Lebensdaten
1501 oder 1502 – 1556
Geburtsort
Gent
Sterbeort
Basel
Beruf/Funktion
Wiedertäufer ; Sektierer
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 104279850 | OGND | VIAF: 42273658
Namensvarianten
  • Joriszoon, David ('Georgs Sohn')
  • Brugge, Johann von (Pseudonym)
  • Johann von Brugge (Pseudonym)
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Zitierweise

Joris, David, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd104279850.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Joris (Georg), Krämer;
    M Maritgen de Gorter (hinger. 1538) aus Delft;
    Delft 1524 Dirtgen Willelms ( 1556);
    11 K, u. a. Clara (⚭ Joachim van Berchem, 1574, zog v. Flandern n. Basel, v. ihm stammen alle Berchem in d. Schweiz ab, s. HBLS), Anna ( Niklaus Meynertz aus Blesdijk).

  • Biographie

    Nach Ausbildung als Glasmaler und nach längeren Reisen im Auslande ließ sich J. in Delft nieder. 1524 trat er leidenschaftlich für die Reformation ein; als er 1528 eine Prozession störte, wurde er gefangengesetzt, die Zunge wurde ihm durchbohrt, und er wurde für 3 Jahre aus Delft verbannt. In dieser Zeit schloß er sich dem Täufertum an, mißbilligte aber die Gewaltanwendung in Münster. Auf dem Konvent in Bocholt 1536 bemühte er sich, die verschiedenen Richtungen der Täufer zu einigen. Während die Anhänger Ubbe Philips' und die Melchioriten sich von ihm abwandten, erkannten ihn schwärmerische Kreise als Propheten an und sammelten sich um ihn als gesonderte Sekte. 1536-38 gewann er Einfluß in Oldenburg und bemühte sich um die Täufer in Straßburg. Der Verfolgung 1538 fielen über 100 seiner Anhänger zum Opfer, selbst entging er immer dem Zugriff der Obrigkeit. Sein Anhänger Ketel aus Deventer wurde von ihm nach Marburg, zum Regensburger Religionsgespräch, zu Joh. Laski und Menno Simons geschickt. Noch stärker als durch das persönliche Wort wirkte J. durch seine zahlreichen Schriften, von denen „t'Wonderboek“ von 1542 das wichtigste ist. Die 2. Ausgabe des Wunderbuchs von 1551 ist durch weitere Prophezeiungen vermehrt. Es hatte durch seine dunkle Mystik und seine sinnlichen Bilder eine starke Wirkung. J.s Schriften sind sehr verworren; sie bieten allegorische Auslegungen, Aussagen über Gott und die kommende Herrschaft Christi. Sich selbst hält J. für Emanuel, den Propheten der letzten Zeit, dem das Königtum im nahen Reich bestimmt ist. Das Schriftprinzip lehnt er ab und verkündet stattdessen das innere Wort, d. h. einen ekstatischen Spiritualismus.

    Im Aug. 1544 erschien J. als reicher niederländ. Flüchtling in Basel. Als Johann von Brügge wurde er als Bürger in Basel aufgenommen, erwarb mit Hilfe der Schwiegersöhne ein kleines Schloß in Benningen, führte sich in kirchlicher Beziehung untadelig auf und trat zu Basler Patriziern in verwandtschaftliche Beziehungen. In seinen Schriften mahnte er seine Anhänger, sich äußerlich dem bestehenden Kirchenwesen anzuschließen.

    1553 trat J. für Servet in einer an die Städte der Schweiz gerichteten Schrift ein, auch setzte er sich mit Kaspar Schwenckfeld in Verbindung. Nur Castellio und der Hausarzt Jean Bauhin wußten um sein Geheimnis. Als J. starb, wurde er in der Leonhardkirche begraben. Erst nach 3 Jahren verriet sein Schwiegersohn Niklaus Meynertz den Basler Geistlichen den Sachverhalt. Es kam zum Ketzerprozeß im März 1559. J.s Leiche wurde exhumiert und verbrannt, ebenso seine Schriften und sein Bild. Die Angehörigen mußten Kirchenbuße tun. Seine Anhänger haben sich bis zum Ende des 17. Jh. in Holland und Ostfriesland gehalten. Einige seiner Schriften sind noch im 17. Jh. nachgedruckt worden.

  • Werke

    227 Schrr. sind bekannt, d. größte Slg. befindet sich in Amsterdam, Bibl. d. Doopsgezinden gemeente.

  • Literatur

    ADB 14;
    F. Nippold, D. J., in: Zs. f. hist. Theol. 33, 1863, S. 3-166, 34, 1864, S. 483-673, 38, 1868, S. 475-591;
    A. van d. Linde, D. J. Bibliogr., 1867;
    J. H. Maronier, Het inwendig woord, 1890, S. 173 ff.;
    F. Buisson, Sébastien Castellion II, 1892, S. 133 ff.;
    P. Tschackert, Entstehung d. luth. u. ref. Kirchenlehre, 1910, S. 457-60;
    R. H. Bainton, D. J., 1937, dt. v. H. Holborn, = Archiv f. Ref.gesch. Erg.bd. 6, 1937;
    P. Burckhardt, D. J. u. s. Gemeinde in Basel, in: Basler Zs. f. Gesch. u. Altertumskde. 48, 1949, S. 5-106;
    R. Stupperich, Anfang u. Fortgang d. Täufertums nach Ubbo Emmius, in: Nederlands Archief voor Kerkgeschiedenis NS 50, 1969, S. 28-55;
    HBLS (P).

  • Porträts

    Stich (Bern, Schweizer Landesbibl.), Abb. in HBLS;
    Gem. v. J. van Scotel (Basel, Mus.).

  • Autor/in

    Robert Stupperich
  • Zitierweise

    Stupperich, Robert, "Joris, David" in: Neue Deutsche Biographie 10 (1974), S. 608-609 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd104279850.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Joris: David J. (eig. Joriß, d. h. Joriszoon, Georgs Sohn) ist im J. 1501 oder 1502 zu Delft in Holland geboren; seine Eltern waren Joris de Koman (d. h. Georg der Kaufmann oder Krämer) und Maria de Gorter. Das nicht unbedeutende Zeichentalent des Knaben führte ihn auf die Erlernung der Glasmalerei, sodaß er u. A. im J. 1522 auf Kosten der Zünfte für die Hauptkirche zu Enkhuizen (Nordholland) etliche Fensterscheiben malte. Der Maler Arnold Houbraken berichtet in seiner (holländisch geschriebenen) Großen Schaubühne der niederländischen Maler: „Noch heute (1718) bewahren Liebhaber Zeichnungen von seiner Hand. Vier solcher Handzeichnungen besaß der Kunstfreund Jacob Moelaart zu Dordrecht: die Findung des Moses, die Darstellung des gelobten Landes, Petrus empfängt die Himmelsschlüssel und der Hauptmann über Hundert. Sie sind mit der Feder gezeichnet, mit dem Pinfel ausgeführt und erinnern in der Behandlung an Lucas van Leiden.“ 1524 heiratete er Dirckgen Willems (Theodorica Guilielmi) zu Delft. Die religiöse Gährung seiner Zeit ergriff ihn gewaltig; mit brennendem Eifer richtete er seine offenen Briefe wider „die falschen Heuchler, Mönche und Pfaffen, den Antichrist (den Papst) und den weißen Gott“ (das Sacrament). Als er 1528 sogar persönlich gegen eine Procession mit der Hostie auftrat, wurde er eingezogen, auf einem|Schaffot gegeißelt, man durchbohrte ihm die Zunge und verbannte ihn auf drei Jahre aus der Stadt. Von da an schwebte J. fortwährend in Lebensgefahr. Die nie rastenden Verfolgungen beschleunigten nur seinen Uebertritt zum Anabaptismus, nur blieb er ein entschiedener Gegner der Münster’schen Partei. 1536 bekam er Visionen und glaubte seitdem an seine unmittelbare Erleuchtung und an sein Prophetenamt. Er vertrat die bekannte Mystik der drei Weltalter im Gottesreich, die im jüdischen Tabernakel vorgebildet sein sollten: 1) der Vorhof = Periode des Alten Bundes (Gott-Vater); 2) das Heilige = Periode des Neuen Testamentes (Gott-Sohn); 3) das Allerheiligste = Periode des heiligen Geistes. J. war der Prophet dieser neuen Offenbarung, der geistige Christus David, im Gegensatz mit dem (noch fleischlichen) Christus Jesus, mit dem (das blos äußerliche) Wort und Sacrament aufhören sollten. Im J. 1544 zog J. mit Weib und Kindern nach Basel, und lebte dort unangefochten bis 1556; er führte den Namen Johann (auch dieser Name war ihm als Kind beigelegt worden) von Brügge (diese Stadt war der Geburtsort seines Vaters). Indem er in Basel unerkannt lebte, blieb er schriftstellerisch thätig, denn sein Anhang war zahlreich und weit verbreitet; viele der „Joristen", auch seine eigene Mutter (schon 1538) bewährten ihren Glauben als Märtyrer. Joris' Schriftstellerthum, ausschließlich in holländischer Sprache, umfaßt den Zeitraum 1529—1556. Seine zahlreichen Schriften, die den ungenannten Druckern öfter gefährlich wurden, enthalten Lieder, Inspirationen, Ermahnungen zu einer mystischen Ascese (die Polygamie nicht ausschließt), allegorisirende Schrifterklärungen etc. — sind aber alle miteinander weitschweifig, ermüdend, langweilig, sehr wenig geistreich. Für sein Hauptwerk erklärt er selbst das „Wunderbuch“ (1542 und 1551 gedruckt) „in dem offenbart wird, was von der Welt Anfang verschlossen war“. Schöner als der unendliche Wortschwall (die zweite Ausgabe bildet einen stattlichen Folianten), sind darin ein paar sinnliche Zeichnungen von J. selbst, u. A. das Bild „des neuen himmlischen Adam, des wahrhaften Gottesmannes“ (= David Joris). Ein zweiter Foliant, „Das Buch der Schöpfungen“, enthält eine phantastische Erklärung der mosaischen Schöpfungsgeschichte. Drei Jahre nach seinem Tode, 1559, wurde der Sektenstifter von einem Schwiegersohn bei der evangelischen Geistlichkeit zu Basel denuncirt, auf Befehl der Obrigkeit (unter Anwendung jüdischer und römischer Gesetze) wieder ausgegraben und sein Leichnam vom Henker verbrannt. Noch ein Jahrhundert später wurden „Joristen“ in Holstein verfolgt.

    • Literatur

      Vgl. meine Studien im Bibliophile belge, 1865, p. 137, 158; 1866 p. 129 ff. — 57 Schriften über David Joris und über 250 Schriften von ihm habe ich in meiner bibliographischen Monographie David Joris (Haag 1867, gr. 8.) zusammengestellt; ein Zusatz von Emil Weller findet sich im Serapeum 1869, S. 253.

  • Autor/in

    v. d. Linde.
  • Zitierweise

    Linde, Antonius van der, "Joris, David" in: Allgemeine Deutsche Biographie 14 (1881), S. 532-533 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd104279850.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA