selbstdispensiren der Arzneikörper diese weit besser kennen lernte und von ihrer Güte und Echtheit sich überzeugen konnte. Diese praktische Schule, die H. durchmachte, war zweifellos die beste Vorbereitung für seine spätere akademische Laufbahn, von der er freilich damals noch nichts ahnte. Seine einzige Erholung nach den oft geradezu erschöpfenden Anstrengungen war, außer den stillen häuslichen Stunden mit dem Vater, vier Schwestern und einem jüngeren Bruder, mit denen zusammen er ein Haus bewohnte, die Beschäftigung mit der Wissenschaft und der Umgang mit einigen Freunden und geistreichen Männern. Für die Naturwissenschaften, namentlich die Physik und ganz besonders die Elektricitätslehre, hatte er noch große Liebe von|der Universität mitgebracht und benutzte er die auserlesene praktische Bibliothek seines Vaters zum Studiren. Mit den damals Weimar zierenden großen Geistern, wie Wieland, Herder, Goethe, Schiller hatte er nicht nur Umgang, sondern hatte Gelegenheit, sie als ihr Arzt noch genauer kennen zu lernen. Näher traten ihm noch die folgenden vier Männer: Bode, der treffliche Uebersetzer englischer Romane und eifrige Bekämpfer des Jesuitismus. Bertuch, der vielgewandte Schriftsteller und Industrielle, der Arzt Buchholz und Musäus, der Herausgeber der Volksmärchen der Deutschen. So entwickelte sich denn auch in diesem Kreise Heller geistiger Elemente Hufeland's Liebe zur Schriftstellerei, die später geradezu unübersehbar geworden ist. Die erste Veranlassung dazu gab das Unwesen, welches Mesmer, damals in Wien, mit seinem Magnetismus trieb und die daraus hervorgegangene Litteratur. Von seinen Freunden gedrängt, von Bertuch aufgemuntert und mit litterarischen Hülfsmitteln unterstützt, seiner Lichtenberg’schen gesunden Physik sich erinnernd, trat H. mit seinem ersten litterarischen Versuche, einem Aufsatze unter dem Titel „Mesmer und sein Magnetismus“, 1785 im Deutschen Merkur abgedruckt, hervor, in welchem er das Ungründliche und Unphysische der Sache aufzudecken und Alles auf Sinnestäuschung und selbst Sinnlichkeit zurückzuführen sich bemühte. Wieland war mit dieser Leistung so zufrieden, daß er dem jungen Autor ein sehr schmeichelhaftes Billet nebst 10 Dukaten schickte. Sein erstes, 1787 erschienenes Buch war eine Abhandlung „Ueber die Ausrottung der Pocken“, in welcher er nach seinen in einer äußerst bösartigen Pockenepidemiezu Weimar gemachten Erfahrungen, die Absonderung, damals das einzig denkbare Schutzmittel, vorschlug. — Angeregt durch Peter Frank's Empfehlung, die Errichtung von Leichenhäusern zur Aufnahme der Verstorbenen bis zum Eintreten der Fäulniß, wirkte H. mit menschenfreundlichem Eifer dafür, zuerst im Deutschen Merkur (1790), dann in einer neuen Schrift „Ueber die Ungewißheit des Todes etc.“, 1791, in welcher er bereits von der durch Subscription erfolgten Errichtung des ersten Leichenhauses in Weimar Nachricht geben konnte. Selbst in seinen letzten Lebensjahren hat H. noch die Errichtung von Leichenhäusern in Berlin und an andern Orten durch seine menschenfreundlichen Rathschläge gefördert. Als Naturforscher beschäftigten H. um diese Zeit auch Untersuchungen über die Irritabilität der Pflanzen, besonders die merkwürdigen Bewegungen des Hedysarum gyrans und Versuche über die Einwirkung der Elektricität auf diese Bewegungen. In den Jahren 1791 und 92 veröffentlichte er seine Untersuchungen über die von ihm beobachteten Unterschiede der natürlichen und künstlich durch Einimpfung erzeugten (Menschen-)Pocken und empfahl letzteres Verfahren, um sich gegen das oft sehr schwere Befallenwerden von den Pocken (das man damals als ein kaum zu vermeidendes Uebel ansah) zu schützen. — Gleich in seinen ersten litterarischen Arbeiten zeigte sich das Streben Hufeland's, seine Erfahrungen nicht bloß den Fachkreisen, sondern dem großen Publikum nutzbar zu machen und muß H. zu den hervorragendsten wissenschaftlichen Aerzten Deutschlands gerechnet werden, von dem einige wichtige Arbeiten auch unter dem Laien-Publikum die weiteste Verbreitung gefunden haben. — Schon in den letzten vier Jahren seines Aufenthaltes in Weimar beschäftigte ihn die Grundidee zu seiner Makrobiotik und Pathogenie und wurden von ihm in den frühen Morgenstunden niedergeschrieben. Den ersten Anstoß zur Makrobiotik gab ihm Bacon's Historia vitae et mortis, seine Ideen über Leben und Lebenskraft wurden durch die Beobachtung der Natur im gesunden und kranken Zustande angeregt. — Am 13. März 1787 starb Hufeland's Vater und wurde er nun selbständig, sowohl in der Praxis, als in bürgerlichen und ökonomischen Verhältnissen; gleichwohl lebte er mit seinen Geschwistern im väterlichen Hause fort, obgleich er sich bereits im November desselben Jahres mit einem 16jährigen|Mädchen verheirathete. Wenn es auch der lebhafteste Wunsch seines Vaters gewesen war, den Sohn dereinst am Höfe zu seinem Nachfolger als Leibarzt ernannt zu sehen, wie es einst der Großvater gewesen war, war das Schicksal dem jungen Arzte in dieser Beziehung nicht günstig, indem einige von ihm behandelte Krankheitsfälle am Hofe einen ungünstigen Verlauf nahmen. Er war und blieb daher nur Hofmedicus mit 100 Thlr. Gehalt. Eine bedeutsame Wendung in seinem Leben aber ereignete sich im Herbst 1792, als, bei Gelegenheit eines von ihm in Goethe's Hause gehaltenen Vortragest, dem auch der Herzog beiwohnte, dieser so von dem Vortrage befriedigt wurde, daß er H. zum Professor in Jena zu machen beschloß. „Der Hufeland paßt zu einem Professor, ich will ihn nach Jena versetzen“, hatte er zu Goethe gesagt und so geschah es denn, daß H., obgleich durch viele Bande des Geistes und des Herzens an Weimar gefesselt, aus Liebe zur Wissenschaft sich entschloß, zu Ostern 1793 ein Lehramt in Jena als Professor ordinar. honorar. mit nicht mehr als 300 Thlrn. Gehalt anzutreten. Seine Vorlesungen fanden den verdienten Beifall, besonders die Makrobiotik, die er in dem großen Auditorium vor bis zu 500 Zuhörern öffentlich vortrug. Die anderen Vorlesungen, in denen er 80—100 Zuhörer hatte und der klinische Unterricht nahmen einen nicht unbeträchtlichen Theil des Tages fort; unglaublich klingt es, wenn H., wie er angiebt, in der Klinik mit 300 Thlrn., die er für dieselbe erhielt, jährlich 600 Kranke verpflegen und 50 junge Leute in derselben praktisch beschäftigen konnte — freilich durch die Verwendung ihrer Honorare für das Institut. Hierzu kam noch der freundliche Empfang, der H. in dem Kreise hochgebildeter Collegen zu Theil wurde, wie Loder, Stark, Batsch, Griesbach, Paulus, Hufeland, Schiller, zu denen in der Folge noch Schlegel und Schelling sich gesellten. Nachdem H. schon im J. 1794 durch eine Schrift ("Erinnerungen an alle Mütter, denen die Gesundheit ihrer Kinder am Herzen liegt"), die später 1799 eine Erweiterung erfuhr ("Guter Rath an Mütter über die wichtigsten Punke der physischen Erziehung der Kinder in den ersten Jahren") auf die physische Erziehung seine gemeinnützigen Belehrungen ausgedehnt hatte, erschienen im J. 1795 Hufeland's „Ideen über Pathogenie", 1796 die „Kunst das menschliche Leben zu verlängern“, von der 3. Auflage (1805) an unter dem Titel „Makrobiotik“, eine Schrift die zahlreiche Auflagen erlebt (8. Auflage 1860) und, in alle europäischen Sprachen übersetzt, eine Verbreitung in der ganzen Welt gefunden hat. — Auch der Journalistik wendete sich H. nunmehr mit ganzem Eifer zu. Bereits von 1791 an (bis 1800) hatte er unter dem Titel „Neueste Annalen der französischen Arzneikunde und Wundarzneikunde“ eine Zeitschrift zur Mittheilung der besten Aufsätze und Beobachtungen französischer Aerzte herausgegeben, die er im Verein mit B. N. G. Schreger und J. Ch. F. Harleß als „Journal der ausländischen medicinischen Litteratur“ bis 1803 fortsetzte. Wichtiger aber und von großem Einfluß auf die Förderung aller Zweige ärztlichen Wissens und Könnens war das 1795 begonnene „Journal der praktischen Arzneikunde und Wundarzneikunst“, das bis zu Hufeland's Tode, 1836, in 83 Bänden (1809 bis 1814 mit K. Himly, 1815—18 mit J. Chr. F. Harleß, seit 1821 mit E. Osann zusammen herausgegeben) zu den angesehensten, reichhaltigsten, lehrreichsten medizinischen Zeitschriften in deutscher Sprache gehört hat und auch nach Hufeland's Tode noch bis 1844 fortgesetzt worden ist. Mit der Herausgabe des Journals verband H. seit 1799 die einer kritischen Zeitschrift ("Bibliothek der praktischen Heilkunde") bei der in denselben Jahren die vorher angegebenen Mitarbeiter thätig waren und an die sich seit 1803 eine von Fr. L. Augustin herausgegebene alljährliche wissenschaftliche Uebersicht der gesammten medicinischen Litteratur und der Leistungen in allen Fächern der Heilkunde schloß. — Außer dem wissenschaftlichen Nutzen, den das für die Aufrechterhaltung der erfahrungsmäßigen Medicin (im Gegensatz zur hypothetischen) bestimmte „Journal der praktischen Heilkunde“ stiftete, wurde es auch für H. eine gute Stütze in der Noth, eine Hauptquelle seines Vermögens, indem er sich zum Grundsatz machte, die Einkünfte davon nicht auszugeben, sondern zurückzulegen. Auch nach außen hin machte es Hufeland's Namen weiter bekannt, so daß er in den Jahren 1797—98 eine Reihe von auswärtigen Vocationen erhielt, zuerst nach Kiel, dann nach Leipzig, dann als Leibarzt des Kaisers Paul nach Rußland, endlich nach Pavia an Peter Frank's Stelle, von diesem selbst dazu empfohlen. Er schlug sie alle aus, weil es ihm in Jena wohl erging und aus Dankbarkeit gegen sein Vaterland, obgleich der Ruf nach Pavia mit 4000 Thlr. Gehalt und vier Monaten Sommerferien wohl verlockend genug war. Indeß machte H., in Folge dieser Vocationen, die gewiß bescheidene Bedingung, daß sein Gehalt von 300 auf 600 Thlr. erhöht und für seine Klinik ein kleines Krankenhaus eingerichtet werde. Selbst aber erklärt er diese Zeit für den höchsten Glanzpunkt seines Lebens, obgleich es, wie wir sehen werden, ihm später an den höchsten Ehren nicht fehlte. Bald aber sollte er mehrfachen Kummer erleben. Zunächst war es das Auftreten des (jetzt längst vergessenen) Brown’schen Systems, von dem selbst bedeutende Männer, wie Joh. Peter Frank und sein Sohn Joseph Frank, Ernst Horn u. A. sich hatten einnehmen lassen. Da dasselbe aller Naturanschauung und Erfahrung geradezu widersprach und in der Praxis auf einen gefährlichen Weg leitete, manche Gedanken auch, die H. längst öffentlich ausgesprochen hatte, für sich beanspruchte, sah sich H. veranlaßt, sich gegen dasselbe (1799) zu erklären, wodurch eine (hauptsächlich von Weikard und Röschlaub veranlaßte) litterarische Fehde hervorgerufen wurde, die, 10 Jahr lang dauernd, von Seiten der Gegner zum Theil auf das Pöbelhafteste geführt, H., dem friedliebendsten Menschen, nicht wenig Kummer und Verdruß verursachte. Das zweite Unglück, das ihn (November 1798) betraf, war das plötzliche Erblinden seines rechten Auges. Daneben fehlte es ihm nicht an manchem häuslichen Kummer. — Kaum hatte Eduard Jenner (1796) seine segensreiche Entdeckung der Schutz- (Kuh-)Pockenimpfung gemacht, so nahm H., als einer der Ersten, den größten Antheil daran, erklärte die Vaccination als eine der allerwichtigsten Entdeckungen auf dem Gebiete der praktischen Heilkunde, suchte ihr Eingang in Deutschland zu verschaffen, sprach aber zugleich die (vollkommen gerechtfertigte) Besorgniß aus, daß das Vacciniren nur auf eine Zeit lang den gewünschten Vortheil bringe. — Das J. 1800 fand H. ziemlich niedergebeugt; auch seine äußere Lage, wie die der Gelehrten und Universitäten überhaupt, war keine erfreuliche; denn die Folgen der französischen Revolution und des sich auch in Deutschland regenden Jacobinismus hatten die Fürsten namentlich gegen jene mißtrauisch gemacht. Auch bei Karl August waren die Jenenser Professoren und Studenten mißliebig geworden; er besuchte sie nicht mehr, die versprochenen und begonnenen Verbesserungen blieben aus, das H. versprochene und so nöthige Krankenhaus kam nicht zu Stande. Schon verbreitete sich Mißbehagen unter den Professoren, schon war Fichte in Folge des gegen ihn erhobenen Atheistenprocesses, nach Berlin abgegangen. Da erhielt H. ganz plötzlich und unerwartet einen Ruf nach Berlin, um die Stelle des Ausgangs des J. 1800 verstorbenen Dr. C. G. Selle als königlicher Leibarzt, Director des Collegium medico-chirurgicum, erster Arzt der Charité mit 1600 Thlrn. einzunehmen, und so wurde denn H., der sich unter den angegebenen Umständen keinen Augenblick besonnen hatte, diesem Rufe Folge zu leisten, hierzu mit dem Prädicate eines Geheimen Rathes und zugleich zum Präses der medizinischen Ober-Examinations-Commission und zum Mitgliede der Akademie der Wissenschaften ernannt. Während in Jena sich die|Aussichten für die Zukunft trübten — seinem Beispiele folgten nachher mehrere der ausgezeichnetsten Lehrer, wie Loder, Paulus, Schelling, Hufeland — eröffnete sich ihm in Berlin ein größerer Wirkungskreis, ein großes Krankenhaus, in dem er als klinischer Lehrer mehr Nutzen stiften konnte, ein weniger beengtes Leben, ein liberaler, unter einer neuen Regierung neu aufblühender Staat, und für H. als Familienvater besonders wichtig, in einer großen Stadt eine schöne Aussicht für sich und seine Kinder. Durch seine literarischen Arbeiten, besonders die Makrobiotik und das Journal hatte er so viel gewonnen, daß er ein Capital von 10 000 Thlrn. besaß, welches er zum Ankaufe des Gutes Hänlein an der Bergstraße zu 30000 fl. rheinisch verwendete. H. hatte sich dasselbe als Asyl für seine Alter gedacht; in Wirklichkeit fand er es aber in seinem Landhause im Thiergarten bei Berlin. — Aber auch Berlin hatte Ursache, sich der auf H. gefallenen Wahl zu erfreuen. 35 Jahre lang hat er daselbst einem ausgedehnten Wirkungskreise mit hoher Einsicht, strenger Rechtlichkeit und segensreichem Einflusse auf die Förderung und Verbesserung des preußischen Medicinalwesens vorgestanden, namentlich auch in treuer Fürsorge für die Gesundheit des Königs und der königlichen Familie. — Mit Eifer begann H. im Frühjahr 1801 seine medicinischen Vorlesungen und die klinischen Hebungen im Charitékrankenhause, obgleich er daselbst auf mancherlei Uebelstände traf, die er gern verbessert hätte, aber wegen der vielen concurrirenden Behörden und weil er seinem Collegen Fritze, einem wüthenden Brownianer nur coordinirt, nicht vorgesetzt war, nicht abstellen konnte. Dieser Umstand, und weil er bei einer überwältigenden Praxis für wissenschaftliche Arbeiten und für sein Lehramt nur wenig thun konnte und in Folge der übermäßigen Anstrengung seine Gesundheit zu leiden begann, trugen dazu bei, daß er, als ihm 1803 von Hannover aus die Professur der Therapie und Klinik in Göttingen angetragen wurde, diese seiner Neigung mehr entsprechende Stellung anzunehmen gesonnen war. Dem Könige indessen, der von den Verhandlungen gehört, gelang es, ihn in Berlin dadurch zu fesseln, daß er ihm zum Baue eines neuen Hauses 20 000 Thlr. anweisen ließ; H. zog es indessen vor, ein Haus zu kaufen, das er sogleich beziehen konnte. — So wirkte H. in Berlin weiter fort, nicht ohne den Kummer zu erleben, daß dem alternden Fritze ( 1804) in der Person des Dr. Ernst Horn, eines der heftigsten jungen Brownianer, ein Gehülfe und Nachfolger gegeben wurde. H. ließ sich aber nicht abhalten, vom J. 1802 an bis 1806 jährliche klinische Berichte über den Zustand des Charitékrankenhauses herauszugeben. In diese Zeit fällt auch die Herausgabe und Vollendung eines größeren Werkes „System der praktischen Heilkunde“ (2 Bde., 1800—1805). H. empfahl ferner dringend den allgemeinen Gebrauch lauwarmer Bäder (1801), warnte vor dem verderblichen Mißbrauche des Branntweins (1802), gab (1802) Nachricht von dem in Berlin errichteten Impfinstitute, zu dessen Begründung und Förderung durch zweckmäßige Verordnungen und Aufmunterungen er wesentlich mitgewirkt hatte, wie er auch (1801) eine „Aufforderung an alle Aerzte Deutschlands in Betreff der Kuhpocken“ gerichtet hatte. Er machte weiterhin „Vorschläge zur Einführung bestimmter Medicinalmaße in allen Haushaltungen“ (1801), richtete eine „Aufforderung an die Brunnenärzte Deutschlands besonders Schlesiens“ (1802), von Zeit zu Zeit die wichtigsten Erfahrungen über die Wirkung ihrer Brunnen öffentlich mitzutheilen, gab in demselben Jahre Nachrichten über die neuerrichteten Seebäder zu Norderney und Colberg und machte sich auf diese Weise neben anderweitigen, bloß für ärztliche Kreise bestimmten Mittheilungen fortdauernd um die Volksmedicin verdient. — Auch der Gall’schen Schädellehre widmete er eine eingehende Darstellung und Beurtheilung (1805), erklärte sich in demselben Jahre gegen Reil's Schrift über die Nothwendigkeit der Ausbildung ärztlicher Routiniers, und sprach sich in einer Abhandlung (1806) über die Eigenschaften und Pflichten eines guten Arztes, wie er sie auffaßte, aus. — Besonders wohlthuend für H. und seiner Gesundheit förderlich war die in Begleitung der von ihm hochverehrten Königin Luise nach Pyrmont und Nenndorf unternommene Reise, die ihm die erwünschte Gelegenheit bot, neue Curorte, für die er ein großes Interesse hegte, kennen zu lernen. — Als im October 1806 mit der Schlacht bei Jena die schwerste Prüfungszeit Preußens begonnen hatte, begleitete H. die vor den Franzosen flüchtende königliche Familie, bei der er sich des ausgezeichnetsten Vertrauens erfreute, nach der Provinz Preußen und blieb bei derselben in Königsberg, Memel und Tilsit volle drei Jahre, bis zu ihrer Rückkehr nach Berlin, zu Weihnachten 1809. Eine verheerende Typhusepidemie, welche in Folge der Kriegsdrangsale die Provinz überzog und selbst einige Mitglieder der königlichen Familie nicht verschonte, konnte von H. eingehend studirt und beschrieben werden (1807). Einen Hauptgegenstand der Beschäftigung für H. während seines Aufenthaltes in Königsberg bildete die mit der neuen Organisation des Staates vorzunehmende Veränderung in dem Medicinalwesen und die Errichtung der neuen Universität zu Berlin, bei welchen Vorbereitungen H. kräftig mitwirkte. — Als die Zeit zur Rückkehr nach Berlin gekommen war, sah sich H., der sich in Folge trauriger Familienverhältnisse (er hatte sich von seiner Gattin, nach 18jähriger Ehe mit 7 Kindern, scheiden lassen müssen) und seiner zunehmenden Augenschwäche, besonders der Lichtscheu des Abends, die ihm das Prakticiren kaum möglich machte, in der trübsten Stimmung befand, zu der Erklärung genöthigt, daß es ihm unmöglich sei, bei seiner jetzigen Lage in die früheren Verhältnisse zurückzukehren, daß es ihm am liebsten sei, mit einer mäßigen Pension aus dem Dienste zu scheiden, oder daß, wenn man ihn behalten wollte, dies nur unter der Bedingung geschehen könnte, daß man sein Gehalt sicherstellte, so daß er in Berlin ohne Nahrungssorgen, ohne die Nothwendigkeit einer großen Praxis, rein dem königlichen Hause, der Wissenschaft und dem Lehramte an der neuen Universität leben könnte. Die Folge war, daß H. als Staatsrath beim Medicinal-Departement 3000 Thlr., als Leibarzt 1600 Thlr. bewilligt wurden und er sich nur der klinischen und consultativen Praxis zu widmen hatte. — Noch in Königsberg hatte H. unter dem Titel „Praktische Blicke auf die vorzüglichsten Heilquellen Deutschlands“ (1808, 9) eine Reihe von Aufsätzen veröffentlicht, die zu einer genaueren Kenntniß dieser wichtigen Curmittel beitragen sollten. Er sprach sich ferner (1809) in einem Aufsatze über die Grenzen der Zulässigkeit der medicinischen Praxis durch Landgeistliche zum Besten des armen Landvolkes aus und gab darüber muftergiltige Vorschriften. — Im März 1810 hatte H. die Freude, zum Professor der speciellen Pathologie und Therapie an der neuen Universität ernannt, die bei derselben errichtete medicinische Poliklinik zu eröffnen, das erste Institut der Art für arme Kranke in Berlin, für welches der König als Gedächtnißstiftung seiner Rückkehr jährlich 1000 Thlr. bewilligte. Es war das erste medicinische Collegium, welches an der neuen Universität gelesen wurde, da H. vorläufig noch der einzige Repräsentant der medicinischen Facultät und ihr erster Decan war, sein Sohn Eduard der erste inscribirte Student der Medicin. Vom J. 1811 an bis 1835 sind über das klinische Institut regelmäßig Jahresberichte veröffentlicht worden, die letzten von dem Mitdirector des Instituts. Professor Dr. E. Osann. — Hufeland's wohlthätiger und menschenfreundlicher Sinn bethätigte sich auch durch seine Theilnahme an den Geschäften der Berliner Armendirection; er machte Vorschläge zur zweckmäßigen Fürsorge für die bedürftigen Kranken, er entwarf eine Armenpharmakopoe (1810), die später in allen Armen- und Krankenanstalten des preußischen Staates und anderer Staaten eingeführt wurde. — Da gleichzeitig mit der Reorganisation des Staates eine neue und zweckmäßigere|Organisation des gesammten Medicinalwesens im preußischen Staate eintrat, das Ministerium des Innern die obere Leitung desselben, statt des aufgehobenen Obercollegium medicum übernahm und das Collegium medico-chirurgicum als Medicinisch-chirurgische Militärakademie reorganisirt wurde, erhielt H. mit dem Prädicat Staatsrath, wie schon erwähnt, die Stelle als erster Rath in der Abtheilung des gedachten Ministeriums für die Medicinalangelegenheiten, ferner die Stelle als erster Director der Medicinisch-chirurgischen Militär-Akademie und die Direction der medicinischen Staatsprüfungen, auf deren bessere Einrichtung er schon zuvor wohlthätig eingewirkt hatte. — Am 1. Februar 1810 stiftete H. die noch heute in Berlin bestehende Medicinischchirurgische Gesellschaft, welcher, ihrem Wunsche gemäß, durch königliche Cabinetsordre vom 31. Mai 1833 (dem Jahre, in welchem Hufeland's 50jähriges Doctorjubiläum gefeiert wurde) der Name „Hufeland’sche Gesellschaft“ ertheilt wurde. — Ende Mai 1810 reifte H., im Auftrage des Königs, nach Holland, dessen damaliger König Louis Napoleon an Lähmung der Hände und Füße leidend, seinen Besuch und Rath gewünscht hatte. H. wurde in Hartem vom Könige sehr wohlwollend aufgenommen; jedoch fiel gerade die letzte Revolution in Holland, durch welche es ganz zur französischen Provinz wurde, während der König sich seiner Verhaftung nur durch die Flucht entzog, mit Hufeland's Reise zusammen, so daß es ihm nur mit Mühe gelang, über Rotterdam, Antwerpen, und Aachen zurückzukehren. In Fulda erfuhr er zuerst, dann mit Gewißheit in Weimar, daß die Königin Luise während seiner Abwesenheit (am 19. Juli) gestorben war. Es war dies ein Donnerschlag für H., denn sein ganzes Herz hing an ihr. Bei seiner ersten Audienz beim Könige konnte weder dieser noch H. sprechen; Thränen erstickten ihre Worte. —1811 endlich fand auch der Friedensschluß in dem Kriege wegen des Brownianismus mit Röschlaub statt und H. gab in einem Aufsatze dem Publikum Rechenschaft über sein Verhältniß zu jener Lehre und seiner Theorie der Medicin; er machte auf das Leuchten des Seewassers als eine Auszeichnung der Seebäder aufmerksam, besprach das Milzbrandcontagium bei seinem Uebergange von Thieren auf Menschen, den Werth des inländischen Opiums. Er berichtete ferner über das von der Berliner medicinisch-chirurgischen Gesellschaft gefeierte Jenner-Fest und den Zustand der Vaccination in Preußen, woran sich später regelmäßige Berichte über die in der ganzen Monarchie jährlich Vaccinirten knüpften. Einen in der Akademie der Wissenschaften (3. August 1810) gehaltenen Vortrug „Geschichte der Gesundheit des Menschengeschlechts nebst einer physischen Charakteristik des jetzigen Zeitalters“ veröffentlichte er 1812. — Als im Anfange 1813, zur Zeit der preußischen Volkserhebung der König mit seiner Familie nach Schlesien ging, folgte auch H. derselben (12. Jan.) und blieb daselbst ein ganzes Jahr, den Winter über in Breslau, im Sommer in Kunzendorf, Landeck, Neisse. Er benutzte daselbst die vortheilhafte Gelegenheit, das Gut Marxdorf (bei Schweidnitz) für 35 000 Thlr., zu denen er 15 000 Thlr. vom Könige geschenkt erhielt, zu erwerben. Erst im Januar 1814 kehrte H. mit seiner Familie nach Berlin zurück und veröffentlichte in einer Schrift „Ueber die Kriegspest alter und neuerer Zeiten, mit besonderer Rücksicht auf die Epidemie im Jahre 1813“ seine nur zu reichlichen, in dieser Zeit über den Kriegs-Typhus gemachten Erfahrungen. —1815 Verheirathete sich H., um für die Erziehung seiner Töchter besser sorgen zu können, zum zweiten Male. In demselben Jahre erschien von ihm eine treffliche Schrift über die deutschen Heilquellen; ein Werk von F. J. Stieglitz über und gegen den thierischen Magnetismus gab H. neue Gelegenheit (1816), sich über denselben auszusprechen, weiterhin auch noch in den folgenden Jahren (1817, 1818, 1822), wie auch über die „Medicina magica“ und die „Rhabdomantie“. — Die nun folgenden Jahre flossen für H. in größtentheils ungestörter Ordnung|des Lebens dahin. Akademische Vorlesungen, Klinik, Hof, consultative Praxis, Schriftstellerei, vom Morgen bis zum Abend Beschäftigung, Abends stiller Genuß des häuslichen Lebens mit Frau und Kindern, im Sommer gewöhnlich eine Reise, auf welcher er sich besonders auch für die Brunnen- und Badeorte interessirte, füllten die Zeit aus. Unter seinen auch in dieser Zeit sehr zahlreichen litterarischen Arbeiten heben wir, als von allgemeinerem Interesse, hervor seinen für die Anthropologie und Statistik wichtigen Vortrag in der Akademie „Ueber die Gleichzahl beider Geschlechter im Menschengeschlecht" (1820, 21), und als Nachtrag dazu „Prädestination des Geschlechts“ (1826). Ferner „Von dem Rechte des Arztes über Leben und Tod“ (1823), sodann die von ihm mit aufmerksamem Blicke verfolgte und signalisirte „Ankunft der orientalischen Cholera an der Grenze von Europa“ (1823). Im J. 1822, wo H. auch eine neue Sammlung seiner kleinen Schriften (Bd. 1—4, 1822—28. Neue Auswahl Bd. 1, 1834) besorgte, begann er den 54. Band seines Journals mit einem „Blick auf die Lage der Heilkunst beim Antritt des Jahres 1822", gab 1823 eine „Vergleichende Uebersicht der epidemischen und contagiösen Krankheiten des J. 1822 in der ganzen preußischen Monarchie", 1824 eine „Uebersicht der binnen 10 Jahren in der preußischen Monarchie an der Wasserscheu Verstorbenen" heraus, sprach sich wiederholt (1826, 28, 30, 34) über die Homöopathie und deren Differenz von der Allopathie aus, handelte (1827) „Von den Krankheiten der Ungeborenen und Vorsorge für das Leben und die Gesundheit des Menschen vor der Geburt", suchte in seiner „Jatrognomik“ (1829) die Grundbegriffe für die gesammte Therapie fester zu begründen und in einem in einer juristischen Zeitschrift (1828) erschienenen Artikel „Ueber Monomanie, Unfreiheit und Zurechnungsfähigkeit“ nähere Aufklärung über diese Zustände zu geben. Als die asiatische Cholera 1830 bis in das Innere Rußlands vordrang und dann weiter ihren Weg durch Europa nahm, sah ein Mann wie H. sich verpflichtet, auch seine Meinung über diesen neuen unheimlichen Gast abzugeben und so finden sich denn (1830, 31) auch von ihm zahlreiche Abhandlungen über jene Krankheit. — Bereits im November 1829 hatte H. einen Plan zu einem Hülfsverein für nothleidende Aerzte entworfen, der eine so allgemeine Zustimmung der Aerzte fand, daß sehr bald die durch Cabinetsordre vom 21. Novbr. 1830 bestätigte Hufeland’sche Stiftung ins Leben treten konnte, welche noch heute segensreich wirkt und zahlreiche vermögenslose, durch Krankheit, Altersschwäche und sonstwie unverschuldet in Noth gerathene Aerzte unterstützt hat. An diese Stiftung schloß sich im J. 1836 eine zweite, gleich wohlthätige, zur Unterstützung der Wittwen von Aerzten, die von H. nicht bloß begründet, sondern auch ausgestattet wurde. Seinen zu stetem Wohlthun geneigten Sinn hatte H. auch bei einer andern Gelegenheit, 10 Jahre früher bewiesen, als er sich, in den ersten Jahren des griechischen Befreiungskampfes, mit Strauß, Ritschl und Streckfuß an die Spitze einer Subscription zur Unterstützung der nothleidenden Griechen stellte. Sein Aufruf brachte nach und nach so viele Beiträge zusammen, daß eine halbe Million Franken nach Griechenland geschickt werden konnte. — Ein Zeugniß von seiner großen Bescheidenheit legte ferner H. dadurch ab, daß, als die Gnade des Königs ihn und seine Familie in den Adelstand erheben wollte, er dies ablehnen zu müssen glaubte. — Bei der, wie wir gesehen haben, rastlosen Thätigkeit Hufeland's war die im Herbst 1830 erfolgte bedeutende Zunahme seiner Blindheit für ihn sehr traurig, da er sich dadurch des Lesens beraubt sah, obgleich er noch schreiben konnte. — Der 24. Juli 1833, der Tag, an welchem H. vor 50 Jahren die medicinische Doctorwürde erworben, brachte ihm hohe Ehren, obgleich er der Bezeigung derselben sich durch Abwesenheit von Berlin entzogen hatte, indem er sich bei einem seiner Schwiegersöhne auf dessen Gute Klein-Mehssow in der Niederlausitz befand. Der König hatte ihm (wie noch nie zuvor einem Arzte und auch nach ihm nur ganz vereinzelt) den Rothen Adler-Orden erster Classe mit Eichenlaub verliehen, die Prinzen und Prinzessinnen des königl. Hauses ein mit ihren Bildnissen und eigenhändigen Unterschriften geschmücktes Album; die Aerzte Preußens hatten die (zur Aufstellung in der Aula der Berliner Universität bestimmte) Büste des Gefeierten von Rauch in Marmor anfertigen lassen, ebenso ein kleines Standbild desselben in sitzender Stellung von Drake, ferner eine auf ihn geschlagene goldene Medaille. Ein ihm überreichtes Album oder Stammbuch enthielt die facsimilirten Namensunterschriften von 3200 seiner Verehrer im In- und Auslande, darunter Prinzen, Staatsmänner und zahlreiche Aerzte; seine Geburtsstadt Langensalza ließ ihm das Diplom als Ehrenbürger in silberner Kapsel überreichen. Dazu eine Fülle von Geschenken, Glückwünschen in Form gelehrter Abhandlungen, Adressen, Diplome etc. Die Universität und die militärärztlichen Lehranstalten begingen den Tag durch daselbst gehaltene Festreden, die Berliner Verehrer Hufeland's versammelten sich zu einem Festmahle. — Auch als Jubilar fuhr H. noch für die ihm zugemessene Lebenszeit fort, für Staat und Wissenschaft segensreich zu wirken, trotz der sich bei ihm mehr und mehr geltend machenden, mit Harnverhaltung verbundenen Harnbeschwerden, welche ihn die letzten 5 Jahre seines Lebens gepeinigt haben. Noch aus den letzten Lebensjahren findet sich eine Reihe von Aussätzen in seinem Journal, und noch wenige Wochen vor seinem Lebensende ließ der bis zum letzten Athemzuge unermüdlich thätige Mann ein umfangreiches Werk, „Encheiridion medicum, oder Anleitung zur medicinischen Praxis, Vermächtniß einer 50jährigen Erfahrung“ erscheinen und bestimmte dessen ganzen Ertrag für die Hufeland’sche Stiftung. Gleich nach dem Erscheinen der Schrift war sie schon vergriffen, H. ging sofort an eine verbesserte zweite Auflage und war noch, trotz aller Leiden, im Stande, dieselbe 8 Tage vor seinem Tode druckfertig zu machen (eine 10. Auflage erschien noch 1857). Außerdem hat er auch um das von der Berliner medicinischen Facultät seit 1828 herausgegebene „Encyklopädische Wörterbuch der medicinischen Wissenschaften“ sich große Verdienste erworben und die ersten 13 Bände desselben mit vielen lehrreichen Artikeln bereichert. — Die Harnverhaltung, durch eine Vergrößerung der Prostata bedingt, nahm in den letzten Wochen des Lebens so zu, daß der Blasenstich bei ihm ausgeführt werden mußte, der Tod erfolgte am 25. August 1836.

    Nach der ausführlichen Darstellung seines Lebens kann es nicht schwer sein, eine Charakteristik seiner Persönlichkeit und seines Wirkens zu geben. Eine unerschütterliche Liebe zur Wahrheit, ein fester redlicher Wille, nur in ihrem Sinne zu wirken, ein hoher Begriff von der Würde und den Anforderungen der Wissenschaft, von den Pflichten des Schriftstellers, ein vollständiges Aufgehen im geistigen Leben, Scharfsinn, Umsicht und ein freies, jeder vorgefaßten Meinung unzugängliches Urtheil zeichneten ihn aus. Frei von allen Nebenrücksichten, stets reinen Zwecken folgend, bewahrte er ebenso treu das wahrhaft Gute der Vorgänger, wie er durch seine Geisteskraft auf die Entwickelung der Medicin als Wissenschaft und die Bildung seiner Zeit einzuwirken verstand. Nur der Ergründung der Wahrheit ergeben, hielt er sich frei von allen einseitigen Systemen seiner Zeit, ohne das, was sie Gutes und Brauchbares boten, zu verkennen. Ausgezeichnet war insbesondere die durchweg edle, anziehende und geistvolle Sprache in seinen Schriften, sein Talent, strenge Wissenschaftliche mit allgemeiner Verständlichkeit zu verbinden. Hierdurch gewann er schon früh eine ausgedehnte Popularität und einen weit reichenden Einfluß. — Als Arzt war er ein Vorbild umsichtiger, liebevoller Sorgfalt und freundlicher Theilnahme, die er bis in sein hohes Alter auch dem Geringsten angedeihen ließ. Nicht minder|war er ein Muster rühmlicher Collegialität, die er in seinem Wirkungskreise durch sein Beispiel und seine Bemühungen wesentlich förderte. Welche überhaupt die schätzbarste Seite seiner Persönlichkeit war, die Fülle und die hohe Ausbildung seines Geistes, oder der Edelsinn und die Menschenfreundlichkeit seines Herzens, läßt sich kaum entscheiden. Je mehr Verdienst und Glück ihn hob, desto anspruchsloser und demüthiger wurde er, wovon die schönen Dankschreiben nach seinem Jubiläum den redendsten Beweis geben. Damit verband er einen hohen Sinn ächt christlicher Religiosität, und wahre Frömmigkeit, wie er sie an seinen großen Vorgängern, einem Boerhaave, Friedr. Hoffmann, Haller pries, war die Grundlage seiner wissenschaftlichen und sittlichen Bildung. Er war einer der edelsten Männer seiner Zeit und sein Name ist der Unsterblichkeit würdig.

    • Literatur

      Vgl. J. J. Sachs, Chr. Wilh. Hufeland. Ein Rückblick auf sein 70jähriges Leben und Wirken, beim 12. Aug. 1832, Berlin 1832. — Derselbe in seinem Medicinischen Almanach für das Jahr 1837. Nekrologische Erinnerungen, S. 39. — Fr. L. Augustin, Chr. Wilh. Hufeland's etc. Leben und Wirken für Wissenschaft, Staat und Menschheit (mit Portrait), Potsdam 1837. —A. de Stourdza, C. W. Hufeland. Esquisse de sa vie et de sa mort chrétiennes, Berlin 1837.
      E. Osann in Encyclopädisches Wörterbuch der medicin. Wissenschaften. Herausg. von den Proff. der medicin. Facultät zu Berlin. Bd. 17. 1838. S. 127. — A. Göschen, Chr. Wilh. Hufeland. Eine Selbstbiographie in Deutsche Klinik, 1863. Nr. 13—31, auch als Separat-Abdruck, Berlin 1863. — Hufeland's überaus zahlreiche litterarische Leistungen s. in Callisen, Medizinisches Schriftsteller-Lexikon. Bd. 9. 1832. S. 221; Bd. 29. 1841. S. 76.

  • Autor/in

    E. Gurlt.
  • Zitierweise

    Gurlt, Ernst, "Hufeland, Christoph Wilhelm" in: Allgemeine Deutsche Biographie 13 (1881), S. 286-296 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118554514.html#adbcontent

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