Lebensdaten
1695 – 1768
Geburtsort
Soignies (Hennegau)
Sterbeort
München
Beruf/Funktion
Architekt ; Hofzwerg bei Max Emanuel von Bayern
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118523104 | OGND | VIAF: 10118068
Namensvarianten
  • Cuvilliés, Jean François Vinzent Joseph de
  • Cuvilliés, François de (der Ältere)
  • Cuvilliés, François de
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Orte

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Zitierweise

Cuvilliés, François de, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118523104.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Nikolaus Hubert;
    1) 12.11.1730 Barbara Bloemaerts ( 1757), 2) München 5.2.1758 Carolina ( 1805), T des Jos. Ant. Freinhueber v. Dornwang, Regierungsrat in Landshut, u. der Anna Riedenauer;
    8 K aus 1), u. a. François d. J. (s. 2), Marianne ( 1765 Joseph Kunst [ 1778], Maler, s. ThB), 5 K aus 2).

  • Biographie

    1708 trat C. als Hofzwerg in den Dienst des Kurfürsten Max Emanuel von Bayern, der damals in Brüssel residierte. Mit 20 Jahren kam er mit dem Hof nach München, 1716 war er Dessinateur des Generalbaudirektors Graf von Wahl. Zum Fortifikationsoffizier bestimmt, wurde er am 4.2.1717 Fähnrich im Leibregiment und meldete sich nach bestandenem Examen für den ungarischen Feldzug (1717/18). Sein Gesuch wurde wegen seines körperlichen Mangels abgeschlagen. 1720 erhielt C. 1100 Gulden für seine weitere Ausbildung in Paris. Nachweisbar ist er dort vom 1.6.1720-30.3.1724; dort widmete er sich dem Studium der Architektur bei Fr. Blondel dem Jüngeren. Nach seiner Rückkehr (15.9.1725) wurde er in München zum Hofbaumeister neben J. Effner mit 600 Gulden ernannt. 1728 hielt er sich in Bonn beim Kurfürsten von Köln, Clemens August, zur Bauberatung für den Brühler Schloßbau auf (teilweise Arbeiten am Außenbau, innere Zimmereinrichtungen 1728-32). Seit 1730 führte er den Titel eines Kölner Truchsesses (Gentilhomme de bouche). Im gleichen Dienst erfolgte 1734 eine Reise nach Mergentheim, 1749 eine nach Kassel im Auftrag des Landgrafen Wilhelm von Hessen-Kassel. Der 2. Pariser Aufenthalt währte von Herbst 1754 bis Herbst 1755. „Wegen besonderer Erfahrung in der Baukunst“ wurde er 1758 Kammerrat, 1763 nach dem Tode J. Gunetzrhainers zum Oberhofbaumeister ernannt. Ein kaiserliches Privileg zur Drucklegung seiner Stiche hatte er 1738 erhalten.

    C. Leben wie seine Kunst stehen zwischen 2 Nationen, der deutschen und der französischen. Das Entscheidende an dieser Problemstellung aber ist, daß der für alles Künstlerische so aufgeschlossene bayerische Kurfürst Max Emanuel während seiner französischen Verbannungszeit das ungewöhnliche Talent dieses Wallonen erkannt, in nachdrücklicher Weise gefördert hat und ihn nach München übersiedeln ließ. Auch der in französischem Geschmack erzogene junge Kurfürst Karl Albert begünstigte C. auffallend; die unter der Herrschaft dieses Fürsten verbrachten Lebensjahre waren für ihn in beruflicher Hinsicht die erfolgreichsten und - wie es scheint - auch die glücklichsten. Der Sohn Karl Alberts, Max III. Joseph, besaß allerdings längst nicht mehr das große Kunstbedürfnis und -verständnis seiner beiden Vorfahren. Trotz mancher ungerechter Anfeindung blieb C. der Stadt München und ihrem Hof treu. Das Phänomen des bayerischen Rokoko ist trotz der vielfach sich überschneidenden und überkreuzenden Richtungen - man denke nur an die gleichzeitig arbeitenden Architekten Effner, Asam, die beiden Gunetzrhainer, Zimmermann und J. M. Fischer - ohne C. nicht erklärbar. Er ist der eigentliche Hintergrund und die letzte geistige Instanz dieser ganzen Schule; das gilt insbesondere für das Gebiet der Ornamentik, auf die aber hier nicht näher eingegangen werden kann.

    Aus der reichen Schatzkammer seiner phantasievollen, durch Stiche weit verbreiteten Entwürfe holten sich Architekten in gleicher Weise Anregungen wie Bildhauer, Altararchitekten, Stukkateure, Goldschmiede, Möbelschreiner, Kupferstecher und andere Kunsthandwerker Seine Bedeutung geht auch daraus hervor, daß die besten bayerischen Meister der Zeit, wie J. M. Fischer, J. B. Zimmermann, die Bildhauer J. Dietrich, Pichler, J. B. Straub, I. Günther und R. A. Boos mit ihm in direkter künstlerischer Verbindung standen. Außer seinem Sohn François der Jüngere haben fast ein Dutzend Stecher in München, Augsburg und Paris (De la Marçade, G. F. Blondel, Choffard und Pouleau) für ihn gearbeitet. Das große Ansehen, das er außer in Bayern auch in anderen Gegenden Deutschlands genoß, läßt sich aus der Tatsache ersehen, daß er von zahlreichen anderen Höfen und dem Adel - wie Braunfels sagt - als „Ratgeber, Sachverständiger in allen Fragen der höfischen Wohnkultur“ in Anspruch genommen wurde. So läßt sich die Tätigkeit C. außer für Kur-Köln, wo er die Oberaufsicht über die Bauten führte, auch für Alteglofsheim bei Regensburg (um 1730), Ansbach, Donaustauf bei Regensburg (Entwurf für ein nicht ausgeführtes Schloß für Fürstbischof Clemens Wenzeslaus), Dresden, Kassel, Mergentheim und laut Trautmann auch für Wien (1765?) nachweisen. Einen großen selbständigen Schloßbau auszuführen, blieb ihm freilich versagt, da er sowohl in der Münchener Residenz wie auch im Schloß Brühl nur größere Umbauten vornehmen konnte. Abgesehen von dem Holnstein- (dem späteren erzbischöflichen) Palais sind es in München vor allem drei Werke, die innerhalb des europäischen Rokoko eine Leistung von einmaligem Rang darstellen; die 1944 zerstörten (Innenausstattung zum Teil erhalten) Reichen Zimmer (1730–37) in der Residenz, die Amalienburg im Nymphenburger Schloßpark (1734–39), in der das höfische Ideal des Rokoko, das „Maison de plaisance“ in nicht zu überbietender Weise verwirklicht wurde, und das 1944 ebenfalls zerstörte (Innendekoration erhalten) prachtvolle Residenztheater (1750–53). Wenn man die ersteren als die Geburtsstätte des C.schen Rokoko bezeichnen darf und die Amalienburg als einen Höhepunkt, so ist das Residenztheater das reife Spätwerk dieses Meisters. Es geschieht seiner vielseitigen, schöpferischen Persönlichkeit kein Eintrag, wenn man hinzufügt, daß bei der Ausführung der ihm übertragenen Bauten in wahrhaft kongenialer Weise ihm die besten einheimischen Künstler und Kunsthandwerker zur Seite standen, auf Grund deren ausgezeichneten Leistungen erst seine Ideen verwirklicht werden konnten. Seine künstlerische Bedeutung kann nicht besser als mit den Worten Hauttmanns charakterisiert werden: „Fast im Mittelpunkt stehend, ist C. mit dem deutschen Rokoko nicht nur gebend, sondern auch nehmend aufs engste verwachsen.“

  • Werke

    Weitere W Architektur u. a.: Palais Piosasque de Non (nicht erhalten), München 1726 ff.;
    Jagdschlößchen Falkenlust b. Brühl, 1729 ff. (Innenausstattung 1737 vollendet);
    Grüne Gal., ebenda 1733;
    Umbau d. (in d. Fassade erhaltenen) Porzia-Palais München, 1731-36;
    Deutschordensschloß Mergentheim, 1734 ff.;
    Umbau d. Fugger-Palais (nachmalige Alte Ak.) München, 1741-45 (zerstört 1896);
    Schloß Wilhelmstal b. Kassel (erste Planung 1743?), 1753 ff.;
    Comödienhaus in Kassel, 1749 ff. (1778 abgerissen);
    Gal. ebd., 1749 f.;
    Umbau v. Schloß Haimhausen b. Dachau, 1747-50 (?);
    Arbb. f. Residenz Würzburg (Modell f. Schloßgarten, nicht erhalten), 1759;
    Entwürfe f. Stadt- u. Schloßanlage in Dresden, 1759 ff.;
    Kurfürstenzimmer (f. Max III. Joseph) Residenz München, 1760-61 u. 1762 ff.;
    Fassade d. Theatinerkirche St. Cajetan, München, 1765-68;
    Mitarb. bzw. Bauberatung b. d. Stiftskirche Schäftlarn, 1733–40, Diessen u. d. Michaelskirche München-Berg am Laim, 1738 ff. - Ornamente: Die 1. Folge d. unter versch. Titeln hrsg. Stiche seit 1738 in 30 Hh. zu je 6 Bl., die 2. von ca. 1745 ab in 20 Folgen zu je 4-7 Bl., die 3. in 24 Hh. (vorwiegend architekton.) ab 1756 zu je 4-6 Bl., teilw. Neuhrsg. u. Erg. durch d., v. s. S Fr. d. J. zusammengest., aber nicht vollst. Werk: Ecôle de l'Architecture Bavaroise, München 1770 ff. (Sammelwerk mit 311 Bll., s. 2).

  • Literatur

    Zur Architektur: ThB (L bis 1913);
    R. Paulus, Die Verlassenschaft d. Baumeisters C., in: Altbayer. Mschr. 11, 1912, S. 115-18;
    A. Feulner, Bayer. Rokoko, 1923, S. 31-43 u. Taf. vor 13, 14-24, 37. 47, 49-55, 63, 186;
    ders., Frühwerke v. David Röntgen, in: Münchener Jb., NF, 1924, S. 279 (üb. d. Schloßbau in Donaustauf);
    F. Bleibaum, Schloß Wilhelmstal u. F. de C. d. Ä., 1932;
    E. v. Renard, Schloß Brühl, d. Kurköln. Sommerresidenz Augustusburg, bearb. v. Fr. Gf. Wolff Metternich, 1934;
    W. Braunfels, F. de C., Ein Btr. z. Gesch. d. künstler. Beziehungen zw. Dtld. u. Frankreich im 18. Jh., Diss. Bonn 1937;
    N. Lieb, Münchener Barockbaumeister, München 1941, S. 17 mit Anm. 61, S. 221. - Zum Ornament: ThB (L bis 1913);
    P. Jessen, Das Ornament d. Rokoko u. seine Vorstufen, 1894, S. 15 u. 18 mit Abb. 11;
    ders., Der Ornamentstich, 1920, S. 274/75;
    ders., Das Ornament d. Rokoko im Ornamentstich, o. J., Taf. 66-72, 74, 75, 77;
    O. Götz, F. de C., Ein Btr. z. Gesch. d. süddt. Ornamentik im 18. Jh., Diss. Frankfurt 1921 (ungedr.);
    R. Berliner, Ornamentale Vorlagebll. d. 15.-18. Jh. II, 1926, Taf. 377-386 u. Textbd. S. 170 f.;
    J. Laran, F. C. (Les Grands Ornemanistes, Paris 1925 (fast vollst. Verz. d. Stiche);
    Kat. d. Ornamentstich-Slg. d. Staatl. Kunstbibl. Berlin, 1939, Nr. 121, 146, 170, 182, 2024, 2420, 3971;
    - Für Möbel-Entwürfe:
    A. Feulner, Eine Kommode nach Entwurf v. C., in: Festschr. E. W. Braun-Troppau, 1931, S. 167-69, mit Abb. 1-5.

  • Autor/in

    Gerhard Woeckel
  • Zitierweise

    Woeckel, Gerhard, "Cuvilliés, François de" in: Neue Deutsche Biographie 3 (1957), S. 452-453 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118523104.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA