Lebensdaten
1840 – 1913
Geburtsort
Köln-Deutz
Sterbeort
Passug (Kanton Graubünden)
Beruf/Funktion
Sozialdemokrat ; Politiker
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 118507893 | OGND | VIAF: 97092470
Namensvarianten
  • Bebel, August
  • August, B.
  • Bebel
  • mehr

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Zitierweise

Bebel, August, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118507893.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Johann Gottlob Bebel ( 1843), preußischer Unteroffizier;
    M Wilhelmine Johanna, T des Landwirts und Bäckers Simon in Wetzlar;
    Gvv Johann Bebel, Böttchermeister in Ostrowo (Posen);
    1866 Julie, T eines Eisenbahnarbeiters in Leipzig;
    1 T, Frieda ( Dr. Ferdinand Simon).

  • Biographie

    B., als Soldatenkind in einer Festungskasematte geboren, nach dem frühen Tod des Vaters in sehr bedrängten Verhältnissen zu Wetzlar aufgewachsen, erlernte nach dem Besuch der Armen- und Bürgerschule das Drechslerhandwerk. Von schwächlicher Konstitution, aber geistig ungeheuer regsam und lernbegierig, kam B. nach seinen Wanderjahren als Handwerksgeselle, die ihn durch Süddeutschland führten, 1860 fast zufällig nach Leipzig. Das wurde für ihn entscheidend. Diese Stadt war damals eine Mitte der|sich regenden Arbeiterbewegung mit liberalen Vorzeichen und ausgesprochenen Bildungstendenzen: Der junge B. nahm daran lebhaftesten Anteil, ab 1865 als Vorsitzender des Arbeiterbildungsvereins. Der preußische Verfassungskonflikt und Ferdinand Lassalles Auftreten politisierten die Atmosphäre: B.s politischer Beginn steht in der Gegnerschaft zu Lassalle - er vollzieht sich im Rahmen des Verbandes der deutschen Arbeitervereine, einer Schöpfung linksbürgerlicher Politiker, aber er führt dann, in der mit sozialistischer Theoretik und erster sozialpolitischer Praxis erfüllten Zeitspanne (Anfang der gewerkschaftlichen Organisation) zur Verselbständigung. 1867 wird der junge B. in den Norddeutschen Reichstag gewählt, als Vertreter der „Sächsischen Volkspartei“, neben ihm Wilhelm Liebknecht; diese improvisierte Parteibildung mochte als sächsischer Demokratismus gegen Bismarcks Militärpolitik erscheinen. Sie war nur kurzer Durchgang. Unter Liebknechts Einfluß vollzog sich B.s Entscheidung für die Marxschen Thesen, die das geistige Fundament der 1869 von B. in Eisenach mitbegründeten Sozialdemokratischen Partei wurden. Er blieb, dem „Intellektuellen“ Liebknecht rednerisch und in der geistigen Elastizität überlegen, bis zu seinem Ende ihr trotz mannigfacher interner Spannungen unbestrittener Führer, zumal im Reichstag, dem er ununterbrochen angehörte: bis 1877 für Glauchau-Meerane, bis 1883 für Dresden, dann für Hamburg. Als Drechslermeister führte er ein mühsames berufliches Leben - jene Zeit kannte noch nicht die Aufwandsentschädigung für Parlamentarier - erst seine späteren schriftstellerischen Arbeiten verhalfen ihm allmählich zu einiger Unabhängigkeit. An politischen Verfolgungen, zumal in der Frühzeit, fehlte es nicht; neben mehrfachen Gefängnisstrafen (Majestätsbeleidigung) steht der berühmt gewordene Hochverratsprozeß aus dem Jahre 1872, der B. und Liebknecht für zwei Jahre in die Festung brachte - er war angestrengt worden wegen des irgendwie greifbaren sozialistischen Broschürenmaterials und brachte B. wegen seiner dürftigen Begründung über seine Anhänger hinaus die Volkstümlichkeit des Märtyrers und zugleich die Muße von einem verhetzten Leben, die er zur ernsthaften Weiterbildung nutzte. Es hat etwas Großartiges und zugleich Rührendes, wie er das Gelernte weiterzugeben und zu gestalten bemüht war, so in den Schriften über den „Bauernkrieg“, über die „Frau und der Sozialismus“. Dieses Buch vor allem, 1883 erschienen, in Zehntausenden aufgelegt, in viele Sprachen übertragen, ist wichtig geworden, weil es, die Gesetze des „historischen Materialismus“ als gegeben nehmend, mit einer im Einzelstück rationalistisch argumentierenden Phantasie doch wieder zur Utopie kommt, die Marx verlassen zu haben glaubte.

    B. war mit dem gesprochenen Wort stärker als mit dem geschriebenen, mit seiner metallenen Stimme, die zu dem fast zierlichen kleinen Körper seltsam kontrastierte, eine rednerische Naturbegabung von höchstem Rang. In seinen Schriften steckt die gelegentlich pedantische Heftigkeit des Überredens, doch weicht sie in seinem Erinnerungsbuch einer ruhig gewordenen, manchmal schier behaglichen Gelassenheit. Die Bedeutung des Mannes mit seiner Typen und Gesinnungen bildenden Kraft für die sozialistische deutsche Arbeiterbewegung kann kaum überschätzt werden, im Positiven und im Negativen. Was ihm fehlte, war das Organ für die Kraft des Religiösen oder Metaphysischen, das ihm eben nur, im vereinfachten Schema, als gesellschaftliche Spiegelung erschien, bemerkenswert aber daneben der gegen alle theoretische Ansage wachsende Sinn für realistische Staatlichkeit: Der Soldatensohn lehnte den Militäretat ab, kämpfte aber für verständige Kriegsmonturen. Der Utopist erwartete mit Ungeduld den großen sozusagen gesetzlichen Wandel der Gesellschaft, arbeitete sich aber zugleich mit Geduld in die sozialpolitischen Spezialfragen ein, durch deren legislative Beantwortung die Lebenslage einer Arbeitergruppe gebessert werden könne. Er stellte sich wütend gegen den „Revisionismus“, der, von wichtigen Gewerkschaftsführern sachlich unterstützt, dem „Erfurter Programm“ seine Buchstabengültigkeit rauben wollte, er tat dies, um die Einheit der Partei zu sichern, zugleich aber begegnete er den theoretischen Gegnern in den gemeinsamen Einzelentscheidungen, und seine letzten Jahre waren, aus außenpolitischen Sorgen, gegen den doktrinären Radikalismus gewandt, den die eigene Lebenserfahrung hinter sich gelassen hatte. Persönlich liebenswürdig, uneitel und um seines reinen Menschentums willen auch bei den nicht böswilligen Gegnern geachtet, konnte er in seinen Kampfjahren leidenschaftlich wie ein Vulkan ausbrechen, wo er Unrecht und Gewalt witterte. Darin versank das Dogmatische, das er erlernt und geglaubt hatte.

  • Werke

    Zahlreiche Reden u. Flugschrr. in Einzelausgg., z. T. in vielen Aufl., u. a.: Unsere Ziele, 1870; Christentum u. Sozialismus, ²1875;
    Der dt. Bauernkrieg, 1876;
    Die Frau u. d. Sozialismus, Zürich 1883, zahlreiche Aufl., Jubiläumsausg. v. E. Bernstein, 1929;
    Charles Fourier, 1888, ⁴1921;
    Zur Lage d. Arbeiter in d. Bäckereien, 1890;
    Nicht stehendes Heer, sondern Volkswehr!, 1898;
    Aus meinem Leben, 3 T., 1910–14, neue Aufl. 1946| (mit Nachruf v. W. J. Lenin, zur Kritik: F. Mehring, in: Die Neue Zeit, Jg. 30, 1911/12, u. Gustav Mayer, in: Archiv f. Gesch. d. Sozialismus 2, 1911/12, dazu B. in: Die Neue Zeit, Jg. 30, 1911 bis 1912);
    Ausw. aus seinen Reden, eingel. v. K. Kersten, 1926;
    s. a. Gesamtkat. d. preuß. Bibl. XIV, 1939, Sp. 142-53 (nicht ganz vollst. Verz.).

  • Literatur

    Gustav Mayer, Die Trennung d. proletar. v. d. bürgerl. Demokratie in Dtld., in: Archiv f. Gesch. d. Sozialismus 3, 1912/13; F. Mehring, A. B., Persönl. Erinnerungen, ebenda 4, 1913/14;
    ders., Gesch. d. dt. Sozialdemokratie III-IV, 111921;
    H. Wendel, A. B., 1913, neue Ausg. 1948;
    F. Klühs, A. B., Der Mann u. sein Werk, 1923;
    K. Haenisch, A. B., 1923;
    Marx-Engels, Briefe an A. B., W. Liebknecht, K. Kautsky u. a., besorgt v. Marx-Engels-Lenin-Inst., Moskau 1933 ff.;
    H. Leeschner, A. B.s polit. Entwicklung während d. Leipziger Jahre, Diss. Leipzig 1952 (ungedr.); P. Kampffmeyer, in: BJ XVIII, S. 215-29 (u. Totenliste 1913, L);
    E. van den Boom, in: Staatslex. I, ⁵1926;
    eine brauchbare krit. Biogr. fehlt.

  • Porträts

    Holzschnitt v. G. Koch, in: Daheim, 1879, Beil. 2;
    Holzschnitt in: LIZ 84, 1885, S. 39.

  • Autor/in

    Theodor Heuss
  • Zitierweise

    Heuss, Theodor, "Bebel, August" in: Neue Deutsche Biographie 1 (1953), S. 683-685 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118507893.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA